Buchrezensionen in em der Jahrgänge 1985-2014

Abdullah, Muhammad Salim. Islam für das Gespräch mit Christen. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Mohn, 1992.

Der Autor dieses Buches ist ein Mann von beeindruckender Kompetenz: Journalist, Fach­referent für Islam, Leiter des Zentralinstitutes Islam-Archiv-Deutschland, Vertreter des islamischen Weltkongresses in der BRD und bei den Vereinten Nationen, sowie Mitglied des Exekutivrates des Kongresses. Darüberhinaus muß man ihm das Zeugnis ausstellen, sowohl ein Kenner des Islam als auch der deutschen religiösen Mentalität zu sein.

Wie der Titel richtig aussagt, soll das Buch Christen ein neues Verständnis für den Islam ermöglichen. In oft rührender Weise und mit fähiger Feder schildert der Autor den, wie er meint, mißverstandenen Islam und seine Glau­benslehre. Der im Qur’an, den Hadithen (Tra­ditionen) und dem Islam als Religion unbe­wanderte Leser wird, zumal wenn er das Gelesene mit den allgemein bekannten Prakti­ken der Volkskirche vergleicht, sicher von dem Inhalt des Buches tief berührt sein.

Der erste Teil des Buches schildert kurz und eindrucksvoll aus islamischer Sicht seine Of­fenbarungslehre, Propheten, Buch und Glau­benslehre. Im zweiten Teil entwickelt Abdullah die islamische Polemik gegen den christlichen Glauben. Dies geschieht mit Einfühlungsver­mögen und Verständnis. Mit viel Geschick versteht es der Autor, den Islam und seine Lehre und Praxis dem Westler nahezubringen. Wo offensichtliche Tatsachen gegen den Islam sprechen, wendet er sich auch offen dagegen, was die Glaubwürdigkeit des Buches nur noch festigt. Blauäugig erklärt er beispielsweise den „heiligen Krieg“ und wendet sich mit einer sehr schwachen Exegese sowohl gegen die Lehre als auch die geschichtlichen Tatsachen. Obwohl Abdullah seiner Dialogbereitschaft wiederholt Ausdruck verleiht, geht er seinerseits keinen Kompromiß ein. Entschieden lehnt er die Gött­lichkeit und Gottessohnschaft Jesu, seinen Kreuzestod und damit die biblische Heilslehre ab. Natürlich wird auch die Bibel in Frage ge­stellt, wo sie nicht mit dem Qur’an überein­stimmt - und das leider bei allen wesentlichen Aussagen. Trotz gegenteiliger Beteuerung ist dieses Buch klar anti-biblisch und wohl die beste Werbung für den Islam, die mir bekannt ist.

Gerhard Nehls, em 1993-2.

Abraham, K. C. und Bernadette Mbuy-Beya (Hg.). Spirituality of the Third World, Orbis Books: Maryknoll, 1994.

Es ist das Verdienst von Orbis Books, jeweils die regionalen Tagungen und Vollversamm­lungen der 1976 gegründeten „Ökumenischen Vereinigung von Dritte-Welt-Theologen“ (Ecu­me­nical Association of Third World Theolo­gians - EATWOT) zu dokumentieren. Vorlie­gender Band gibt die „papers and reflec­tions“ der 3. Vollver­sammlung vom Januar 1992 in Nairobi wieder. Kennzeichnend für die theolo­gische Arbeit ist der ganzheitliche An­satz, der persönliche Frömmigkeit, Einsatz für Freiheit und Gerech­tigkeit, Kampf gegen Ar­mut und Unterdrüc­kung und die daraus resul­tierende Theologie als Einheit sieht. „Der Schrei der Dritten Welt ist der Schrei nach Le­ben“ (2). Hierauf muß Frömmigkeit und Theologie rele­vante Ant­worten geben. Stim­men aus Latein­amerika, Afrika und Asien re­gen zum Nach­denken an.

Dr. Johannes Triebel, em 1997-1.

Adegbola, E.A.Ade. Traditional Religion in West Africa. Daystar Press: Ibadan, 1983.

Das vorliegende Buch enthält eine Samm­lung von Aufsätzen verschiedener Autoren über die traditionellen Religionen West­afrikas. Unter drei Hauptpunkten ‑ Reli­giöse Persönlichkeiten, Funktionen der Re­ligion, Religionssysteme ­‑ finden wir eine Fülle von Informationen. Man liest über Priester, Riten und Feste, Moralfragen, My­thologien, Symbolismus, afrikanische Vor­stellungen vom Menschen und von Gott, um nur einige Themen zu nennen. Für an In­formationsmaterial über traditionelle afri­kanische Religionen Interessierte ist dieses Buch eine wahre Fundgrube. Das unter­scheidende Merkmal dieses Buches besteht aber darin, daß es nicht nur die sonst übli­chen Beschreibungen enthält. Einige der Autoren machen den Versuch des Vergleichens, Erklärens und Interpretierens der traditionellen Religionen.

Der Herausgeber schreibt folgendes dazu: „Die meisten Studien über traditionelle Re­ligionen aus der Sicht des Missionars ten­dieren in erster Linie dazu, Beschreibungen zu sein. Dies wächst (neben der Bequem­lichkeit) aus der Priorität der phänomenologischen Methode heraus. Es ist der Vorteil dieser Methode, daß Methoden der Feld­forschung der Sozialanthropologen daraus entwickelt wurden. Während Beschreibun­gen notwendig sind, sind sie offensicht­lich nicht immer ausreichend. Erklärungen und Interpretationen müssen eingebracht werden. Gerade aber dies ist die schwierig­ste und empfindlichste Aufgabe.“

Langjährige Erfahrung zeigt, daß der Haupt­grund der Faszination der Afrikaner durch
ihre traditionellen Religionen gerade hier zu suchen ist. Heute haben wir in Afrika ein großes Fragen danach, ob die Katego­rien, die Denkweisen und die Weltanschau­ung, die in ihren Religionen zum Ausdruck kommen, in das Bild der biblischen Offen­barung eingefügt werden können. Neue afrikanische Theologien, Splitterkirchen und eigenständige christlich-traditionelle Gruppen zeugen von diesem Verlangen.

Für uns sind diese Entwicklungen eine Her­ausforderung in dem Sinne, daß wir begin­nen müssen, die religiöse Umgebung und Herkunft unserer afrikanischen Brüder zu verstehen. Einmal müssen auch wir zu ei­nem neuen Verstehen der traditionellen afrikanischen Religionen kommen. Zum andern müssen wir uns der Wichtigkeit bewußt werden, daß eine gründliche, klare und zweckmäßige biblische Theologie für Afrika entwickelt werden muß. Hier kann das interpretierende Raster nur die Bibel sein.

Das vorliegende Buch mit seinen Beschrei­bungen, Erklärungen und Interpretationen des westafrikanischen religiösen Denkens kann man darum jedem empfehlen, der die Seele unseres afrikanischen Bruders und Mitmenschen kennenlernen und verstehen will.

Battermann, em 1988-1.

Adeney, Miriam. Daughters of Islam: Building Bridges with Muslim Women, Downers Grove: Intervarsity Press, 2002.

As an anthropologist and a Christian, Miriam Adeney comes to the issue of Missions among Muslim women with a particular sensitivity and insight. However, her interest in understanding the cultural and anthropological aspects of Muslim women’s lives does not deter Adeney from a firmly grounded missiology. The result is a book which draws heavily on the real life stories of women from across the Islamic world who have come to believe in Jesus as more than a mere prophet balanced by firmly grounded missiological insights.

Adeney begins her book with the Biblical accounts of Hagar, from whose son the Muslim world would trace their genealogy, encountering God’s merciful, loving presence in the midst of hardship. From this moving story, Adeney asserts the love of God for Muslim women, and the clear call to give a compassionate witness to the hope of Christ.

In a time in history in which there is a tendency in the West to wrongly stereotype Muslim women as forcefully veiled, repressed, uneducated and oppressed, Adeney paints the extremely varied experiences of Muslim women in her chapter ‘Every Woman is an Exception.’ Through several chapters, she tells the stories, albeit at times in a somewhat unrefined literary style. Nevertheless, she manages to communicate the realities of women from both lower and upper class, from religious as well as nominal Muslim upbringing, from such varied countries as North Africa, Southeast Asia, the Middle East, and Iran, pinpointing the particular cultural issues that are most prevalent in each area. At the same time she acknowledges later the most crucial objections to preconceived and often false notions of ‘Christianity’ that tend to be widespread in the Islamic world and which most Muslim women, regardless of their specific cultural identity share in common. She goes on to outline strategies and approaches that take into consideration these preconceptions. 

She underlines the importance of a culturally contextualized yet biblically sound witness through firmly built friendships and trust, speaking into areas of their lives that concern them as opposed to wielding a particular rhetoric. However, she does not refrain from sharing accounts in which despite flawed witnesses, Muslim women came to believe.

In the end, it becomes clear through the accounts of women who came to Christ through the loving witness of believers, through painful life experiences, through dreams and visions, that God has unlimited means to draw the hearts of Muslim women. With or without us, He will stir the hearts of the hungry to seek Him and as promised in scripture ‘those who seek, shall find.’ And yet, Adeney gives us cause to recognize the part we may be privileged to play in prayer, authentic friendship, acts of kindness, and being prepared to give an answer to the hope that we have.

In the preface of her book, Adeney states that her aim for the book is ‘to educate about important parts of Muslim women’s lives. To elucidate some mission strategies…and to encourage.’ It is clear that she has managed to do just this. For those who are just stepping foot into the arena of missions among Muslim women, it is an insightful and helpful tool. For many of us who have been walking with our Muslim friends and long for them to be our sisters in faith, it is encouraging to read the accounts of those women who have heard the call of Christ and responded. It reminds us that although the way may be long and narrow, we must persevere in patient and faithful prayer and witness.

Lisa Dik, em 2006-2.

Albrecht, Rainer. Eine Trommel allein singt kein Lied. Evangelische Predigt in Nord­west-Tanzania. Erlangen: VELM, 1996.

Fast 30 Jahre nach Beginn seiner Forschungen veröffentlicht Rainer Albrecht hier seine Dok­torarbeit. Durch die Hinzufügung unkommen­tierter Predigten der frühen 90er Jahre versucht er, die zeitliche Verzögerung zu überbrücken. Überhaupt nehmen die jeweils vollständig wie­dergegebenen Predigten gut ein Drittel der Ar­beit ein. Das ermöglicht dem Leser, den erfri­schenden Untersuchungsgegenstand unmittel­bar auf sich wirken zu lassen. Zahlreiche Ne­benbemerkungen Albrechts zum Umfeld er­weisen sich als außerordentlich hilfreich. Hier spürt man den intimen Afrikakenner heraus.

In der Einzelkritik findet der originelle, bei­spielreiche Predigtstil sein uneingeschränktes Lob. Die afrikanische Eigenart der Frage des Predigers, die auf eine Antwort der Gottes­dienstbesucher wartet, würdigt Albrecht aus­drücklich mit dem Untertitel seines Buches „Dialogisches Geschehen in einer Kultur der Oralität“. Ein echter Austausch kann eine Pre­digt aber nicht sein. Das Stilmittel wird wohl eher zur Erhöhung der Spannung und Einbin­dung der Zuhörer eingesetzt.

In der streckenweise begeisternd treffsiche­ren theologischen Bewertung entdeckt Albrecht Defizite, benennt aber leider auch den Pietis­mus der Missionare sowie die ostafrikani­sche Erweckungsbewegung als Hauptimpuls­geber „verkürzten“ theologischen Denkens. So be­rechtigt seine Kritik in vielen Punkten sein mag, reflektiert sie oft nur seine eigene theolo­gische Vorliebe wie im Falle Christologie vs. quietistischer Jesulogie. Welch ein Segen, daß die Lutheraner Jesus verkünden! Da gibt es in Tansania durchaus anders gelagerte Fälle.

Ein kleiner Wunsch am Rand: Die beige­fügte Landkarte mit den unleserlich klein ge­druckten Ortsnamen wäre durch eine Hervor­hebung der im Buch erwähnten Predigtorte entscheidend aufgewertet worden.

Winfried Schwatlo, em 1997-4.

Ali, Michael Nazir. Frontiers in Muslim-Chri­stian Encounter. Oxford: Regnum Books, 1991.

Der Generalsekretär der CMS und frühere Bi­schof der „Church of Pakistan“ greift in diesem Buch die wichtigsten theologischen und mis­siologischen Themen für eine Begegnung von Christen und Muslimen auf, u. a. die Lehre von Gott und die Christologie im islamischen Kontext, die Bedeutung der Heiligen Schrift, Ganzheit im Evangelium, Kontextualisierung und Evangelisation, Glaube im Dialog, die Kirche und die sozial-politischen Ordnungen. Nazir Ali als Insider vermittelt hilfreiche und praktikable Einsichten.

Eine Studienanleitung zu Themen der Lehre, theologischen Charakteristika und Titeln (Namen) und ein Personen- und Sachindex sind angehängt.

Klaus Brinkmann, em 1997-4.

Ali, Othman & Hassan Samir. Islamische Kräfte und Gemeinde Jesu. 1991. & Wolfgang Zschaler; Othman Ali (Hg.). Gesprengte Brücken. Muslime wählten Jesus. 1992.

Der jüngste Golfkonflikt hat viele Fragen auf­geworfen und neue Feindbilder geprägt. End­lich gibt es ein christliches Buch, das die Fron­ten nicht verhärtet, sondern Verständnis zu wecken versucht. Das Besondere an dem Buch ist, daß seine Autoren, aus dem Islam kom­mend, eine klare Bekehrung zu Jesus Christus vollzogen haben. Sie schreiben aus eigenem Erleben des Islam und aus fundierter Kenntnis der politischen Entwicklungen und der christli­chen Missionsarbeit in der islamischen Welt: Entstehung und Ziele des islamischen Funda
mentalismus werden dargestellt. In einer sorg­fältigen Studie wird das islamische Menschen­rechtsverständnis analysiert und mit dem west­lichen verglichen. Ursachen und Auswirkungen der Golfkrise werden beleuchtet. Die Autoren setzen sich auch mit der Situation Israels und den damit verbundenen heilsgeschichtlichen Fragen auseinander. Alle diese Aspekte werden immer wieder in Beziehung gesetzt zur Gemeinde Jesu, zur missionarischen Arbeit und zur Situation der Konvertiten. Ein interessantes Kapitel ist dem Thema „Kolonialismus und missionarischer Auftrag“ gewidmet. An der Ernsthaftigkeit der Missionare hegen die Auto­ren keinen Zweifel, doch der Unterschied zwi­schen Absicht und Ausführung des Anliegens wird klar herausgestellt: „Missionare lebten in der Regel nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich in zu großem Abstand von den Ein­heimischen. Sowohl das Wohnen als auch der mitmenschliche Umgang geschahen aus dieser Distanz heraus“ (67). Leidenschaftlich wird zu mehr partnerschaftlicher Zusammenarbeit auf­gerufen und davor gewarnt, aus einem Konver­titen die Kopie eines westlichen Christen machen zu wollen. Fazit: fundiert, engagiert und gut präsentiert.

Die zweite Neuerscheinung Gesprengte Brücken füllt eine echte Informationslücke. Den fünf Erlebnisberichten von ehemaligen Muslimen sind fachkundige Erläuterungen des Islams aus der Feder Othman Alis angefügt. Dadurch gewinnt der „westliche“ Leser ein tieferes Verständnis, das notwendig ist, um die Situation von Konvertiten, besonders nach der Bekehrung, zu verstehen. Sehr einfühlsam werden die Leiden und Anfechtungen der Konvertiten beschrieben, unter anderem in ei­nem Gedicht. Aber auch der Trost und die Stärkung des Glaubens durch Jesus tritt deut­lich hervor. Dieses Buch zeigt deutlich, daß sich die Mühe der Mission unter Muslimen lohnt, und Gott in der islamischen Welt seine Gemeinde baut.

Reinhard Born, em 1993-2.

Al-Sain, Johanna; Ernst Schrupp. Ich kämpfte für Allah. Eine Frau auf der Suche nach der Wahrheit. Brockhaus/Oncken: Wuppertal/Zürich, 2000.

Johanna wächst in einem christlichen Eltern­haus auf, findet jedoch nicht zu einer persönli­chen Beziehung zu Jesus Christus. Antworten auf ihre Fragen scheint sie im Islam zu finden, zu dem sie auf der Suche nach Wahrheit kon­vertiert. Sie setzt sich ganz in einer politisch aktiven islamischen Gruppierung ein, betreibt Mission und Schulungsarbeit und macht sogar die Wallfahrt nach Mekka, wird aber bei ihrem Aktivismus für den Islam wie in zwei Ehen mit Muslimen immer tiefer enttäuscht. Als sie kei­nen Ausweg mehr sieht, findet sie zum leben­digen Glauben an Jesus Christus.

Zwei Exkurse erläutern Hintergründe und ver­mitteln Wissen über den Islam als Religion, politisches System und Kultur, sowie über grundlegende Unterschiede zwischen Islam und christlichem Glauben. Nur selten wird an­dernorts so deutlich auf die Versäumnisse des christlichen Abendlandes in der Begegnung mit Muslimen und dem Islam hingewiesen (Verabschiedung vom christlichen Glauben, Entkirchlichung und Säkularismus, Pluralismus und Sinnleere).

Ein authentischer Bericht, der auch Einblick in die „Schwächen“ des Islam vermittelt (statt Heilsgewißheit Werkgerechtigkeit, statt Ver­änderung des inneren Menschen Aktivismus und Druck, statt Seelsorge an Zweifelnden Verfolgung von Abgefallenen).

Dr. Christine Schirrmacher, em 2000-2.

Alvarez-Cineira, David. Die Religionspolitik des Kaisers Claudius und die paulinische Mission. Herders Bibl. Studien 19, Freiburg: Herder, 1999.

In dieser umfangreichen Studie will der Verfasser Aspekte der paulinischen Mission auf dem Hintergrund der zeitgenössischen kaiserlichen Religionspolitik erklären. Im ersten Teil (10-224), untersucht A-C daher die Hinweise auf die Religionspolitik des Kaisers Claudius (41-54 n. Chr.), deren Auswirkungen für die ur-christl. Mission schon an Apg 18.1-3 deutlich werden. Nach einer Übersicht über die vorhandenen Quellen zeichnet A-C die Haltung des Kaisers zur römischen Religion, zu fremden westlichen Religionen, zu verschiedenen griechischen Kulten, zu orientalischen Religionen und zu den Juden nach (knapp: „… Anstrengungen für eine Wiederbelebung des altrömischen Kults neben reichsweiter Toleranz gegenüber anderen Religionen, falls diese keine Gefahr für die Pax Romana darstellten“, 411).

Nach einführenden Beobachtungen und Darstellung der ersten Periode paulinischer Mission (226-59), wendet sich A-C im zweiten, allgemein der paulinischen Mission gewidmeten Teil zunächst dem erwähnten Claudiusedikt zu als einem Faktor für die Verschlechterung der Verhältnisse zwischen Juden und Christen (260-90). Das Christentum war ein möglicher, auch politischer Unruhefaktor innerhalb des Judentums und somit angesichts der hier empfindlichen kaiserlichen Religionspolitk bedrohlich. Nach dem kaiserlichen Edikt stellten die Christen eine politische Gefahr für das Überleben der Juden dar, was die Härte der Auseinandersetzung erklären mag. Auf diesem Hintergrund versteht A-C die Konflikte mit den Juden und deren Vorgehen gegen Christen in Thessalonich (Apg. 17.6f, 1 Thess 2.14-16). Ferner sieht A-C das Claudiusedikt als den Auslöser der christlichen anti-paulinischen Mission, die sich in den Gegnern in Galatien und im Philipperbrief zeigt (291-340). Die judenchristlichen Massnahmen gegen Paulus, opportunistisch und politisch motiviert, gehen auf diese Reaktion des Judentums gegen das Christentum in der Diaspora zurück. Die Gegner wollten verhindern, dass sich die von Paulus geprägte christliche Bewegung (ohne Gesetz und Beschneidung) als eine vom Judentum getrennte Religion darstellte und somit die bisher genossenen (jüdischen) Privilegien verlieren und zum collegium illicitum erklärt werden würde, was für alle Gemeinden schwerwiegende Folgen hätte haben können. Wenn A-Cs Überlegungen stimmen, wäre dies ein weiterer Hinweis auf die Datierung und die Empfänger des Galaterbriefes.

Abschließend wendet der Verfasser die im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse auf „Paulus und die Christen in Rom“ an (Entstehung des Christentums in Rom und Zustand der Gemeinden nach dem Claudiusedikt sowie die Darstellung des Römerbriefes, vor allem die in 16.17-20 und 13.1-7 gegebenen Hinweise). A-Cs Studie zeigt erneut, dass die Kenntnis und Berücksichtigung der politischen und religionspolitischen „Grosswetterlage“ für ein Verständnis von Wesen und Verlauf der urchristl. Mission interessante Hinweise bereithält. Paulus bewegt sich auch hier nicht in einem luftleeren Raum, sondern wurde mit Zwängen und Umständen konfrontiert, die dem Evangelium gemäss zu meistern waren. Das Verhalten des Paulus und seine Äußerungen angesichts dieser Umstände, zu denen sich moderne Parallelen finden lassen (Verleugnung des Evangeliums, um möglichen Verfolgungen zu entgehen), können auch heutigen Missionaren und missionarischen Gemeinden Wegweisung bieten.

Dr. Christoph Stenschke, em 2002-4.

Anania, Valeriu. Bilder vom Reich Gottes. Metzingen: Verlag Sternberg, 2002

Im Zentrum der fünf Themenbereiche, die augenblicklich durch eine Sonderkommission des ÖRK untersucht werden sollen, steht das Kirchenverständnis. Die einzelnen christlichen Denominationen fordern mehr „eigenes Profil“; sie vergessen, dass in der gegenwärtigen globalen Auseinandersetzung der Religionen Christen sich durch ihr gemeinsames Zeugnis für das Evangelium von Jesus Christus über alle Grenzen hinweg profilieren müssen. Das christliche Profil ist das von Jesus verkündigte Reich Gottes.

Das schöne Buch von Valeriu Anania, Bilder vom Reich Gottes erscheint zum rechten Zeitpunkt. Wir finden darin hervorragende Bilder mit tiefsinnigen Erklärungen zu 59 Ikonen und Fresken aus 16 Klöstern und Kirchen Rumäniens. Die „kunstvolle und tief greifende Auslegung bedeutender Ikonen und Fresken durch den Schriftsteller, Dichter und Bibelübersetzer Valeriu Anania“ (Landesbischof G. Maier im Vorwort) fördern das orthodoxe Glaubensverständis und die Tiefe seines theologischen Denkens.

Der „wahrhaft europäische Patriarch“, Valeriu Anania, wurde durch den reichen geistlichen Schatz seiner südlich von Hermannstadt (Sibu) gelegenen Heimat als Kind und später als Mönch geprägt. Er entwickelte sich im Laufe seiner über 80 Lebensjahre zum Meister einer „Theologie der Nuancen“. Die Fotografien verdanken wir Victor Bortas, Lehrer für Fotografie und freischaffender Künstler. Leider sind einige Bilder nur mit Hilfe einer Lupe richtig erkennbar.

Der Anhang, „Von Württemberg nach Rumänien“ (S.80-87), rundet den Bildband ab mit einer kurzen Würdigung von Valeriu Anania als „ökumenischen Brückenbauer“ und einer „Gemeinsamen Erklärung“ zwischen der rumänischen Erzdiözese und der Evangelischen Landeskirche in Württemberg ( S.86-87).

Die hinter den Bildern vom Reich Gottes stehende biblische Theologie wird im an Plato erinnernden Dialog zweier fiktiver Gestalten, des älteren Erzpriesters Bartolomeu und des jüngeren Valeriu erklärt. Sie geben die Stichwörter zur Entschlüsselung der Geheimnisse der Fresken und Ikonen in Klöstern der Olteria, dem südlichen Teil Rumäniens. In Deutschland ist dieses Gebiet unter dem Namen Walachei bekannt.

Die Konzentration auf wenige Bildmotive läßt die „theologische Tiefe“ zum Vorschein kommen; sie ist in diesem Band wichtiger ist als das „kunsthistorische Interesse“.

Die Ikone (Bild) hat ihren Ursprung in der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus und ist nach Gregor von Nyssa „ein mit Farbe geschriebenes Evangelium“ (S. 12). Neben Christus, dem Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt und der Gottesmutter Maria, sind die Heiligen Bildgegenstand. Sie reichen von Nikanor, über Georg, den Drachenkämpfer, bis zu den großen Philosophen (S.12- 33). Der Held ist wichtig als Sieger und Symbol der Fürbitte. Die Schlange, Symbol des Teufels, wird mit dem „Hinabgestiegen in die Hölle, um die Ketten der Gefangenen zu lösen“ in Verbindung gebracht. Die Auferstehung wird zur Handlung. Christus hebt Adam und Eva aus den Gräbern; der in Ketten gefesselte Teufel wird vom Engel an seinen Hörnern hinabgedrückt (Fresko- Ikone der Klosterkirche Clocociou, S.16).

Die Ikone spielt eine gottesdienstliche Rolle. Die Ikonostase als Altarwand erinnert an den Vorhang des jüdischen Tempels, der das Heilige vom Allerheiligsten trennt und zerriss als Jesus am Kreuz starb. Die Bilderwand vereinigt Malerei und Holzschnitzkunst. Erst nachdem das 7. Ökumenische Konzil von Nizäa (787) den langen Bilderstreit in der Orthodoxie beendete, holten die Gläubigen ihre Ikonen wieder aus ihren Verstecken hervor und reihten sie aneinander vor der Altarschranke.

So wird die Ikonostase zum Buch für Analphabeten, wie der große Missionspapst Gregor der Große es einmal formulierte. Vorbilder waren die ersten byzantinischen Zeichnungen und Malereien biblischer Texte. Mittelpunkt ist die Königstür mit dem Heiland der Gottesmutter, meist gefolgt von den Schutzheiligen der Kirche. Die Ikone unterscheidet sich von anderen Bildern dadurch, dass sie Teil der göttlichen Liturgie ist.

Die Ikonostase ist eine „durchscheinende Wand“ (S.27); die Deesis- Ikone „ist die vollkommenste bildhafte Darstellung für das Symbol Jesse“ (S.27, Bild 14): „Christus, du bist der Sproß aus Isais Wurzel und dessen Blüte“. Das zeigt der Eucharistische Christus der Fresko- Ikone im Refektorium des Klosters Hurezi (Bild 15, S.28) wunderbar. Isai und Abraham (Bild 13, S.26) erreichen gleichsam kosmische Proportionen. Der Weinstock ist Metapher für die Idee der Einheit zwischen Christus und der Kirche, die aus der Eucharistie entsteht. Aus der Wunde des Lanzenstosses am Kreuz erwächst ein Weinstock (Fresko-Ikone der Apostel-Kapelle in Hurez, S.29). Durch das Herabrufen des Heiligen Geistes wird Brot zum kostbaren Leib und Wein zum Blut Jesu Christi; es erinnert daran, dass der Herr sich selbst seinen Jüngern darreicht.

Diese geistliche Hierarchie beginnt mit Melchisedek, dem Priester Gottes des Höchsten, der Abraham segnet (1.Mose 14, 18- 20), der nach dem Hebräerbrief (5,10; Psalm 110, 4 zitierend) bezeugt, dass Jesus „ein Priester ewiglich und nach der Ordnung Melchisedeks ist“; er steht nach Paulus höher als Abraham. David, die geistliche Ordnung und die königliche Abstammung tradierend, verweist auf Jesus Christus als König im Reich Gottes und als Priester, der sein eigenes Leben geopfert hat (S.31). Die Ikonostase ist dreidimensional „als Krone eines Baumes“ so wie Christus die beiden Testamente und den Kosmos verbindet (S.32).

Die Fresken spiegeln auch zeitgeschichtliche Ereignisse wider. Das Schiff (Kirche) fährt durch gefährliche Wasser (S.39). Im Maul des Drachens ist der mit Pfeil und Bogen bewaffnete Mohammed zu sehen, der auf den leibhaftigen Christus auf dem Altartisch zielt.

Neben der Darstellung der Hölle spielt die Deesis (S.45-53) eine große Rolle. (Deesis heißt Fürbitte). Die Ikone Deesis (S.45) erinnert an den „Zeugen“ Johannes den Täufer und die fürbittende „Gottesmutter Maria“ (S.57-64). Den Abschluss bilden eindrückliche Ikonen und Fresken über die Dreieinigkeit (S.67-76).

Als Fazit bleibt: „Die Fresken und Ikonen sind die Mission der christlichen Künstler. Sie sind eine Einladung in Bildern zur Teilnahme am Reich Gottes, das durch Jesus Christus eröffnet ist“ (S.75). Der Verlag Sternberg ist hoch zu preisen für diesen Bildband, der sich als Geschenk gut eignet und glaubenden Protestanten, Katholiken, aber auch dem Glauben fernstehenden Menschen, gleicherweise den Weg öffnet zum Verständnis der geheimnisvollen Glaubenswelt aus orthodoxer Sicht.

Prof. em. Karl Rennstich, em 2003-1.

Anderson, Allan. Moya. The Spirit in an African Context. Pretoria: Sigma, 1991.

Kasukuti, Ngoy. Recht und Grenze der Inkulturation. Heilserfahrungen im Christen­tum Afrikas am Beispiel der Kimbanguistenkirche. Erlangen: Verlag der Ev.-Luth. Mis­sion, 1991.

Beide Autoren unternehmen eine nötige Neubewertung Afrikanischer Unabhängiger Kirchen (AUK) verbunden mit kritischer Sich­tung bisheriger Standardliteratur (Sundkler, Oosthuizen, Beyerhaus, Martin) und theologi­scher Einordnung afrikanischen Christentums.

Der in Südafrika lebende evangelikal-charismatische Weiße A. Anderson schildert die Entstehungsgeschichte der dortigen AUKs und Pfingstkirchen, die er in Anlehnung an seinen Lehrer Inus Daneel „Geist-Kirchen“ (nicht: zionistisch, messianisch oder prophetisch) nennt, – gegenüber der Gruppe der „äthiopi­schen“ Kirchen. Er möchte sie aus dem synkretistischen Abseits herausholen, indem er ihre Pneumatologie als relativ gelungenen Ver­such kontextueller Theologie darstellt, die ernstlich auf das von Ahnen- und Geisterkult bestimmte afrikanische Existenzverständnis eingeht, besonders auf das ‚Lebenskraft’ („power“) - Konzept. Er beschreibt ausführlich ihre pastorale Praxis, die großen Wert auf cha­rismatische Geist-Manifestationen wie Geist-Empfang, Glossolalie, Prophetie und geistliche Leiterschaft legt. Seine These ist, daß die Geist-Kirchen mit ihrer Betonung der dritten Person des dreieinigen Gottes bisher die ange­messenste christliche Antwort bieten auf das afrikanische Grundbedürfnis nach einer lebenssichernden Macht. Er sieht in dieser Heraushebung ‚pneumatologischer Existenz’ auch eine größere biblische Nähe als es bisher westliche und afrikanische Theologen wahrge­nommen haben. Wenn auch teilweise zu idea­lisierend und biblisch-theologisch oberfläch­lich, ist dieses Buch Anreiz genug zur Neube­sinnung auf die AUK-Gemeindepraxis als relevantes Bestätigungsfeld neutestamentlicher Pneumatologie.

Der Afrikaner Ngoy Kasukuti, Bischof der lutherischen Kirche in Zaire, befaßt sich mit der größten und immer noch stark wachsenden AUK in Afrika, der 1921 entstandenen Ge­meinschaftsbewegung Simon Kimbangus (ca. 5 Mill. Mitglieder). Sein Buch verarbeitet kri­tisch die Literatur von M.L. Martin und W. Ustorff. Er schildert die Religions- und Got­tesvorstellungen seines Bantu-Stammes, be­sonders die Heilsbedeutung der Übergangsriten (Geburt, Initiation, Heirat, Tod) und der Ahnen und wie sich die Heilslehre der Kimbanguisten auf diesem Hintergrund profiliert. Er kommt zum Schluß, daß es sich bei dieser AUK am Anfang noch um einen genuin christlichen Ausdruck religiöser Bewältigung des bedrohten Alltagslebens handelte. Er beobachtet aber einen theologischen Bruch in der Soteriologie in dem Moment, als sich ab 1957 die EJCSK (Kirche Jesu Christi von Simon Kimbangu) unter dem Sohn des Gründers organisierte und Simon Kimbangu als konkurrierenden Heils­mittler neben Jesus Christus stellte. Damit sei die Grenze der Inkulturation überschritten, was sich auch im Abendmahls- und Taufverständ­nis widerspiegele.

Anregend sind die in die Darstellung der AUK eingestreuten theologischen Reflexionen
ihrer Inkulturationsbemühungen und der Schlußteil über mögliche Anknüpfungspunkte einer relevanten christlichen Theologie in Afri­ka. Warum nicht mehr davon, anstelle des gedehnten und desintegrierten Teils über die Stammesreligion?

Detlef Kapteina, em 1995-3.

Anderson, Gerald H., u. a. (Hg.). Mission Legacies. Biographical Studies of Leaders of the Modern Missionary Movement. Mary­knoll: Orbis, 1994.

Diese 75 wissenschaftlichen Biographien von Experten über führende Persönlichkeiten der modernen Missionsbewegung (v. a. 19. und 20. Jahrundert) bilden das derzeit umfangreich­ste und qualifizierteste Sammelwerk. Die Bei­träge umfassen (1) Förderer der Mission in der Hei­mat wie Gordon, Simpson, Franson und Mott, (2) Missionare in Afrika wie Livingstone oder Gutman, (3) in China wie Nevius, Taylor und Reichelt, (4) in Südostasien wie Carey und Martyn, (5) Theologen und Historiker wie Warneck, Schmidlin, Latourette, Freytag und Neill, (6) Theoretiker und Strategen wie Kraemer, McGavran und Tippet und (7) Admi­nistratoren wie Venn, Anderson und Harten­stein. Die Darstellung und Bibliographie ist von unterschiedlicher Qualität und Aktualität, je nach Datum der Erstveröffentlichung im ‘International Bulletin of Missionary Research’ (IBRM) ab 1977. Der Schwerpunkt liegt ein­deutig auf Personen englischsprachiger Her­kunft. Alle erfaßten Deutschen wurden unter obigen Beispielen erwähnt, ausgenommen die katholischen Bibliographen Streit, Dindinger und Rommerskirchen. Es wäre sehr zu begrü­ßen, wenn ein weiterer in Aussicht gestellter Band zu Nordafrika, dem Mittleren Osten, Nordostasien, dem Pazifik und Lateinamerika zustandekäme. Bis dahin muß man im IBMR nachschlagen.

Christof Sauer, em 1998-1.

Austin, Alvyn. China’s Millions: The China Inland Mission and Late Qing Society, 1832 – 1905, Grand Rapids: Eerdmans, 2007.

Alvyn Austin ist Sohn von Missionaren der China Inlandmission (CIM, heute ÜMG/OMF) und Assistenzprofessor für Ge­schichte in Kanada. Seine Mono­gra­phie aus der Reihe Studies in the History of Christian Missions ist eine wohl­wol­lende, aber nicht unkritische Darstellung der CIM und ihres Gründers Hudson Taylor im 19. Jahrhundert.

Das Buch gliedert sich in drei Teile, die drei Generationen von CIM Missionaren entsprechen. Zur ersten Generation ge­hört Taylor selbst, der im England der in­dus­triellen Revolution aufwächst. Au­stin zeichnet den Einfluss der Brü­der­be­wegung auf Taylor nach, seinen Ruf nach China, seine Glaubensprinzipien und 1853 seine Ausreise mit der chine­si­schen Evangelisationsgesellschaft (CES), die vom visionären Missionspionier und Opiumhändler Karl Gützlaff gegründet wurde. In China angekommen findet sich Taylor inmitten des Taiping Aufstandes (1850-1864) wieder, einer christlichen Sekte, die sich gegen die herrschende Qing Dynastie auflehnt. Während des zwei­ten Opiumkrieges gründet Taylor eine Art Rehabilitationszentrum für Opium­abhängige und tauft seine ersten Kon­vertiten. Aus gesundheitlichen Grün­den kehrt er 1860 mit seiner Familie nach England zurück. Infolge einer „himm­lischen Vision“ in Brighton, grün­det Taylor die CIM, schreibt ein Ma­ni­fest über die geistliche Not Chinas und hält im ganzen Land Vorträge. Dank der nordirischen Erweckung 1859-1860 und durch ein großes Netzwerk von Un­ter­stüt­zern, darunter auch Charles Spur­geon und Georg Müller, gewinnt Taylor 16 Mis­sio­nare – gewöhnliche und teils un­ge­bildete Leute – und bricht 1866 mit ih­nen auf. Widerstand gegen Taylors For­derung nach chinesischer Kleidung, an­tichristliche Tendenzen in China, dip­lo­matische Schwierigkeiten, Krankheit und Tod prägen die schwierigen An­fän­ge.

Die zweite Generation von Missionaren mo­bilisiert Taylor während eines län­ge­ren Heimataufenthaltes. 1875 kann er ge­mein­sam mit Dwight L. Moody auftreten und profitiert vom geistlichen Klima der Keswick Heiligungsbewegung. In Ab­stän­den von 2-3 Jahren werden 18, dann 30, später 70 und schließlich 100 Mis­sionare ausgesandt. Die Entscheidung ei­niger bekannter Persönlichkeiten – als die „Cambridge Sieben“ bekannt – in die Mission zu gehen, macht die CIM schlag­artig berühmt. Dieses Wachstum bringt strukturelle Änderungen mit sich und eine bessere Ausbildung der Mis­sio­nare in Sprache und Kultur vor Ort. Die weiteren Entwicklungen der CIM wer­den exemplarisch anhand der Provinz Shan­xi nachgezeichnet, wo 1877-1879 fünf Millionen Menschen an Hunger ster­ben und viele der Überlebenden opium­abhängig sind. So auch Hsi, die zwei­te Hauptfigur des Buches neben Taylor. Er ist ein früheres Mitglied der daoistischen Sekte „die goldene Pille“ und gründet nach seiner Bekehrung meh­rere „Reha-Zentren“ für Opium­ab­hän­gige. Sie erhalten morphiumhaltige Pil­len zur Linderung ihrer Ent­zugs­symp­tome und hören dort das Evan­gelium. Einige der CIM Missionare arbeiten un­ter Pastor Hsi, der eine eigene Form des Christentums kreiert, in der Exorzismen eine große Rolle spielen. Seine strikt re­gu­lierte Kommunität trägt kon­fu­zia­nische Züge.

Die dritte Generation von Missionaren kommt aus Nordamerika, wo Taylor 1888 einen neuen CIM Zweig eröffnet. Durch die Vernetzung mit Bibelschulen und die Kontakte von D. L. Moody und A. B. Simpson wächst die CIM ex­po­nentiell und wird internationaler. 1900 be­ginnt jedoch der Boxeraufstand, eine ausländerfeindliche und antichristliche Mas­senbewegung, der zahlreiche Mis­sio­nare und Christen inklusive Frauen und Kinder zum Opfer fallen. Taylor befindet sich zu diesem Zeitpunkt aus Gesundheitsgründen in der Schweiz und stirbt 1905 in China.

Durch diese historische Darstellung hin­durch ziehen sich viele Themen. Un­ter­sucht werden u.a. die Finanzprinzipien und Spender der CIM, die autokratische Füh­rung Taylors und die demokratischen Tendenzen, die theologischen Fixpunkte und Spielräume, die konfessionellen Prä­gungen und die Überkonfessionalität, die Zusammenarbeit und Abgrenzung von an­deren Missionswerken, die prinzipielle Gleichberechtigung der Frauen und ihre tatsächlichen Einschränkungen, die Pa­ral­lelen und Unterschiede zwischen Chris­tentum und chinesischer Volks­re­li­gion. Wer sich fragt, welche An­for­de­rungen ein Missionar erfüllen sollte, wie Kontextualisierung konkret aussieht, wel­che Evangelisationsmethoden und Strategien sinnvoll sind und welche Rol­le humanitäre Hilfe in der Mission spielt, wird eine Fülle anregender Fall­beispiele entdecken.

Austins Werk ist ein komplexes Geflecht aus vielen historischen Details und Be­obachtungen. Einerseits verleiht das sei­ner Erzählung Lebendigkeit und Unter­haltungswert, andererseits erfordert seine Darstellungsweise viele thematische und chronologische Sprünge, sodass gele­gent­lich der Überblick verloren gehen kann. Thematisch Zusammengehöriges lässt sich zwar mithilfe des soliden In­de­xes auffinden, eine Zeittafel mit den wichtigsten historischen Daten wäre zur Orientierung jedoch hilfreich gewesen.

Das methodische Vorgehen ist ein­wand­frei. Austin legt die Quellenlage gut dar und macht auf die CIM-interne Zensur der Archive aufmerksam sowie auf ihre Kultur des Schweigens, um die Unter­stüt­zung der Mission nicht zu gefährden. Durch viele Zitate lässt er die Quellen selbst zu Wort kommen und überlässt dem Leser die Wertung. Kritische Stim­men werden nicht unterschlagen und gelegentlich lässt Austin gegenläufige Meinungen nebeneinander stehen. Ge­rade das Absehen von hagiographischen Darstellungen öffnet den Blick für die Komplexität und Herausforderungen der kulturübergreifenden Mission. Dabei geht der inspirierende Charakter dieser Glaubensmission und vieler ihrer Mit­arbeiter nicht verloren.

China’s Millions ist nicht nur von his­to­rischem Interesse. Die zugrunde liegen­den Prinzipien für Leiterschaft, Aufbau einer missionarischen Bewegung, Kon­textualisierung und Missionspraxis sind auch für die Gegenwart relevant und gewinnbringend.

Anthony Fisher, em 2011-3.

Bacon, Daniel W. From Faith to Faith. The influence of Hudson Taylor on the faith missions movement. Singapore, 1984.

Wohl niemand hat die evangelischen Mis­sionen, jedenfalls im interdenominationellen Bereich, so entscheidend geprägt wie Hud­son Taylor, der Gründer der China Inland Mission. Die Biographien über ihn und sein Lebenswerk sind ja auch im deutschspra­chigen Raum weit verbreitet.

Mit diesem Buch legt Bacon eine übersicht­liche Untersuchung über Taylors Prinzipien (S.12-69) und über den Einfluß dieser Prinzipien auf die gesamte Bewegung der interdenominationellen Glaubensmissionen (S.79-129) vor. In einem dritten Teil un­tersucht er, welche Bedeutung Taylors Prin­zipien heute haben.

Über die Geschichte der Glaubensmissionen gibt es nur wenig wissenschaftliche Litera­tur. Umso bedeutsamer ist Bacons Veröf­fentlichung, die von der UeMG als Studien
buch herausgegeben worden ist. Daniel Bacon ist seit 1978 Heimatdirektor der UeMG in USA; dieses Buch ist seine Dis­sertation (D.Miss.) für Trinity Evangelical Divinity School, Deerfield, Illinois (1983).

Klaus Fiedler, em 1986-4.

Badenberg, Robert. Sickness and Heal­ing: A Case Study on the Dialectic of Culture and Personality. Edition afem: mission academics 11. 2nd rev. ed. Nürn­berg: VTR, Bonn: VKW, 2008 (1st ed. 2003).

Robert Badenberg war 1989 bis 2003 Lie­benzeller Missionar in Zambia im südlichen Afrika. Er hat in dieser Zeit am deutschen Zentrum der Columbia Inter­national University in Stuttgart-Korn­tal einen Masterabschluss gemacht und an der Uni­ver­sität von Südafrika (UNISA) in Missions­wissen­schaft pro­mo­viert. Seit seiner Rück­kehr unter­rich­tet er an der Akademie für Welt­mission in Korntal Missions­wissen­schaft und Kulturanthropologie.

Das vorliegende Buch ist die über­ar­beitete Fassung seiner Doktorarbeit. Er be­arbeitet darin, und darin besteht die be­sondere Originalität des Buches, als Nicht­mediziner die Problematik von Krank­heit und Heilung aus kultur­anthro­pologischer und missiologischer Sicht. Er wählt dazu ein geniales Konzept: Die theo­retischen Erwägungen sind um die Le­bensgeschichte eines kränklichen Freun­des von Badenberg herum gespon­nen, was durch die Konkretisierung der kulturanthropologischen und missio­lo­gi­schen Überlegungen und die persönliche Betroffenheit des Autors dem Buch eine besondere Relevanz und Frische verleiht.

Nach einer Einführung in die Methode der kognitiven Anthropologie (Kultur­analyse aufgrund der sprachlich begriff­lichen Grundlagen) und in die Geografie und Geschichte des Volkes der Bemba geht Badenberg in einem ersten Teil auf das Körper/Seele- und das Krankheits­konzept der Bemba ein. Er nimmt damit Material aus seiner Masterarbeit auf und vertieft und systematisiert es. Für den Uneingeweihten empfiehlt sich die An­eignung dieses für die Anthropologie eines afrikanischen Volkes exem­pla­ri­schen Stoffes zum besseren Ver­ständ­nis und als Abrundung des vorliegenden Buches (bibliographische Angaben am Schluss). In einem zweiten „sozial-her­meneutischen“ Teil diskutiert Badenberg am Beispiel der Lebensgeschichte seines Freundes, u.a. dessen Kontakt mit der Ngulu-Besessenheit, die Theorien der „Cul­ture and Personality“ Schule. Auf­grund eigener Beobachtungen und der Literatur beschreibt Badenberg die krea­tive Interaktion, die zwischen persön­li­chen und kulturellen Symbolen herrscht. In einem dritten missio­lo­gischen Teil zieht Badenberg die Schluss­folgerungen für Kommunikation, Bekehrung und Seelsorge. Er kommt darin zu einer meis­terhaften Integration von Theologie, Kulturanthropologie und Missionswis­sen­schaft.

Durch das lebhafte Wechselspiel zwi­schen Lebensgeschichte und theore­ti­schen Erwägungen einerseits, und zwi­schen Theologie, Kultur­anthro­po­logie und Missionswissenschaft anderer­seits, wird das Buch zu einer spannenden Lektüre. Es ist ein gutes Beispiel re­flek­tierter Missionspraxis. Eine rele­vante und konzise Bibliographie, An­hänge mit Karten und Grafiken und Indexe runden das Buch ab. Trotz einiger formaler Män­gel ist das Buch für inter­national in­teressierte Theologen, Missio­nare, Mis­sionswissenschafter, Mediziner und alle in Afrika lebenden Menschen sehr le­sens­wert. Badenberg hat ein hoch rele­vantes Thema für das Verständnis Af­ri­kas, insbesondere des heutigen afrika­nischen Christentums aufgegriffen. Nicht von ungefähr werden die unab­hängigen afrikanischen Gemeinde­be­we­gungen (AIC) „Heilsanstalten“ genannt (Sund­kler, Bantupropheten, 1964, 323). Ein besseres Verständnis des afrika­nischen Menschen- und Krankheits­ver­ständnis wird die Qualität eines Diens­tes in ver­schiedenen Berufs­gattun­gen er­heblich ver­bessern können, was durch die Re­flektionen Badenbergs in diesem Buch offensichtlich wird.

Dr. Dr. Hannes Wiher, em 2009-3.

Badenberg, Robert. The Body, Soul and Spi­rit Concept of the Bemba in Zambia. Fun­damental Characteristics of Being Human of an African Ethnic Group. edition afem: mission academics, Bd. 9. Verlag für Kultur und Wis­senschaft: Bonn, 1999.

Diese Publikation ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Es handelt sich um die Ergeb­nisse einer Feldforschung, in deren Verlauf der Autor mit einer modernen ethnologisch-lingui­stischen Methode gearbeitet hat. Er gibt sich zu erkennen als Vertreter (und Verfechter!) der sogenannten kognitiven Ethnologie (bislang auch kognitive Anthropologie genannt). Mit Hilfe der kognitiven Ethnologie können insbe­sondere Begriffssysteme und Denkformen ei­ner Gesellschaft erfaßt und beschrieben wer­den, die mit anderen wissenschaftlichen Mit­teln nicht zugänglich sind. Über die dazu nöti­gen detaillierten Sprachkenntnisse verfügt der Autor: Er ist seit mehr als 10 Jahren Missionar bei den Bemba, einer Ethnie im Norden Sam­bias. Das zentrale Thema seiner Untersuchun­gen, der Begriff „Seele“, gilt in der neueren Ethnologie als einer derjenigen Forschungsge­genstände, die am schwierigsten zu erfassen sind und daher immer noch eher selten bear­beitet werden. Den Begriff „Seele“ untersucht der Autor aber nicht isoliert, sondern einge­bettet in die Frage nach den Begriffen „Körper“ und „Geist“ im Denken der Bemba. Er liefert damit eine eingehende Beschreibung des Men­schenbildes dieser Volksgruppe, deren Denk­rahmen von animistischen Grundstrukturen ge­bildet wird. Dieses Menschenbild – und das ist eine der bedeutenden Qualitäten der Untersu­chung – wird nicht beschrieben unter Zugrun­delegung von europäischen Seelenvorstellun­gen als Vergleichsgegenstand. Er greift viel­mehr auf sogenannte „emische Kategorien“ zu­rück, also ausschließlich auf diejenigen Ge­sichtspunkte, unter denen die fraglichen Be­griffe von Mitgliedern der Bemba-Gesellschaft (zumindest in den Grundzügen) verstanden und benützt werden.

Auf diese Weise entsteht ein Menschenbild, das den Missionar (und nicht nur diesen!) be­fähigt, bei seinem Versuch, biblische Vorstel­lungen von der Natur des Menschen zu ver­mitteln, in einer Weise vorzugehen, die unter anderem sogenannte „kognitive Dissonanzen“ vermeiden hilft. D. h., er beugt gegen die For­mulierung von verhängnisvoll falschen, schie­fen oder zumindest problematischen Wieder­gaben des Begriffs „Seele“ und entsprechenden Theologien vor, wie sie in der Missionsge­schichte und in der Geschichte der Bibelüber­setzungen durch Missionare aus dem europä­isch-abendländischen Kulturkreis so häufig entstanden sind.

Das Ganze ist in flüssiger, leicht nachvollzieh­barer Sprache geschrieben. Es ist lesenswert, nicht nur, weil es Basiswissen zu einem afrika­nischen Weltbild vermittelt, son­dern erkennen läßt, wie man selbst an die Er­forschung eines solchen Weltbildes im eigenen Arbeitsgebiet herangehen kann. Es sei daher keineswegs nur den afrikaorientierten Mitar­beitern der ver­schiedenen Missions- und Entwicklungshilfe­organisationen zum Studium empfohlen!

Prof.Dr. Lothar Käser, em 2000-3.

Baer, Martin; Olaf Schröter. Eine Kopfjagd: Deutsche in Ostafrika. Spuren kolonialer Herr­schaft. Berlin: Ch. Links Verlag, 2001.

Dieses Buch ist kein Missionsbuch im engeren Sinn, jedoch ist es für den Missionar bzw. Missi­onsinteressierten insofern interessant, weil es in gekonnter, ja geradezu in spannender Weise in die Kolonialgeschichte einführt. Eingerahmt in die dramatische Geschichte einer Kopfjagd in Deutsch-Ostafrika, werden in einzelnen in sich abgeschlos­senen Kapiteln am Beispiel der Kolonie „Deutsch-Ostafika“ folgende Themen erörtert: Motive und Geschichte des Kolonialismus, Aufstände der ein­heimischen Bevölkerung, Mission und Kolonialis­mus, Kolonialpolitik, und die Rezeption des Kolo­nialgedankens in der Weimarer Republik, im Drit­ten Reich und in der Bundesrepublik. Wer zu sol­chen Themen sonst keinen Zugang findet, be­kommt ihn in diesem hervorragend illustrierten und mit vielen zeitgenössischen Abbildungen versehe­nen und gut aus Quell- und Sekundärliteratur schöpfenden Buch. Von besonderem Interesse dürften die Kapitel über die deutsche Schuld sein. Denn dort wird der Mythos von den Deutschen als harten aber gerechten Kolonialherren erschüttert. Schonungslos werden die Verbrechen der Deut­schen in Deutsch-Ostafrika geschildert: Zahllose Stockhiebe, ungerechte Exekutionen, brutale Un­terdrückung und Ausbeutung menschlicher und materieller Ressourcen. Wie sich diese Demütigun­gen in die schwarzafrikanische Volksseele einge­graben haben und sich bis in die Gegenwart aus­wirken, kann nur erahnt werden. Obwohl die Autoren gegen besseres Wissen die stereotype Behauptung „Kolonisieren ist Missio­nieren, Missionieren ist Kolonisieren“ in die Über­schrift des interessanten Kapitels über Mission und Kolonialismus aufnahmen, kommen sie dann in den Ausfuhrungen überraschender Weise zu einem ausgewogenen Urteil.

Alles in allem handelt es sich bei diesem Buch um ein faires Buch, das vor allem Lust macht auf mehr, auf mehr Kolonialgeschichte. Daher sei diese Lektüre vor allem Missionaren empfohlen, die in ehemaligen Kolonialgebieten arbeiten und zur wis­senschaftlichen Spezialliteratur keinen Zugang fin­den.

Elmar Spohn, em 2003-3.

Bailey, Kenneth E. Jesus through Middle Eastern Eyes – Cultural Studies in the Gospels. Leicester: IVP Aca­demic, 2008

Das vorliegende Buch ist ein ein­zigartiger Bibelkommentar mit fas­zi­nie­renden Kulturstudien zum Orient. Der Autor hat 60 Jahre im Nahen Osten gelebt und dort 40 Jahre Neues Testament unterrichtet: 20 Jahre in Bei­rut, 10 Jahre in Jerusalem und weitere Jahre in Kairo und Cypern, und der vorliegende Band stellt gleichsam sein Vermächtnis dar. In der Einleitung fasst er seine exegetische Methode kompakt zusammen: Ausgangspunkt ist die zirku­läre orientalische Erzählstruktur, Ring­kompositionen mit invertiertem Paralle­lismus, meist aus sieben Einheiten mit dem Zielgedanken in der Mitte – und nicht am Ende, wie in der westlichen linearen Erzählstruktur. Dies führt zu völ­lig anderen Ergebnissen. Zudem be­rück­sichtigt Bailey viele alt- und neu­arabische, syrische, hebräische und aramäische Bibelübersetzungen, Kom­men­tare sowie jüdische Literatur und er legt die Bibeltexte (vor allem aus dem Lukasevangelium) aus Sicht eines Orien­talen aus. Gott hat entschieden, sich im Orient zu offenbaren und seine Heils­geschichte besonders in der Geschichte des Volkes Israels zu gestalten.

In Kapitel 1 betrachtet er die Geburt Jesu nach Lukas 2 und räumt mit dem Mythos von der Geburt im Stall auf: Im Orient sei es unvorstellbar, dass Josef in seine Heimatstadt kommt (zumal wenn von königlicher Abstammung und er dort über Grundbesitz verfügte) und ihn dort niemand zu kennen scheint. Im indivi­dualistischen Europa könne sich viel­leicht so etwas zutragen, unmöglich aber in der engen Familienkultur des Orients. Kaum vorstellbar, dass Josef und Maria wochenlang in einem Stall lebten, wenn Marias Verwandte Elisabeth nur wenige Kilometer entfernt wohnte. Die Exegese des lukanischen Textes ergibt dann auch einen erstaunlichen Befund: Das mit „Herberge“ übersetzte griechische Wort „katalyma“ bezeichnet sonst nirgends eine Gastwirtschaft, sondern eher eine „gute Stube“ wie z.B. beim Abendmahl. Ist aber eine Herberge gemeint, dann wird in der Bibel das Wort „pan­dochaion“ („wo alle schlafen können“) verwendet. Zudem zeigen archäo­lo­gische Funde und die heutige tra­di­tio­nelle Bauweise, dass Häuser i.A. nur aus 1-2 Räumen bestanden, und das Groß­vieh nachts im vorderen Teil des Wohn­raums gehalten wurde – als Schutz vor Diebstahl und wilden Tieren sowie biologische Heizung im Winter. In der Mitte des Raums stand eine Futterkrippe als Abtrennung von Stall und Wohn­bereich, in der offensichtlich der neu­geborene Jesus Platz fand (die „gute Stube“ war wohl von weiteren Ver­wandten/Gästen belegt). Jesus wurde so­mit mitten in eine jüdische Großfamilie hinein geboren. Das Wunder der Inkar­nation wird m. E. dadurch noch größer: Gott wurde in Jesus Christus Mensch und in allem uns gleich.

In 32 Kapiteln legt Bailey etwa 40 Evangelientexte aus mit gelegentlichen Exkursen in das AT. Er betrachtet vor allem die Seligpreisungen (Kap. 5-6), das Vater-unser (Kap. 7-10), die Berg­predigt (Kap. 5-10), Jesu besondere Ta­ten (Kap. 11-13) und seinen Umgang mit Frauen (Kap. 14-20). Doch sein Herz gilt den Gleichnissen Jesu, besonders aus dem Lukasevangelium (Kap. 21-32), und seine Auslegungen vom unehrlichen Verwalter (Kap. 26) und vom dienenden Herrn (Kap. 29) haben mich besonders fasziniert. Bailey räumt mit etlichen kulturellen Miss­verständnissen auf, und die Ereig­nisse bekommen ihre natürliche Be­deu­tung. Die Bibelauslegungen Bai­leys lassen den Reichtum des Wortes Gottes hell hervor strahlen und immer wieder leuchtet das Kreuz Jesu auf: Got­tes kostbare Demonstration seiner uner­warteten, einzigartigen Liebe (S. 182, 236, 296, 376 u. a.).

Auch wenn mich nicht jedes einzelne Detail voll überzeugt hat – einzelne Texte scheinen mir in die symmetrische Siebenerstruktur hineingepresst – so bestechen Baileys Auslegungen doch durch ihre Klarheit – und der Leser fragt sich erstaunt, warum ihm dies nicht selbst schon aufgefallen ist. Die über­sichtliche, tabellarische Sprach­ana­lyse der biblischen Texte wie auch die Zu­sammenfassungen am Ende jedes Kapi­tels erleichtern das Selbststudium; zahl­reiche Fußnoten verweisen auf die Quel­len ohne den Lesefluss zu be­hin­dern. Das Buch lädt immer wieder zum Ver­weilen ein, zur Anbetung Gottes und zum Reflektieren. Es fordert auf zur Hingabe und zur konsequenten Nach­folge Jesu. Eine absolute Pflicht­lektüre für jeden Missionar.

Dr. Detlef Blöcher, em 2009-1.

Balz, Heinrich. Where the Faith has to Live. Studies in Bakossi Society and Religion. Part I: Li­ving Together. Part II: The Living, the Dead and God. Dietrich Reimer Verlag: Ber­lin, 1984/1995.

Balz, Heinrich. Weggenossen im Busch. Er­zählende und theologische Briefe aus Kame­run. Erlan­ger Verlag für Mission und Öku­mene: Erlangen, 1998.

Der Missionar als Forscher. Was das heißt, verdeutlicht das Werk des Missionstheologen Heinrich Balz. Von 1973 bis 1983 war er Mis­sionar und Dozent am Theologischen Seminar der Presbyterianischen Kirche in Nyasoso in Kamerun, im Gebiet des Volkes der Bakossi. Ein Jahr lang stellte ihn die kameruner Kirche und die Basler Mission für Forschungen frei. Teil I konnte er 1984 nach seiner Rückkehr nach Deutschland als Habilitationsschrift in Heidelberg vorlegen; Teil II entstand während seiner Lehrtätigkeit als Professor für Missi­onswissenschaft in Berlin. Zur Zeit lehrt Balz am Tumaini University College Maku­mira/Tanzania Systematische Theologie und Religionswissenschaft.

Der Titel der umfangreichen Studie „Where the Faith has to Live“ ist Programm. Glaube, gleich ob der der alten Religion oder der christliche Glaube, muß sich verorten. Deshalb muß nach dem Ort, dem Kontext gefragt wer­den, „wo der Glaube lebt“, um dann auch auf­zuzeigen, wie der Glaube lebt und wie neuer Glaube wächst. „Wenn der neue Glaube wirk­lich leben, seine Identität bewahren und Wur­zeln schlagen soll, muß er wissen, wo er zu le­ben hat; er muß die alten Fragen verstehen, auf die er … als die neue Antwort angesehen wird.“ „Die Antworten des christlichen Glaubens können nicht ohne die Fragen verstanden wer­den, die von der traditionellen Religion gestellt werden“ (II 5 und 808). Die Studie über eine afrikanische Religion, hier die Religion der Ba­kossi, kann also nicht mit der „Glaubenslehre“ einsetzen, sondern muß zunächst das Umfeld in Augenschein nehmen, in dem die Menschen leben. Deshalb widmet sich Teil I der Gesell­schaft der Bakossi, ihrer sozio-politischen Struktur, ihren Traditionen und Entstehungssa­gen und den In­stitutionen, die das Zusammen­leben regeln. Balz weiß, daß sich Gesellschaft und Religion nicht strikt voneinander trennen lassen, sondern sich gegenseitig beeinflussen, dennoch werden in der Betrachtung jeweils an­dere Akzente gesetzt. Deshalb gehören auch beide Teile, der sozialanthropologische und der religionswissenschaftliche, zusammen. Mit Recht werden „parareligiöse“ Phänomene wie Geheimgesellschaft, Hexerei und Zauberei be­wußt im Umfeld von „Gesellschaft“ und nicht von „Religion“ behandelt.

Balz’ Studie ist ein Beleg dafür, daß es not­wendig ist, regional begrenzte Studien durch­zuführen, um afrikanische Gesellschaftsformen und Religionen zu verstehen und gerade auch die Unterschiede zwischen den einzelnen Völ­kern zu erkennen. Deshalb ist auch im Plural von „afrikanischen Religionen“ zu sprechen. Dennoch lassen sich auch immer wieder Par­allelen zwischen den einzelnen Völkern in ver­schiedenen Teilen des Kontinents entdecken. Darin liegt das Reizvolle der Studie für Mis­sionare, die in anderen Teilen Afrikas arbeiten. Im Vergleich mit der eigenen Situation können soziale, legendär-mythische und religiöse Fak­ten besser verstanden und eingeordnet werden.

Der umfangreiche zweite Teil behandelt in vier Kapiteln die Religion der Bakossi. Dabei kann auch jedes Kapitel zunächst für sich gele­sen werden. Unter dem Titel „die Lebenden, die Toten und Gott“ (in dieser Reihenfolge!) geht es um Tod und Beerdigung, das Dorfah­nenfest ndie, Fa­milienheiligtümer und schließ­lich den nahen und fernen Gott. Diese Reihen­folge der Betrachtung macht den Ansatz von Balz deut­lich: „Glaubensüberzeugungen und Glaubens­bekenntnisse sollten nie isoliert be­trachtet wer­den, ohne im Blick zu haben, wo­rauf die Men­schen, ausgedrückt durch Vereh­rung (worship) und Gebet, wirklich vertrauen“ (II 664). Balz geht in seiner Forschung also von der religiö­sen Praxis aus, um von da aus zu fragen, was im Zentrum der Religion steht und wie dann die Botschaft des Evangeliums ihre Relevanz erweisen kann.

Jedes der vier Kapitel ist nach dem gleichen Grundschema aufgebaut. Nach der einleitenden Darstellung des Problems wird die For­schungsgeschichte vorgestellt, beginnend mit Vertretern des Volkes der Bakossi. Ihnen weist Balz so einen Ehrenplatz zu, oder anders ge­sagt, er nimmt die afrikanischen Kollegen als Religionswissenschaftler und theologische Partner ernst. Bei den Quellen handelt es sich vor allem um Dissertationen und Abschlußar­beiten der Theologiestudenten am Seminar. Erst dann folgen die Forschungsergebnisse und Berichte der früheren Missionare, die in diesem Gebiet gearbeitet haben, allen voran J. Ittmann. Ihre Schriften liegen meist nur in deutsch vor und werden den Kamerunern in einer engli­schen Zusammenfassung zugänglich gemacht. In einem dritten Teil folgen die eigenen For­schungsergebnisse von Balz und schließlich eine zusammenfassende Auswertung.

Ein zentrales Kapitel ist das über das Dorfah­nenfest ndie. Balz hat als Beobachter an meh­reren Festen teilgenommen und die dort ge­sprochenen Gebete erstmals auf Band aufge­nommen, übersetzt und ausführlich analysiert. Eine wichtige Frage lautete: Welche Rolle spielt hier Gott, und welche Bedeutung haben die Ahnen? Sein Ergebnis ist eindeutig: „Nicht Gott, sondern die verstorbenen Menschen, die Dorfahnen … sind das Herzstück und das Zen­trum der traditionellen ndie-Gebete. Mehr noch, sie sind das Zentrum der traditionellen Bakossi-Religion insgesamt, wie sie in diesem öffentlichen Gebet lebendig ist, also dem Aus­gangspunkt, von dem aus alle anderen Ele­mente dieser Religion betrachtet und eingeord­net werden müssen“ (II 380). Die Religion ist also nicht theistisch, sondern Ahnen-zentriert (II 381). Gott spielt nur eine periphere Rolle, er scheint mehr und mehr in Vergessenheit gera­ten zu sein, obwohl er immer noch bekannt ist. Die Ahnen­verehrung steht also in Konkurrenz zum Ersten Gebot. Die entscheidende Frage ist nun, wie Gott zum Zentrum der Religion wer­den kann, wie es von der (Aner-)Kenntnis Gottes zur Anbetung Gottes kommen kann.

Um diese Frage geht es letztlich im vierten Kapitel. Die missionarische Aufgabe ist es, die traditionelle Gotteserkenntnis durch die christ­liche Botschaft zu verändern, zu christianisie­ren. Die Offenbarung Gottes in Jesus Christus ist also nicht etwas, was nur zum traditionellen Gottesbild hinzukommt, sondern etwas, das einen neuen Zugang zu dem Gott gewährt, der bereits bekannt war. In diesem Teil ist Balz nun nicht mehr nur Religionswissen­schaftler, sondern zugleich Missionar und Missiontheo­loge. Seine Ausführungen können für viele, die mit diesen Fragen in Afrika und anderswo zu tun haben, eine wichtige Hilfe sein.

Balz hat sein Werk bewußt in englisch ge­schrieben, damit es vor allem auch seine Ka­meruner Kollegen lesen können. Damit hat er aber darüber hinaus den afrikanischen Kirchen insgesamt einen wichtigen Dienst erwiesen. Denn hier werden auch für andere Teile Afri­kas wichtige Anregungen zur Auseinanderset­zung mit den traditionellen Religionen und zur Entwicklung einer eigenständigen Theologie gegeben. Deshalb sollte dieses Werk in allen englischsprachigen theologi­schen Seminaren Afrikas in der Bibliothek vorhanden sein.

In gewisser Weise als Begleitbuch zum theolo­gischen Werk lesen sich die „erzählenden und theologischen Briefe“. Zehn Jahresrundbriefe von 1974-1983, ergänzt durch Beobachtungen bei einem weiteren Aufenthalt in Kamerun 1995, werden hier zusammenge­tragen. Sie sind in gewis­ser Weise Werkstatt­berichte, lassen den Hintergrund, von dem aus die Forschung getan wurde, erkennen. Höhe­punkt ist sicher­lich der Bericht über die Teil­nahme am Dor­fahnenfset. Wichtig ist hier, zu sehen, daß dies theologisch sehr wohl reflek­tiert war, daß Balz schließlich auf dem Fest eine christliche Pre­digt halten konnte (dokumentiert in ‘Where the Faith has to Live II’ 377f) und so in einen wirklichen Dialog mit den Vertretern der alten Religion kommen konnte. Sicherlich kann man die Frage, ob ein Missionar als Forscher an einen traditionellen religiösen Fest teilnehmen kann und soll, sehr kontrovers diskutieren. Aber Balz zeigt, daß sich dadurch nicht nur Möglichkeiten für ein besseres Verstehen der alten Religion ergeben, sondern auch für die missionarische Verkündi­gung.

Insgesamt sind diese Briefe von Balz eine in­teressante Informationsquelle über Kamerun und zugleich eine unterhaltsame missions­theologische Lektüre, erzählend und theolo­gisch. Sie lassen uns den Missionar Balz als Forscher näherkommen.

Dr. Johannes Triebel, em 2000-1.

Bammann, Heinrich (Hg.). Lutherische Mis­sion in Südafrika. Dankesgabe für Ernst-August Lüdemann. Ev.-luth. Missionswerk in Niedersachsen: Hermannsburg, 1990.

Diese kleine Festschrift ist eine Dankesgabe für den aus der Mission in Südafrika ins Leitungs­amt des ELM Niedersachsen berufenen Ernst-August Lüdemann. Wie alle Festschriften ist es eine bunte Mischung verschiedener Beiträge, die in diesem Fall aber alle dadurch verbunden sind, daß sie von Mitarbeitern derselben Mis­sion und der von ihr gegründeten Kirche ge­schrieben sind. Der Herausgeber steuert einen Artikel über den ersten einheimischen Missio­nar unter den Bakwena ba Mogopa bei (inter­essant für die Diskussion um die „transkultu­rellen Drittweltmissionare“), Heinrich Voges reflektiert Amt und Auftrag des Missionars (unter Berufung auf Luther, interessant für Freikirchler als kritische Anfrage). Mehrere Artikel nehmen speziell auf lutherische Theo­logie Bezug, und alle Artikel ermöglichen einen Einblick in die Arbeit einer heutigen lu­therischen Mission. Drei Artikel sind von schwarzen Südafrikanern geschrieben (Andreas Khose reflektiert seine Zeit in Deutschland).

Klaus Fiedler, em 1993-1.

Bammann, Heinrich. Inkulturation des Evangeliums unter den Batswana in Transvaal/Südafrika. Am Beispiel der Arbeit von Vätern und Söhnen der Hermannsburger Mission von 1857 – 1940. edition afem: mission academics 17. Nürnberg: VTR, 2004.

Das vorliegende Buch ist die Veröffentlichung der Promotionsarbeit des Autors, die im Jahr 2002 von der Universität von Südafrika (Department of Missiology) angenom­men wurde. Sie gewährt einen aufschlussreichen Einblick in die Anfänge und Motivation der Hermanns­burger Mission in Süd­afrika, die immerhin eine der ersten deutschen Missionsinitiativen in Afrika war. In den zentralen drei Haupt­kapiteln (218 S.) werden Hunderte von Berichten und Briefen von sechs Missionaren ausführlich verwertet und thematisch dem geschichtlichen und sozio-kulturellen Kontext ihres Wirkungsfeldes und den relevanten Berei­chen möglicher „Anknüpfung“ der Inkulturation zugeordnet. Es handelt sich um drei Väter (Jensen, Behrens und Penzhorn) und um ihre im Missionsgebiet aufgewachsenen drei Söhne, die in das Transvaal Gebiet gesandt wur­den und dort je unter drei Volksgruppen (Bafurutshe, Bagopa, Bafokeng) des Batswana Stammes von 1857-1940 wirkten.

Bammann konzentriert sich bei seiner Analyse auf die Phänomene der Über­gangs­riten (Geburt, Beschnei­dung, Heirat, Tod), der Polygamie, Zauberei, Brautpreis-Sitte, Heilmethoden und des politischen Patriar­chats (Häupt­lings­kultur) im Leben der Afrikaner. Im Blick auf die Missionare erstaunt ihre Ignoranz einer biblischen Perspektive von Gebetsheilung und die Selbstverständlichkeit, mit der sie Homöopathie als ihre missio­narische Alter­nati­ve anboten und Ernst Penzhorn sogar bei Krankheit seiner Kinder, wo europäische Medizin versagte, einen traditionellen Medizinmann aufsuchte (S.286).

Einleitend befasst sich der Autor mit einer Begriffsbestimmung und missionstheologischen Ein­ordnung von ‚Inkulturation’, wobei die Unterschiede zur Enkulturation, Akkulturation und beson­ders ‚Interkulturation’ disku­tiert werden. Im Schlusskapitel wird die Arbeit der Missionare missions­theo­lo­gisch ausgewertet. Dabei wird nicht an herber Kritik der kontextuellen Defizite im Wirken dieser Mis­sio­nare gespart. Es sind die klassischen Fehler aller erwecklichen Missio­nen des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit ihrer mangelnden Differenzierung zwischen eigener frommer, konfessioneller Kultur und dem Evangelium und zum anderen mit eben der zu kurz gekom­menen Inkulturation des Evangeliums in die Tiefen der religiösen Lebens­welt des afri­ka­nischen Stammes hinein, mit dem die Missionare eng und aufopferungsvoll zusammenlebten.

Bammann hat selbst in diesem Gebiet 25 Jahre lang in Südafrika als Gemeindebetreuer der
Hermannsburger Mission in ev.-lutherischen Kirchengemeinden mit 900-6000 Mitgliedern gear­beitet. Trotz des zahlenmäßigen Wachstums dieser Kirche schaut er zielgenau auf die Schwachpunkte der Methoden der Mis­sionsväter und -söhne, ohne zu übersehen, dass eine positive Entwicklung im Inkulturations­prozess bei den Söhnen zu erkennen ist. Das Buch wird so zu einem authentischen und ehrlichen missions­ge­schichtlichen Fall­bei­spiel des „Großen Jahrhunderts“ (19. Jh.) der neueren protestan­ti­schen Mis­sion.

Das Bestechende an Bammans Buch ist, dass die Missionsarbeit von zwei aufeinander folgenden Genera­tio­nen dargestellt wird, die zudem konti­nuierlich eine einzige Volksgruppe eines einzigen Stammes an einem einzigen Ort mehr als 80 Jahre lang begleiteten. Die Unterschiede zwischen beiden Genera­tio­nen werden präzise herausgearbeitet und es zeigt sich, dass die Generation der Söhne ihre Akkulturationsvorteile zur Inkulturation nutzten. Der flüssi­ge Erzählstil und die anschaulichen Beispiele von Erlebnissen der Missionare lassen die dama­li­ge Zeit für den Leser lebendig und spannend werden.

Diese Fallstudie einer zwar paternalistischen, aber vom Rettungs­eifer erfassten Mission der „ersten Stunde“, die trotz aller Fehler doch viele Menschen mit dem Evan­ge­lium erreichte und so die Entstehung afrikanischer einheimischer Kirchen bewirkte, ist ein Gewinn (nicht nur) für missions­ge­schichtlich Interes­sierte.

Dr. Detlef Kapteina, em 2006-4.

Bär, Hans. Heilsgeschichtlicher Bibelunter­richt. McIlwains Programm ‘Building on Firm Foundations’ im Einsatz unter den Karen im Bezirk Omkoi (Nordthailand). edition afem - mission academics Bd. 3. Ver­lag für Kultur und Wissenschaft: Bonn: 1998.

Hans Bär war von 1982-1995 mit der ÜMG in Nordthailand, wo er unter dem Volk der Sgaw Karen arbeitete. Hier lernte er das Programm des Heilsgeschichtlichen Bibelunterrichtes von Trevor McIlwain, ‘Building on Firm Foundati­ons’ kennen und wandte es in seiner Missi­onstätigkeit an. Im vorliegenden Buch stellt er dieses Programm McIlwains vor. Dabei ist der Untertitel etwas irreführend, da sich von den 150 nur 12 Seiten mit dem Einsatz dieses Pro­grammes unter den Karen beschäftigen. Im Wesentlichen stellt Bär das Programm von McIlwain dar und bewertet es.

Dieser Darstellung ist eine weite Verbrei­tung zu wünschen, denn McIlwains Programm ist eine Form des Bibelunterrichtes, die nicht nur in der Außenmission, sondern auch in Deutschland Bedeutung gewinnen sollte. Je weniger biblisches Grundwissen in einer Ge­sellschaft vorhanden ist, umso wichtiger wird es, dieses Grundwissen zu vermitteln. McIl­wain hat dazu ein Programm entwickelt, das die Vermittlung biblischen Grundwissens zum Inhalt der Missionstätigkeit und der darauffol­genden Gemeindeaufbauarbeit macht.

Dem Programm von McIlwain liegt die Er­kenntnis zugrunde, daß die Bibel zum großen Teil aus Geschichte besteht. In und durch diese Geschichte wird Gottes Heilshandeln mit der Menschheit deutlich. Darum ist die beste Me­thode des Bibelunterrichtes, diese Geschichte Gottes mit der Menschheit (Heilsgeschichte) nachzuerzählen. Dies geschieht nach McIlwain in drei Schritten. Zunächst wird die biblische Geschichte (vor allem das AT) nacherzählt (S.24ff), ohne schon im AT von Jesus zu sprechen (S.103). Erst wenn das NT in den Blick kommt, wird von Jesus berichtet. Das Ziel die­ses Bibelunterrichtes ist es, die Menschen vor eine Entscheidung für oder gegen Jesus zu stellen.

In einem zweiten Schritt werden die neuen Gläubigen gesondert unterrichtet. McIlwain legt sehr viel Wert darauf, Ungläubige und Gläubige nicht gemeinsam zu unterrichten (S.30f). Den Gläubigen wird dann erneut die bi­blische Geschichte von der Schöpfung bis zum neuen Himmel und der neuen Erde präsentiert, wobei diesmal schon im AT von Jesus die Rede ist (S.30ff). Durch diesen Unterricht sollen die Gläubigen im Glauben weitergeführt werden. In einem dritten Schritt sollen schließ­lich die im Glauben gewachsenen Christen ein drittes Mal in der biblischen Heilsgeschichte unterrichtet werden. Diese dritte Phase ist zur Zeit noch im Aufbau (S. 38f).

Bär bewertet das Modell McIlwains zurecht sehr positiv. Kritisch bemängelt er lediglich die teilweise sehr strikten dispensationalistischen Ansichten McIlwains (S.83ff) sowie die grundsätzliche Ablehnung, in der Evangelisa­tion auf die Bedürfnisse und Fragen der Men­schen in den verschiedenen Kulturen einzuge­hen (S. 103f).

Bärs Darstellung selbst liest sich teilweise et­was stockend, was u.a. den häufigen Zitaten zuzuschreiben ist. Auch die inhaltliche Gliede­rung könnte zielgerichteter sein. Nicht immer
werden die Zusammenhänge der einzelnen Unterpunkte deutlich. Trotz dieser Schwächen ist Bärs Buch eine weite Verbreitung zu wün­schen, ebenso wie dem von McIlwain entwik­kelten Heilsgeschichtlichen Bibelunterricht.

Dr. Hans-Georg Wünch, em 1999-4.

Barrett, David; George T. Kurian; Todd M. Johnson. World Christian Encyclopedia: A Comparative Survey of Churches and Reli­gions in the Modern World. 2 Bände. Oxford University Press: New York, Oxford usw., 2001.

1968 schlossen sich Kirchen- und Missionssta­tistiker unter Leitung des evangelikalen Missi­onsmannes David Barrett zu einem Mammut­projekt zusammen, dass 1981 zur ersten Aus­gabe der WCE führte, die einer der renom­miertesten Wissenschaftsverlage der Welt ver­legte. Der Band gewann mit seiner Erfassung aller Denominationen der Welt schnell weit über den christlichen Bereich hinaus Bedeu­tung, da er zugleich zum Mercedes der Religi­onsstatistik avancierte, bot er doch für viele Länder einmalige Daten an.

Die lang ersehnte zweite Ausgabe auf dem Stand des Jahrs 2000 läßt die erste Ausgabe weit hinter sich, denn viel hat sich in den letz­ten 20 Jahren getan. Die evangelikale Missi­onswissenschaft hat jedes Schattendasein abge­schüttelt und längst ist die Missionsstatistik als Motor für Planen, Motivieren und Beten aner­kannt. Die vorliegenden Bände bieten eine er­drückende Fülle von Daten zu allen möglichen und unmöglichen Fragen rund um die christli­chen Kirchen und die Religionen der Welt. Was wollen sie wissen: Wieviel Geld jährlich in Honduras an christlichen Geldern schät­zungsweise veruntreut wird? Wieviel vollzeit­liche kirchliche Mitarbeiter auf Hawai arbei­ten? Wieviel Geld jährlich für christliche Me­dien in Deutschland ausgegeben wird? Wieviel mehr ein schweizer Christ für die Mission gibt als ein deutscher Christ? Ob der Islam in Indo­nesien vor allem durch Bekehrungen oder durch biologischen Zuwachs zunimmt? Wie­viele charismatische und pfingstkirchliche De­nominationen und Splittergruppen in Kanada beheimatet sind? Wieviele Märtyer es im Laufe der Geschichte schätzunsgweise gegeben hat? Wieviele Evangelikale in Köln wohnen? Oder wann die methodistische Kirche in Paraguay gegründet wurde?

Neben den umfangreichen Registern, Be­griffserklärungen, Abkürzungs- und Literatur­verzeichnissen, dem Adressverzeichnis und ei­nem Atlas finden sich folgende großen Blöcke in den beiden Bänden:

* Übersichtstabellen zur weltweiten Situation (24 S. in Bd. 1)

* Darstellung der Länder der Erde (neben den Statistiken jeweils mit Texten zur Lage der Menschenrechte, der Religionsfreiheit und des Verhältnisses von Religion und Staat, sowie der Geschichte und Stand der Religionen und der Christenheit) (800 S. in Bd. 1)

* Zahlen zu den 270 größten Religionen (12 S.)

* Zahlen zu 12.600 Völkern und Volksgruppen, inkl. des Status der Evangelisation (230 S.)

* Daten zu 13.500 Sprachen und Dialekten der Welt einschließlich des Status der Bibelüber­setzung (290 S.)

* Daten zu 7.000 Großstädten (85 S.)

* Daten zu 3.030 Provinzen der 238 Länder der Welt (30 S.)

Wie zuverlässig sind die Daten? Trotz der umfangreichen Mitarbeiterliste und der vielen Literaturlisten (etwa pro Land) ist es natürlich unmöglich, jeweils anzugeben, wie jede Zahl errechnet wurde. Die Ausführungen zur Frage, wie die Daten erhoben wurden, sind recht dünn und David Barrett ist dafür bekannt, seine Da­ten ungern mit anderen auszutauschen und zu diskutieren, ganz im Gegensatz etwa zum Au­torenteam bei ‘Operation World’ um Patrick Johnstone. Die gigantische Organisation zum Datensammeln, die Barett aufgebaut hat, erfaßt sicher fast jede Kirchen- und Religionsstatistik, die irgendwo erstellt wird und dort, wo keine anderen Daten vorliegen, wird man ihm wohl folgen müssen. Dennoch dürfte der Anspruch des Vorwortes, mit den Bänden ausschließlich Fakten und keine Interpretation zu liefern, kaum zu halten sein. Denn wie will man etwa die Zahl der „Great Commission Christians“, also die Zahl derer, die den Missionsbefehl persönlich ernst nehmen, erheben, ohne zu in­terpretieren, wo doch kaum ein Pastor diese Zahl für seine Gemeinde angeben könnte. Mis­sionsstatistik ist seit William Carey 1792 mit einem missions- und religionsstatistischen Buch die moderne Phase der evangelischen Weltmission ausgelöst hat, unverzichtbar, aber sie sollte sich nicht überhöhen und sich einen Wahrheitsgrad zumessen, den es in einer sich ständig ändernden und nicht zu überschauen­den Welt einfach nicht gibt.

Dr. Thomas Schirrmacher, em 2001-1.

Bauckham, Richard. Bible and Mission: Chris­tian Witness in a Postmodern World. Carlisle: Paternoster, Grand Rapids: Baker, 2003.

Das vorliegende Bändchen des britischen Neutestamentlers Richard Bauckham (University of St. Andrews, Schottland) geht auf zwei Vorle­sungsreihen zurück. Der Stil der Vorlesungen wurde weitgehend beibehalten, jedoch durch Fußnoten ergänzt. In „A Hermeneutic for the Kingdom of God“ beschreibt B. zunächst unter den Stichworten „zwischen McWelt und Jihad“ die Situation der Welt nach dem 11. September 2001. Die sich universalisierende Kultur, die gegenwärtig alle Partikularität und Verschie­denheit zu unterdrücken trachtet, ist der globale Kapitalismus, in dem B. eine sechste große uni­versale Ordnung sieht (nach dem antiken Grie­chenland und Rom, dem mittelalterlichen Chris­tentum, dem Islam und der von der Aufklärung bestimmten Zivilisation der westlichen Moder­ne). Diese universalen Kulturen sind geprägt von einer eigenen Meta-Erzählung (narrative) und ihrem Drang nach Globalisierung mit der einhergehenden Unterdrückung anderer Kul­turen („… with the ever-increasing threat to local cultures throughout the non-western world by the so-called Coco-colonization of the world, the relentless universalization of commercial­ized American culture“, 7). Im Gegensatz zu diesem Trend gewährt und fördert das Christen­tum historisch und gegenwärtig kulturelle Hete-rogenität. Die Frage nach dem Verhältnis zwi­schen dem Partikularen und dem Universalen ist eine Leitfrage des Autors. Nach dieser hilfrei­chen Analyse geht es um eine Hermeneutik für das Reich Gottes. B. will die missionarische Ausrichtung der Bibel ernst nehmen und ihre Bewegung vom Partikularen zum Universalen nachzeichnen: „This is a universalist direction that takes the particular with the utmost serious­ness. Christian communities or individuals are always setting off from the particular as both the Bible and our own situation defines it and fol­lowing the biblical direction towards the univer­sal that is to be found not apart but from within other particulars. This is mission“ (11). Diese Bewegung hat in der Bibel eine zeitliche („mis­sion is a movement into the new future of God), eine räumliche („mission is a movement towards ever-new horizons“) und soziale Dimension („mission is a movement that is always being joined by others, the movement, therefore, of an ever-new people“, 13-15). Durch viele Beispiele zeigt B. überzeugend: „The realistic narratives of Scripture portray only the ever-recurrent set­ting out from the particular towards the univer­sal in a movement which can move in a univer­sal direction only by way of other particulars, since the goal is not an abstract universal but the ingathering of all particulars into the one king­dom of the one God“ (16).

Kapitel zwei zeichnet diese Bewegung „Von dem Einen zu den Vielen“ im AT nach (27-54): von Abraham zu allen Geschlechtern der Erde, von Israel zu allen Völkern, von dem in Zion herrschenden König zu den Enden der Erde und zu allen über den Weg des Geringsten (die Er­niedrigung Christi und die Torheit des Kreuzes): „… God’s purpose begins with a singular choice: God singles out first Abraham, then Israel, then David. The three movements that begin with these three choices by God each has its own distinctive theme, one aspect of God’s purpose for the world. … The trajectory that moves from Abraham to all the families of the earth is the trajectory of blessing. The trajectory that moves from Israel to all the nations is the trajectory of God’s revelation of himself to the world. The trajectory that moves from God’s enthronement of David in Zion to the ends of the earth is the trajectory of rule, of God’s Kingdom coming in all creation“ (27). Kapitel drei untersucht den geographischen Horizont der Bibel („Geography - Sacred and Symbolic“, 55-81). B. fragt nach dem Bewusstsein der Bibel für die Völkerwelt und nach ihren geographischen Horizonten (Völkertafeltradition, Völkerorakel der Prophe­ten, die Enden der Erde in atl. Sicht in verschie­denen Himmelsrichtungen) sowie nach dem Verhältnis von Jerusalem als Zentrum und dem Horizont der Völkerwelt. Abschließend geht es um die Bedeutung der Sendung Israels zu den und für die Völker schon im AT und um das bleibende „Diaspora-Wesen“ des Volkes Gottes. Das abschließende Kapitel beschreibt das christ­liche Zeugnis für die Wahrheit in einer postmo­dernen und globalisierten Welt. Dazu zählen die biblische Meta-Erzählung und die postmoderne Kritik und ihr Wesen als eine nicht-moderne Meta-Erzählung ganz anderen Charakters. Fer­ner geht es um diese biblische Geschichte und die ökonomische Globalisierung, in der B. einen neuen Imperialismus sieht und sie einer vernich­tenden Kritik unterzieht. Die Folgen der bibli­schen Geschichte für die Bezeugung der Wahr­heit werden deutlich (die ganz andere Qualität der Herrschaft Gottes). B. beleuchtet das christ­liche Zeugnis angesichts sich globalisierender Mächte (so schon urchristlich gegenüber den Ansprüchen des römischen Reichs) sowie die biblische Geschichte und ihre Betonung kultu­reller Verschiedenheit.

Prof. Bauckham hat für Bibelwissenschaftler, Missiologen, Missionare und alle an Mission Interessierten ein enorm inspirierendes Büchlein vorgelegt, das hilft, die Mission der Kirche zu verstehen und als integralen Bestandteil von Gottes Geschichte mit dieser Welt zu sehen, nämlich als Teil der biblische Meta-Erzählung des Reiches Gottes. Trotz seines geringen Um­fangs enthält dieses klar und verständlich ge­schriebene Buch viele wichtige und herausfor­dernde Gedankenanstöße für unser Verständnis der Bibel, der gegenwärtigen globalen Entwick­lungen und – daraus abgeleitet – unserer missio­narischen Aufgabe.

Prof.Dr. Christoph Stenschke, em 2005-4.

Baumann, Andreas. Der Islam – Gottes Ruf zur Umkehr? Eine vernachlässigte Deutung aus christlicher Sicht. Basel: Brunnen Verlag 2003.

Andreas Baumann greift ein Thema auf, das in der neueren theologischen Diskussion um den Islam bisher am Rande stand. Diese bewegt sich weitgehend im Spannungsfeld zwischen Dialog und Harmonisierung einerseits sowie Apologetik und missionarischem Handeln andererseits. Andreas Baumann aber stellt die alte Frage nach dem Platz des Islam im Weltregiment Gottes und nach dem, was Gott der Christenheit mit dem Islam sagen möchte.

Gewiss sieht der Verfasser die vielfachen Herausforderungen des Islam an die christliche Kirche und ihren Glauben, stellt aber fest, dass gegenwärtig neben Abgrenzung, Mission und Dialog die christliche Selbstkritik und der Ruf zur inneren Umkehr weitgehend fehlen.

A. Baumann geht der biblischen Sicht vom Gericht Gottes nach und befragt die Kirchen- und Theologiegeschichte nach Beispielen für eine Deutung des Islam als Gerichtshandeln und Bußruf Gottes. Das bekannteste Beispiel ist sicher Martin Luthers Ruf an die Deutschen zur inneren Umkehr angesichts der Türkengefahr (der Islam als „Zuchtrute“ Gottes). In weiteren Kapiteln zeigt A. Baumann auf, wie und warum die christliche Kirche von der Zeit Muhammads an bis heute im Blick auf den Islam versagt hat und welche Verheißung darauf liegt, dass Christen angesichts dieses Versagens zum biblischen Evangelium umkehren.

Ein Anhang mit kurzen Überblicken über die Kernländer des Islam, über die wichtigsten orientalischen Kirchen und die Hauptgründe für das Entstehen des Islam sowie ein ausführliches Literaturverzeichnis und ein Register der Anmerkungen runden das Buch ab und regen zum weiteren Arbeiten an.

Es ist A. Baumann zu danken, dass er dieses lange vernachlässigte Thema aufgegriffen und neu zum Bewusstsein gebracht hat. Sein Buch hat theologische Tiefe und ist doch leicht lesbar. Es sei allen, die sich über das Phänomen Islam und die Welt der Muslime mehr Klarheit verschaffen wollen, sehr zur Lektüre empfohlen.

Eberhard Troeger, em 2004-4.

Baumann, Andreas. Der Orient für Christus: Johannes Lepsius - Biographie und Missio­logie. TVG Brunnen: Gießen 2007.

Dr. Johannes Lepsius (1858-1926) war eine fas­zinierende und vielschichtige Persönlichkeit; heute jedoch ist er meist nur noch wegen seines Einsatzes für die Armenier während der Zeit des Genozides bekannt. Der Rahmen für seine dies­bezügliche Tätigkeit war Lepsius‘ umfassende­res Missionsengagement als Gründer und Direk­tor der Deutschen Orient-Mission und der Dr. Lepsius Deutschen Orient-Mission und seine Aktivitäten als profilierter theologischer Autor und als Herausgeber von Missionszeitschriften. Für den deutschsprachigen Bereich darf er als einer der Pioniere der christlichen Mission unter Muslimen gelten. Seine sehr vielgestaltigen Ak­tivitäten können nur recht verstanden und ein­geordnet werden mithilfe eines tiefgehenden Verständnisses seiner Theologie und Missiolo-gie, die die Grundlage und Motivation für seine ganze Arbeit darstellen. Sie sind der „innere Schlüssel“, um Lepsius recht zu verstehen. Ein missiologisches Forschungsprojekt über Jo­hannes Lepsius muss sich mit vielen Hindernis­sen auseinandersetzen: Es muss ein enormer Umfang von Archivmaterialien bewältigt wer­den, zu denen gerade erst – parallel zu dieser Forschungsarbeit – ein ausführliches Katalog­Verzeichnis erarbeitet wurde. Zudem gibt es die von Lepsius gegründeten Missionsgesellschaf­ten seit rund einem halben Jahrhundert schon nicht mehr. Da Lepsius ein recht eigenständiger Denker war, der in kein theologisches und missiologisches Lager so recht hineinpasste, hat er auch keine direkten Nachfolger gehabt, die sein Erbe weitergeführt hätten. Außerdem hat Lep-sius sein Missionsdenken in keinem zusammen­hängenden Werk veröffentlicht. Vielmehr muss es aus seinen theologischen Werken und aus der Vielzahl seiner Artikel in Missionszeitschriften herausgearbeitet werden. Jedoch ist Johannes Lepsius von solch herausragender Bedeutung, dass sein Werk und sein Denken eine sorgfältige Untersuchung und systematische Interpretation verdient.

Andreas Baumann hat in seiner nun in Buch­form erschienenen Doktorarbeit diese Aufgabe gekonnt übernommen. Er erarbeitet darin erst­malig einen zusammenhängenden und vollstän­digen Überblick über Johannes Lepsius‘ Missio­logie, die er somit auch für Fragestellungen der Gegenwart fruchtbar macht. Als notwendiges Nebenprodukt hat er die bisher umfangreichste Biographie über Johannes Lepsius geschrieben (113 S.); denn Lepsius und seine Schriften kön­nen nur in ihrem Kontext recht verstanden werden. Baumann wendet deshalb gekonnt ei­nen literarhistorischen Ansatz auf die Quellen an, der es ihm ermöglicht sie in ihren Kontext eingebettet zu deuten und so auch Entwick­lungen im Denken von Johannes Lepsius im Laufe seines Lebens aufzuspüren. Es ist sinnvoll, dass die Untersuchung sich auf die Missiologie von Lepsius beschränkt, da kei­ner der vielen anderen Aspekte seines Lebens­werkes bisher in der Tiefe erforscht wurde – mit Ausnahme seines Einsatzes für die Armenier. Diese äußerst umfangreiche Aufgabe bleibt an­deren Studien vorbehalten. Baumann tut auch gut daran, dass er seine Studie nur auf die veröf­fentlichten Quellen von Lepsius beschränkt und nicht auf die unzähligen unveröffentlichten Ma­nuskripte, Notizen und Briefe ausdehnt. Auch sieht die Arbeit zu recht ab von dem Versuch einer erschöpfenden Analyse der vielfältigen Ursprünge, Wechselwirkungen und der Wir­kungsgeschichte von Lepsius‘ Theologe und Missiologie, was Aufgabe einer weiteren For­schungsarbeit von gleicher Größenordnung wäre. Die Primärliteratur und die relevante Se­kundärliteratur wurden – soweit feststellbar – vollständig ausgewertet, wobei die Biblio­graphie des Buches einen beeindruckenden Um­fang von 54 Seiten aufweist. Die einzelnen Kapitel des Buches beschäftigen sich mit Lepsius' Biographie, seiner Theologie (115 S.), seiner Missionsarbeit unter Muslimen (110 S.) und wichtigen missiologischen Einzel­fragen (101 S). All dies wird eingerahmt von einer Einleitung und einem Schlussteil (50 S.), der Johannes Lepsius‘ „Missiologisches Erbe“ herausarbeitet. Der entscheidende Forschungs­beitrag von Baumann ist dabei die Rekonstruk­tion der Missiologie von Johannes Lepsius, die er zunächst ausführlich untersucht und danach in 18 Thesen prägnant zusammenfasst. Dabei wird überzeugend die Eigenständigkeit von Lepsius herausgearbeitet und es wird deutlich, dass kein heutiges „missionstheologisches Lager“ ihn – etwa im Gegensatz zu anderen – gänzlich für sich beanspruchen kann. So finden sich bei­spielsweise sowohl wichtige Gemeinsamkeiten mit der gegenwärtigen deutschsprachigen evan-gelikalen Missionstheologie als auch markante Unterschiede.

Sorgfältig werden im Schlussteil des Buches noch beispielhaft einige der wichtigsten Aspekte der Missiologie von Johannes Lepsius in Be­ziehung gesetzt zur Fragestellung nach dem Verhältnis von Mission und gesellschaftlicher Verantwortung, wobei der Autor hierbei sein eigenes missiologisches Profil erkennen lässt. Es wird dabei deutlich, dass eine Beschäftigung mit Johannes Lepsius‘ Missiologie auch durchaus fruchtbar sein könnte für die heutige missio-logische Diskussion, wie etwa für den ökumenisch-evangelikalen Dialog über das rechte Missionsverständnis.

Dr. Christof Sauer, em 2008-3.

Baumann, Andreas. Die Apostelstraße. Eine außergewöhnliche Vision und ihre Verwirkli­chung. Brunnen Verlag: Giessen, 1999.

Andreas Baumann, Absolvent des Theologi­schen Seminars St. Chrischona und Prediger in Rheinfelden, hat sein missiologisches Studium in Korntal mit einer Forschungsarbeit über die berühmte „Apostelstraße“ abgeschlossen. Die vom Gründer der Pilgermission St. Chrischona, Christian Fr. Spittler (1782-1867), angeregte Straße sollte über eine Kette von 12 Missions­stationen von Jerusalem durch das Niltal in das Hochland von Äthiopien führen. Zwischen 1860 und 1875 wurden 5 Orte in Ägypten und im Sudan mit Handwerkermissionaren der Pil­germission besetzt. Schließlich scheiterte je­doch das Projekt u. a. an politischen und finan­ziellen Ursachen.

Die Apostelstraße wird immer wieder in der Missionsliteratur erwähnt und hat – bis heute – die Gründung von missionarischen Vorposten und Gemeinden an strategisch wichtigen Rou­ten angeregt. Es fehlte bisher aber eine gründ­liche Erforschung der Quellen, des historischen Umfeldes und der Wirkungsgeschichte der Apostel­straße. Deshalb konnte die „Apo­stel­stra­ße“ als romantische Idee Spittlers ein wenig belächelt werden. Das hat sich durch die Arbeit von An­dreas Baumann geändert. Es ist ihm zu danken, daß er das reichlich vorhan­dene Ar­chivmaterial sowie die Sekundärlite­ratur um­fassend gesich­tet und ausgewertet hat. Dadurch ist es nun möglich, die Apostelstraße mit kon­kreten Men­schen, ihren Erwartungen, Mühen und Enttäu­schungen zu verbinden. Da­durch wird auch das geistliche und missionari­sche Denken aller an der Apostelstraße Betei­ligten besser sichtbar.

Über „Tränensaat“ und „Freudenernte“ muß in der Missionsarbeit immer wieder nachge­dacht werden – gerade in unserer, sehr an der auf­weisbaren Leistung orientierten Zeit. Inso­fern ist A. Baumanns Arbeit nicht nur ein wichtiger Beitrag zur Missionsgeschichte des 19. Jahr­hunderts, sondern auch die Beschrei­bung eines geistlich-missionarischen Ver­mächtnisses, dem viele Leser und Nachahmer zu wünschen sind.

Eberhard Troeger, em 1999-4.

Baumert, Manfred. Natürlich – über­na­tür­lich: Charismen entdecken und wei­ter­entwickeln. Frankfurt: Peter Lang, 2011.

„Mission geschieht in der Kraft des Heiligen Geistes“, formuliert die Ar­beits­gemeinschaft Evangelikaler Mis­sionen (AEM), und Gottes Geist „schenkt verschiedene Gaben für Dienst und Leben“. Diese Worte unterstreichen die zentrale Bedeutung des Heiligen Geistes in der Mission. Zudem haben wir heute eine Generation von jungen Mit­arbeitern, die hervorragend ausgebildet ist und voller Leidenschaft, jedoch auch tief verunsichert in unserer mega-op­tio­nalen Welt. Sie sehnen sich nach Ge­wissheit und erwarten eine gute Über­einstimmung von Gaben und Aufgaben. Darum kommt heute Persönlichkeits- und Gabentests eine besondere Be­deu­tung in der Auswahl von Mitarbeitern, Arbeitszuweisung und Begleitung zu.

Wie werden Charismen entdeckt und gefördert? Mit dieser Frage beschäftigt sich die Dissertation von Manfred Bau­mert, Studienleiter am Theologischen Seminar Adelshofen, die jetzt als Buch vorliegt. Sie erforscht diese Thematik im deutschen, landeskirchlichen Kontext und spannt dabei einen weiten Bogen: Er beginnt mit einem kirchen­ge­schicht­lichen Überblick, wie Chrysostomos, Tho­mas von Aquin, Luther, Schleier­ma­cher, Max Weber, Rahner, Zinzendorf und Blumhardt die Gnadengaben ver­standen haben. Anschließend diskutiert Baumert die aktuellen systematisch-theo­logischen Fragen. Oft ergibt sich dabei ein Dreiklang von menschlicher Dis­position, verbunden mit dem unbe­greiflichen Wirken von Gottes Gnade (so­teriologisch) und dem Weltwirken von Gottes Geist, und seinem Wirken in der Gemeinde (112).

Es folgt eine exegetische Analyse der wesentlichen Bibelstellen (115-139), bevor Baumert die gängigen Gabentests von Christian Schwarz, Bill Hybels, Obenauer, Xpand/EC und APPLE (Frost & Hirsch) vorstellt und ihre Stärken und Schwächen untersucht. Alle Kurse emp­findet Baumert als pragmatische Kon­zepte, die auf gründliche Exegese wenig Wert legen. Gaben und Aufgaben ent­sprechen einander und Fehler in ihrem Gebrauch werden einkalkuliert (155). Am besten beurteilt er noch Oberauers Kurse (für Jugendliche und für Er­wachsene), weil sie relativ gut theo­lo­gisch arbeiten, auf deutsche Landes­kir­chen normiert (176) ist und Gemeinde­mitarbeiter im Fokus hat (171). Bei B. Hybels hebt er die Integration von Frucht und Gaben des Geistes, natürlichen In­teressen und Fähigkeiten mit dem Per­sönlichkeitsstil hervor (170); zudem nimmt hier die Motivation durch Liebe sowie der Wunsch, Gott zu verherrlichen und zum Bau der Gemeinde beizutragen, die zentrale Rolle ein (169).  Baumert diskutiert dann forschungstheoretische Aspekte (191-202) und entwickelt die Methodik für seine empirische Umfrage unter Pfarrer/innen der badischen Lan­des­kirche: ein Online-Fragebogen (202-228) mit qualitativen und quantitativen Items.

Bei den empirischen Ergebnissen (272-344) fällt auf, dass 77% der befragten Pfarrer/innen geistliche Gaben vor­wie­gend als Kombination von natürlichen Anlagen und Geistwirkung verstehen (281); 62% sind überzeugt, dass diese bereits bei der Geburt (62%) empfangen werden (285), nicht bei der Taufe. Sie sehen geistliche Gaben vor allem in Leitung (44%), Musik (33%), Ver­kün­digung (24%), Gebet (24%), Lehre (24%), Organisation (22%), Seelsorge (19%), Besuchsdienst (16%), hand­werk­lichen Fähigkeiten (16%), während die paulinischen Gaben Geister­unter­schei­dung (8%) und Prophetie (6%) nur sehr selten genannt wurden (295). Hier spiegelt sich der landeskirchliche Kon­text wider, der beachtliche Unsicherheit hinsichtlich des dritten Glaubensartikels aufweist.

Wie entdecken Gemeindeglieder ihre Gaben? Die badischen Pfarrer nannten vor allem (312): ein Gemeindebild, dass jeder Christ begabt sei (79%), mo­ti­vie­rende Gemeindeziele (74%), Lob und Ver­trauen in der Gemeinde (68%), gegenseitiges Ergänzen in den Aufgaben von Hauptamtlichen (63%), Einsetzen von Gemeindegliedern, wo Mitarbeiter fehlen (48%), Pfarrer geben Hilfe­stel­lung zum persönlichen Glauben (37%), Einüben von Gaben in Kleingruppen (34%), Reaktion auf Verkündigung (32%), Mitvollziehen geistlich-pastoraler Handlungen wie Segnen, Fürbitte (29%), Gebet um Gaben (23%), regelmäßige Einzelgespräche über Ämter und Auf­gaben (23%), während Lernen von cha­ris­matischen Personen (12%), Vorträge zu Geistesgaben (10%) und über­re­gionale Konferenzen (5%) nur selten ge­nannt wurden. Dabei verstehen sich Pfar­rer als Schlüsselperson, die das pro­zess­hafte Erlernen von Gaben an Ge­mein­de­aufgaben und Ausprobieren in der Ge­meinschaft vermitteln (294). In diesem Kon­text wachsen viele der neuen Mis­sionare heran!

Woran werden geistliche Gaben erkannt? Die Pfarrer nannten hier vor allem Prag­matisches (361): der Einzelne erlebt Freu­de bei Aufgaben (89%), geistliche Stärkung in der Gemeinschaft (71%), geistliche Veränderung (63%), Dienst­bereitschaft (62%), Bedürfnis zur Mit­arbeit (61%), Interesse an geistlicher Gemeinschaft (61%), Entwicklung der eigenen Identität (60%), Menschen kom­men zum Glauben (60%).

Die Studie belegt, dass Gabentests gegenwärtig noch relativ wenig (2-8%) verwendet werden (344) und mehr der Bestätigung erkannter Gaben dienen als dem Entdecken von neuen. Korre­la­tions­analysen decken weitere empirische Zusammenhänge auf im Hinblick auf Gebet, Gabenverständnis und Ge­meinde­typus (345-360). Die Online-Umfrage ist ergänzt durch Interviews mit Ge­mein­de­gliedern, die Baumert sorgfältig hin­sicht­lich Wortwahl, Syntax und Themen ana­ly­siert (313-328) und zu Profilen ver­dichtet (366-388). Dabei fällt auf, dass auch viele Gemeindemitarbeiter Schwie­rigkeiten haben, ihre Gaben zu er­kennen. Zum Vergleich dienen Inter­views mit Gemeindegliedern einer cha­ris­matisch-pentekostalen Gemeinde (365-375), bei denen Heilung, Prophetie, Glossolalie und Visionen eine zentrale Rolle spielen. Sie sehen eine enge Verbindung zwi­schen persönlicher Berufung und geist­licher Begabung (375) – oft in Bereichen früherer Defiziterfahrungen – jedoch keine zwischen Begabung und Per­sön­lichkeit. Trotz übernatürlicher Zu­wei­sung müssen diese eingeübt und durch Dritte bestätigt werden (377). Mitarbeiter mit unauffälligen Gaben stehen dabei im Hintergrund und benötigen eine ge­hor­same Haltung (375). Baumert fasst seine Ergebnisse in 46 Thesen zusammen, wie landeskirchliche Gemeinden geistliche Gaben in ihrer Mitte besser entdecken und zur Entfaltung bringen können (395-432). Es sind praktische Vorschläge, die in jeder Gemeinde umgesetzt werden können; dazu dient auch die umfassende Bibliographie.

Das vorliegende Buch überzeugt durch seine empirischen Ergebnisse. Die Kom­bination von Online-Umfrage mit quan­titativen und qualitativen (offene) Fragen plus Interviews von Pfarrern und Ge­mein­degliedern gewährt einen tiefen Ein­blick in das theologische Verständnis von Charismen und die Gemeindepraxis von badischen landeskirchlichen Ge­mein­den. Mit ihrer Kombination von ver­schiedenen Befragungstechniken, de­tail­lierter Diskussion der Forschungs­me­thodik (228-271) und komplexer Sprach­analyse setzt sie auch methodisch Maß­stäbe; sie stellt eine Fundgrube und In­spi­ration dar für jeden, der eine em­pi­ri­sche Studie plant. Die numerischen Er­gebnisse sind graphisch vielfältig (nicht immer konsistent) aufbereitet. Jedoch täu­schen die Nachkommastellen eine Präzision der Ergebnisse vor, die dem (be­grenzten) Umfang der Stichprobe (N=139) nicht entspricht, die bereits eine sta­tistische Unschärfe von ± 4-8% vor­gibt. Dem Genre Dissertation ist die theo­logische und soziologische Fach­spra­che, abstrakten Konzepte und kom­plexe Syntax geschuldet, die für Aka­demiker einen sprachlichen Genuss dar­stellen mögen, jedoch Lesefluss und Ver­stehen erschweren. Trotz dieser ge­rin­gen Einschränkungen bietet das Werk wertvolle Impulse für den mis­sio­narischen Gemeindeaufbau und für die Mitarbeiterführung in Missionswerken.

Detlef Blöcher, em 2012-3.

Beck, Hartmut (Hg.): Wege in die Welt. Rei­seberichte aus 250 Jahren Brüdermission. VELM: Erlangen, 1992.

Dieses Buch stellt eine Ergänzung zu Hartmut Becks Geschichte der Brüdermission mit dem Titel „Brüder in vielen Völkern“ dar. Rund 20 Texte geben bis zum Jahr 1916 Einblick in etwa 200 der 250 Jahre Mission der Herrnhuter Brüdergemeine. Allerdings wird hier nicht die Missionsarbeit selbst dargestellt, sondern die Reisen der Missionare in die Polarregion, die Karibik, nach Zentralasien, Indien und Grönland und die damit verbundenen erheb­lichen Schwierigkeiten. Schwere Unwetter, Schiffbruch, Krankheit, Verwicklung in Kriege und Gefangenschaft, feindselige Schiffs­mannschaften, Geldmangel und Hunger, Aus­geliefertsein aufgrund ihrer Rechts- und Schutzlosigkeit und vor allem Einsamkeit an­gesichts der gewaltigen Aufgabe der Pionier­mission kennzeichneten die oft monatelangen Reisen an die entlegenen Bestimmungsorte der ausgesandten Männer und Frauen. Daß alle Texte aus Tagebüchern und eigenhändigen Reiseberichten stammen, macht das Buch zu einem eindrücklichen Zeitzeugnis.

Christine Schirrmacher, em 1995-1.

Beck, Hartmut. Brüder in vielen Völkern. 250 Jahre Mission der Brüdergemeine. Verlag der Evg.-Luth. Mission, Erlangen 1981.

Herrnhut, das ist die Mutter der deutschen evangelischen Missionen. (Die noch ältere dänisch-hallesche Mission gibt es ja schon lange nicht mehr). Nicht nur, daß Herrnhut die älteste Mission ist, es hat auch für die Entstehung der großen Missionen (wie Ba­sel, Berlin oder Leipzig) wichtige Vorarbei­ten geleistet. Interessant ist auch die Struk­tur der Herrnhuter Brüdergemeine als ei­ner „volkskirchlichen Freikirche“, bei der fast von Anfang an Weltmission wichtiges Grundelement des Auftrags der Kirche war.


Das hatte zur Folge, daß heute der weitaus größte Teil der Moraven in den „Missions­gebieten“ lebt. Außerdem ist die Brüder-Unitat eine der wenigen internationalen evangelischen Kirchen.

Hartmut Beck, Missionarskind (geboren in Surinam), Missionar (in Tansania) und Pfarrer einer Brüdergemeine (in Hamburg) hat zum 250jährigen Jubiläum der Herrnhu­ter Missionsarbeit ein bedeutendes und gut lesbares Buch veröffentlicht, das das bis­herige, von Karl Müller und Adolf Schulze zum 200jährigen Jubiläum erschienene Buch ablöst.

Das Buch ist auch interessant für den, der sich mit Fragen der Gemeindestruktur und ihren Veränderungen beschäftigen will. Ge­schickt ist auch seine Darstellung der Ver­flechtungen zwischen Mission, Kolonialis­mus, Sklaverei, Sklavenbefreiung, Handel und Predigt. Weil er die historischen De­tails kennt, vermeidet er Generalisierungen. Er zeigt, wie sowohl die Identifikation mit den Opfern des Kolonialismus als auch Ge­horsam gegenüber der Obrigkeit (in jeweils unterschiedlicher Mischung) geistliche Rea­litäten waren (lesen Sie einmal auf S. 248/9 die Geschichte von der Nichteroberung Silos).

Klaus Fiedler, em 1985-2

Becken, Hans-Jürgen. Wo der Glaube noch jung ist: Afrikanische Unabhängige Kir­chen in Süd-Afrika. Erlangen, 1985.

Das Buch ist eine wesentliche Bereicherung der immer noch spärlichen deutschen Lite­ratur über die Afrikanischen Unabhängigen Kirchen (AUK), die immerhin mit 33 Mil­lionen Anhängern gut 15% der afrikani­schen Christenheit ausmachen.

Das Bestechende an diesem Buch ist es, daß die Vertreter der AUK selbst ausführlich zu Wort kommen. Das kann nur jemand präsentieren, der wie Becken seit 1951 in Afrika tätig ist und seit 1965, also seit zwanzig Jahren, eng mit diesen Kirchen zusammenlebt. Allein als solche erzähle­risch beschreibende Darstellung der AUK in Selbstzeugnissen ist es ein gelungenes Werk, das eine würdige Weiterführung und Aktualisierung der Arbeit Bengt Sundklers („Bantupropheten in Südafrika“, 1964) ist.

Becken will aber mehr als nur darstellen. Er möchte die AUK als ebenbürtigen Part­ner im ökumenischen Gespräch vorstellen, der einen substantiellen Beitrag zur afrika­nischen Theologie und zur Mission in Afri­ka liefern kann. Für ihn sind diese von den Missionskirchen unabhängig gewachsenen Gemeinschaften eine authentische „afrika­nische Antwort auf die christliche Bot­schaft“ (S.11), eine „missionarische Bewe­gung“ (S. 274) der weltweiten Kirche Jesu Christi.

Sehr überzeugend wird das Besondere am Beitrag des AUK-Christentums herausge­stellt: das ganzheitliche Heilsverständnis (in der Zusammenschau von Seelenrettung und körperlicher Heilung), die Bedeutung der prophetischen Heiler als begeisternde Vorbilder und die missionarische Wirkung der Gemeinschaft der „geheilten Heiler“, die sich durch Fürbitte (in Heilungsgottes­diensten) und durch Fürsorge (in Heilungs­heimen) um das Leid des Nächsten küm­mert.

Ausführlich wird die vielfältige Verwendung von Symbolen beschrieben (z.B. Asche, Wasser, Berge, Fahnen, Kerzen), und die Theologie des Liedgutes eines AUK wird exemplarisch herausgearbeitet.

Die Schlußkapitel geraten zu einem dringen­den Appell an die westlichen und afrikani­schen Missionskirchen, in den Dialog mit den AUK einzutreten und sie als gleichgesinnte Missionspartner für Afrika anzu­sehen. Denn es wäre zu den nun über 6000 AUK in Afrika nicht gekommen, wenn es nicht die Missionskirchen gegeben hätte, von denen sich die ersten abgespalten hat­ten (seit 1819), deren Führer aber viel von ihren Mutterkirchen mit herübergenommen haben und die auch nur dort Kirche bauen konnten, wo ihnen die Bibel in ihrer Mutter­sprache zur Verfügung stand.

Der theologisch Interessierte vermißt viel­leicht ein gründlicheres Eingehen auf die Synkretismus-Problematik. Ekklesiologische Bedenken erheben sich bei der von Becken so euphorisch geschilderten Massenbewe­gung des Cancele-Kultes, den er als gelun­gene Weiterführung der AUK im Sinne einer das ganze Volk erfassenden Kirche versteht. Fasziniert hier nicht das Ideal der Volks­nähe (,,Volkskirche“) mehr als das biblische Ziel der Christusnähe?

„Wo der Glaube noch jung ist“ ‑ ein mar­kanter Meilenstein zur Orientierung auf dem verschlungenen Pfad der Begegnung mit den unabhängigen Kirchen in Afrika.

Detlef Kapteina, em 1986-4.

Becker, Dieter. Die Kirchen und der Panca­sila-Staat: Indonesische Christen zwischen Konsens und Konflikt. Missionswissenschaft­liche Forschungen NF 1. Verlag der Ev.-Luth. Mission: Erlangen, 1996.

Auch wenn die Lage der Kirche Jesu in kei­nen zwei Ländern der Erde wirklich gleich ist, gibt es kaum ein Land der Erde, in dem die Kirche auf eine so einmalige Situation stößt, wie in Indonesien. Das Land ist isla­misch und doch ist der Islam nicht Staatsreligion. Als m. W. einziger Staat der Erde macht Indonesien we­der eine bestimmte Religion zur Staatsreli­gion, noch ist er religiös indifferent, sondern erhebt den Glauben an einen Gott zu einem der staats­tragenden Säulen der Staatsphilosophie, der ‘Pancasila’. (Vgl. meine Beiträge „Religion ist Pflicht in Indonesien“ Idea-spektrum 56/57/1981 vom 21.10.81 und „Javanische My­stik“. Factum 10/1987: 3-6). Dieter Becker stellt in seiner Hei­delberger Habilitationschrift von 1993 die Ge­schichte und Gegenwart der protestanti­schen Missionen und Kirchen in Indonesien dar, wo­bei der Schwerpunkt bei den älteren Kirchen liegt. Bedauerlich ist, daß Becker praktisch nur die im Nationalen Kirchenrat zu­sammengefaß­ten Kirchen berücksichtigt und die außerhalb stehenden und meist auch jünge­ren Kirchen, die aus der indonesischen Erwec­kung entstan­den sind, nur am Rande erwähnt (z. B. S. 260-261 die Einschätzung „charismatischer“ Grup­pierungen).

Dabei geht es Becker aber nicht um die Mis­sionsgeschichte an sich, sondern um ihr Ver­hältnis zur politischen Ordnung des Landes in der Kolonialzeit, der ersten Phase der Unab­hängigkeit unter Präsident Su­karno bis 1965 und der gegenwärtigen Struktur seit 1966 unter Präsident Suharto. Der Leser bekommt dabei auch einen ausgezeichneten Überblick über die politische Geschichte Indonesiens bis Mitte der 80er Jahre. Die Reaktionen der protestanti­schen Kirchen auf die politischen Gegebenhei­ten erhebt Becker minutiös aus einer Großzahl von Quellen und aus sei­ner vor Ort gesammel­ten Einsichten. Ich kenne derzeit kein Buch, das Mis­sionaren oder Missionsgesellschaften einen besseren Einblick in die ‘Pancasila’ und in das ungewöhnliche Verhältnis von Religion und Politik in Indonesien und die Reaktionen der christlichen Kirchen darauf gibt.

Dr. Thomas Schirrmacher, em 1998-1.

Bediako, Kwame. Theology and Identity. The Impact of Culture upon Christian Thought in the Second Century and in Mo­dern Africa. Oxford: Regnum Books, 1992.

Ist es möglich, als Afrikaner seine eigene Kul­tur, Tradition und religiöse Vergangenheit voll zu bejahen und zugleich überzeugter Christ zu sein? Lassen sich Afrikanersein und Christsein miteinander verbinden, oder gilt, wie der re­nomierte presbyterianische Theologe Bediako aus Ghana nachdrücklich in Kap. 6 beschreibt, auch heute noch wie vielfach bis zur Mitte die­ses Jahrhunderts alles Afrikanische als heid­nisch und damit als unwertvoll, unwichtig, ab­zulehnend? Demgegenüber betont Vf.: „Ohne Erinnerung (an das Alte) haben wir keine Ver­gangenheit, und ohne Vergangenheit haben wir unsere eigene Identität verloren, denn die Ver­gangenheit ist auch unsere Gegenwart.“ (237) Die missionarische Verkündigung trifft in Afrika weder auf eine religiöse und kulturelle tabula rasa noch bringt das Evangelium nur et­was ganz Anderes, das zur afrikanischen Tra­dition in keinerlei Beziehung steht, wie es noch Byang Kato (vgl. Kap. 10) in den siebzi­ger Jahren sah. Vielmehr geht es um das rechte Verhältnis von Kontinuität und Diskontinuität von afrikanischer Tradition und christlichem Glauben. Nur in einem ausgewogenen Verhält­nis von beidem, Kontinuität und Diskontinui­tät, kann sich eine eigene afrikanische christli­che Identität entwickeln. Dieser Fragestellung widmet sich Bediako in seiner bereits im Juli 1983 in Aberdeen eingereichten Dissertaion.

Die Fragestellung ist nicht neu. Bereits die Apologeten im zweiten nachchristlichen Jahr­hundert hatten sich damit auseinanderzusetzen. Deshalb geht Vf. zunächst auf vier Vertreter von ihnen ein (Tatian, Tertulian, Justin und Clemens von Alexandria), um aufzuzeigen, wie sie sich zu ihrer Zeit mit der hellenistischen Religion und Philosophie auseinandergesetzt haben und im Kontext dieser kulturellen Gege­benheiten das Evangelium verständlich machen wollten. Vf. stellt die missionarische Intention der Apologeten stark heraus und behandelt ihre Theologie also bewußt unter missiologischen Gesichtspunkten. Nicht eine radikale Verur­teilung des Hellenismus (so höchstens Tertu­lian), sondern eine bewußte kritische Ausein­dersetzung mit ihm und eine positive Auf­nahme partieller Wahrheiten unter Wahrung biblischer Maßstäbe prägte ihre Arbeit.

Ähnlich untersucht Vf. dann vier treffend ausgewählte afrikanische Theologen der Ge­genwart, die sich in Bezug auf ihren Kontext der gleichen Problematik stellen, mit dem Un­terschied, daß sie zugleich gegen das Vorurteil ankämpfen mußten, daß der afrikanische Hin­tergrund anders als der Hellenismus minder­wertig, ungebildet und rückständig sei.

Während der nigerianische Methodist Bolaji Idowu die „Kontinuität Gottes in der afrikani­schen religiösen Erfahrung“ (293) und Offen­barung Gottes auch in der afrikanischer Reli­gi­on in den Mittelpunkt stellt, geht es dem ke­ni­a­ni­schen Anglikaner John Mbiti darum, afri­ka­ni­sche Religiosität und Tradition als praepara­tio evangelica hervorzuheben. Mulago gwa Ci­ka­la als katholischer und frankophoner Vertre­ter aus dem Zaire betont die Partizipa­tion am Le­ben und an der Gemeinschaft als Konti­nu­um. Nur der evangelikale Byang Kato aus Ni­ge­ria lehnt jegliche Relevanz afrikani­scher Tra­di­tion für den christlichen Glauben ab, eine Po­si­tion, die auch in der evangelikalen Mis­sio­lo­gie zum Glück als überwunden gelten kann.

Wie der (hellenistische) „unbekannte Gott“ der Athener schließlich als der Eine Gott, all­mächtige Vater und Schöpfer aller Dinge be­stätigt wurde (429), muß es auch in Afrika zu einer „Synthese zwischen christlicher religiöser Verpflichtung (commitment) und kultureller Kontinuität“ (432) kommen, die keineswegs einen theologischen Synkretismus impliziert. Afrika lebt ebenso wie die alte Kirche schon seit langem im Kontext religiösen Pluralismus. Deshalb gibt es andere Antworten als das westliche Christentum, das sich diesem Phä­nomen erst langsam nähert (432ff). Bediakos Buch ist eine anregende, nach-denkenswerte, nicht immer bequeme Lektüre, die wichtige Perspektiven eröffnet. Alle, die an Theologie, Mission und Kirche in Afrika inter­essiert sind, sollten daran nicht vorübergehen.

Dr. Johannes Triebel, em 1996-2.

Bellers, Jürgen und Markus Porsche-Ludwig. Christenverfolgung in isla­mi­schen Ländern (LIT aktuell Bd. 3), Berlin: LIT-Verlag, 2011.

Auf die Verfolgung von Christen in is­la­mischen Ländern aufmerksam zu ma­chen, ist ein dringendes und gutes An­liegen. Wenn das jedoch auf ungute und unsachliche Weise geschieht, entsteht mehr Schaden als Nutzen. Leider ist dies in dem vorliegenden Buch weithin der Fall, so dass es für eine hilfreiche Aus­ein­andersetzung mit dem Thema nicht em­pfohlen werden kann.

Zu den Autoren: Dass Kardinal Karl Leh­mann seinen treffenden und sach­lichen Vortrag „Lage der christlichen Minderheiten in der Welt“, den er im Jahr 2008 vor der Konrad-Adenauer-Stif­tung hielt, zum Abdruck als erstem Kapitel dieses Sammelbandes (S. 3-7) frei­gab, kann ich mir nur daraus er­klä­ren, dass er wohl den Rest des Buches nicht kannte. Jürgen Bellers, Professor für Internationale Politik an der Uni­versität Siegen, steuert einen kurzen Beitrag (Kapitel 5, S. 101-110) zu „Chris­tenverfolgungen in Nordafrika“ bei, der Hintergrundinformationen liefert und beispielhaft einige Länder (Ägypten, Nigeria, Mauretanien) schildert. Bei dem durchaus sachlichen Aufsatz, war ich nur über für einige auffällige Schwä­chen im Schreibstil überrascht (vgl. S. 105: „Das Problem, warum die islamischen Mörder sich überhaupt zusammenfinden, liegt einerseits an charakterlichen Schwä­chen (es sind halt Mörder), aber auch an gewissen Sympathien eines wei­teren Kreises ihrer sozialen Umwelt, die allerdings auch immer noch nur eine Minderheit ist.“)

Markus Ludwig-Porsche, Professor für Politikwissenschaft in Taiwan, ist Autor von Kapitel 6 („Christenverfolgung von Saudi-Arabien bis Indien“, S. 111-127) und Kapitel 7 („Christenverfolgung in Südostasien und China“, S. 129-145). Neben interessanten Bemerkungen etwa zur Kulturgeschichte des arabischen Raums, verblüfft auch bei Ludwig-Pors­che, dass er manchmal floskelhaft und ver­allgemeinernd formuliert: „Der ara­bische Raum ist – mit wenigen Aus­nahmen (Zweistromland, Libanon) – durch Wüste gekennzeichnet. Insofern konnten sich im Nahen Osten nur we­ni­ge Kulturzentren herausbilden“ (S. 111). Zählt er Ägypten nicht zur ara­bi­schen Welt? Falls er vom arabischen Kernland ausgeht, würde wiederum Me­so­potamien nicht dazugehören. Zu fragen ist auch, warum in einem Buch über islamische Länder auch In­dien und China recht ausführlich ge­schildert werden.

Meine Hauptkritik richtet sich aber gegen die drei vom Publizisten Michael Mann­heimer verfassten Kapitel (S. 9-100). Nach Umfang und Stoßrichtung bil­den sie den eigentlichen Hauptteil des Buches. Natürlich muss auf Gefahren durch den Islam, auf seine antichristliche Stoßrichtung und auf konkrete Beispiele von Christenverfolgung hingewiesen wer­den. Da wird man bei Mannheimer durch­aus fündig. Die Aussagen des Pub­lizisten, die ich nachprüfen kann (und das betrifft vor allem die Türkei), er­wecken in mir jedoch den Eindruck: Hier sammelt einer alles Grausame zu­sam­men, was er über den Islam finden kann und selektiert dabei nicht nach der Glaub­würdigkeit der Quellen, sondern nach dem Grad der Grausamkeit. Er hat kein wirkliches Interesse an mühevoller Recherche, sondern will einfach so wir­kungsvoll wie möglich, Deutsche gegen den Islam mobilisieren.

Ein paar Belege für mein Urteil: Zu den Malatya-Morden von 2007 (zu den Op­fern gehörte auch mein Schwager) prä­sen­tiert Mannheimer auf S. 74-75 ein „Pro­tokoll der Malatya-Morde“, das ein vor­schneller Christ auf Grund von Zei­tungs­berichten ein paar Tage nach den Morden versandte. Die Morde waren bru­tal genug; aber viele Einzelheiten im „Protokoll“ sind vollkommen unzu­tref­fend und längst vielfach korrigiert (z.B. S. 74: „Finger wurden ihnen abgehackt, Nase, Mund und After aufgeschlitzt“). S. 92 wird in der Überschrift behauptet „Alle drei Minuten wird ein Christ we­gen Seines Glaubens in den Ländern des Is­lam getötet“ (S. 92). Im folgenden Text wird allerdings klar, dass sich die „drei Mi­nuten“ von der Erklärung eines Evan­gelikalen ableiten, dass in 2003 weltweit (also nicht nur in islamischen Ländern) 170.000 Christen starben, weil sie Chris­ten waren. Mannheimers Aussage „Auch in der Gegenwart werden Chris­ten in der Türkei systematisch verfolgt“ (S. 81) kann so nur stehenbleiben, wenn man sauber unterscheidet, welchen An­teil der Staat, welchen Anteil die Ge­sellschaft und bestimmte politische Grup­pen am tatsächlichen Druck auf Christen in der Türkei haben. Das tut Mannheimer nicht.

Bezeichnend für den Stil Mannheimers ist, wie er zu Beginn seiner Schluss­be­merkung, aber eben doch fast am Ende (!) des ausführlichen Kapitels 3 über „Terror­monat Ramadan“ (S. 39-68) plötzlich bemerkt: „Um jedes Missver­ständ­nis bereits im Vor­feld aus­zu­räu­men: Selbstverständlich wird der Rama­dan von der Mehrzahl der Muslime friedlich begangen“ (S. 60). Eine Haupt­these Mannheimers ist „Der Terror ge­gen „Ungläubige“ kommt aus dem Her­zen des Islam“ (S. 93). Für Aufrufe zur Gewalt lassen sich natürlich tat­sächlich zahlreiche Belege in Koran und Sunna finden. Zum einen lässt hier Mann­heimer aber keine abweichenden Mei­nungen im Islam (die es auch gibt) zu Wort kom­men. Zum anderen fordert er gleichsam (S. 63-65) von „moderaten Mus­limen“, sich eindeutig vom Islam zu dis­tan­zieren, um glaubwürdig zu sein. Da­mit stellt er jeden Muslim etwa in Deutsch­land unter einen General­ver­dacht, und das halte ich für äußerst ge­fährlich.

Dass es Christenverfolgung in der isla­mischen Welt gibt, habe ich in der Tür­kei hautnah selbst erlebt. Ich hoffe, viele werden schreiben und berichten über Gewalt und Unrecht gegen Christen im islamischen Umfeld; aber bitte: So nicht!

Wolfgang Häde, em 2011-4.

Beom-Seong Lee. Die politische Leis­tung der „evangelikalen“ Kirchen­füh­rer in Korea: Der Beitrag der korea­nischen Kirche zum nationalen Wie­der­vereinigungsgedanken vor dem Hin­ter­grund der Erfahrung aus der japa­nischen Besatzungszeit von 1910-1945 (Die protestantische Kirchen­ge­schichte in Korea von 1832 bis 1945). afem-academics 12, Nürnberg: VTR, 2003.

Die vorliegende Arbeit wurde unter Begleitung von G. Besier / J. Thierfelder als Dissertation an der Theologischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg verfasst und angenommen. Sie beschreibt und bewertet Entwick­lun­gen der protestantischen Missions- und Kirchengeschichte Koreas zwischen 1910 und 1945 unter dem Gesichtspunkt ihrer Funktion im politischen Widerstand gegen die japanische Besatzungsmacht. Der Verfasser, inzwischen Professor für Missionswissenschaft an der Graduate School of Practical Theology, Seoul, und Leiter eines Forschungsprojekts zur Wie­der­vereinigung von Süd- und Nord­korea, [Vgl. „Wiedervereinigung nach dem Gesichtspunkt der sozialen Integration“, Berliner Missionswerk, Korea-Info 14/2009, www.berlinermissionswerk.de/uploads/media/Korea_Info_14_2009.pdf.] gibt zunächst einen Überblick über die gesamte koreanische Missions­geschichte (inklusive eines interessanten religionsgeschichtlichen Vorspanns) und legt dabei besonderen Wert darauf, zu zeigen, dass die Ursprünge der korea­ni­schen Kirchen in der evangelikalen Er­weckungsfrömmigkeit (Bibel­zentris­mus, persönliche Bekehrung, Zeugnis, Welt­mission, presbyterianische amerika­ni­sche Korea-Mission 1884-1910) lie­gen. Den „koreanischen Kirchenkampf“ ge­gen die japanische Besatzungsmacht bis zur Befreiung durch die Allierten (USA/ Russland) und der Teilung Koreas be­schreibt Beom-Seong in drei Schritten: zunächst als Kampf um die Freiheit der Nation (angesichts der politischen Be­drohung), dann als Kampf um die Iden­tität der Kirche (angesichts der geist­lichen Bedrohung des erzwungenen Syn­kretismus mit japanisch geprägter Re­ligion) und schließlich als Kampf ums Überleben der Kirche (angesichts der existentiellen Bedrohung in der Schluss­phase der Besatzungszeit).

Anhand der historischen Darstellung ent­wickelt und begründet der Autor seine zentrale These, dass der politische Wi­der­stand während der japanischen Be­satzungszeit vor allem von der evan­ge­likalen Frömmigkeit der Christen und nicht von politischen oder philoso­phi­schen Motiven inspiriert gewesen sei (S. 223): „Das Beharren der Kirchenführer auf der 'evangelikalen Idee' bildetet die Kraftquelle dieser Bewegung“ (S. 303). Der so (evangelikal) motivierte Wider­stand gipfelte in der Verweigerung des japanischen shintoistischen Jinja-Kultes, den die japanische Kolonialregierung an­geordnet hatte. So habe sich ein evange­li­kal-nationaler Gedanke entwickelt, oh­ne nationalistisch zu werden.

Im Verhältnis zur historischen Dar­stel­lung der Zeit zwischen 1910 und 1945 fällt die Diskussion des Beitrags zum Wie­dervereinigungsgedanken Ko­reas eher knapp aus. Es wird lediglich öfters darauf hingewiesen, dass die Dar­le­gun­gen auch für das heutige Pro­blem der Wiedervereinigung Koreas relevant seien (S. 306). Ebenso wird nicht – wie im Titel angedeutet – „die korea­nische Kir­che“ insgesamt in den Blick ge­nom­men, sondern die pres­byterianische als älteste und größte Kirche Koreas (S. 4), andere evan­gelikale Kirchen in Korea werden nicht näher thematisiert. Etwas unklar bleibt auch die Kategorie der „Evan­gelikalen“ in den koreanischen pres­byterianischen Kirchen (S. 304/305). Es wird zwar be­schrieben, dass es eher liberale (dem ÖRK nahe stehende) und eher kon­servative (der Evangelischen Allianz nahe stehende) Zweige gebe, aber sie werden dennoch alle letztlich als „evan­gelikal“ bezeichnet, womit evange­likal und presbyterianisch zum Synonym würden.

Im Vorwort schreibt der Autor, dass sei­ne Arbeit zuerst dazu dienen solle, „den verschiedenen presbyterianischen Kir­chen in Korea ... eine Grundlage theo­logischen Nachdenkens im Hinblick auf die Frage der nationalen Wieder­ver­eini­gung zugänglich zu machen“ (S. 2). Die­  ses Ziel hat das Buch sicherlich erreicht, wobei offen bleiben muss, in­wieweit die deutschsprachige Veröffent­lichung in Ko­rea selbst zur Kenntnis genommen wor­den ist. Beom Songs Buch stellt ei­nen wichtigen und lesens­werten deutsch­sprachigen Beitrag zur Missions- und Kir­chengeschichte Koreas dar und ist von Interesse für jeden, der sich mit den Zusammenhängen ost­asia­tischer Kir­chen- und Missionsgeschichte im Hori­zont weltpolitischer Ereignisse und der Frage des politischen Auftrags mis­sio­narischer Kirche in interreligiösen Kon­texten kritisch auseinandersetzen will.

Dr. Friedemann Walldorf , em 2011-2.

Bergunder, Michael; Jörg Haustein (Hg.). Migration und Identität. Pfingstlich-charis­matische Migrationsgemeinden in Deutsch­land. Beiheft der Zeitschrift für Mission Nr. 8, Frankfurt: Lembeck, 2006.

Dieser Band enthält die Beiträge der Fachtagung „Migration und Identität. Pfingstlich-charisma­tische Gemeinden fremder Sprache und Her­kunft in Deutschland", die in Heidelberg im Juni 2004 stattfand. Er gliedert sich in drei Teile. Der erste Teil bietet mit zwei Artikeln einen Überblick zur Thematik des Buches. Claudia Währisch-Oblau stellt „Die Spezifik pentekos­tal-charismatischer Migrationsgemeinden in Deutschland und ihr Verhältnis zu den >etablierten< Kirchen“ (S.10-38) überzeugend und leser­freundlich geschrieben dar. Ausgehend von ei­nem empirischen Überblick über die pentekos­tal-charismatischen Migrationsgemeinden im Rheinland und in Westfalen wird eine Taxono-mie erarbeitet, ihre Charakteristika dargestellt, das Verhältnis untereinander und zu den deut­schen Kirchen beschrieben. Der zweite Über­blicksartikel von Cornelis van der Laan über „Nicht-westliche pfingstliche Migrationskirchen in den Niederlanden“ (S.40-59) kann den An­spruch des gewählten Titels und auch den des Buches nicht einlösen. Denn van der Laan gibt einen – durchaus interessanten – Überblick über die niederländische Migrationspolitik, die Si­tuation der Migrationsgemeinden und ihr Ver­hältnis zur niederländischen Gesellschaft. Aber die dem Leser angekündigte Zuspitzung auf die pfingstlich-charismatischen Kirchen fehlt voll­ständig.

Im zweiten Teil des Buches werden Fallstudien präsentiert. Der Artikel von Afe Adogame „Din­ge auf Erden um Himmels Willen tun. Aushand­lungsprozesse pfingstlicher Identität und die afrikanische religiöse Diaspora in Deutschland“ (S.60-82) basiert auf der Analyse einer Kirche, die von zwei afrikanischen Einwanderern in Deutschland gegründete wurde. Auf einem ho­hen abstrakten Sprachniveau wird aufgezeigt, wie komplex die Identitätsfindung und die theo­logischen Wandlungsprozesse des Einzelnen und der untersuchten Diaspora-Kirchen sind. Die sich daran anschließende Fallstudie „>War­tendes Israel und Israel am Ziel< Leid und Wunder von Pfingstgemeinden afrikanischer Migranten in Deutschland“ (S.83-106) von Evangelos Karagiannis ist von besonderem Inte­resse. Er schildert die sehr unterschiedlichen sozioökonomischen Rahmenbedingungen von zwei Pfingstgemeinden in einer ostdeutschen Stadt und setzt sie in Bezug zu ihren ebenfalls sehr unterschiedlichen theologischen Schwer­punktsetzungen. Auch wenn der Rezensent das Fazit: „Was die Predigt der Pastoren vor allem reflektiert, ist die Ressourcenausstattung ihrer Kirche, deren Konsolidierungsgrad als Orga­nisation, das Spektrum ihrer Möglichkeiten“ für überzogen hält: Die Varianz pfingstlicher Theo­logie wird exemplarisch deutlich. Das macht die Studie so interessant.

Jörg Haustein geht der „Pfingstbewegung und Identität im Kontext äthiopischer Migranten in Deutschland“ (S.107-126) nach. Dazu infor­miert er in der ersten Hälfte seines Beitrages über die pfingstlich-charismatischen Bewegun­gen in Äthiopien, um dann die Situation, Iden­tität und Theologie der äthiopischen pfingst-lichen Christen in Deutschland zu schildern. Werner Kahl – Studienleiter an der Missions­akademie in Hamburg – untersucht in seiner Fallstudie „Zur Bibelhermeneutik pfingstlich-charismatischer Gemeinden aus Westafrika in Deutschland“ die Art und Weise, wie in Ghana die Bibel gelesen wird. Dazu hat er in Ghana präferierte biblische Passagen quantitativ empi­risch erhoben. Der besondere Wert seines Bei­trages ist, dass hier einer der zentralen Punkte charismatisch-pfingstlicher Identität und Theo­logie angesprochen wird. Wie sich langfristig der ökumenisch-pfingstliche Dialog weiterent­wickeln wird, hängt zweifelsohne auch davon ab, ob bei dieser Frage nach einer angemessenen Bibelhermeneutik gemeinsame Verständigung möglich sein wird.

Der dritte Teil des Buches ist der religionswis­senschaftlichen und theologischen Reflexion ge­widmet. Michael Bergunder gibt einen kennt­nisreichen Überblick über die „Pfingstbewegung, Globalisierung und Migration“ (S.155-170) im weltweiten Kontext. Allan Anderson, bekannt als herausragender Kenner der Pfingstbewegung der Universität Birmingham, geht leider kaum und auch nur sehr allgemein auf das Thema seines Artikels „Was europäische Christen von afrikanischen Pfingstlern lernen können“ (S.170-189) ein. Stattdessen gibt er einen fundierten Einblick in die afrikanisch-pfingstliche Kirchengeschichte und geht auf die Identität und Pluralität der Pfingstbewegung ein. Der Abschluss ist einem der großen – und wohl von allen Pfingstlern ge­liebten – Theologen der Pfingstbewegung vor­behalten: Walter J. Hollenweger. Ausgehend von der Frage „Was ist charismatische Theo­logie? Oder: Was muss sich ändern?“ (S.190-206) möchte er kritische Theologie und Spiri­tualität versöhnen. „Die Trennung zwischen ge-lebter Spiritualität und kritischer Theologie ist ein Verlust für die Universität. Deswegen ist die Präsenz dieser Immigrationskirchen in unseren Universitäten und in unserer Gesellschaft wich­tig“.

Trotz der offensichtlichen Schwierigkeit einzel­ner Autoren, das gestellte Thema zu fokussieren, ist der Band empfehlenswert. Denn diese The­matik wendet sich einem in der deutschen theo­logischen und missionswissenschaftlichen Dis­kussion weitgehend vernachlässigten Thema zu. Und die Gründung des interdisziplinären Ar­beitskreises „Pfingstbewegung“ an dieser Ta­gung zeigt, dass der Prozess der Erforschung der charismatisch-pfingstlichen Bewegung weltweit und in Deutschland weitergehen wird.

Dr. Andreas Kusch, em 2008-1.

Berneburg, Erhard. Das Verhältnis von Ver­kündigung und sozialer Aktion in der evan­gelikalen Missionstheorie. TVG. R. Brock­haus: Wuppertal, 1997.

Diese von Prof. Beyerhaus betreute Tübinger Dissertation zeichnet minutiös und zuverlässig die Entwicklung des Titelthemas in der evan­gelikalen Welt seit etwa 1960 bis 1990 nach. Dabei dienen vor allem evangelikale Großkonferen­zen, etwa die Lausanner Kon­gresse und Kon­sultationen, als Ausgangspunkt. Der Einfluß der Eschatologie auf die Sicht der sozialen Aktion wird zu Recht beson­ders be­rücksichtigt (z. B. S.18+35-36+157-160+301-316), wobei die Position des Autors kaum durchschimmert. Der Autor warnt sowohl vor einer Evangelisationstheorie, die aus - meist
eschatologischen - Gründen gegen jede soziale Aktivitäten ist, als auch vor einer Gleichord­nung von Evangelisation und sozialer Verant­wortung. Er unterscheidet aber deutlich zwi­schen einer primären sozialen Verantwor­tung dem einzelnen gegenüber und der sekun­dären sozialen Verantwortung im Sinne von Verän­derung von Strukturen. Diese Unterschei­dung wird in den evangelikalen Dokumen­ten zu we­nig berücksichtigt. Als Kernpro­blem der Evan­gelikalen sieht er – m. E. sehr zutreffend – mit Klaus Bockmühl das Fehlen einer evangelika­len Sozialethik (S.257 u. ö.) und das Ver­nachlässigen der Schöpfungsethik (bes. S.267ff+275ff).

Thomas Schirrmacher, em 1998-3.

Bevans, Stephen B. Models of Contextual Theology. Maryknoll/N.Y.: Orbis 1992.

Bevans schöpft aus seiner 7jährigen Erfahrung auf den Philippinen. Er ist Professor für histo­rische und dogmatische Studien am Catholic Theological Union Seminary in Chicago/Illi­nois. In seinem Buch baut er seinen gleichlau­tenden Artikel aus Missiology: An Internatio­nal Review 13 (1985) aus. Modelle ver­steht er als vereinfachende und verdeutlichende Re­konstruktionsversuche der Wirklichkeit. Sie beschreiben die Realität „da draußen“ nicht vollständig, aber bilden sie durchaus wirklich­keitskongruent ab. Er faßt die von ihm be­schriebenen Modelle als deskriptiv bzw. kom­plementär auf, d. h. sie sind für ihn nicht exklu­siv, wie bei Hesselgrave und Rommen in ihrem Buch Contextualization: Meaning, Methods, and Models (S.157), sondern sie ergänzen ein­ander.

Vom Übersetzungsmo­dell, das sich am stärksten an der Bibel bzw. der Tradition ori­entiert, geht die Beschreibung der Modelle über das synthetische Modell und das Praxis-Modell zum am radikalsten an Kultur und Kulturveränderung interessierten anthropologi­schen Modell. Das Transzen­denzmodell steht gewissermaßen über allen, da es nicht vom zu formulierenden Inhalt, sondern vom formulie­renden Subjekt ausgeht, das ver­sucht, seinen Glauben auf authentische Art auszudrücken. knappe und präzise Be­schreibung der Modelle läßt sich durch den klaren Aufbau (Terminologie - Beschreibung der Vorausset­zungen - Kritik) gut nachvollzie­hen. Jedes der Modelle wird durch das Beispiel eines Theolo­gen aus der westlichen und der Zweidrittelwelt illustriert. Die leider nicht als Fußnoten, son­dern am Ende organisierten Nachweise verra­ten fundierte Kenntnisse der Literatur. Das Buch kann durchaus als Über­sicht, Diskussi­onshilfe, praktische Anleitung und Einführung zur Thematik dienen, wie der Herausgeber Ro­bert Schreiter in seinem Vor­wort meint. Es bil­det ein katholisches Gegen­stück zu dem von Hesselgrave und Rommen veröffentlichten evangelikalen Standardwerk. Auch wenn Be­vans gewisse Präferenzen für das synthetische und das Transzendenzmodell zeigt, beantwortet er die Frage, welches das be­ste Modell sei: „It depends on the context“ (S.112).

Martin Sachs, em 1996-1.

Bevans, Stephen B.; Roger P. Schroeder. Constants in Context: A Theology of Mission for Today. American Society of Missiology Series 30, Maryknoll: Orbis, 2004.

Dieses Buch ist eine der wesentlichen Neuerscheinungen im Bereich der Missionstheologie. Die nordamerikanisch-katholischen Autoren (beide Mitglieder der SVD-Ordensgemeinschaft und Professoren an der Catholic Theological Union, Chicago) sind keine missionswissenschaftlichen Unbekannten. S. Bevans hat bereits wesentliche missiologische Quellensammlungen und wegweisende Arbeiten zur kontextuellen Missionstheologie verfasst. Mit Constants in Context setzen die Autoren die missionstheologische Tradition von David Bosch fort, bieten zugleich aber einen neuen Ansatz und verarbeiten neuere Dokumente und Entwicklungen.

Der erste Teil des Buches (Part I, S.7-73) bietet eine biblische Grundlegung anhand der Apostelgeschichte und erklärt den missionstheologischen Grundansatz des Werkes: er besteht im Herausarbeiten von sechs missionstheologischen „Konstanten“ in den „Kontexten“ der Mission in Geschichte und Gegenwart. Die sechs Konstanten stellen theologische Grundthemen dar, mit denen christliche Mission in allen Kontexten und zu allen Zeiten zu ringen hat: Christologie, Ekklesiologie, Eschatologie, Soteriologie, Anthropologie und Kultur. Diese Themen werden verknüpft mit drei theologischen Traditionen, die idealtypisch an Tertullian, Origenes und Irenäus festgemacht und durch die Jahrhunderte in verschiedenen Bewegungen und Theologen aufscheinen. Dieser Ansatz ist – trotz gewisser Vereinfachungen – innovativ, pädagogisch sinnvoll und geht stellenweise quer zu den gewohnten missions- und religionstheologischen „Schubladen“ und bietet somit Anstöße zum kreativen Neudenken.

Ähnlich wie bei Bosch – allerdings in größerer Nähe zur spezifisch missionshistorischen Entwicklung - wird dann Missionstheologie in historischen Epochen entfaltet (Part II, S.73-280): Mission in der frühen Kirche, Mission und die mönchische Bewegung, Mission und die Handelsbewegung, Mission im Zeitalter der Entdeckung, Mission im Zeitalter des Fortschritts, Mission im 20. und 21. Jahrhundert. Auch die Mission der Pfingstkirchen und neuerer Bewegungen in der nichtwestlichen Welt findet Berücksichtigung. Nach jeder Epoche wird nach den Konstanten, ihrer Spiegelung in den konkreten missionstheologischen Traditionen (z.B. auch in der Lausanner Bewegung bis 1992) und dem Ertrag für heute gefragt. Das jeweilige Ergebnis wird in Form einer Übersichtstabelle geboten. Dieser Teil ist der umfangreichste und bietet (ergänzend und relativ wenig überschneidend zu Bosch) eine Fundgrube missionstheologiegeschichtlichen Wissens. Den Abschluss (Part III, S.281-398) bildet eine gegenwartsbezogene systematisch-missionstheologische Reflexion der Mission als: (1) Teilnahme an der Mission des Dreieinigen Gottes, (2) befreiender Dienst im Reich Gottes, (3) Verkündigung Jesu Christi als universaler Retter, (4) prophetischer interreligiöser und versöhnender Dialog. Auch diese Themen werden jeweils wieder im Licht der sechs Konstanten gespiegelt.

Das Buch bietet eine erfrischende Lektüre: ein großer Überblick und eine faire Darstellung aller Traditionen wird mit inspirierenden Gedankenanstößen verbunden. Der Ansatz von Konstanz und Kontextualität wird in Nähe zu biblischen Texten, historischen Kontexten und der theologischen Diskussion der Gegenwart entfaltet. Die ausführlichen und informativen Fußnoten finden sich erst am Ende des Buches, was beim Lesen etwas hinderlich ist. Ein echter Wermutstropfen ist das Fehlen einer Bibliographie. Erschlossen wird der Text durch einen detaillierten Index und hilfreiche Karten und Tabellen. Dieses Buch stellt wohl jetzt schon – zumindest im englischsprachigen Raum – eine neue Standardeinführung in der Tradition von David Bosch dar.

Dr. Friedemann Walldorf, em 2006-3.

Beyer, Ulrich. Und viele wurden hinzugetan. Mission und Gemeindewachstum in der Karo-Batak-Kirche/Indonesien. Verlag der VEM, Wuppertal; Verlag der Ev.-Luth. Mission, Erlangen, 1982.

Im Jahre 1890 begann die protestantische Mission im Land der Karo-Batak. In den ersten Jahren breitete sich das Evangelium nur langsam aus. Nach drei Jahren sehr intensiver Arbeit waren erst sechs Karo-Batak getauft worden. Die Mission erschien als Anhängsel des Kolonialismus, außerdem galten für Gemeindeglieder sehr strenge Regeln, die ihnen keinerlei Kontakt zu ihren früheren Verwandten und zum Stamm lie­ßen. Damit waren sie von ihrem eigenen Volk getrennt. Im Laufe der Jahre wuchs die Kirche langsam. 1935 gab es 4189 ge­taufte Christen, 1,5% der Bevölkerung. 1941 wurde die Karo-Batak-Kirche selbständig mit dem Namen: Gereja Batak Karo Protestan (GBKP). 1945, nach dem Ende der japanischen Besetzung, stellte sich die GBKP hinter die entstehende Republik In­donesien. In der darauffolgenden nationa­listisch/kommunistischen Periode fand sich die Kirche in einer schwierigen Lage:
sie wollte sich zurückhalten! Daraus ging die Gründung von Hausgemeinden und Bibellesegruppen hervor, meist unter der Führung von Laien. Damals gab es nur acht ordinierte Pfarrer. Die alte gendang Musik wurde wieder eingeführt ‑ jetzt christlich geprägt, nicht mehr dämonisch. Auf diese Weise schlug die Kirche Wurzeln in der traditionellen Kultur, und deswegen schlos­sen sich viele ihr an. Am 30.9.1965 versuch­ten die Kommunisten, die Macht zu über­nehmen; sechs Generale, unter ihnen der christliche Toba-Batak General I. Pandjaitan, wurden ermordet. Durch das schnelle Eingreifen von General Suharto wurde diese Machtübernahme verhindert, und es kam zu einem umfassenden Gegenschlag gegen die Kommunisten und ihre Werkzeu­ge. Dabei wurden 100 000 getötet. Die indo­nesische Gesellschaft wurde bis in ihre Grundfesten erschüttert. Viele Karo-Batak suchten Sicherheit und Geborgenheit und fanden sie darin, daß sie sich der Kirche anschlossen. In nur drei Jahren (1965-68) wuchs die Kirche von 35 000 auf 76 000 Mitglieder. Das darauffolgende stetige Wachstum wurde durch Pancasila, die „fünf Säulen“ des indonesischen Staates, veran­laßt. Jeder Indonesier mußte sich für eine der fünf anerkannten Religionen entschei­den. Die Karo-Batak entschieden sich über­wiegend für die GBKP, denn so konnten sie in ihrem Volk und in ihrer Kultur blei­ben. (Der Islam war für sie nicht anziehend, weil Karo-Batak sehr gerne Schweinefleisch essen.) Der Kirche schließt man sich als Familie oder als Sippe an, Übertritte ein­zelner sind selten. Es wurde klar, daß allein der Glaube an Jesus den geistlichen Hunger stillen kann, und der Glaube an Jesus war es, der die Karo-Batak anzog.

Das Buch ist sehr sorgfältig geschrieben, auch die Details werden nicht übersehen. Auch in den großen Städten wie Medan und Jakarta gibt es Karo-Batak Gemeinden mit eindrucksvollen Mitgliederzahlen: in diesen Gemeinden fühlt sich der Karo-Batak zu Hause, wenn er in der Fremde leben muß.

Am Schluß des Buches wird die Gebets­gruppen-Bewegung erwähnt, die interdenominationelle Gebetsgruppen bildet, die das bieten sollen, was den verfaßten Kirchen an innerem Leben fehlt. Der Verfasser hat das Buch systematisch, fast mathematisch geschrieben. Christ werden erscheint in seiner Darstellung eher als die Annahme eines bestimmten Systems und weniger als eine Begegnung mit einer lebendigen und Leben spendenden geistlichen Gemein­schaft: der Gemeinde Jesu Christi.

Während seines Dienstes unter den Batak kannte der Rezensent die erwähnten Mis­sionare Neumann und Muylwijk persönlich, er war auch ein guter Freund von General Isaak Pandjaitan. Die Genauigkeit, mit der das Buch geschrieben wurde, beeindruckt. Das Buch ist sehr zu empfehlen.

Hans van der Boom, em 1985-3

Beyerhaus, Peter. Er sandte Sein Wort. Theologie der christlichen Mission, Bd. 1: Die Bibel in der Mission. Wuppertal/Bad Lie­benzell: R. Brockhaus Verlag/VLM, 1996.

Die bibliographischen Angaben dieses Buches zeigen bereits, daß der Tübinger Missionswis­senschaftler ein umfangreiches Opus geplant hat, das an Gustav Warnecks „Evangelische Missionslehre“ aus den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erinnert. Sowohl der Ge­samttitel als auch der des ersten Bandes spie­geln wesentliche Grundüberzeugungen und Intentionen des Autors wider, denn „Mission“ wird hier „in ihrem ur­eigenen Wesen“ als „Sendung des Wortes Gottes in die Welt“ ver­standen. „Solange christliche Mission im tiefen Respekt vor der Autorität dieses Wortes, wel­che die des dreieinigen Gottes selber ist, ihren Dienst der Ver­söhnung an Israel und den Völ­kern tut, bleibt sie authentische Mission. Nur so lange ist sie Fortsetzung der Sendung Christi und des Geistes vom Vater … (und) nimmt … teil an der trinitarischen Missio Dei“. Dieses Mis­sionsverständnis setzt ein Schriftverständ­nis voraus, „welches die Heilige Schrift – bei aller Offenheit für ihr geschichtliches Gewor­densein und für die Mannigfaltigkeit der in ihr redenden Zeugen – als ein in sich geschlos­senes Ganzes betrachtet“. Denn „durch die Wirkung des prophetischen Wortes wurde Menschheits­geschichte zur Heilsgeschichte“. Schließlich fand „die Heilsgeschichte in der Sendung des Sohnes“ ihren „die Äonen wendenen Höhe­punkt“. Damit das Wort dieser Offenbarungs­geschichte „vollinhaltlich und unversehrt bis an das Ende der Zeiten in ursprüngli­cher Kraft er­gehen könne, ging die Verkündigung Christi und seiner Apo­stel und Propheten durch die In­spiration des Geistes ein in das geschrie­bene Wort heiliger Schriften, die im Kanon der Bü­cher Alten und Neuen Testaments, der Bibel, ihre endgültig besiegelte Gestalt gefunden ha­ben“.

Peter Beyerhaus entfaltet das Thema jedoch nicht losgelöst von den – meist kontrovers ver­laufenden – Entwicklungen der letzten Jahr­zehnte, an denen er selbst engagiert beteiligt war, sondern versucht, eine „biblisch-theologi­sche Begründung der Mission zu entwickeln“.

Im ersten Kapitel „Die Notwendigkeit mis­sionstheologischer Grundla­genklärung“ skiz­ziert der Autor die Entwicklung seit 1961, dem Jahr der Eingliederung des Internationalen Missionsrates in den Ökumenischen Rat der Kirchen. Daraus ergibt sich in nuce die Kon­zeption des ersten Bandes.

In elf weiteren Kapiteln, die sich in drei Teile gruppieren, knüpft Beyerhaus zunächst „dankbar … an die Tradition heilsgeschichtli­chen Denkens in der deutschen evangelischen Missionswissenschaft“ an (Teil I: Die Bibel – das Buch der Mission). Er plädiert dafür, lern­willig, aber in „wachsamer Auseinandersetzung mit an­dern heute vertretenen Positionen“ diese Anknüpfung zu vollziehen (Teil II: Die herme­neutische Krise der Mission und ihre mögliche Überwindung). Der Autor verweist auf die „verheerenden Folgen für die Theologie und Praxis der Mission … die entstehen, wenn das reformatorische Formal­prinzip Sola Scriptura preisgegeben wird“. Teil III (Missionarische Verkün­digung in biblischer Vollmacht) erör­tert, „wie echte missionarische Ver­kündigung nach Inhalt und Gestalt durchgehend von der Autorität der Heiligen Schrift bestimmt ist und ihre überzeugende, aufbauende Voll­macht ge­winnt.“

Mit seiner Ermutigung zur „Orientierung der Mission an den elementa­ren heilsgeschichtli­chen Aussagen der Bibel“ möchte der Autor keinen neuen Gedanken in die Missionstheolo­gie einführen, sondern im Gegenteil nur „das erneut aussprechen, was zu allen Zeiten die Grundüberzeugung wahrhaft christlicher Mis­sion gewesen ist, besonders, soweit sie im Erbe der Reformation und des klassischen Pietismus gründete“. So knüpft Beyerhaus konkret an die Bemühungen von Missionstheologen wie Gustav Warneck, Walter Freytag und Karl Hartenstein an.

Nach Konzeption und Inhalt kann dieser Band als Lehrbuch dienen und alle anregen, die an der Aufgabe der Mission in irgendeiner Form mitar­beiten oder an den verschiedenen Detailthemen weiterarbeiten wollen. Dazu ist der Anhang eine gute Hilfe. Er enthält eine Übersicht der er­wähnten internationalen Kon­ferenzen und ein Abkürzungsverzeichnis. Die umfangreiche Bibliographie (mehr als 50 Sei­ten!) gliedert sich in vier Gruppen: Lexika und Quellensammlungen, Quellentexte, Konferenz­be­richte, sowie Sekundärliteratur. Ein Bi­bel­stel­len-, Personen- und ein diffe­renziertes Sach­register ermöglichen die Arbeit am Detail. Mit diesem um­fangreichen Werk legt Peter Beyer­haus „die reiche Frucht seines Lebens als Mis­sionar, Forscher und Lehrer“ vor. Möge die­se Frucht als Lehrbuch weitere Früchte tra­gen.

Dr. Erich Scheurer, em 1996-4.

Beyerhaus, Peter. God’s Kingdom and the Utopian Error. Discerning the Biblical Kingdom of God from its Political Counterfeits. Wheaton: Crossway, 1992.

Peter Beyerhaus, Professor für Missionswis­senschaft in Tübingen, hat über das christliche Verständnis des Reiches Gottes gründlich geforscht und nachgedacht. Sein neuestes Buch sollte als Fortsetzung seiner früheren Bemüh­ungen verstanden werden, der englischsprachi­gen Welt die konservative Position in der evangelikal - ökumenischen Auseinanderset­zung verständlich zu machen. Er verbindet eine tiefschürfende biblische Ergründung mit einer sorgfältigen Analyse der wichtigsten Missions­konferenzen, der ökumenischen Vollversamm­lungen und deren jüngster Dokumente. Beyer­haus’ Kernthese ist, daß die biblische Lehre von Gott von denen verdreht wird, die das Reich Gottes mit politischen Ideologien gleichsetzen. „Volkstheologien“ ist seine Bezeichnung dafür. Nach Aussage des Autors gibt es Versuche von einigen in der ökumenischen Bewegung, eine Einigung zwischen den beiden Flügeln der Debatte um soziales Handeln und Evangelisa­tion herbeizuführen. Doch dann müßten Evan­gelikaie nicht nur Kompromisse auf der ober­flächlichen politischen Ebene eingehen, son­dern auch ihr Verständnis der biblischen Heilsgeschichte ändern. Gott wird sein Reich errichten, indem Einzelne zu Glaubenden und dann zu Jüngern gemacht werden. Für Beyer­haus ist die Kirche, wenn auch nicht mit dem Reich Gottes identisch, so doch Gottes messia-nische Gemeinschaft. Gott, nicht der Mensch, wird das Königreich errichten. Auch wenn große Teile des Buches aus Beiträgen zu bestimmten Anlässen bestehen, entsteht durch einen guten Aufbau eine sinnvolle Gedanken­führung, beginnen mit der Sicht des Reiches Gottes in der evangelikalen Eschatologie bis zum letzten Kapitel über das Martyrium als Tor zum Himmelreich. Von besonderem Interesse ist das kurze Kapitel „Zehn Kriterien zur Un
terscheidung zwischen dem biblischen König­reich und seinen utopischen Verfälschungen“. Beyerhaus legt einen erfrischenden Zugang zu einem Problem offen, das die Kirche des 20. Jahrhunderts seit langem plagt. Seine Position als respektierter deutscher Theologe trägt sehr zur Annahme seiner Schriften in den englisch­sprachigen Kirchen bei. Es gibt nur wenige konservative deutsche Wissenschaftler, die so viel Respekt und Anerkennung in der evange­likalen Welt genießen. Seine handfesten bibli­schen Argumente, kombiniert mit einem klaren Blick für die Geschichte, haben der Kirche er­neut eine wertvolles Werkzeug beschert.

William Wagner (übersetzt von Thomas Schirrmacher), em 1993-2.

Beyerhaus, Peter. Krise und Neuaufbruch der Weltmission: Vorträge, Aufsätze und Dokumente. Verlag der Liebenzeller Mis­sion, Bad Liebenzell, 1987.

Wer sich grundsätzlich informieren will über die Geschichte der Missionstheologie, sowohl von Seiten des ökumenischen Rates der Kirchen als auch der evangelikalen Lausanner Bewegung; wer sich speziellen Fragen wie Mission als Evangelisation oder Revolution, Armut, Rassismus, Verhältnis der christlichen Missionen zu anderen Re­ligionen und Kulturen widmet; wer eine erste Einsicht in die Situation der missio­narischen Kirchen auf anderen Kontinenten erhalten oder sich erstmalig oder vertiefend mit der Problematik nachkolonialistischer Mission befassen will, der sollte zu dem vorliegenden Sammelband mit Vorträgen und Aufsätzen des Herausgebers von 1970 bis 1984 greifen.

Die einzelnen Erarbeitungen sind meist leicht überarbeitete Vorträge, gut zu lesen, und geben deshalb auch dem Nichttheologen einen tiefen Einblick in die theologi­sche und kirchenpolitische Diskussion. Der Verfasser vertritt selbst einen evangelikalen Standpunkt und ist engagierter Ge­sprächspartner.

Das Buch ist von daher keine objektive, journalistische Information, sondern ein äu­ßerst informativer und ein engagierter Ge­sprächsbeitrag. Für alle ehren- und haupt­amtlichen Mitarbeiter könnte der Sammel­band ein Fortbildungsseminar und eine hilfreiche Horizonterweiterung in der Situa­tion und Problematik der weltweiten Mis­sion sein.

Einen eigenen Standpunkt kann man sicher an der Position von Peter Beyerhaus pro­filieren.

Der Anhang mit Originaldokumenten, so z.B. der Lausanner Erklärung, eine Zeittafel über wichtige ökumenische und evangelika-le Ereignisse zum Thema von 1961 bis 1984, eine Literaturliste und ein Personen- und Sachregister machen das Buch zu einem wertvollen Nachschlagewerk, das auch zu einzelnen Themen wegen der in sich abge­schlossenen Kapitel gut zu lesen ist.

Manfred Beutel in: Praxis der Verkündigung (Oncken) 3/89. Em 1989-4.

Beyerhaus, Peter. Theologie als Instrument der Befreiung. Brunnen Gießen/Basel (TGV) 1986.

Befreiungstheologie, Black Theology, Home-land- und Minjung-Theologie finden seit 1976 einen Zusammenschluß in der „öku­menischen Vereinigung von Dritte-Welt-Theologen (EATWoT)“. Nachdem der Tü­binger Ordinarius für Missionswissenschaft und ökumenische Theologie zunächst die Entstehung und den wesentlichen Einfluß des Ökumenischen Rats der Kirchen dar­stellt, analysiert er die Inhalte und Ziele dieser Bewegung: Subjekt und Objekt die­ser Theologie ist das „Volk“ im Sinne einer (hier unaufgebbaren) marxistischen Sozial­analyse. Beyerhaus zeigt auf, daß die damit verbundene Interpretation der Bibel und die ideologisierte Umdeutung markanter bibli­scher Begriffe (z.B. Erlösung, Jesus, Reich Gottes) eine Preisgabe maßgeblicher Glau­benswahrheiten bedeutet.

Jürgen Kuberski, em 1987-1.

Billington Harper, Susan. In the Shadow of the Mahatma: Bishop V.S. Azariah and the Travails of Christianity in Britih India, Studies in the History of Christian Missions, hg. v. R. E. Frykenberg, Brian Stanley, Grand Rapids USA: Eerdmans/Richmond UK: Curzon, 2000.

Susan B. Harper, ehemalige Dozentin für Geschichte und Literatur an der Harvard University, gelingt es, in dieser wissenschaftlichen Biographie das Leben des ersten indisch-anglikanischen Bischofs und Missionsleiters, Vedanayagam Samuel Azariah (1874-1945), in seiner Bedeutung für den Bau der indischen Demokratie in der letzte Phase britischer Herrschaft zu analysieren und darzustellen. Von einer säkular verengten Geschichtsschreibung sei der Beitrag des evangelikal und evangelistisch geprägten Bischofs bisher nicht wahrgenommen worden. Gemäß dem Anliegen der neuen Reihe „Studies in the History of Christian Missions“ möchte die Autorin mit ihrer Monographie die Bedeutung der – oft geschmähten – christlichen Mission und geistlich motivierter Persönlichkeiten für die Profangeschichte herausstellen.

Aufgrund eines umfassenden Quellen-Studiums (das neben Archivalien aus Indien, Großbritannien und den USA auch die noch lebendige „oral tradition“ und Fotos – vgl. Bildteil in der Mitte des Buches – einbezieht) entwirft die Autorin ein detaillgetreues Bild Azariahs und seiner Zeit, das sie unter das Motto stellt: „Im Schatten des Mahatma (Ghandi)“. Azariah war ein Zeitgenosse Ghandis und hatte wie dieser das Ziel der sozialen Erneuerung Indiens. Doch weil Azariah zwar positiv zur nationalen Unabhängigkeit Indiens eingestellt war, aber auch deren subnationale Problematik kannte, und vor allem den wirklichen Weg zur Erneuerung in der Bekehrung der Menschen zu Jesus Christus und ihrer Eingliederung in die Kirche sah (S. 46, 55), und diesen Weg auch konsequent und mit größtem Erfolg beschritt, geriet er zunehmend in einen Konflikt mit und – zumindest was die historische Sichtbarkeit betrifft – in den Schatten Ghandis, der christliche Bekehrung aus politischen und religiösen Gründen (als Eingriff ins Dharma – die „göttliche Weltordnung“ – ablehnte).

Doch damit sind wir bereits zum Höhepunkt der Biographie vorausgeeilt, die von der Autorin in einem geschickten Spannungsbogen in vier Teilen entfaltet wird. Im ersten Teil („The Rise“, S. 9 – 90) beschreibt sie die Herkunft und Prägung Azariahs durch die Missionsarbeit des evangelikal geprägten Low-Church-Flügels der Anglikanischen Kirche (Church Missionary Society) in der südostindischen Provinz Tinnevelly, sein Engagement im asiatischen CVJM, in dem er die evangelistisch-internationale Welterneuerungsvision John Motts und der christlichen Studentenbewegung in sich aufnahm, und seine – von britischen Missionaren angeregte – Gründung der beiden ersten unabhängigen indischen Missionsgesellschaften, der Indian Missionary Society (IMS) und der National Missionary Society (NMS)

Die mit letzterem tiefgründig verbundene Problematik – Azariah wird zum Ausführenden der Indigenisierung-Visionen westlicher Missionare – kommt in der folgenden Etappe, seiner Konsegration zum ersten einheimischen Bischof der indo-anglikanischen Kirche (1912) (Teil II: „The Reign“, S.91-220), noch stärker zum Vorschein. Azariah, der ein befähigter und geistlich geprägter Leiter war, und sich auch als Bischof vor allem für die praktische Evangelisations- und Gemeindebauarbeit unter der armen Dorfbevölkerung engagierte, steht von da an im Konfliktfeld zwischen progressiven und konservativen Engländern einerseits und zwischen nationalistischen Indern und der einfachen indischen Dorfbevölkerung andererseits, wobei jeweils die letzte Gruppe der genannten Parteien seine Ernennung zum Bischof – bei aller Befürwortung seiner Person – kritisch sah. Verwestlichung (und damit auch das Vorhandensein britischer Bischöfe) „wurde von den lange unterdrückten niederen Kasten nicht als Schwäche und Anpassung an dominante westliche Missionare gesehen, sondern als symbolische Kampfansage an die repressive einheimische Sozialordnung. In diesem Licht wurde die von Missionaren geforderte ‚Indigenisierung’ nur als eine weitere Form der Unterdrückung verstanden“ (S. 150, Übers. FW). Azariahs bischöfliches Ringen um die Überwindung kirchlicher und sozialer Zersplitterung in Indien durch denominationelle Streitigkeiten und Kastenwesen wird im dritten Teil des Buches dokumentiert („The Resolutions“, S.221-288).

Eine entscheidende Kluft allerdings hielt Azariah für nicht überbrückbar (Teil IV: The Rift, S.289-366). Und diese Kluft brachte ihn unausweichlich auf Kollisionskurs mit Mahatma Ghandi, mit dem er – von der Herkunft bis zu den Hoffnungen für Indien – so vieles gemeinsam hatte. Die Autorin, die manche Archiv-Texte hier zum erstenmal präsentiert, zitiert Azariah, wie er den unvermeidbaren Konflikt beschreibt: „Wir … sind davon überzeugt, dass Menschen von einer Zugehörigkeit in die andere überwechseln. ‚Wenn jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Kreatur’. Eine neue Kreatur kann nur in einer neuen Umgebung leben. Das christliche Leben kann nur in der Gemeinde richtig gelebt werden. Das bedeutet, mit der alten Gemeinschaft zu brechen und in eine neue Gemeinschaft einzutreten … Mr. Ghandi hält davon nichts“ (S.336, Übers. FW). Azariah aber, der in seiner Provinz die Bekehrung von vielen Tausenden und die geistlich-soziale Erneuerung dörflicher Strukturen durch die kirchliche Arbeit erlebte, war von der Notwendigkeit und Richtigkeit dieses Weges überzeugt. Auch das am 12. Februar 1937 geführte „Spitzen-gespräch“ zwischen Ghandi, Azariah und einem weiteren anglikanischen Bischof änderte nichts an der Ablehnung Ghandis gegenüber der christlichen Evangelisation, und ebenso wenig an Azariahs theologischer Haltung. Im Gegensatz zu Ghandi lehnte er den selektiven Umgang mit der Bibel ab und hielt an der Notwendigkeit von Bekehrung und Gemeinde fest. Er widersetzte sich auch der ­selbst unter Missionarskollegen „populären Tendenz der Zwischen-Kriegs-Jahre, den religiösen Glauben in säkularen Utopismus zu verwandeln, oder zumindest die evangelikale Evangeliumsbotschaft durch ein ‚social gospel’ zu ersetzen“ (S.358).

Azariah stand bis zum Schluss für die Unabhängigkeit Indiens ein. Aber er sah die Gefahr, dass der Nationalismus sich mit einer fanatischen und einseitigen Renaissance des Hinduismus verbinden und zur Christenverfolgung führen könnte. Außerdem kannte er die subnationalen ethnischen und kastenbezogenen Auseinandersetzungen aus nächster Nähe und wusste nur zu gut, dass beträchtliche Teile der ländlichen Bevölkerung die britische der brahminischen und hinduistischen Herrschaft vorzuziehen würden. Harper arbeitet heraus, dass Azariahs Beitrag für die indische Demokratie vor allem in seiner Weigerung, sich politisch vereinnahmen zu lassen, bestand, und in seiner so bewahrten Freiheit, sich auf die sozial wirksame Evangelisation und den Gemeindebau zu konzentrieren. Azariah ging einen eigenen missionarischen Weg. „Er folgte dabei weder den westlichen Normen, die von den meisten Dorfbewohnern bevorzugt wurden, noch den indischen Normen, die von den westlichen Missionaren und den indischen Nationalisten bevorzugt wurden“ (S.176).

Am Ende des Buches gesteht die Autorin: „Selbst die besten analytischen Theorien können die Individualität eines Mannes wie Azariah nicht voll erklären“ (S. 358). Es ist in dieser kritischen, aber weder trockenen noch zynischen missionsgeschichtlichen Biographie gelungen, mit analytischem Fingerspitzengefühl „die Freiheit des Menschen als historischem Agenten“ und die Bedeutung geistlicher Überzeugungen für den Lauf der Geschichte deutlich zu machen. Der Text wird hilfreich ergänzt durch vier Landkarten, 16 Fotoseiten, einen Index und eine 75-seitige Bibliographie, die erstmalig auch eine vollständige Zusammenstellung der Publikationen Azariahs enthält.

Dr. Friedemann Walldorf, em 2002-3.

Bister, Ulrich / Stephan Holthaus (Hg), Friedrich Wilhelm Baedeker. Leben und Werk eines Russlandmissionars, Wiedenest: Jota-Publikationen, 2006.

2006 jährte sich der 100. Todestag des Deutsch-Engländers Friedrich Wilhelm Baedeker. Baedeker gehört zu den wichtigen prägenden Gestalten der Heiligungs- und Evangelisations­be­we­gung, die Ende des 19. Jahrhunderts in ganz Europa zu einer geistlichen Erneuerung der Kirchen beitrug. Erst in den letzten Jahren begannen Kirchen­historiker, die noch wenig erforschte Geschichte dieser Bewegung aufzu­arbeiten. Das vorliegende Buch gehört daher in eine Reihe von ähnlichen Ver­öffentlichungen, die mehr Licht in diesen bisher vernachlässigten Teil der jüngeren Erweckungsgeschichte bringen. Es ist da­her den Autoren zu danken, dass sie mit vorliegender Biographie über Bae­deker und der Veröffentlichung sei­nes Briefwechsels mit Toni von Blücher sein Leben und Wirken aus dem Ver­gessen holen. So können weitere wich­tige Wissenslücken im Verständnis der Hei­ligungsbewegung geschlossen wer­den.

Baedeker wurde in Witten geboren und stammte aus der berühmten Familie glei­chen Namens, die durch die Reiseführer weltbekannt wurde. Nach Philosophie­studium und Promotion ließ sich der reiselustige Baedeker im englischen Seebad Weston-super-Mare nieder. Er heiratete eine Engländerin. Durch Lord Radstock kam er zum lebendigen Glau­ben an Christus und schloss sich der sog. Offenen Brüderbewegung an, einer Gruppe bibelgläubiger Christen, die von Georg Müller, dem Waisenhausvater von Bristol geprägt waren. Bekannt wurde er als Übersetzer von Robert Pearsall Smith, den er kongenial übersetzte und auf seiner Reise durch Deutschland begleitete. Damit stand er von Anfang an im Zentrum der neu aufbrechenden Hei­ligungsbewegung, die durch Smith auf den Kontinent und nach Deutschland ge­tragen wurde. Seine eigentliche Le­bens­aufgabe fand Baedeker jedoch nicht in Deutschland sondern im zaristischen Russland. Durch seinen geistlichen Men­tor Lord Radstock wurde er ab 1876 in die erweckten adligen Kreise Russlands eingeführt. Bis zu seinem Tode 1906 bereiste er evangelisierend ganz Russ­land, Finnland, Sibirien, Asien und Süd-Ost-Europa. Dabei lagen ihm besonders die russischen Gefängnisse am Herzen, die er besuchte und in denen er vor tausenden Gefangenen predigte und Bibeln verteilte. Dennoch blieb er mit Deutschland verbunden, evangelisierte hin und her im Land, hielt Kontakte zu den neu entstandenen Glaubens­mis­sio­nen und wurde vor allem ein Förderer der Evangelischen Allianz. Die Blanken­burger Allianzkonferenzen hat Baedeker als Konferenzredner und Berater über Jahrzehnte mitgeprägt.

Einen guten Einblick in die Persön­lich­keit, die Zeit und das seelsorgerliche Denken Baedekers bekommt der Leser dann durch den zweiten Teil des Buches. Dieser besteht aus dem hier zum ersten Mal veröffentlichten Briefwechsel Bae­dekers mit Toni von Blücher, welche durch ihn zum Glauben kam. Hervor­ragend und sehr informativ sind die Anmerkungen und Hinweise der Autoren auf den Kontext der Briefe und die biographischen Notizen zu den Per­sönlichkeiten, die in den Briefen genannt werden. Für die Forschung ist diese Briefedition Baedekers sehr wertvoll; sie zeigt das weitgeknüpfte Netz von Per­sönlichkeiten, die damals miteinander Kontakt hatten, sich gegenseitig beein­flussten und die neue Erwec­kungs­bewegung in Deutschland prägten.

Es wäre zu wünschen, dass über weitere prägende Persönlichkeiten der Hei­ligungs- und Heilungsbewegung in Deutsch­land wissenschaftlich fundierte Biographien und Quellen veröffentlicht werden. Nur so wird es möglich sein, die­ses bisher vernachlässigte Stück Kirchen- und Erweckungsgeschichte aus dem Dunkel des Vergessens und des Unverständnisses heraus zu holen.

Dr. Bernd Brandl, em 2009-1.

Blackburn, W. Ross. The God Who Makes Himself Known. The Missionary Heart of the Book of Exodus (New Studies in Biblical Theology 28). Downers Grove: InterVarsity, 2012.

Die missionarische Absicht Gottes, sich den Nationen erkennen zu geben, ist zugleich theologisches Hauptanliegen und hermeneutischer Schlüssel zum Verständnis des Buchs Exodus, so die These von Blackburn (S. 15, 20). Vor­liegende Arbeit basiert auf seiner Disser­tation an der schottischen St. Andrews Universität bei Christopher Seitz. Bei einer Untersuchung über „Mission“ im Alten Testament spielt die Definition des Begriffs eine grundlegende Rolle. Er­freu­licherweise steigt Blackburn genau mit dieser Frage ein. Mission heißt für ihn in Anlehnung an seinen Doktorvater: Gott nimmt sich des Versagens der Mensch­heit an, vgl. C.R. Seitz, Figured Out, Louisville, 2001, S. 147. Ist Gott der „Missionar“ (vgl. D. Bosch) und das Konzept so weit gefasst, wird „Mission“ zum Hauptthema des Alten Testaments (vgl. ähnlich bereits Gottfried Simon, 1935). Unter Berufung auf Richard Bauck­ham, Bible and Mission, Grand Rapids, 2003 erfolgt dann jedoch noch einmal eine gewisse Zuspitzung auf die „Bewegung“ partikularer Erwählung zu universalem Zweck (vgl. G. Warneck).

In Auseinandersetzung mit John Barton und John Collins verteidigt Blackburn seinen explizit evangelikalen Ansatz. Nicht diskutiert werden hierbei jedoch die Fragen der Datierung, der litera­ri­schen Struktur und des Verhältnisses zu Le­viticus und Numeri (wichtig für S. 90f, Anm. 18). Blackburn unterteilt das Buch Exodus in fünf bzw. sechs „commonly accepted“ Abschnitte und widmet jedem dieser Teile ein eigenes Kapitel. Hier stellt er je ein exegetisches Problem des Abschnitts dar und versucht es unter Berück­sichtigung des missio­na­rischen Grundanliegens zu lösen: (1) Ex 1,1-15,21. Nach Ex 6,3 hat sich Gott den Patriarchen nicht mit seinem Namen Jhwh zu erkennen gegeben hat, dieser taucht jedoch in den Dialogen der Ge­nesis auf (vgl. Gen 15,7). Brevard Childs betont, dass Ex 6,3 Gottes Fähigkeit umschreibt, seine Verheißungen an die Patriarchen zu erfüllen. Blackburn sieht im Gegensatz dazu Gottes Selbst­of­fen­barung als Retter im Vordergrund (S. 28). Childs erkennt jedoch gerade dies auch selbst aus dem direkten Kontext der Passage, The Book of Exo­dus, Louisville, 1974, S. 115. (2) Ex 15,22-18,27. Ein Problem mit dem Abschnitt der Wüstenwanderung liegt in der grundlegenden Infragestellung seiner theologischen Bedeutung, etwa durch Martin Noth. In Anlehnung an Dtn 8,2f sieht Blackburn den Wert der Passage vor allem in dem Eintrainieren von Gehorsam für das Leben im verheißenen Land, damit die Nationen Gott erkennen. (3) Ex 19-24. Gerhard von Rad unter­scheidet deutlich zwischen dem Gesetz der Sinaitradition als Ausdruck von Got­tes forderndem Rechtswillen und dem „Evangelium“ der Landnahmetradition, die Gottes Gnadenwillen bezeugt. Dem gegenüber möchte Blackburn Evan­gelium und Gesetz mit Hilfe von Ex 19,4‑6 und 20,2 in ein Verhältnis zueinander setzen. Von Rad baut an er­wähnter Stelle allerdings keinen unüber­brückbaren Gegensatz auf, sondern redet bereits selbst von „Ineinander“, „Herein­nahme“, und „Zusammenordnung der beiden Traditionen“, Ges. Stud. z. AT, S. 61f. Ausführlich behandelt Blackburn den Ausdruck „Königreich von Pries­tern“ und deutet ihm im Sinn einer Mittlerrolle zwischen Jhwh und den Nationen. Als „heiliges Volk“ soll Israel Gottes Charakter nachahmen und so vor den Nationen repräsentieren. (4) Ex 25-31. Den Kapiteln über den Plan der Stiftshütte wird oft ein Mangel an Lebendigkeit und Gehalt nachgesagt. Doch repräsentiert Gottes Herrschaft aus der Stiftshütte heraus seine himmlische Herrschaft über den Kosmos. Sie ver­mehrt die Gotteserkenntnis unter dem Volk Israel (Ex 29,45f) und bis an die Enden der Welt, so mit Gregory Beale, The Temple and the Church’s Mission, Leicester, 2004. (5) Ex 32-34. Dass Gott gleichzeitig vergibt und doch nicht ungestraft lässt (Ex 34,6f) deutet für Wal­ter Brueggemann auf eine ungelöste Uneindeutigkeit in Gottes Charakter hin. Beides lässt sich jedoch als notwendige Folge von Gottes Eifer um seine Ehre unter den Nationen erklären – deshalb muss er Sünde strafen (Ex 20,5), deshalb muss er dem Volk vergeben (32,11-13: „Warum sollen die Ägypter sagen: In böser Absicht hat er…“). (6) Ex 35-40. Die starke Ähnlichkeit von Ex 35-40 mit 25-31 führt zur Frage nach dem Sinn dieser Doppelung. Blackburn macht deut­lich, dass hier angesichts der In­fra­gestellung durch das Goldene Kalb Buße und Wiederherstellung zum Ausdruck kommen, bestätigt durch das Erscheinen von Gottes Gegenwart (Ex 40,34).

Das Buch endet mit fünf praktisch aus­gerichteten Thesen: Missionierende Ge­mein­de muss auf dem Doppelgebot der Liebe gebaut sein. Mission geschieht unter persönlichen Prüfungen. Kein er­dachtes Gottesbild, sondern den Gott der Bibel gilt es bekannt zu machen. Dieser Gott ist an erster Stelle ein Erlöser. In Jesus Christus gibt sich Gott zu er­kennen.

Die letztgenannte These verdeutlicht, mit welcher Freiheit der Autor seine theo­logischen Linien durch den gesamten christlichen Kanon bis hinein in das Neue Testament zu ziehen vermag. Das Buch zeichnet sich weniger durch neue Erkenntnisse, als vielmehr durch das Zusammenfügen verschiedener Einsich­ten zu einem großen Bild aus. Auch wenn die Erkenntnisformel sicherlich nicht der Schlüssel zur Lösung aller exegetischen Probleme des Buchs Exo­dus ist, wird eindrücklich demonstriert, dass ihre zentrale theologische Be­deutung nicht unterschätzt werden darf.

Dr. Siegbert Riecker, em 2013-4.

Blocher, Jacques A.; Jacques Blandenier. L’évangélisation du monde: Précis d’histoire des missions. Bd. 1: Des origines au XVIIIe siècle. Institut Biblique de Nogent, Lavigny: Editions des Groupes Missionnaires: Nogent-sur-Marne, 1998.

Es ist erfreulich, daß in letzter Zeit vermehrt französische Bücher zu missiologischen The­men publiziert werden. Meist handelt es sich um Übersetzungen aus dem Englischen. Das vorliegende Buch jedoch wurde von zwei fran­zösischsprachigen Autoren verfaßt.

Dieser Überblick über die Missionsge­schichte bis ins 18. Jahrhundert ist äußerst in­teressant geschrieben. Da praktisch keine Fuß­noten ver­wendet werden, liest es sich sehr leicht. Die Schlußfolgerungen am Ende jedes Kapitels führen dem Leser immer wieder den Bezug zur Gegenwart vor Augen. Wer meint, das Anlie­gen der Mission sei nach Paulus in Vergessen­heit geraten, wird mit Überraschung feststellen, auf welchen Wegen sich das Evan­gelium wäh­rend diesen 18 Jahrhunderten aus­gebreitet hat, wie z. B., daß Europa vom 6.- 8. Jahrhundert von Mönchen aus Irland missio­niert wurde.

Das Buch ist auch für Kenner der Materie sehr zu empfehlen. Wenig bekannte Aspekte der Missionsgeschichte werden erörtert und, wo möglich, in Beziehung zu Frankreich ge­setzt. Wußten Sie z. B., daß die Mongolei im 12. Jahrhundert von China her missioniert wurde? Und wer weiß schon, daß König Eduard I. von England im Jahre 1287 die Eu­charistie von ei­nem mongolischen Mönch aus Peking empfing und zwar in der französischen Stadt Bordeaux?

Zur Zeit der Reformation war die Weltmis­sion noch kein Thema. Daher erstaunt es, zu lesen, daß der französische Admiral Coligny in Bra­silien ein „protestantisches Frankreich“ grün­den wollte. Warum diese Expedition nach zehn Monaten aufgegeben wurde, und warum fast alle Missionare umkamen, wird ausführ­lich behandelt. Ein wirklich spannendes Buch!

Wer nach einem bestimmten Thema sucht, wird sich dank des Index rasch zurechtfinden. Man darf schon auf den zweiten Band über das das 19. und 20. Jahrhundert gespannt sein. Jac­ques Blandenier plant die Veröffentlichung in etwa zwei Jahren.

Stefan Schmid, em 1999-4.

Blöchle, Herbert. Luthers Stellung zum Hei­dentum im Spannungs­feld von Tradition, Humanismus und Reformation. Frankfurt: Peter Lang, 1995.

In der gegenwärtigen Debatte um eine Theolo­gie der Religionen drohen die reformatorischen Positionen immer mehr in den Hintergrund zu gera­ten. Eine evangelische Stellungnahme wird aber nicht darauf verzichten können, das Zeug­nis der Reformatoren ernsthaft zu bedenken. Um so er­freulicher ist es, daß Herbert Blöchle in einer an der Kieler Theologischen Fakultät eingereichten Dissertation den Versuch unter­nommen hat, eine Gesamtdarstellung von Lu­thers Stellung zum Heidentum zu bieten. Eine derartige Untersuchung ist nicht nur als histori­scher Beitrag zur religi­onstheologischen Dis­kussion der Gegenwart zu begrüßen, sondern auch deshalb, weil es eine solche Gesamtdar­stellung bislang nicht gab, so daß Blöchles Dissertation zugleich eine empfindliche Lücke der Luther­forschung schließt.

Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Blöchles Studie darf in metho­discher und in­haltlicher Hinsicht als gelungene Untersuchung betrachtet werden, die geeignet ist, die aktuelle religionstheologische Debatte zu be­fruchten, obwohl sie sich streng auf eine Darlegung des historischen Be­funds beschränkt und bewußt „auf jegliche Aktualisierung … durch Be­zugnahme auf die gegenwärtige Situation“ ver­zichtet (16). Ein über 200seitiger Anmer­kungsteil (mit fast 2700 Fußnoten) und ein 60seitiges Quellen- und Literaturverzeichnis veranschaulichen die methodisch sorg­fältige, minutiös belegende und eine Fülle von Quellen und inhaltlichen Gesichtspunkten berücksichti­gende Vorgehensweise des Autors.

Blöchle schildert zunächst Luthers (durch das Bibelstudium, den Hu­manismus und die Türkengefahr veranlaßte) „Begegnung mit dem Hei­dentum“ (19-33), um dann seine „biblisch-theologische Stellung zum Hei­dentum“ (35-72), seine „Stellung zur griechisch-römischen Antike“ (73-150), seine „Stellung zum Islam und zu den Türken“ (151-192), seine „kritisch-religionsvergleichende Stellung zum Heiden­tum“ (193-230) und schließlich seine „Stellung zum Heidentum im Christentum“ zu beleuch­ten (231-250). Das Ergebnis ist nicht nur, daß Luther eine überraschend vielschichtige und differenzierte Sicht des „Heidentums“ vertrat, sondern auch, daß die Überwindung des „Heidentums“ als Gestalt verfehlter Reli­giosität (religio falsa) eine zentrale Thematik seiner Theologie darstellt: Luther vermochte aufgrund seiner (sich auf Röm 2,15 stützenden) Beja­hung eines universal erkennbaren und gül­tigen Naturrechts die geistig-religiöse Welt der griechisch-römischen Antike in kultureller und sittlicher Hinsicht erstaunlich positiv zu würdi­gen (77-126), ohne der Neigung des zeitgenös­sischen Humanismus zu erliegen, die Antike zu idealisieren (127-150). Ebenso war er bereit, auch positive Aspekte in der Frömmigkeit und Sittlichkeit des Islam (161-168) anzuerkennen. Zugleich aber hielt er in Konsequenz seiner Rechtfertigungslehre an der biblischen Grundüberzeu­gung fest, „daß die nichtchristli­chen Religionen die Menschen nicht zum Heil führen können“ (47): Über Heil oder Unheil entscheiden „allein der Glaube an Christus und die Gliedschaft an seinem Leibe …“ (50).

Originalität und besondere Brisanz gewinnt Luthers Sicht des „Heidentums“ durch die These, daß dieses nicht nur eine vor- und außer­christliche Größe, sondern auch eine in­nerchristliche Realität darstellt: Diese gefähr­lichste, weil nicht so offenkundige Gestalt des Heidentums entsteht überall da, wo der recht­fertigende Glaube an Christus verweigert und das Evangelium verleugnet oder verfälscht wird (242-247). Luther hat seinen Kampf für das rechte Verständnis des Evangeliums zu­tiefst als Kampf für „die Befreiung des Evan­geliums aus seiner todbringenden Um­strickung durch das Heidentum“ (232, 247-250) verstan­den. Seine Über­zeugung, daß bis zur Wieder­kunft des Herrn auch das Christentum als ge­schichtliche Religion notwendig vom „Heidentum“ durchsetzt ist, kann dazu helfen, den exklusiven Heilsanspruch des Evangeliums mit der de­mütigen Einsicht des Glaubenden zu verbinden, daß kein Mensch - auch der Christ nicht - die Gefährdung durch das Heidentum definitiv hinter sich hat.

Werner Neuer, em 1996-3.

Bong Rin Ro (Hg.). Christian Suffering in Asia. Evangelical Fellowship of Asia / Asia Theological Association, 1989.

Christen in verschiedenen Teilen Asiens erfahren zunehmend Verfolgung und Leiden durch militanten Hinduismus, islamischen Fundamentalismus, Kommunismus, Natio­nalismus und wirtschaftliche Armut. Die Referate einer Konsultation der Asiatischen Evangelischen Allianz über „die Gemeinde mitten im Leiden“ in Hongkong (24.-27. Febr. 88) sind in diesem Band zusammen mit sechs weiteren Artikeln und einem seelsorgerlichen „Brief an die Gemeinden in Asien“ wiedergegeben. Theologisches hält sich mit erschütternder Berichterstat­tung aus den verschiedenen Ländern die Waage. Immer wieder erschallt der Ruf nach einer der Lage entsprechenden „Theo­logie des Leidens, die westliche Theologen möglicherweise nicht ganz verstehen wer­den.“ Möge diese Kritik an westlicher Verdrängung des Leidens heilsam sein. Zu­gleich sollte sie aber dazu führen, daß wir das reiche theologische Erbe bei Harten­stein, Freytag, Bonhoeffer und Traugott Hahn uns wieder zueigen und den asiati­schen Christen zugänglich machen. Warum sind die Ergebnisse der AfeM-Tagung im Januar 1988 „Missionarische Existenz in Zeugnis und Leiden“ noch nicht nach Asien vorgedrungen?

Christof Sauer, em 1989-3.

Bonk, Jonathan J. Missions and Money. Affluence as a Western Missionary Problem. Orbis: Maryknoll, 1991.

In einer wirtschaftlichen Variante des Themas von David und Goliath, das den Christen so sehr am Her­zen liegt, zeigten die letzten zweihundert Jahre David (die westlichen Missionare) als den, der Sauls Rüstung an hat und Sauls Waffen trägt und so gegen einen Goliath (das Missionsfeld) marschiert, der mit einem Fell gekleidet und nur mit ein paar Steinen und einer Schleuder bewaffnet ist. Die wirtschaftliche Macht war auf der Seite der Missionare aus dem Westen. Diese gehörten in manchen Fällen zu multi­nationalen Missionsgesellschaften, deren jährliches Budget jenes der gastgebenden Regierungen übertraf und stellten für diese Länder sehr bedeutsame Quel­len an Devisen dar. (S.1)

Das Zitat faßt die Situation seit den Anfängen missionarischer Arbeit aus dem Westen zusammen. Die meisten Leute, sowohl auf Sei­ten der Missionare als auch auf Seiten derer, denen sie dienten, haben den Mißerfolg beim Ernten der Garben für Christus zum Teil dem Reichtum der westlichen Missionare zuge­schrieben. In seinem Buch behauptet Jonathan J. Bonk, daß die Übermittlung und Inkultura­tion des Evangeliums durch das Ungleichge­wicht zwischen dem relativen Reichtum der Missionare und der Armut der Menschen, die sie zu evangelisieren suchen, bedingt ist.

Es sind im Grunde zwei Fragen, die er das ganze Buch hindurch behandelt:

1. Untergraben die gegenwärtigen Missionare trotz ihrer Aufrichtigkeit das Evangelium und behindern sie dessen Inkulturation durch ihren relativen Reichtum?

2. Führt vielleicht der Reichtum des Mis­sionars bei den einheimischen Bekehrten zu feindschaftlichen Gefühlen - entweder bewußt oder unbewußt - dem Missionar gegenüber?

Von einem afrikanischen Standpunkt aus würde die oben angeführte Frage zu einer Antwort in dem Sinne führen, daß in der west­lichen Missionsarbeit des 19. Jahrhunderts die Afrikaner mit dem Verständnis zum Christen­tum „bekehrt“ wurden, daß Christ zu sein irgendwie gleichbedeutend sei mit reich sein. Als sie dann das Evangelium von Jesus Chri­stus angenommen hatten, wie es von den west­lichen Missionaren gepredigt worden war, ent­deckten sie, daß die oben angegebene Glei­chung nicht funktioniert, und deshalb verband der/die bekehrte Afrikaner(-in) das Evangeli­um nicht mit seiner/ihrer gegenwärtigen Situa­tion; es war ein Evangelium für reiche Leute. Dies bewirkte dann, wie Desmond Tutu for­muliert, eine religiöse Schizophrenie, in der die bekehrten Afrikaner an Gottesdiensttagen Christen sind und an anderen Tagen Afrikaner. Trotz der Tatsache, daß jene Afrikaner einige „Handdowns“ von den Missionaren bekamen, machte die immer noch existierende tiefe wirt­schaftliche Kluft die Bekehrten letztlich ärger­lich.

Bonk, Dozent an einer amerikanischen Bibelschule, verlangt weder eine Verleugnung des Reichtums noch Resignation, aber er ruft alle Missionare auf, durch einen Akt bewußter Selbstentäußerung Macht, Ansehen und Ein­fluß abzulehnen (S. xvi). Bonk ist tief besorgt über das Problem des westlichen Reichtums als Hindernis bei der Verbreitung des Evangeli­ums. Das Buch zeigt auch sein tiefes Verständ­nis für die biblischen Schriften.

Wenn man nun die Empfehlungen für die Missionare durchliest, könnte man auf die Idee kommen, Bonk zu treffen und zu sehen, wie er lebt und ob er ein solcher Mann ist, der lebt, was er schreibt und sich auch so benimmt? Oder verbreitet er nur einen guten Grundsatz, einfach professionell und gelehrt, ohne ent­sprechend zu leben? Ich wünschte, ich würde diesen Mann treffen. Dann könnte ich ihm ein paar Fragen stellen, die dieses Buch vollständi­ger machen würden.

Fulata Lusungu Moyo, em 1995-4.

Börner, Fritz. Freikirchlicher Gemeindebau in Österreich. Eine Untersuchung der Ar­beitsgemeinschaft Evangelikaler Gemeinden in Österreich (ARGEGO) mit einem historischen Rückblick in die Kirchengeschichte und die Geschichte der Bekennergemeinden auf öster­reichischem Boden. Linz: Selbstverlag, 1989.

Als langjähriger Missionar in Österreich legt Börner seine gründlich erarbeitete Magisterar­beit vor. Die kirchengeschichtlichen Kapitel greifen bis zur Christianisierung des Landes im Römerreich zurück und reichen bis zu den Hintergründen der Rekatholisierung nach der Reformation. Mit der Beschreibung der ein­zelnen Gemeinden innerhalb der täuferisch ge­sinnten ARGEGÖ im 4.Kapitel beginnt die ei­gentliche Forschungsleistung Börners. Geord­net nach Gemeindeverbänden fragt er nach de­ren Geschichte, Problemen, Gemeindegrün­dern, gegenwärtigem Zustand und Statistik. In einem weiteren Kapitel werden die unter­schiedlichen Methoden des Gemeindebaus nach Gemeindegröße, geographischen Schwer Zahl? Dann sollten nächstes Jahr z,B- auch die neuen Titel von Beyerhaus, Bosch und Fiedler dort Erwähnung finden. Missionen mit theolo­gisch gebildeten Mitarbeitern sollten auf die­ses Jahrbuch in ihrer Bibliothek nicht verzich­ten.

Christof Sauer, em 1992-4.

Bosch, David J. Mission im Wandel. Paradigmenwechsel in der Missions­theologie. Herausgegeben von Martin Reppenhagen. Gießen/Basel: TVG Brunnen Verlag, 2012.

Über zwanzig Jahre nach dem Er­scheinen der englischsprachigen Aus­gabe liegt nun David Boschs Opus Magnum Transforming Mission: Para­digm Shifts in Theology of Mission [1991] erstmals in deutscher Über­setzung unter dem Titel Mission im Wandel vor. Es handelt es sich um ein solide gebundenes Buch von über 700 Seiten, dessen Druckbild im Vergleich zum englischen Original weiträumiger ist, wodurch allerdings Format und Umfang des Buchs deutlich gewachsen sind. Neben der deutschen Übersetzung auf über 600 Seiten würdigt die Ausgabe die über zwanzigjährige Wirkungs­ge­schichte des Buchs und seines Autors in einer Reihe von Vor- und Geleitworten (von Michael Herbst, Martin Reppen­hagen, William Burrows, Gerald H. Anderson) und einem abschließenden Zusatzkapitel von Reppenhagen und Darell L. Guder. Obwohl viele Leser mit der englischen Ausgabe bereits vertraut sein dürften, sollen hier die inhaltlichen Grundzüge kurz zusammengefasst werden.

In Mission im Wandel entfaltet David Bosch eine biblisch, theologie­ge­schicht­lich und kontextuell orientierte Reflexion des Verständnisses christlicher Mission. Boschs Grundthese lautet, dass „es we­der möglich noch sinnvoll ist“, ein erneuertes Verständnis von Mission „anzu­streben, ohne einen gründlichen Blick auf die Wechselfälle der Missionen und der missionarischen Idee während der letzten zwanzig Jahrhunderte der christlichen Kirchengeschichte zu wer­fen.“ (S. 9). Diesen Blick wirft Bosch durch das Prisma der Paradigmentheorie Thomas Kuhns und der von Hans Küng beschriebenen sechs Paradigmen der Kir­chengeschichte vom „urchristlich-apokalyptischen Paradigma“ bis hin zum „zeitgenössisch-ökumenischen Para­dig­ma“ (S. 213/214).

Im ersten Teil („Modelle der Mission im Neuen Testament“ S. 17-210) entfaltet Bosch ein biblisches Grundparadigma in seinen unterschiedlichen Ausprägungen bei Matthäus, Lukas und Paulus in der Überzeugung, dass „das Neue Testament keine einheitliche Sicht der Mission wi­derspiegelt, sondern eine Vielfalt an ‚Missionstheologien‘“ (S. 18). Gleich­zei­tig betont Bosch den „epistemo­lo­gischen Vorrang … der Schrift“ (S. 220) sowie das „immer relevante Jesus­er­eignis“ als hermeneutische Basis (S. 588). Der Periodisierung von Küng fol­gend un­ter­sucht Bosch im zweiten Haupt­teil (S. 213 – 406) vier „historische Missions­paradigmen“ (byzantinischen Ost­kirche, römisch-katholische Kirche des Mittel­alters, Reformation, Mission und Auf­klärung). Dabei zeigt sich man­che In­kom­patibilität der Modelle mit­einander, aber auch komplementäres Lern­potential für die Gegenwart.

Dieses Lernpotential wird im dritten Teil (S. 409-613) ausgewertet, in dem Bosch versucht, „ökumenische“ und „evange­li­kale“ Sichtweisen der Mission kom­ple­mentär zusammenzubringen. Hier legt Bosch eine tiefschürfende Analyse der missionswissenschaftlichen Diskussion des 20. Jahrhunderts in dreizehn „Ele­mente[n] eines sich abzeichnenden öku­menischen Missionsparadigmas“ (S. 432 – 601) vor. Wesentlicher Bezugspunkt ist für ihn eine missionarische Ekkle­siologie, die er ausgehend vom Konzept einer „Kirche-mit-Anderen“ des eme­ri­tierten Heidelberger Missionswissen­schaft­lers Theo Sunde­rmeier entfaltet, dabei aber stärker den Aspekt einer „alternativen Gemeinschaft“ betont. Ins­gesamt versucht Bosch das Ver­ständnis der Mission sowohl aus der Enge eines pragmatischen westlichen Be­griffs für christliche Auslandsarbeit in die Weite theologischer und globaler Gesamtper­spektiven zu führen („Die Mission der Theologie“, S. 577ff) als auch christo­lo­gisch, kontextuell und pra­xisbezogen zu vertiefen (die „Theologie der Mission“). Diese Perspektive prägt auch seine Schlussreflexion, in der er davor warnt Mission, reduktionistisch zu definieren und dafür plädiert, sie als „Mission in vielerlei Gestalt“ aus der Mis­sion Jesu Christi heraus zu ent­wickeln (S. 603ff). An dieser Stelle en­det Boschs um­fassende Suche nach dem Verständnis von Mission und öffnet den Weg für zukünftige Reflexionen.

Hier schließt sich das bereits erwähnte ergänzende Abschlusskapitel von Martin Reppenhagen, stellvertretender Leiter des Instituts für Evangelisation und Ge­meindeentwicklung in Greifswald, und Darell L. Guder, Professor für Missional and Ecumenical Theology am Princeton Theological Seminary in den USA, an, das bereits für die amerikanische Ju­biläumsausgabe (2011) verfasst wurde und hier in Übersetzung vorliegt (S. 615-641). Das Kapitel mit der Überschrift „Der andauernde Wandel von Mission: Das lebendige Erbe von David J. Bosch“ dokumentiert zunächst die weitver­brei­tete Wertschätzung von Transforming Mission als „Grundlagenwerk für das Stu­dium und die Erforschung“ der Mis­sion (S. 615) und bietet interessante Hin­tergründe zum persönlichen und beruf­lichen Werdegang Boschs (z.B. die von ihm abgelehnten Berufungen nach Leiden/NL oder Princeton/USA).

Die angekündigte Reflexion der „Grund­linien“ und „Auswirkung von Boschs bahnbrechendem Werk auf das Studium und die Forschung im Bereich der Mis­sionswissenschaft“ (S. 616) bleibt aller­dings hinter den geweckten Erwartungen zurück. Das Kapitel fasst zwar wesent­liche Grundthemen in Boschs Denken zusammen, dabei wird jedoch zu wenig zwischen Mission im Wandel und frü­heren Veröffentlichungen Boschs unter­schieden, so dass das Abschlusskapitel gelegentlich sogar hinter Boschs neuere Ergebnisse zurückgeht, z.B. wenn durch ein isoliertes Bosch-Zitat von 1982 („Kultur und Kontext … sind … Adia­phora, nicht wesentlich, austauschbar“) gezeigt werden soll, dass in Boschs Denken „der Universalität des Evan­ge­liums“ gegenüber dem „konkreten Kon­text“ „Priorität“ zukomme (S. 627). In Mission im Wandel zeigt sich jedoch ein wesentlich differenziertes Ringen Boschs um diese Frage (z.B. S. 587/588). Die weitergehende Darstellung der Rezep­tions­geschichte greift einige Aspekte der kritischen Diskussion auf (z.B. zur Rolle Afrikas und oder pfingstlicher Missions­theologie bei Bosch), spiegelt aber vor allem die Interessen der Autoren wider. Das Entstehen einer missionalen Theo­logie für die westliche Kultur wird stark thematisiert, während Entwicklungen in anderen, für Bosch ebenso wesentlichen Themenbereichen wie der Theologie der Religionen, dem interreligiösen Dialog und Zeugnis sowie der Inkulturation in nichtwestlichen Kontexten nicht oder nur am Rande aufgegriffen werden. Eine westliche Optik zeigt sich in der (in globaler Hinsicht zu relativierenden) Be­hauptung, dass „neue Formen von Kir­che … [sich] besonders in der post-christ­lichen Kultur des Westens [ver­meh­ren]“ (S. 623). Auch die Aus­ein­an­dersetzung mit Boschs biblischer Her­me­neutik, seiner holistischen So­teriologie und seinem Missions­ver­ständnis in der internationalen evan­gelikalen Diskussion wird nicht be­rücksichtigt. Die abschlie­ßende Thema­ti­sierung der Rezeption Boschs in For­schung und Lehre bleibt – auch ab­ge­sehen von der kryptischen Abschnitts­überschrift („Forschung und Lehre von Mission im Wandel“ S. 638) – leider sehr oberflächlich. Während das Ab­schluss­kapitel also durchaus einen „ersten Überblick über David J. Bosch“ bietet (S. xv), wird es seinem Anspruch als Reflexion des lebendigen missiolo­gischen Erbes von David Bosch nach 20 Jahren nur teilweise gerecht.

Dazu kommen gerade im Ab­schluss­kapitel relativ viele Fehler. Während es sich meist um Tippfehler und falsche Seitenangaben handelt (z.B. Rezepkoski statt Rezepkowski / Kirsten statt Kirsteen auf S. 620/622, ein nicht korrekt ein­ge­passtes Zitat auf S. 621; Verweise auf Seitenzahlen der amerikanischen Aus­gabe von 1991 statt auf den vorliegenden übersetzten Bosch-Text von 2012 auf S. 620/621; falsche Seitenverweise [484 – 604 statt 461-470; 604 statt 577] auf S. 625/ 626 etc.), geht auf S. 621 durch einen Wortdreher zwischen Boschs Begriff einer „Mission der Theologie“ mit dem Begriff der „Theologie der Mission“ die eigentliche Aussage­pointe verloren. In der Biblio­graphie sind englische Titel weitgehend durch vor­handene deutschsprachige Aus­gaben er­setzt worden; das gleiche gilt für Zitate. Leider fehlt dabei die deutsche Fassung von David Boschs Vor­gän­gerwerk Witness to the World: Christian Mission in Theological Perspective [1980], die unter dem Titel Ganz­heitliche Mission: Theologische Per­spektiven [Marburg 2011] erschienen ist.

Dass nun auch die deutsche Fassung von Transforming Mission in einem evan­gelikalen Verlag erschienen ist, spiegelt das Interesse wider, das Boschs ganz­heitlicher Missionstheologie inzwischen in der evangelikalen Bewegung auch in Deutschland entgegengebracht wird. Darüber hinaus wird die Übersetzung den Zugang für Theologiestudierende und Theologen unterschiedlicher kirch­licher Hintergründe zu diesem globalen Standardwerk erleichtern. Auch außer­halb der missiologischen und theolo­gischen Fachwelt dürfte Mission im Wandel interessierte Leser finden, da Boschs vielseitige Erkundung des Mis­sions­verständnisses die Leser zugleich auf eine spannende Reise durch die globale christliche Theologie- und Kir­chengeschichte mitnimmt und zu einem theologischen Bildungserlebnis wird, das dazu anregt, auch im Blick auf die persönliche Christusnachfolge über den eigenen Horizont hinauszudenken.

Dr. Friedemann Walldorf, em 2013-2.

Bosch, David. An die Zukunft glauben: Auf dem Wege zu einer Missionstheologie für die westliche Kultur. Studienheft Weltmission heute 24. Evangelisches Missionswerk: Ham­burg, 1997/2.

Das vorliegende Heft, eine Übersetzung des 1995 erschienenen Orginals „Believing in the Future: Toward a Missiology of Western Cul­ture“, beruht auf einem Vortrag, den Bosch im Januar 1992 kurz vor seinem tragischen Un­falltod vor Missionswissenschaftlern in Paris hielt. Er stellt seine Skizze einer westlich-kon­textuellen Missionstheologie auf der Grundlage seines großen missionstheologischen Werkes „Transforming Mission“ (1991) vor. Der Ana­lyse der postmodernen Welt unter dem Motto „Wo keine Vision ist, verdirbt das Volk“ (Sprüche 29,18), folgt eine Untersuchung der Wurzeln in der Aufklärung und eine Positions­bestimmung des christlichen Glaubens. Die westliche Kultur lebe „parasitisch“ vom Chri­stentum, das sich seinerseits jedoch weitgehend an die Religion der Aufklärung angepaßt und damit seine erneuernde und missionarische Kraft verloren habe. Aufbauend auf dieser Vorarbeit zeichnet Bosch in vier Zügen eine Missiologie für den Westen: Sie müsse (1) die Theologie grundsätzlich als missionarisch be­greifen, (2) sozial-ethische Implikationen ha­ben, (3) uns zum Erbarmen mit der Not der Dritten Welt befähigen und (4) angesichts des atheistischen Götzendienstes im Westen den einzigen lebendigen Gott der Bibel verkündi­gen. Das Buch ist erfreulicherweise kostenlos, bzw. gegen eine freiwillige Spende beim EMW erhältlich.

Friedemann Walldorf, em 1999-3.

Bouman, Johan. Christen und Moslems. Glauben sie an einen Gott? Gemeinsamkei­ten und Unterschiede. Gießen: Brunnen, 1993.

Mit großem Scharfsinn verfolgt der emeritierte Professor für Religionsgeschichte und Islam­kenner präzise das im Titel genannte Thema. Bei dem jeweiligen Verständnis von Sünde, Vergebung und Versöhnung sind die Gemein­samkeiten noch größer. Die entscheidenden Unterschiede werden an der Person Jesu deut­lich und kündigen sich bei den Schilderungen Abrahams schon an. Bouman berücksichtigt die historische Entwicklung des Korans und macht damit scheinbar gegensätzliche Aussa­gen im Koran verständlich. Dabei räumt er der Darstellung biblischen Glaubens jedoch glei­chen Raum ein. Er kommt zu dem Ergebnis: Da der Koran im Namen seines Propheten und als Wort Gottes die Heilstat Gottes in Christus verneint, ist der Gott der Versöhnung in Chri­stus nicht der Gott des Korans (S. 99). Die Rede von einer „abrahamitischen Ökumene“ sieht er genauso kritisch wie das Aufgeben des Trinitätsdogmas zugunsten des Dialogs. Den Dialog hält er durchaus für notwendig. Jedoch muß er von beiderseitiger Wahrhaftigkeit ge­prägt sein. Eine notwendige, sachliche Klar­stellung, die manchmal den gebildeten Leser fordert.

Christof Sauer, em 1996-2.

Bouman, Johan. Leben mit fremden Nach­barn. Die Rolle von Ethik, Kultur und Reli­gion in ei­ner multikulturellen Gesellschaft. Gies­sen/Basel: Brunnen Verlag, 1995.

Johan Bouman analysiert die deutsche – heute multikulturelle – Gesellschaft auf die Frage hin: Wie können Menschen so unterschiedlicher nationaler Herkunft und religiöser Überzeu­gung friedlich miteinander zusammenleben? Für Bouman entscheidet sich diese Frage daran, ob sich die multikulturelle Gesellschaft auf eine für alle verbindliche ethische Grund­lage verpflichten läßt, da nur so Konflikte aus diesem Zusammenleben bewältigt werden können. Nach Darstellung verschiedener ethi­scher Konzepte wie z. B. von Fichte, Hegel, Kant, Marx u. a., sowie der jüdischen, christli­chen und islamischen Ethik kommt Bouman allerdings zu dem Schluß: „Es ist der westli­chen Kultur nicht gelungen, eine allen gemein­same Ethik zu entwerfen und in der Praxis durchzusetzen“ (24). Damit wird Boumans Buch zu einem berechtigten Vorwurf an die nachchristliche westliche Gesellschaft, die vielleicht nicht an ihrem ethischen Pluralismus an sich scheitern würde, jedoch anderen ethi­schen Konzepten wie z. B. dem Islam nichts entgegenzusetzen hat. Da jedoch nur die bibli­sche Ethik die Frage nach Ursprung und Be­wältigung des Bösen in der Welt überzeugend beantworten kann, erhält der biblische Auftrag an Christen, Buße, Glauben und Liebe zu ver­kündigen, aufgrund der starken Zuwanderung von Muslimen ganz neue Dringlichkeit.

Dr. Christine Schirrmacher, em 1997-2.

Brakemeier, Gottfried (Hg.). Glauben im Teilen bewahrt. Lutherische Existenz in Brasilien. Verlag der Ev.-Luth. Mission Er­langen, 1989.

Es ist ein besonderes Buch: Eine Kirche der südlichen Hemisphäre stellt sich selbst vor. Bisher schrieben meist Europäer über die Kirchen, die aus „ihrer“ Missions- oder Überseearbeit hervorgegangen sind. Hier porträtiert sich die Kirche selbst. Daß da­bei das Umfeld, die Geschichte, die sozialen und soziologischen Faktoren ebenso zur Sprache kommen wie die Theologie, ver­steht sich von selbst. Daß diese Kirche


nicht bei sich selbst stehen bleiben will, sondern im Miteinander-Teilen des Glau­bens weiter voranschreiten will, im eigenen Land (wo die Lutheraner nur fast 1% der Bevölkerung ausmachen) und über die Lan­desgrenzen hinaus, bestimmt den Ausblick.

Das Original erschien in portugiesisch «Pre-senca Luterana 1990», eine englische Aus­gabe ist geplant. Die Gastgeberin der 8. Vollversammlung des Lutherischen Welt­bundes will mit uns ins Gespräch kommen. Wir dürfen mit ihr Bekanntschaft schließen.

Johannes Triebel, em 1990-2.

Bramsen, Paul D. The Way of Righteousness. Good News for Muslims. CMML Spring Lake, New Jersey, 1998.

Das Material „The Way of Righteousness” gehört meiner Meinung nach zum Besten, was es für Muslime gibt. Das Buch ist die englische Übersetzung von ursprünglich in Wolof (größte Bevölkerungsgruppe in Senegal) gehaltenen Rundfunkansprachen. 1992, nachdem der amerikanische Missionar Bramsen mit zwei senegalesischen Mitarbeitern zuschauen musste, wie zuvor verteilte Literatur ungelesen zerrissen wurde, entstand die Idee für „The Way of Righteousness“ (wörtlich übersetzt: Der Weg der Gerechtigkeit, bzw. Rechtschaffenheit). Dem Missionar wurde klar, dass chronologisch aufgebaute Lektionen, die klar die Begeben-heiten und die Botschaft der Propheten Gottes darstellen, und die über staatliche Radiostation ausgestrahlt werden, nötig sind. Wie viele andere Missionare nahm auch er, wie er im Vorwort schreibt, Trevor McIlwans „Firm Foundations“ (New Tribes Mission) als Fundgrube zur Erstellung seiner speziellen 100 Bibellektionen. Der Autor wünscht ausdrücklich, dass die Lektionen in andere Sprachen zu Sendezwecken übersetzt werden.

Um dies einfacher möglich zu machen wurde das Material, zu dem auch 20 Kassetten der 15-minütigen Radiolektionen gehören, herausgegeben. Der Autor bittet nur um Rücksprache, um die Vollständigkeit der Lektionen zu bewahren. Ferner ist die englische Ausgabe für englisch sprechende Muslime gedacht, die auf diese Weise im Selbststudium behutsam und gründlich die Lehren der Thora, Psalmen, Propheten und des Neuen Testaments verstehen können. Dabei geht es vor allem darum, dass sie verstehen, dass es ohne Blutvergießen keine Vergebung gibt. Die Opfer von reinen Tieren, die Gott in seiner Güte im Alten Testament als „Weg“ zur Bedeckung der Sünde der Menschen gegeben hat, war ein Symbol und eine Prophetie für das stellvertretende und erfüllende Sterben Jesu, als einzig gültiges Opfer zur Vergebung von Sünden. Die Lektionen bauen chronologisch aufeinander auf und sind doch in sich abgeschlossen. Jede der 100 Lektionen ist gefüllt von zu einem Hauptthema gehörenden Gedanken und Bibelworten.

Dem Leser wird in der ersten Lektion z.B. deutlich gemacht, dass Gott zu den Menschen gesprochen hat. ER ist Gott, und zwar der einzige und der Allmächtige. Er sprach durch die Propheten oft und auf verschiedene Art. Sie schrieben auch für ihn Gottes Wort auf, geführt durch den Heiligen Geist. Gott möchte, dass die Menschen dieses, sein Wort verstehen. Sein Wort ist ewig und in ihm ist Leben. Gott hat sich selbst offenbart und auch den Weg zur ewigen Rettung. „Höre! Öffne deine Ohren und komme zu mir. Höre, und deine Seele wird leben.“ In den beiden letzten Lektionen (99 u. 100) geht es zusammenfassend darum, wer Jesus ist.

Die Lektionen sind in einfachem Englisch geschrieben, in gesprochenem Stil, ursprünglich für afrikanische Muslime. Vielleicht wird dem ein oder anderen der Stil zu einfach erscheinen, aber der Inhalt ist anspruchsvoll und spricht Herz und Verstand gleichermaßen an. Dabei wird immer Rücksicht auf Denken und Fühlen von Muslimen genommen, ohne Kompromisse bei der Botschaft einzugehen. Zu lernen, wie man mit Muslimen in einer nicht „westlich“ geprägten Weise über die Bibel spricht, ist wirklich wichtig, denn sonst entstehen leicht Missverständnisse.

Die Lektionen sollten von Leuten durchgearbeitet werden, die Muslime auf dem Herzen haben und ihnen die Botschaft von der Rettung durch Jesus auf ihnen gemäße Art nahe bringen wollen. Die Leben schaffende Wahrheit der Bibel leuchtet in den Lektionen immer neu und aus einer vielleicht neuen Perspektive auf und macht das Hineinarbeiten in die Materie zu einem geistlichen Gewinn. Die über 500 Seiten Lektionen sind lang, aber zu schaffen, z.B. als Stille Zeit.

Das Buch ist folgendermaßen eingeteilt: Vorwort, 100 Lektionen in 4 Teilen (gut ersichtlich im Inhaltverzeichnis, mit Name der Lektion und Bibelstellen), 4 Anhänge: wie man die Kassetten zu Lehrzwecken (z.B. in Gruppen) einsetzen kann, Sprichworte der Wolofs (in den Lektionen verwendet), Unterrichtsmethodik mit dem Material, Ein-blicke in den Islam (sehr gut zum Verständnis der islamisch geprägten Menschen für Christen, und sehr gut zum Ausräumen von Falsch-interpretationen von Begriffen wie „Sünde“, „Sohn Gottes“… für Muslime). Dabei wird nicht nur die Religion fair erklärt, sondern auch was im Koran über Jesus steht.

Mir gefällt das Buch sehr gut, weil es für Muslime mit liebendem Herzen geschrieben ist und den Leser eindringlich und dennoch höflich zum Nachdenken bringt, den „Way of Righteousness“ Gottes in Jesus richtig zu begreifen.

Ulrike Kinker, em 2002-2.

Brandau, Robert. Innerbiblischer Dialog und dialogische Mission. Die Judenmission als theologisches Problem. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 2006.

Die Wuppertaler Dissertation (Klappert) über die Diskussion um die Judenmission nach 1945 im Kontext ökumenischer Missionstheologie und der Israellehre Karl Barths bekräftigt und begründet in historischer ebenso wie in exegetischer und systematisch-theologischer Hinsicht das Nein zur Judenmission. Die Differenzierung des Dialogbegriffs in einen innerbiblischen Dialog von Christen und Juden, einen interkonfessionell-ökumenischen Dialog unter Christen und einen interreligiös-missio­narischen Dialog der Völkerkirche mit anderen Religionen/Welt­anschauungen ist hermeneutisch unabdingbar und theologisch geboten.

Innerbiblisch bedeutet: Christen und Juden begegnen einander als Zeugen Gottes voreinander; sie geben Anteil an den je eigenen Erfahrungen mit dem Gott Israels. Das gemeinsame Bekenntnis zu dem Gott Israels markiert die Grenze heidenchristlicher Mission, deshalb ist nur der interreligiöse Dialog missionarisch. Die Völkermission (im „Missionsbefehl“ Mt 28: ethne, biblisch zu unterscheiden von „Israel“) ist strikt von dem an die jüdische Jüngergemeinde ergehenden Auftrag zur Sammlung des eschatologischen Gottesvolkes Israel (Mt 10,6) – die nicht zu dessen Aufhebung führen kann – zu unterscheiden. Ein heidenchristliches „Zeugnis“ für Israel hat kein biblisches Fundament, vielmehr sind das aufgrund der Bundeszuverlässigkeit des Gottes Israels bleibend erwählte Gottesvolk und die Völkerkirche (die auf voreilige Identifikation mit Israel zu verzichten hat) gemeinsam zur Heiligung des Namens des Gottes Israels berufen. Die messianische Sendung des Christus Jesus mit Israel realisiert die vergegenwärtigende Repräsentation des Gottesvolkes Israel gegenüber den Völkern. Die Beziehung zum erst­erwählten Volk gehört mithin zum Inhalt des in der Mission der Kirche zu verkündi­genden Evangeliums und mitnichten in den Bereich ihres missionarischen Auftrags.

Diese Hauptthese(n) der nicht nur äußerlich gewichtigen, sondern in jeder Hinsicht eindringlichen Arbeit werden entfaltet, indem die wesentlichen Transformationsprozesse judenmissionarischer Theologie exemplarisch rekonstruiert und kritisch beleuchtet werden. In immenser Dichte werden dabei nicht nur die Positionen der klassischen Judenmission des 19. Jhs. (F. Delitzsch, G. Dalman) referiert und eingeordnet (u.a. in den Kontext der radikal-pietistischen Ablehnung der Judenmission, des eigenen Wegs Zinzendorfs, der Instituta Judaica, samt Exkursen zu Luther und Calvin), dann in zwei Kapiteln die wirkmächtige Israeltheologie Barths sowie das ökumenische Dialogprogramm erörtert, vielmehr wird in detaillierter Kleinarbeit sowie gelungenem Zusammenspiel von Darstellung und Reflexion die Fülle ökumenischer und kirchlicher Dokumente zur Judenmission gesichtet (ein Schwerpunktkapitel, S. 171-343, das nicht zuletzt die jeweiligen „impliziten systematischen und missionstheologischen Voraussetzungen“ offenlegen soll), worauf ein ebenfalls umfangreiches Kapitel „Konflikte um die Judenmission“ folgt. Auf dieser Grundlage legt der Autor in kritischer Rezeption Barths einen eigenen Entwurf zur Judenmission vor (Kap. VI), der gegen das prägende Modell der Subsumtion Israels unter die Völker, gegen die Paganisierung Israels durch Individualisierung und Universalisierung des Evangeliums die theologische Bedeutung der bleibenden Erwählung Israels in der eingangs skizzierten Form stark macht. Die christologischen und ekklesiologischen Gründe dafür, dass Christen in dem durch Jesus repräsentierten Israel keiner anderen, fremden Religion, sondern der eigenen Erwählung und damit dem Gott Israels begegnen, werden vertieft und die Ergebnisse in einem Epilog in 29 Thesen und einem Ausblick gebündelt.

Das alles liest sich – bei dem heiß umstrittenen Thema vielleicht kaum verwunderlich –durchweg spannend (auch wenn es um „Verlautbarungen“ geht), wobei eine gewisse Redundanz nicht zu übersehen ist. Die wiederum erscheint angesichts des Fehlens jeglicher Register (schade, ein erheblicher Mangel!) zwar akzeptabel, kann diese aber freilich in keiner Weise ersetzen. Dennoch ist die beeindruckende Menge an Material unaufgeregt und profund aufgearbeitet – wenn man bedenkt, dass die Position des Vf. eben so, wie er es selbst für eine jüdische Sicht formuliert, „eine, allerdings nicht die einzige Möglichkeit der Wahrnehmung“ darstellt (462).

Bei aller systematischen und missionstheologischen Entschiedenheit lässt sich fragen, ob hier nicht exegetisch Kategorien eingetragen werden, die (vorab) anderweitig gewonnen wurden. Als Indiz dafür könnte auf die merkwürdige Diskrepanz zwischen dem vielfach spürbaren Konkretionswillen und der im eigenen Entwurf zu konstatierenden grandiosen Abstraktion vom konkreten „Israel“ hingewiesen werden. Ist es nicht Anzeichen einer höchst problematischen Wahrnehmung des Gegenübers (das es trotz aller Einsichten bleibt), wenn „Israel“ plötzlich ständig gleichsam als Chiffre für die Eigeninterpretation herhalten muss? Oder wie ist es zu verstehen, wenn Christus – und das ist doch der Christus des apostolischen Zeugnisses! – „Teil der Prophetie Israels“ ist, wenn der Auferstandene als „der Repräsentant Israels“ Israel in der Welt vergegenwärtigt, oder gar „Christus Jesus als der verheißene Messias Israels die missionarische Existenz Israels verkörpert“ (! 456f)? Erfolgt christliche Mission tatsächlich „in Teilhabe an der Mission Israels“ (461)? Weitere Punkte wären anzusprechen, um die Befürchtung zu formulieren: Droht hier nicht die gerechtfertigte Intention in ihr Gegenteil umzuschlagen? Ohne die inhärierenden Probleme zu verharmlosen, kann man sich am Ende schon fragen, wo jüdische Menschen mit ihrer Wahrnehmung und vitalen Religiosität sich hier wirklich angesprochen finden. Je nach dem, in welcher Weise man das Christentum als „im Grunde jüdisch“ reklamiert, wird dem christlich-jüdischen Dialog das Gegenüber geradezu genommen und somit tendenziell der Boden entzogen. Zumindest wäre mehr als wünschenswert gewesen, die Aspekte, die das rabbinische Judentum (mit der Mischna als „Gründungsdokument“) in die Wirkungsgeschichte des Christentums einzeichnen (vgl. J. Neusner, M. Hilton, D. Boyarin), in die Diskussion mit einbezogen zu sehen. Die klare Differenzierung des „Israel“-Begriffs etwa in Röm 9,6 – das sei nur eben angedeutet – nötigt wohl doch zur analogen Differenzierung (auch) in missionstheologischer Hinsicht: Israel ist nicht einfach Israel. Am Ende bleibt – beispielhaft – E. Jüngels Votum (EKD-Synode 1999) bedenkenswert: Judenmission ist als gänzlich unbrauchbarer Begriff abzulehnen, und zugleich: Die deutschen Kirchen sind „ganz und gar unberufen“, Israel im Namen Jesu anzusprechen. Doch ebenso gilt: „Aus der Bezeugung des Evangeliums in Israel ist ja die Kirche hervorgegangen. Sie müsste ihre eigene Herkunft verleugnen, wenn sie das Evangelium ausgerechnet Israel gegenüber verschweigen wollte.“ (zit. S. 139). Zwischen einer (theologisch und menschlich) verantwortlichen Realisierung dieser Sachverhalte und einem „Heilstriumphalismus“ (371) liegen Welten.

So ist das Thema auch mit dieser herausragenden Arbeit nicht endgültig geklärt, wie könnte es auch. Sie wird dennoch auf lange Zeit den Standard markieren, hinter den die Debatte nicht mehr zurückfallen darf.

Dr. Friedmann Eißler, em 2007-2.

Brandl, Bernd. Die Neukirchener Mission. Ihre Geschichte als erste deutsche Glau­bensmission. (Schrif­tenreihe des Vereins für Rheinische Kir­chengeschichte 128) Rheinland-Verlag: Köln und Neukirchener Verlag: Neu­kirchen, 1998.

Dissertationen sind keine Kriminalromane. Zumindest in Stil und Darstellung dieses Bu­ches, das 1997 von der Ev.-theol. Fakultät in Leuven (Belgien) als theologische Dissertation angenommen wurde, liegt hier eine Ausnahme vor. Der Rezensent begann zu lesen und ruhte nicht eher, als daß er alle 456 Seiten gelesen hatte. Tanaland (Kenia) und Salatiga (Indonesien) treten dabei ebenso lebendig vor Augen wie Ludwig Doll oder Julius Stursberg in Neukirchen. Und doch handelt es sich hier um ein sehr gut recherechiertes und mit missi­onstheologischem Sachverstand verfaßtes Fachbuch, das – wie das Vorwort ankündigt – einen weißen Fleck auf der missionsgeschicht­lichen Landkarte schließen hilft.

Dabei hat sich der Verfasser keine leichte Aufgabe gestellt: Drei Hauptschauplätze der Geschichte der Neukirchener Mission in ihren z. T. sehr unterschiedlichen Entwicklungen galt es darzustellen, ohne dabei die gemeinsamen Linien aus dem Blick zu verlieren. Gerade dies gelingt auch sehr schön. So wird deutlich, wie eine in der Heiligungsbewegung wurzelnde Glaubensmission einerseits innovativ wirksam werden kann und andererseits sich aus diesem Erbe ernsthafte Probleme ergeben, die bis in die Gegenwart manches Scheitern zu verant­worten haben. Drei wichtige Stichworte seien genannt, die über die Neukirchener Mission hinaus Relevanz besitzen: (1) Der sogenannte „Glaubensstandpunkt“: alle Versorgung wurde von Gott erwartet. Damit sind sowohl an Men­schen gerichtete Bitten als auch eine geregelte Gehaltsstruktur ausgeschlossen. In seinem Schlußteil zeigt Brandl, daß ein institutionali­sierter Glaubensstandpunkt ein Widerspruch in sich ist. (2) Heiligung als Ideal der Missionare für die zu gründenden Gemeinden. Danach ist die zweite nota ecclesiae nach der Verkündi­gung des Wortes die individuelle Bekehrung, die durch ein geheiligtes Leben belegt wird. Als Konsequenzen daraus sind dann eine starke Betonung der Gemeindezucht, die Gefahr der Gesetzlichkeit und - im Angesicht einer pio­niermissionarischen Herausforderung - große Differenzen über Grundfragen der Ekklesiolo­gie zu nennen. So taucht z. B. immer wieder die Frage nach der Taufe, ihrem Stellenwert und dem Taufritus auf. (3) Das Selbstverständ­nis der Missionare – allein von Gott gesandt – führte auf allen Missionsfeldern zu großen Konflikten aufgrund des von diesem Selbstver­ständnis geförderten Individualismus, vor al­lem nach Abebben der Erweckung. Brandl stellt alle diese Entwicklungen mit großer Of­fenheit und doch zugleich großer Behutsamkeit dar - an keiner Stelle ergreift er die Partei einer Person, auch wenn er in den einzelnen Sach­fragen klar und deutlich urteilt.

Zuletzt noch einige kritische Bemerkungen und Anfragen, die aber in keinster Weise den Wert dieser Arbeit schmälern können: Der Satz des Buches wurde offensichtlich mit einem Textverarbeitungssystem erstellt, das dann so schöne Trennungen wie Tauft-heologien (S. 430), oder Hilf-sprediger (S. 42) im Manu­skript hinterließ. Die Währung der 1880er war wohl kaum die DM (S. 75 & 85) und Glasgow liegt nicht in England (S. 332). Inhaltlich könnte man fragen, ob die AIC als „geglücktes Beispiel einer aus einer Glaubensmission her­vorgangene Denomination“ wirklich so ge­glückt ist. Schließlich stellt sich die Frage nach der Definition von Glaubensmission, wenn der Verfasser die AEM als fast ausnahmslos aus Glaubensmissionen bestehend charakterisiert (S. 449). Nach der Lektüre des Buches er­scheint es fast so, als würde der Neukirchener Mission dieser Name begründet abgesprochen. Dies würde dann aber für viele der AEM-Mis­sionsgesellschaften gelten.

Dr. Norbert Schmidt, em 1999-4.

Brecht, Martin (Hg.). Philipp Friedrich Hil­ler. Gott ist mein Lobgesang. Der Lieder­dichter des württembergischen Pietismus. Ernst Franz Verlag: Metzingen, 1999.

Im ersten Teil beschreibt Walter Stäbler ein­fühlsam und gekonnt das Leben und Wirken des 1699 geborenen „Dichters, Pfarrers und Theologen“ Philipp Friedrich Hiller. Über die Klosterschulen Denkendorf und Maulbronn führte Hillers Weg zum Theologiestudium nach Tübingen. Dort bescheinigte man ihm „guten Verstand“ und „Bescheidenheit in den Sitten“. Als Vikar predigte er „kurz und gut und führet sich wohl auf“ (20). Der Seelsorger und Prediger, der seit 1751 keine Predigt mehr halten konnte, weil seine Stimme versagte, wurde zum Schriftsteller. Bei seinem Tod 1769 hinterließ er in der Gemeinde und Kirche „einen guten Namen“ (42).

Die enge Verbindung Hillers mit Halle und Herrnhut und dem damaligen Pietismus wird erläutert. Wolfgang Schöllkopf zeigt auf, „dass sich die unterschiedlichen Traditionen des Pie­tismus alle auch als Singbewegung ausprägten“ (63). Martin Brecht skizziert Hillers „Geist­li­ches Liederkästlein“ als „eines der Me­dien für die tägliche Andacht“ (87-137). Hillers Moti­vation ist das Lob Gottes und der Ruhm des Allerhöchsten. Die theologische Konzep­tion des Liederkästleins lautet: „Gottes Größe ist unaussprechlich“ (103) und „der Geist er­forscht die Tiefen der Gottheit“ (117). Deshalb kann Hiller das Leben bejahen. Im zweiten Teil des Liedkästleins beschreibt er den Tod, die Erscheinung Christi und die Ewigkeit mit den Worten „Wir warten dein, o Gottes Sohn, und lieben dein Erscheinen“ (133ff).

Der zweite Teil des Buches konzentriert sich auf „Erfahrungen und Nachwirkungen“ Hillers. Zum „Schatz im Gepäck der Auswanderer“ nach Amerika und Rußland in den Hungerjah­ren 1816/17 gehörte nach Günther Mathia auch Hillers Liederkästlein. Es tröstete nach dem Bericht des Basler Missionars Saltet die Ge­fangenen des 1826 überfallenen schwäbischen Kolonistendorfes Katharinenfeld in Rußland. Das Liederkästlein wurde zum Gesangbuch der Pregizer Gemeinschaft in Besarabien, Geor­gien, Ungarn und Israel und zum Trostbuch für viele Menschen in aller Welt.

In der Tat: „An Hiller ist mehr dran, als man weiß.“ Er ist ein großer Liederdichter und Theologe, von dem heute, in der Zeit der Theologievergessenheit viele Pfarrer viel ler­nen können. Das Doppelgebot der Liebe als Selbstauslegung Gottes und als Schöpfung ei­ner neuen individuellen Lebensführung im Sinne der sozialen Freiheitsverhältnisse schafft Person und menschliche Gemeinschaft neu… Gemeinschaft am Leid führt nicht in Verein­zelung, Gottferne und Tod, sondern zur schöp­ferischen Verheißung des Evangeliums gehört die Zuversicht der Gottesgemeinschaft (85).

In der Praxis der Liebe sah Hiller den Zusam­menhang von Frömmigkeit und gelehr­ter Theologie. Diese oft vergessene Seite des schwäbischen Pietismus hat später Dietrich Bonhoeffer wieder aufgenommen.

Dem von Martin Brecht herausgegebenen Buch muß man eine weite Verbreitung wün­schen, vor allem unter denen, die Theologie, Fröm­migkeit und Gemeinde trennen.

Prof. Dr. Karl Rennstich, em 2001-2.

Breman, Christina Maria. The Association of Evangelicals in Africa: Its History, Organi­zation, Members, Projects, External Relati­ons and Message. Zoetermer: Boekencentrum, 1996.

Die Niederländerin Christina M. Breman war viele Jahre Sekretärin an der Freien Universität Amsterdam. Mit 45 Jahren wird sie Missiona­rin der Africa Inland Mission in Tanzania, nachdem sie ein gründliches Theologiestudium absolviert hat (BTh, MTh, Mdiv). Schon nach 2 Jahren muß sie aus Krankheitsgründen zu­rück in die Heimat und beginnt dort mit der umfangreichen historisch-missiologischen Dis­sertation über die Evangelische Allianz Afrikas (AEA).

Christina Breman hat sehr gründlich reche­chiert (50 Seiten Literaturangaben) und viele Interviews vor Ort durchgeführt. Das Buch gibt einen umfassenden Einblick in die Organisati­onsentwicklung einer dynamischen Bewegung der Evangelikalen in Afrika. Vor allem die Persönlichkeiten, die die AEA geprägt haben, werden einfühlsam und prägnant geschildert (Downing, Kato, Odunaike, Adeyemo). Bre­man selbst schreibt aus evangelikal-reformier­ter Perspektive, stellt aber andere theologische Positionen fair dar. Nur der Bericht über PA­CLA II ist etwas einseitig, da nur Kritiker zu Wort kommen und nicht die Beteiligten selbst, wie bei den übrigen Konferenzberichten.

Die AEA wurde 1969 auf amerikanische In­itiative hin (IFMA, EFMA) gegründet, hat sich aber zu einer echt afrikanischen Bewegung entwickelt. Für mich ist das Besondere an die­sem Buch das kulturelle Einfühlungsvermögen in die afrikanische Kultur und Weltanschau­ung, das die Besonderheiten der Evangelikalen in Afrika eindrücklich darstellt (Prägung durch das Häuptlingsdenken, pragmatische Zusam­menarbeit mit Vertretern anderer Glaubens­überzeugungen, Betonung des engagierten Be­tens, eine holistische Sicht von Religion und Glauben).

Die Geschichte der AEA ist eine erstaunli­che Erfolgsstory, vor allem in den Bereichen theologische Ausbildung, BEST, NEGST, Ak­kreditierung, TEE, Christian Education. Die Verf. geht aber auch auf Rückschläge, allzu-menschliches, auf dem Papier formulierte große Ziele und die mangelnde Umsetzung in der Praxis ein. Besonders schwer auszuhalten ist die Spannung, einerseits die Initative aus den Grassroot-Bewegungen der Evangelikalen aufzunehmen und zu begleiten und auf der an­deren Seite als kontinentales Zentralbüro in Nairobi autokratisch von oben nach unten eine Organisation am Leben zu erhalten, und das mit allen Engpässen - vor allem finanzieller Art - die jeder kennt, der länger in Afrika gearbei­tet hat. Breman stellt die erstaunlichen Fähig­keiten von Tokunboh Adeyemo heraus, der jetzt schon 21 Jahre Generalsekretär der AEA ist.

Für wen ist das Buch hilfreich? Missionare können in afrikanische Organisationskultur einen feinfühligen Einblick erhalten. Christli­che Leiter, die mit Afrikanern zusammenar­beiten, tun gut daran, sich durch die Disserta­tion Hintergrundinformationen über die Evan­gelikalen dieses Kontinents zu verschaffen. Vor allem aber sollten viele Leiter in Afrika dieses Buch zur Hand nehmen. Da das Werk sehr umfangreich (und für Afrikaner sehr teuer) ist, wäre es eine gute Möglichkeit dieses Buch bei Besuchen in Afrika als Geschenk mitzubringen.

Horst Engelmann, em 2000-1.

Brenton Betts, Robert. Christians in the Arab East. Lycabettus Press, Athen, zweite neu bearbeitete Auflage 1978.

Wie konnte es geschehen, daß die christli­che Kirche in den meisten Ländern des arabischen Nahen Ostens bis heute über­lebt hat? Warum ist es den Christen unter islamischer Herrschaft so viel besser ge­gangen als den Muslim in Spanien, Portu­gal oder Sizilien? Wie kam es, daß die Chri­sten im Libanon bei der einzigen Volks­zählung, die jemals stattgefunden hat, eine hauchdünne Mehrheit und damit die Macht im Staat bekamen? — Wer diese und viele andere Fragen über Geschichte und heutige Lage der christlichen Minderheitskirche im Nahen Osten beantworten möchte, der sollte zu Betts Buch greifen. Es ist eine hervorragend geschriebene und auch gut lesbare soziologisch-geschichtliche Darstel­lung, die inzwischen in Athen in der zwei­ten Auflage erschienen ist.

Klaus Fiedler, em 1985-2.

Breuer, Rita. Wird Deutschland is­lamisch? Mission, Konversion, Reli­gions­freiheit, Berlin/Tübingen: Verlag Hans Schiler, 2011.

Der Titel des neuen Buches der Islam­wissenschaftlerin Breuer scheint nichts Gutes zu verheißen: Wieder ein Weckruf an Deutschland, der Islam und Muslime als das Schreckgespenst für unser Land darstellt? Stattdessen begegnet uns in dem leider etwas zu teuren Werk eine Menge guter und überraschender Sach­informationen, die zu einer fundierten Auseinandersetzung mit dem Islam in Deutschland beitragen können.

Während etwas weniger als die erste Hälfte des Buches (S.7-86) den grund­legenden Einstellungen von Muslimen gegenüber Nichtmuslimen und solchen, die dem Islam den Rücken kehren, gewidmet ist, behandelt der etwas grö­ßere zweite Teil (S.87-179) die Frage, inwiefern ein an der Scharia orientierter Islam in Deutschland zu integrieren sei.

Breuer untersucht kurz in Koran und Ha­dith die Haltung der Muslime zur nicht­muslimischen Umwelt. Jeweils schlägt sie schnell die Brücke zur Si­tuation in Deutschland: auch viele Muslime in un­serem Land leben mit dem Gefühl einer religiösen Überlegenheit (S. 13), isla­mische „Mission“ (Da´wah) ist geboten, auch die „innerislamische Mission“ (S. 29), die auf das moralische Verhalten des Mit-Muslim achtet und leicht zu Grup­pen­druck führt.

Recht eingehend nimmt Breuer unter die Lupe, wie Muslime für ihren Glauben werben, welche Art von Menschen zum Islam konvertieren, warum sie es tun und wie viele es überhaupt sind. Hier merkt man, dass Breuer sich in der Szene per­sönlich auskennt. Der ehemalige Evan­gelikale Mohammed Herzog wird zitiert (S. 47-48). Auch auf den salafistischen Konvertiten Pierre Vogel geht sie ein (z.B. S. 51+59).

Sehr gefreut hat mich, dass die Is­lam­wissenschaftlerin auch über den Abfall vom Islam (S. 61-73) und insbesondere über Konvertiten vom Islam zum Chris­tentum (S. 73-85) schreibt – ein Thema das leider in ähnlichen Werken unter den Tisch fällt. Offen zitiert Breuer, wie selbst der prominente deutsche Konvertit Murad Wilfried Hofmann die Todes­strafe für den Abfall vom Islam zu er­klären ver­sucht und dass selbst Er­klärungen zur Religionsfreiheit, wie die des Zentral­ra­tes der Muslim von 2002 bei näherem Nach­fragen den Eindruck eines opportu­nis­tischen Lippenbekennt­nisses er­wecken (S. 63).

Die Zahl der Konversionen zum Islam schätzt Breuer übrigens als relativ gering ein. Sie geht in Deutschland von 15.000 Muslimen mit nicht-muslimischem Hin­ter­grund aus und von einer jährlichen Zuwachsrate von ungefähr 200 bis 300. Breuer nimmt an, dass die Zahl der Kon­versionen zum Islam propagan­dis­tisch hochgeredet wird, die Zahl der Kon­ver­sionen vom Islam zum Christen­tum dagegen aufgrund der Bedrohung der Kon­vertiten eher kleiner gemacht wird, als es der Wirklichkeit entspricht (S. 73).

Der Versuch, islamisches Recht, also die Scharia, in der deutschen Wirklichkeit zu etablieren, ist laut Breuer im vollen Gan­ge. Islamische Verbände und Medien be­nutzen dabei gezielt den Vorwurf der „Islamophobie“, der manchmal, so Breu­er, zur „Pathologisierung jedweder kri­ti­schen Sicht“ des Islams benutzt wird. Die Auseinandersetzung zwischen is­la­misch motivierten Wertvorstellungen und dem demokratisch-freiheitlichen Sys­tem in Deutschland umfasst äußerst verschiedenartige Bereiche. Nur eine klei­ne Auswahl der Fragen und For­de­rungen: Befreiung muslimischer Schüler vom Unterricht während der Gebets­zei­ten, Fasten muslimischer Fußball­spieler während des Ramadan, Distanzierung von der deutschen Gesellschaft durch das Ernstnehmen der Speisegesetze, Teil­nah­me von muslimischen Schülerinnen am Schwimmunterricht, islamische Banken ohne Zinsen etc.

Breuer versucht zu zeigen, dass es im Is­lam durchaus auch moderne Inter­pre­ta­tionen gibt (S. 114), die das Zusammen­le­ben in Deutschland erleichtern könn­ten. Zu Recht bemerkt sie, es sei „islam­feindlich, wenn man nicht zur Kenntnis nimmt, dass es auch andere Lesarten des Islams gibt“ (S. 108). Sie zeigt sehr realistisch die zahlreichen Konflikt­punk­te auf, geht sogar auf „nützliche Idioten“ (S. 97) ein, zu denen sie solche Medien- und selbst Kirchenvertreter zählt, die gerade die radikalen Muslime als Ge­sprächspartner hofieren und wich­tig ma­chen. Ihre Hoffnung bleibt, dass Deut­sche selbstbewusster zu ihren zivi­lisa­torischen Errungenschaften, den frei­heit­lichen Grundrechten, stehen und dadurch Deutschland „ein guter Ort auch für die vielen demokratiefähigen und to­leranten Muslime“ (S. 179) wird.

Zwei kritische Bemerkungen zu dem sonst sehr zu empfehlenden Buch: Die Islamwissenschaftlerin vermittelt durch­weg den Eindruck gut und fundiert infor­miert zu sein. Oft werden aber durchaus wichtige (und vielleicht auch um­strit­te­ne) Behauptungen nicht genügend mit Quel­len belegt. Ein durchgängigerer Nach­weis von Quellen hätte das Buch sicher umfangreicher gemacht, wäre aber gerade bei diesem sensiblen Thema zu wünschen.

Etwas unbehaglich wird es mir immer, wenn der Islam mit Argumenten zurück­gewiesen wird, die genauso auf meinen christlichen Glauben anwendbar wären. Man kann es Frau Breuer nicht ver­den­ken, dass sie persönlich Absolutheits­an­sprüche als ein Grundübel ansieht (etwa S. 8). Als Christen, die den heute nicht gerne gehörten Absolutheits­an­spruch Je­su Christi verkündigen, sollten wir dann allerdings solche Argumente nicht nur deshalb übernehmen, weil sie in diesem Fall eine andere Religion treffen.

Wolfgang Häde, em 2012-1

Bria, Ion; P. Chanson, J. Gadille, M. Spindler (Hg.), Dictionnaire oecumenique de missiologie: Cent mots pour la mission, (Association francophone oecumenique de missiologie), Paris/Genève/Yaoundé: Du Cerf/Labor et Fides/Cle, 2001.

Die Französischsprachige Ökuemenische Gesellschaft für Missionswissenschaft (Association francophone oecumenique de missiologie) hat bereits 2001 dieses Ökumenische Wörterbuch der Missiologie (hier abgekürzt DOEM) herausgegeben. Begonnen wurde die Arbeit bereits 1988 von Père Joseph Levesque und nach seinem Tod 1995 von Ion Bria, Philippe Chanson, Jacques Gadille und Marc Spindler weitergeführt und zum Abschluss gebracht. Das Buch trägt den Untertitel „Hundert Worte für die Mission“. Und tatsächlich sind es genau hundert Stichworte, unter denen das Thema der Mission wissenschaftlich von vielen Seiten her beleuchtet wird. Natürlich liegt der Vergleich mit dem Lexikon missionstheologischer Grundbegriffe, hg. von Karl Müller und Theo Sundermeier, 1987 (LMG) nahe. Hier waren es 110 Stichworte. Doch das vorliegende Werk ist keine Übersetzung, sondern eine eigenständige Arbeit. Die fränzösischsprachigen Autoren haben ihre eigenen Akzente gesetzt. Schon das erste Stichwort, das den Reigen der Begriffe eröffnet, „Adaptation“, sucht man im LMTG vergeblich. Das gleiche gilt für die Stichworte „Annonce de l´Evangile“, „Apostolicité de la mission“, „Eglises locales“, „Internationalisation de Missions“, „Liberté réligieuse“ „Plantation de l´Église“,“Syncretisme“ u. v. m. Interessant: den Artikel zu „Bibel und Mission“, den im LMG der Mitherausgeber des DOEM, Marc Spindler, geschrieben hat, verfasst hier eine andere Autorin. Das thematische Spektrum ist leicht anders gelagert als im LMG und reicht weiter in die Bereiche der Missionsgeschichte und -praxis hinein. Dafür fehlen spezialisierte Beiträge zu afrikanischer, chinesischer, indischer oder lateinamerikanischer Theologie oder den Glaubensmissionen wie im LMG. Jedem Artikel ist eine ausführliche Bibliographie und eine Übersicht verwandter Begriffe zugeordnet. Insgesamt sind 45 Autoren vorwiegend aus dem französischsprachigen Bereich an dem Werk beteiligt. Das Buch wird abgerundet durch ein Abkürzungsverzeichnis, ein Verzeichnis der Autoren, einen Sach- und Personenindex und schließlich ein Inhaltsverzeichnis. Das Werk ist eine wichtige Ergänzung zu den bisherigen missiologischen Nachschlagewerken und (nicht nur) für Französisch sprechende Missiologen unentbehrlich.

Dr. Friedemann Walldorf, em 2006-1.

Brinkmann, Klaus (Hg.). Missionare und ihr Dienst im Gastland. Referate der Jahresta­gung 1997 des AfeM. edition afem - mission reports 5. Verlag für Kultur und Wissenschaft: Bonn, 1998.

„Missionare und ihr Dienst im Gastland“ ist eine 175-seitige Fundgrube für Gäste und sol­che, die es werden wollen. In elf Referaten be­leuchten neun Missionspraktiker, wie der Ein­satz des Missionars gelingen kann. Dabei be­sticht die Erkenntnis, daß es weniger auf die fachlichen, als die persönlichen Qualitäten des Mitarbeiters ankommt. Beziehungsorientierte Charaktereigenschaften wie Humor, echte De­mut, Höflichkeit und Geduld sind auf lange Sicht wirkungsvollere Missionsmittel als ein projektorientiertes „Zack, zack, jetzt aber ran, die Zeit läuft“.

Gästebetrieb ist nicht immer eine einfache Sa­che, weder für den Gastgeber noch für den Gast: Im Land seiner Bestimmung angekom­men, spürt der Neuling (er wußte es schon vor­her), daß seine Kollegen aus der ganzen Welt kom­men und er sich nun an mindestens zwei Kul­turen anpassen muß, der des Gastlandes und der des Teams. Lohnt sich die Arbeit in inter­kulturellen Teams? Sie kann das effektiv­ste Team überhaupt sein, wenn einige Vorausset­zungen stimmen (S. 31, 121ff).

Was kann alleinstehenden Missionaren hel­fen, Anschluß ans Team zu gewinnen? Kinder­spielzeug mitnehmen! Aber nicht um fortan als Dauerbabysitter von den Missionaren ‘miß­braucht’ zu werden, sondern um freund­schaftlichen Kontakt zu ihnen zu bekommen. Sollen wichtige, die Arbeit betreffende Ent­scheidungen auf dem Feld oder von der Hei­matzentrale getroffen werden? Wenn möglich auf dem Feld, wie das Beispiel des Paulus zeigt (S.68-70). Wie sollen sich die Missionare bei massiven sozialen Ungerechtigkeiten wie Aus­beutung und Unterdrückung im Gastland ver­halten? Unbeirrt auf das Verkündigen des Evangeliums beschränken, oder politisch und sozial aktiv werden (S. 152ff)?

Auch für die gastgebende Kirche können die Gäste anstrengend sein:

So können sich viele Missionare einfach nicht daran gewöhnen, unangemeldet „nur so“ Besuche zu machen, obwohl das in manchen Kulturen unersetztlich ist. Einige unter ihnen sind so vielseitig begabt und packen derart viele Dinge erfolgreich an, daß sie damit ihre einheimischen Mitarbeiter erschlagen. Unge­wollt rauben sie diesen ihre Motivation und er­sticken ihre Eigeninitiative. Andere gehen so unbedarft mit ihrem Geld und ihren Gütern um, daß sie unbeabsichtigt die Blicke der Einheimi­schen auf ihren Besitz anstatt auf Jesus lenken.

Die Referenten zeigen nicht nur die Pro­bleme, sie versuchen auch anhand der Bibel und aus­gewählter Fallbeispiele Antworten zu geben. Bei aller Problemanzeige wird nicht vergessen, daß die Gäste nicht aus eigenem Antrieb in die Mission gehen, sondern von dem gesandt sind, der Fremdlinge und Gäste jetzt zu Mitbürgern und Gottes Hausgenossen machen will (Eph 2,19). Wer sollte dieses Buch lesen? Der heim­kehrende Missionar. Ihm kann es eine äußerst hilfreiche Anleitung sein, seinen Dienst kri­tisch zu überdenken. Aber auch der Missions­kandidat und die, die ihn für seinen Einsatz vorbereiten, werden profitieren.

Johannes Böker, em 1999-3.

Brugnoli, Carlo und Michèle. Erzählt es al­len Völkern. Ermutigende Perspektiven zum Thema Weltmission. Projektion J: Wiesbaden, 1995.

Die Autoren Carlo und Michèle Brugnoli sind Missionspraktiker, Leiter eines JMEM-Zen­trums in der Schweiz, die mit ihrem mis­siologischen Kompaktkurs herausfordern, an­stecken und begeistern wollen. In wohltuender Weise wird dabei die Dichotomie zwischen Missionaren im Ausland und Gemeindeglie­dern zu Hause überwunden. Alle werden ein­geladen zum gezielten Engagement für die Weltmission, zur kreativen Unterstützung von Missionaren sowie zur Weltmission vor der Haustür. Dabei liegen den Autoren besonders die unerreichten Völker am Herzen. Dies ist ein außerordentlich praktisches Buch. Kurze Gedanken zur Missionstheologie sind mit ein­drucksvollen Fakten und anschaulichen Erfah­rungsberichten kombiniert. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Gebet, insbesondere für die Be­kehrung von einzelnen Freunden. Andere Themen sind Evangelisation, Nacharbeit, ef­fektive Kommunikation sowie Kinder- und Ju­gendarbeit. Da das Buch als Werkbuch gestal­tet ist, wird jedes Kapitel mit einem Fragenka­talog abgeschlossen, der zum weiteren Nach­denken anregt. Freier Raum auf diesen Seiten lädt dazu ein, Antworten gleich niederzu­schreiben. Leider fehlt fundierte Bibelausle­gung. Es sind zu viele orthographische und Übersetzungsfehler verblieben, etliche Formu­lierungen sind altmodisch-fromm. Bei den spektakulären Berichten über umstrittene Großaktionen hätte ich mir mehr kritische Di­stanz gewünscht. Hier wird der Glaubensmut (Zukunftsoptimismus) deutlich, der von dem charismatischen Vorverständnis her zu verste­hen ist. Trotz dieser Unzulänglichkeiten ist das Buch wegen seiner Praxisnähe und engagierten Darstellung zu empfehlen.

Dr. Detlef Blöcher, em 1998-1.

Bürkle, Horst (Hg.). Die Mission der Kirche. AMATECA Lehrbücher zur katholischen Theologie Bd. XIII, Paderborn: Bonifatius, 2002.

In diesem Werk unternimmt der emeritierte Münchener Missionswissenschaftler Horst Bürkle in Zusammenarbeit mit 7 Mitverfassern, darunter 3 weitere Missiologen (Karl Müller, SVD, +2001), Arij A. Roest-Crollius, S.J., Horst Rzepkowsky, SVD, + 1996), 2 Soziologen (Anton Rauscher, S.J., Manfred Spieker) und 2 Dogmatikern (Bonaventura Kloppenburg, O.M.F., Leo Kardinal Scheffzyk) den begrüßenswerten Versuch, auf begrenztem Raum in wissenschaftlicher und doch gemeinverständlicher Form für den Gebrauch an Hochschulen, Gymnasien wie auch im pastoralen Bereich ein Kompendium vorzulegen, in dem alle Gebiete und Themen der christlichen Mission prägnant und informativ zur Darstellung kommen: ihre exegetische und dogmatische Begründung, ihre Geschichte, ihre Verbreitung auf allen Erdteilen und in den Kulturkreisen der Menschheit sowie in den Problemstellungen angesichts der religiösen, politischen und sozialen Herausforderungen der Gegenwart. Das Buch erscheint in der Reihe „Lehrbücher zur katholischen Theologie“, in welcher der Herausgeber bereits einen früheren Band (III) veröffentlicht hat, der sich mit den nicht-christlichen Religionen und deren theologischer Interpretation beschäftigt. Die beiden Bände ergänzen sich also gegenseitig. Kennzeichnend für die ganze, im Aufbau begriffene Reihe AMATECA (Associazione Manuali di Teologia Cattolica) ist, daß in ihr alle theologischen Disziplinen aus einer Perspektive behandelt werden, die sich entschieden der Autorität des römisch-katholischen Lehramtes unterstellt und dabei besonders dessen Verlautbarungen aus neuer Zeit seit dem II. Vaticanum und dem Pontifikat der letzten Päpste in z.T. umfangreichen Zitaten zu Worte kommen läßt. So nimmt im Personenregister der gegenwärtige Papst Johannes Paul II. mit 46 Verweisen mit Abstand den ersten Platz ein (vor 20 Hinweisen auf Publikationen des wichtigsten Mitverfassers Karl Müller, dessen 1985 erschienene Missionstheologie hier noch einmal aktualisierend ausgewertet wird).

Diese Orientierung an den lehramtlichen Aussagen bedeutet auch für den nicht-katholischen Leser einen zweifachen Gewinn: Zum einen gibt er dem Gesamtwerk angesichts der Vielzahl von Themen und Mitverfassern eine innere Geschlossenheit und Repräsentativität. Obwohl auch die gegenwärtige katholische Missionswissenschaft durch Spannungen zwischen einer konservativen (z.B. J. Amstutz und J. Dörmann) und einer progressiven Richtung (z.B. G. Collet und L. Rütti) beeinflußt ist, auf die auch gelegentlich verwiesen wird, werden so doch jene Einseitigkeiten vermieden, die manchen anderen, von der persönlichen Position des Verfassers bestimmten Monografien anhaften. Der Leser bleibt also nicht im Unklaren über die offizielle Haltung, welche die Kirche Roms hinsichtlich ihrer weltweiten Sendung einnimmt und wie sie in den Entscheidungen und Instruktionen zu den mannigfachen Problemen verbindlichen Ausdruck gefunden hat.

Der andere Vorteil dieser Anlage ist der, dass tatsächlich ein so gut wie vollständiges Spektrum missionarischer Aspekte des heutigen kirchlichen Weltengagements entfaltet werden kann. Denn die Aufgaben und Probleme der verschiedenen Teilkirchen in aller Welt sind durch die zentrale Koordinierung der gesamtkirchlichen Organe und die direkte päpstliche Aufsicht ständig präsent und werden in ihrer grundsätzlichen Bedeutung durchdacht, ob es sich etwa um die heute sehr im Vordergrund stehende Frage der Inkulturation von Evangelium und Kirche handelt, oder um das Engagement der Laien bei der Bezeugung der christlichen Botschaft in den mannigfachen Lebensbereichen, oder die Verbindung von Verkündigung und sozialpolitischer Verantwortung, oder den Dialog mit anderen Religionen und Welt-anschauungen oder auch die Neu-Evangeli-sierung einst christianisierter Völker in Europa und in den beiden Amerikas.

Trotz dieser bewusst angelegten kirchenamtlichen Perspektive bringt die Lektüre des vorliegenden Kompendiums auch dem evangelischen Leser, ob Fachwissenschaftler oder interessiertem Laien, echten Gewinn, und dies aus einem dreifachen Grund:

Erstens sind die missionarischen Herausforderungen der Welt sowohl in ihren religiösen als auch ihren säkularen Aspekten weithin die gleichen, so dass der evangelische Missiologe fast überall auf die auch ihn ständig beschäftigenden Fragen stößt.

Zweitens gibt es nach der vom II. Vatikankonzil bewirkten Entspannung im interkonfessionellen Verhältnis eine ökumenische Zusammenarbeit sowohl im wissenschaftlichen als auch im praktischen Bereich, letztere auf den einzelnen Kontinenten wohl im unterschiedlichem Maß, am wenigstens offenbar zwischen der Katholischen Kirche und den (von Kloppenburg summarisch so bezeichneten) „Nichtkatholiken“ in Lateinamerika! Fast alle Beiträge sind von einem ehrlichen Respekt vor den Leistungen auch evangelischer Missionare und Missiologen geprägt, was sich in den häufigen Rekursen auch auf protestantische Literatur bekundet.

Drittens, und das dürfte das Wichtigste sein: Die theologische Begründung der Mission aus dem Heilsratschluss des Dreieinigen Gottes, die in den Sendungen des Sohnes und des Geistes ihre grundlegende Verwirklichung und ihre Weiterführung in der Mission der Kirche findet, unterscheidet sich in den drei Hauptkonfessionen nicht mehr wesentlich. Deswegen kann sich K. Müller im zweiten Kapitel bei der alttestamentlichen und neutestamentlichen Begründung der Mission weithin auf evangelische Theologen wie J. Blauw, D. Bosch, F. Hahn, M. Hengel, O. Michel, A. Rétif und C. Stuhlmueller stützen.

Bei aller erfreulichen Gemeinsamkeit in der Missionsschau des vorliegenden katholischen Lehrbuchs können die verbleibenden Unterschiede nicht übersehen werden. So fällt dem Rezensenten als Erstes auf, dass in den Aufsätzen der Autoren, so weit sie protestantische Kollegen nicht nur erwähnen, sondern explizit zu Worte kommen lassen, der evangelikale Beitrag zur neuzeitlichen Missiologie relativ geringe Aufmerksamkeit findet. Das ist um so befremdlicher, als spätestens seit dem Aufbruch der Lausanner Bewegung, aber schon seit den sechziger Jahren, schon rein operationell der Löwenanteil zur heutigen Weltevangelisation einschließlich der Diakonie von evangelikalen Gesellschaften, Verbänden und einheimischen Kirchen geleistet und von einer beachtlichen missiologischen Literatur wissenschaftlich begleitet wird.

Hinsichtlich der theologischen Zielsetzung der Mission fällt auf, dass in konsequenter Entfaltung des Buchtitels die korporative ekklesiologische Dimension der Mission als eine der Kirche als ganzer gestellten Aufgabe und als ein zu ihrer weltweiten Gestaltwerdung führendes Werk bildet. Das gilt für alle Autoren, von Bürkles grundlegendem Beitrag über die „Mission der Kirche im religiösen und kulturellen Kontext der Gegenwart“ bis zu Manfred Spiekers abschließender Behandlung der Probleme der „Kirchen im postkommunistischen Transformationsprozeß“. Als die wesentliche Problematik betrachten sie dabei die „Inkarnation“, d.h. Verleiblichung der Kirche in den mannigfachen Kulturen der Menschheit. Gewiss würden heutige evangelikale bzw. reformatorische Missiologen diesen Aspekt ebenfalls einbeziehen. Aber als vorrangige Aufgabe der Mission würden sie der bis zu Paulus zurückreichenden Tradition folgen und mit diesem die soteriologische, d.h. die auf die Rettung der vom Evangelium noch unerreichten Menschen aus sündiger und dämonischer Gebundenheit und vor dem kommenden göttlichen Zorngericht herausstellen. Das haben einst - in inhaltlicher Parallele zu Gustav Warnecks Missionslehre – auch katholische Missions-wissenschaftler in der Münsteraner Schule (J. Schmidlin; Th. Ohm) in dem sogenannten „Konversionsmodell“ vertreten (vgl. Abschn. 3.6 „Die verschiedenen Modelle“, S. 111-114). Zu dessen Ablösung hat sicher nicht nur die Durchsetzung des „Plantationsmodell“ der Löwener Schule beigetragen, sondern heute sicher noch stärker die optimistische Beurteilung der Heilsmöglichkeit auch in den nichtchristlichen Religionen bzw. gar durch sie, wie sie aus den Dialog-Instruktionen des Vatikans sowie der Weitherzigkeit des jetzigen Papstes in seinem Umgang mit den Repräsentanten anderer Religionen (Assisi 1986 und 2002!) hervorzugehen scheint (Der von dem Münsteraner katholischen Missiologen Johannes Dörmann dagegen erhobene Einspruch wird in einer Anmerkung auf S. 156 zwar vermerkt, aber dezent zu entkräften versucht). Immerhin warnte gerade auch Johannes Paul II. selber (vier Jahre nach „Assisi I“) in seiner Missions-Enzyklika vor einer missbräuchlichen Zurückstellung der Verkündigungsaufgabe zugunsten eines neutralen interreligiösen Dialogs. Eine überzeugende Begründung der Notwendigkeit der Bekehrung sucht man jedoch in den Beiträgen des vorliegenden Buchs vergeblich, abgesehen von dem Aufsatz Leo Scheffzyks über die „Grundlagen der Reevangelisierung im Vatikanum II und in der päpstlichen Lehrverkündigung“. Er widmet den 3. Abschnitt dem Thema: „Das Zentrum der Neuevangelisierung: die Notwendigkeit der Umkehr“ (S. 333-338). Hier bildet den Hintergrund allerdings der von ihm beobachtete Verlust von Religion in der säkularistischen Gesellschaft und die mangelnde Spiritualität sogar in der Kirche selbst.

Ein weiterer theologischer Schwerpunkt, an dem sich evangelikale Missionstheologen von der hier dargelegten römisch-katholischen Position unterscheiden werden, ist die von ihnen mit Karl Hartenstein und Walter Freytag betonte eschatologische Ausrichtung der Mission als Wegbereiterin des wiederkommenden Herrn. Gewiß wird dieser biblische Aspekt, den K. Müller bei der Behandlung der paulinischen Missionstheologie (nach D. Senior und D. Bosch) als wesentliches Thema derselben nennt (S. 68), nicht übergangen. Aber er stellt für diese Autoren, ebenso wie für das kirchliche Lehramt, kein dringliches Motiv dar. Was sie davon abhält, ist einerseits die oft protestantisch-ökumenischerseits beschworene Furcht, dass Apokalyptik zur Lähmung der Weltverantwortung führe, andererseits der auffallende Geschichtsoptimismus in der missionarischen Planung , wie er ja von Papst Johannes Paul II. in zahlreichen Verlautbarungen und Aktionen im Blick auf das erwartungsvoll eingeläutete Dritte Millennium vertreten worden ist und noch wird.

Angesichts dieser innergeschichtlichen Zukunftshoffnung tritt - drittens - auch die für die biblische Reichs-Erwartung nach Röm 11,25 so zentrale Rolle des alten Bundesvolkes Israel zurück, so sehr im Sinne des heutigen, schuldbewußten Versöhnungsbemühens Roms auch positiv die heilsgeschichtliche Verbundenheit der Kirche mit Israel betont wird (S. 69). Erfreulich ist angesichts der sich gegenwärtig weithin durchsetzenden Diffamierung der Judenmission auf protestantisch/ökumenischer Seite die Aussage von Karl Müller (S. 69 f.), „dass die Juden immer ein Recht hatten und auch heute noch haben zu hören, dass Jesus der Christus ist, d.h. dass die Kirche als Folge davon ihrerseits das Recht und die Pflicht hat, das Evangelium auch den Juden zu verkündigen.“

Prof. em. Dr. Peter P. J. Beyerhaus, em 2002-4.

Burnett, David. Clash of Worlds. East-bourne: MARC 1990.

Dr. David Burnett ist der Leiter des Missionary Orientation Centre von WEC Inter­national in England und Fellow of the Ro­yal Anthropological Institute. Er war Mis­sionar in Indien und ist Autor von „God’s Mission: Healing the Nations” (1986) und „Unearthly Powers: A Christian Perspective on Primal and Folk Religions” (1988).

Dr. Peter Cotterell, Rektor des London Bible College, schließt sein Vorwort zu dem Buch: „Dies ist ein Buch für Leute, die be­reit sind nachzudenken; aber es verursacht dem, der es tut, keine unnötigen Kopf­schmerzen.“ Burnetts Stil ist klar und ver­ständlich. Als guter Lehrer illustriert er die wesentlichen Punkte mit Anekdoten und Beispielen. Das Buch behandelt ein einziges Thema: Weltbilder (‚worldviews’). „Die meisten von uns haben das Wort gehört. Wenige wissen, was es wirklich heisst. Hier ist die Antwort. Ich entsinne mich keines Buches, das so eindeutig und elegant dieses Thema behandelt.“ (Peter Cotterell). Bur­nett behandelt nach grundsätzlichen Aus­führungen die Weltbilder des Säkularismus, Animismus, Hinduismus, der Chinesen und des Islam. Er geht dann auf die Verände­rungen der Weltbilder ein (New Religions Movements, New Age Movement, Neo-paganism). Danach untersucht er die Grundsätze des christlichen Weltbildes, wie es andere Weltbilder transformiert und wie im Zusammenprall mit anderen Weltbildern das Evangelium sachgemäß bezeugt und verkündigt werden kann. Burnetts Anliegen ist, Christen zu helfen, im Konflikt der Weltbilder die andere Seite und das eigene Weltbild zu verstehen. Erst dann ist eine echte Kommunikation des Evangeliums möglich.

Dietrich Kühl, em 1991-3.

Burnett, David. Dawning of the Pagan Moon. Eastbourne: MARC, 1991.

Dr. David Burnett ist „Fellow of the Royal Anthropological Institute” und vom WEC Inter­national als Dozent an das All Nations Chri­stian College in Ware, Hertfordshire ausgeliehen. Er ist Autor von God’s Mission: Healing of the Nations (1986), Unearthly Powers: A Christian Perspective ofPrimal and Folk Religions (1988) und Clash of Worlds (1990).

Bumett möchte in seinem Buch zeigen, daß
Okkultismus und Esoterik nicht nur eine Rand­erscheinung unserer westlichen Gesellschaft sind. Die Wiederbelebung alter germanischer Religionen hat zu einer neuen religiösen Be­wegung geführt. Der Autor macht dies am Bei­spiel Großbritanniens deutlich.

An eine kurze Einführung über die religiö­sen Vorstellungen der Kelten und Angelsach­sen schließen sich Ausführungen über Esoterik und Magie im Mittelalter und in der Neuzeit an. Der erste Teil schließt dann mit einer Un­tersuchung über die Hintergründe und Ent­wicklungen der neueren „Pagan Revival“.

Der zweite Teil geht auf Zusammenhänge zwischen der Göttin Gaia [Erde] und dem Fe­minismus und ökologischen Bewegungen ein. Den Abschluß des zweiten Teiles bildet ein Kapitel über CG. Jungs Psychologie, Mircea Eliade und ihre Verbindungen zur modernen Belebung des Heidentums in der christlichen Welt.

Ein dritter Teil geht auf die Magie und ihre Verbindung zur Religiosität ein und bespricht auch die verschiedenen Feste im Zusammen­hang mit dem Jahreszyklus und dem Lebens­zyklus.

Ein vierter Teil untersucht die Frage, wer eigentlich von dieser neuen religiösen Welle erfaßt ist. Es wird deutlich, daß das Neuhei­dentum nicht nur irgendwelche Randsiedler er­faßt, sondern mittlerweile eine große Gefolg­schaft auch in der Mittelklasse und unter den Intellektuellen hat.

Ein letzter Teil geht auf die Haltung der Ge­sellschaft zu denen ein, die offen dem neuen Heidentum angehören. Danach wird die Rolle des Mythos füf den Glauben untersucht. Den Abschluß bildet eine biblische Antwort auf das Phänomen der „Pagan Revival“. Ein Nachwort an die neuheidnischen Leser, eine Liste mit 73 heidnischen Zeitschriften in England und ein Index runden das Buch ab. Mit fast 10 £ ist das Buch deutlich teurer als die anderen Bücher von David Bumett.

Dietrich Kühl, em 1993-1.

Burrows, William R. Redemption and Dialo­gue: Reading Redemptoris Missio and Dialo­gue and Proclamation. Maryknoll/New York: Orbis Books, 1994.

Wenn der bekannteste Vertreter der Christen­heit, Papst Johannes Paul II., sich zum Thema Mis­sion äußert, ist das zweifelsohne für Mis­siologen interessant. In dem Buch „Redemption and Dia­logue“ veröffentlicht der frühere Missionar und heutige Leiter des Or­bis-Verlags, William Bur­rows, zwei wichtige katholische Dokumente zur Mission. In Teil I und II werden die vollständigen Texte der En­zykliken „Redemptoris Missio“ und „Dialogue and Proclamation“ zum ersten Mal auf englisch zugänglich gemacht. Beide Dokumente werden von ausführlichen Kommentaren katholi­scher Missionswissenschaftler begleitet. In einem dritten Teil folgen Stellungnahmen verschiede­ner Missiologen aus aller Welt, die die Schwä­chen und Stärken der Verlautbarungen kritisch be­leuchten.

Dank des durchdachten dreiteiligen Aufbaus er­hält man ein gutes, abgerundetes Bild über In­halt und Bewertung der Dokumente. Die bei­den Verlautbarungen des Vatikans sind nach einem langen Entstehungsprozeß ausgewogen, aber auch an manchen Stellen etwas unklar. Man erkennt, daß der Vatikan über fähige Theologen verfügt und daß Papst Johannes Paul II. die ‘Missio ad Gentes’ bzw. ‘Neu-Evangelisierung’ ein echtes Anliegen ist. Al­lerdings ist aber auch die katholische Be­trachtungsweise unübersehbar. Hervorragend untersucht und geschrieben sind die Kommen­tare von Marcello Zago, O.M.I. und Jacques Dupuis, S.J., eher durchschnittlich die neun Kritiken von den unterschiedlichsten theologi­schen Gesichtspunkten aus. Für besonders ge­lungen halte ich die beiden Kritiken von Eric J. Sharpe und Jack Voelkel; letztere aus evange­likaler Feder.

Insgesamt handelt es sich um ein lesens­wertes, manchmal etwas langatmiges Buch, wenn man sich für Missionstheologie interes­siert. Ge­samtnote: gut.

Martin Sachs, em 1997-3.

Bush, Luis and Larry Lutz. Partnering in Ministry: The Direction of World Evangelism. InterVarsity Press: Downers Grove (IL), 1990.

PartnersInternational/ChristianNationals Evangelism Commission, dessen Präsident der Süd­amerikaner Luis Bush ist, ist eine weltweit operierende Organisation, die mit Kirchen und evangelikalen Zusammenschlüssen in Mis­sionsländern Partnerschaften eingeht, um die­sen Spendengeldern vorwiegend aus den USA zur Verfügung zu stellen, die diese Kirchen und Zusammenschlüsse selbständig verwalten und einsetzen. Bush und der Verantwortliche von PI für Publikationen, Larry Lutz, legen in die­sem Buch eine umfassende Begründung vor, warum sie eine solche Partnerschaft als den einzigen in der Zukunft gangbaren Weg anse­hen, der den Kurs der Weltevangelisation ent­scheidend verändern könnte. Anhand von vie­len Beispielen wird erläutert, wie Partnerschaft zwischen Missionsgesellschaften und einheimischen Kirchen und Zusammenschlüssen aussehen kann und wie Missionsgesellschaften die Verantwortung an einheimische Christen abgeben können, ohne sich deswegen völlig zurückziehen zu müssen. Die Autoren befür­worten im Gegenteil, daß Missionsgesellschaf­ten unbedingt weiter zur Verfügung stehen sollten, um die von den einheimischen Mitar­beitern erkannten Lücken unter deren Leitung zu füllen. Auch wenn ich das Buch wärmstens empfehlen möchte, sei eine kritische Rückfrage erlaubt. PI läßt zwar den einheimischen Part­nern die Freiheit zu entscheiden, wie die Gelder eingesetzt werden, erwartet aber offensichtlich ein hohes Maß an häufigen Rechenschaftsbe­richten, was damit begründet wird, daß man sich auf glaubwürdige Organisationen be­schränken will und den Spendern gegenüber verpflichtet sei. Nun ist so etwas innerhalb der amerikanischen Kultur durchaus normal. Wird das aber von den auf diese Weise doch ein Stück weit überwachten Organisationen noch als Partnerschaft empfunden? Gibt es keine den entsprechenden Kulturen besser angepaßten Kontrollmöglichkeiten als monatliche schriftli­che Berichte an eine internationale Zentrale? Ich gestehe aber zu, nicht die Erfüllung der Verträge in der Realität zu kennen, die ja wesentlich partnerschaftlicher sein kann, als der Eindruck, der bei mir durch die schriftliche Darstellung geweckt wurde. Es wäre sicher interessant zu erfahren, wie die ‘Betroffenen’ die Überprüfung und Überwachung empfinden.

Thomas Schirrmacher, em 1994-2.

Carey, S. Pearce. William Carey: Der Vater der modernen Mission. CLV: Bielefeld, 1998.

Endlich erscheint nach mehreren Jahrzehn­ten wieder eine Biographie des Vaters der mo­dernen Weltmission in deutscher Sprache und zum ersten Mal eine ausführliche. Es handelt sich aller­dings nicht um die Übersetzung einer neueren englischen Biographie, sondern der sehr erfolgrei­chen, 1923 erschienen und 1934 zuletzt korrigierten populären Biographie von Careys Urenkel, die zwar keine kritischen Töne enthält und natürlich die erst nach dem 2. Weltkrieg einsetzende Careyforschung nicht berücksichtig, dafür aber auf viele bis dahin unbekannten Familiendoku­mente zurückgriff. Dennoch sollte die Biographie weite Verbrei­tung finden, zumal sie durch den für ein ge­bundenes Buch sehr günstigen Preis besticht und ein ideales Geschenk in Missi­onskreisen sein dürfte. Die Übersetzung von Benedikt Pe­ters ist ausgezeichnet und flüssig zu lesen, die Aufmachung mit Fotos und das Schriftbild las­sen nichts zu wünschen übrig. Typisch für die Biographie ist, daß sie theolo­gische Fragen und eine theologische Einord­nung Careys prak­tisch völlig unterläßt, was je­doch praktisch für die gesamte Carey-Literatur gilt. Lediglich Peter Masters verweist in sei­nem Vorwort darauf, daß Carey und seine Mit­arbeiter „überzeugte Calvini­sten“ waren. Ein Anhang mit kurzen Hinweisen zu 54 Jahren Forschung seit der letzten Überar­beitung der englischen Ausgabe und mit Hinweisen zu Ca­reys theologischem Standort wäre des­wegen wünschenswert. Bei dieser Gelegenheit könnte man auch statt reiner Verweise auf engli­sche Literatur deutsche Lite­ratur nennen, insbeson­dere die in der edition afem erschienene deut­sche Übersetzung von Careys Hauptwerk!

Dr. Thomas Schirrmacher, em 1999-3.

Carpenter, Joel A. und Wilbert R. Shenk. Earthen Vessels. American Evangelicals and Foreign Missions, 1880-1980. Eerdmans: Grand Rapids, 1990.

Dies ist ein Buch, das Fakten ins rechte Licht rückt: Zum einen nimmt es endlich die Tatsa­che wahr, daß seit den 50er Jahren die Mehr­heit (heute wohl 90%) aller amerikanischen Missionare evangelikal ist (S.317). Zum ande­ren sieht es realistisch, daß die Geschichte der evangelikalen Missionsbewegung (neben der Geschichte der Frauen in der Religion) zu den am meisten vernachlässigten Themen der ame­rikanischen Kirchengeschichtsforschung der neueren Zeit gehört, gleich, ob bei evangelikalen oder nicht evangelikalen Historikern (L. Sweet, S.317). Obgleich Evangelikaie nach 1945 bedeutende Beiträge zur Missionsliteratur geleistet haben (Shenk, S.317-334), gehört die Missionsgeschichte (neben Missionstheologie und dem christlichen Zeugnis gegenüber nicht-christlichen Religionen) zu den vernachlässig­ten Bereichen.

Eine Geschichte der evangelikalen amerika­nischen Missionsbewegung ist noch nicht ge­schrieben (wohl auch für kein anderes Land), aber Earthen Vessels als Sammelband bemüht sich, Schneisen zu schlagen, Informationen zu bieten und Entwicklungen aufzuzeigen. Da die religiöse Welt Amerikas uns weitgehend unbe­kannt ist - die in manchen Kreisen übliche Standardpolemik gegen die „fundamentalisti­schen Fernsehevangelisten“ und die „electronic church“ hilft da auch nicht weiter - und die Amerikaner zugleich den weitaus größten An­teil am evangelischen Missionspersonal stellen, vermittelt das Buch wesentliche Einblicke in amerikanische Missionstheologie und damit zugleich auch in prägende Kräfte der heutigen (zumindest der evangelikalen) Missionsbewegung.

Earthen Vessels wird durch einen Aufsatz von Andrew Walls, Edinburgh, über die ame­rikanische Dimension in der Geschichte der Missionsbewegung eingeleitet. Die anderen Autoren sind Nordamerikaner oder leben in Nordamerika. Nicht englischsprachige Literatur nehmen sie nur insofern wahr, als sie in engli­scher Übersetzung vorliegt (zB. Peter Beyer­haus S.330; Klaus W. Müller S.320).

Die Aufsätze können in drei Gruppen zusammengefaßt werden. Zuerst die historischen Arbeiten. Dana L. Roberts stellt anhand der für die Glaubensmissionen so wichtigen Theologie A.T. Piersons und A.J. Gordons die Bedeutung der prämillennialen Eschatologie für die Glaubensmissionen besonders und für die evangelikalen Missionen insgesamt dar. Joel A. Carpenter stellt ua. die Bedeutung der Heiligungsbewegung für die Glaubensmissionen dar (S.117ff). Dagegen wird das für die Glaubensmissionen we­sentliche Kirchenverständnis der Brüderbewe
gung nicht thematisiert, obwohl George Müller gelegentlich erwähnt wird. Alvyn Austins Artikel über Henry W. Frost, den Gründer des nordamerikanischen Zweiges der China Inland Mission führt den Leser an die allerersten Anfänge der für Glaubensmissionen so wichtigen Intemationalisierung, vermittelt zu­gleich wertvolle Einblicke in das Verhältnis der evangelikalen Missionen zum historischen Fundamentalismus, indem er zeigt, wie die CIM, die in keiner Weise als Protest gegen li­berale Missionen oder Theologie gegründet worden war, in Nordamerika zu einem wichti­gen Faktor in der theologischen Auseinander­setzung zwischen „liberalen“ und „konservati­ven“ (damals fundamentalistisch genannten) Kräften wurde.

Direkt der Missionstheologie (dem zweiten Bereich) ist Charles Van Engens Artikel ge­widmet: A Broadening Vision: Forty Years of Evangelical Theology of Mission, 1946-1986. Typisch für den dritten Bereich ist Orlando E. Costa’s Artikel: Evangelical Theology in the Two-Thirds World.

Das Buch ist das Ergebnis einer Konferenz: „A Century of World Evangelization: North American Evangelical Missions, 1886-1986“, die im Wheaton College, nicht weit von Chicago, stattfand. Es wäre gut, wenn solch eine Konferenz mit dem Ziel, ein ähnliches Buch zu schaffen, auch einmal für den deutschsprachigen Raum stattfinden könnte.

Klaus Fiedler, em 1993-4.

Carson, D.A. (Ed.). Telling the Truth: Evangeliz­ing Postmoderns. Grand Rapids: Zondervan, 2000.

Dieser theologisch und praktisch inspirierende Sammelband zum Thema Evangelisation in der Postmoderne dokumentiert eine Konferenz, die 1998 an der Trinity Evangelical Divinity School in Deerfield bei Chicago stattfand und darüberhinaus u.a. von der Intervarsity Fellowship, Campus für Christus, den Navigatoren und dem Billy-Graham­Center getragen wurde. Herausgeber ist der be­kannte evangelikale Neutestamentler Donald Car­son (ebenfalls Trinity), der bereits mit einer umfas­senden Analyse der pluralistischen Postmoderne in The Gagging of God (Zondervan 1996) sein Herz für Evangelisation in diesem Kontext offengelegt hat. Das Buch erschließt das Thema in 8 Teilen. Im 1. Teil (Opening Plenaries) führt Ravi Zacharias in das Thema ein, bleibt aber eher an der Oberfläche. Im 2. Teil (The Challenge) wird die Herausforde­rung des religiösen Pluralismus (H. Netland) und die Epistemologie der Postmoderne (Hink-son/Ganssle) analysiert. Der 3. Teil (Critical To­pics) bewegt sich dann ins Zentrum wesentlicher Fragestellungen zur Evangelisation in der Postmo­derne. James Sire („Why should anyone believe anything at all“) macht deutlich, dass die Frage nach Wahrheit auch für postmoderne Menschen relevant bleibt. Mark Dever analysiert das evange­listische Reden von Sünde in der Postmoderne. Phillip Jensen und Tony Payne beschreiben eine praktische und biblisch fundierte Methode („Two ways to live“), das Evangelium in einem post­christlichen Kontext mit prägnanten Illustrationen zu formulieren und persönlich zu kommunizieren. Im 4. Teil (Crucial Passages) werden zwei wichti­ge Bibeltexte näher untersucht (John Nyquist, Die Rechtfertigung des Sünders nach Römer 3 und Colin Smith, Die Aufgabe des Botschafters nach 2. Kor. 5,11-21). In Teil 5 (Church, Campus, Ethnici­ty) werden besondere Zielgruppen ins Auge ge­fasst: Afro-Amerikaner, asiatische Amerikaner und Studenten. Um die Beziehungsebene der Evangeli­sation geht es in Teil 6, in dem mit Robert Cole­man (The Lifestyle of the Great Commission) ein Klassiker zu Wort kommt. Teil 7 bringt Erfah­rungsberichte und Strategien vor allem aus den Bereichen Studenten- und Jugendarbeit. Schließ­lich sind in Teil 8 die Schlussreferate von A. Fer­nando („The Urgency of the Gospel“) und D. Car­son („Athens Revisited“) dokumentiert. Hier findet sich viel inspirierendes Material, das aufgrund seiner oft grundlegenden Natur auch für den euro­päischen Kontext relevant ist. Die wesentlichsten Beiträge jedoch finden sich m.E. in Teil 3. Einen Nerv der Thematik trifft hier Mark E. Dever, Pastor einer Baptistengemeinde auf dem Capitol Hill in Washington D.C. in seinen Beitrag „In einer postmodernen Welt von Sünde reden“, den ich darum im Folgenden ausführlicher darstelle. Jan ist postmodern, hält sich für sündlos und christlich: „Jeden Tag werde ich neu erschaf­fen, jeder Tag ist ein Neuanfang - frisch und rein. Ist das nicht die biblische Botschaft der Gnade Gottes?“ Auf die Frage, was denn mit dem Kreuz Christi, dem Zorn Gottes und der Notwendigkeit der Vergebung der Sünde von der Jesus gespro­chen habe sei, antwortete Jan: „Damit kann ich nicht viel anfangen“. Mit dieser Begebenheit er­öffnet Mark E. Dever seinen aufschlussreichen Aufsatz, in dem er aufzeigt, dass im postmodernen Denken (das auch das Alltagsdenken der meisten Menschen heute geworden ist) Sünde keinen Sinn macht, weil es weder einen allgemeinen Sinn des Lebens (Metanarrativ) gibt, gegen den man versto­ßen könnte noch einen göttlichen personalen Sinn­stifter, dem gegenüber man verantwortlich wäre. Für die Evangelisation bedeutet das nach Dever ein vierfaches: 1. Kommunikation: die Wirklichkeit von Gut und Böse, die in Gottes Person verankert ist (und nicht nur ein „modernes“ Metakonzept ist) kann kommuniziert werden. Auch postmoderne Menschen empfinden Ungerechtigkeit und Bos­heit. Es kann für sie befreiend sein, nun auch eine kognitive Kategorie für diese Realität zu verstehen. 2. Gemeinschaft: Auch der postmoderne Mensch, lebt in Beziehungen, die Verantwortlichkeit erfor­dern. Er kann dieser Realität nicht entkommen. Die biblische Überzeugung, dass jeder Mensch im E­benbild Gottes erschaffen ist und damit wert, gut behandelt zu werden, bietet eine wirkliche Grund­lage für Gemeinschaft und lässt sie gelingen. Das sehen und erleben postmoderne Menschen. 3. Ge­wissen: Auch wenn postmoderne Menschen nicht an eine Persönlichkeit glauben, haben sie ein Ge­wissen - denn auch sie sind nach Gottes Bild er schaffen. Christen sollten hier Mut haben und sich nicht ängstlich verstecken, auch wenn ihre Über­zeugungen nicht up-to-date erscheinen und belä­chelt werden. A. Huxley spricht für viele, wenn er zugibt, dass die Überzeugung von der Sinnlosig­keit des Lebens ihm größere sexuelle Freiheiten zu ermöglichen schien. Hilfreich ist J. Bunyans Er­zählung The Holy War: Die Macht in der Stadt Menschenseele wird von dem falschen Prinzen Diabolos usurpiert, der nun die ganze Stadt be­herrscht. Nur der Stadtschreier Alter Mann Gewis­sen bricht manchmal aus und rast wie wahnsinnig durch die Straßen und schreit: Diabolos ist ein Lügner. Prinz Immanuel ist der wahre König von Menschenseele. Doch er wird immer wieder einge­fangen und zur Ruhe gebracht. 4. Bekehrung: Trotz aller schlauen Theorien, Evangelisation in der Postmoderne ist entmutigend. Nur Gott selbst kann neue, wahre Überzeugungen und ein neues Leben in Menschen schaffen. Auch wenn wir die Postmoderne nicht in allem verstehen - wenn wir das Evangelium kennen und weitergeben, dann gehören wir zur Kirche der Zukunft. Erwähnenswert ist auch der Beitrag von Michael P. Andrus, der dafür pädiert, dass das Ziel der E­vangelisation nicht nur die „Decisions for Christ“ als vielmehr die „Disciples of Christ“ sein sollten. In seinem Artikel „Conversions beyond mere Reli­gious Preference“ betont er die Notwendigkeit theologischer und ethischer Substanz im Prozess der Umkehr von einem Leben der Selbstgefällig­keit zu einem Leben in der Nachfolge Christi. Be­kehrung müsse verstanden werden als ganze Le­benshingabe an die Wahrheit christlicher Weltan­schauung und die Wirklichkeit eines christlichen Lebenstils. Angesichts der kulturellen Bedeutungs­losigkeit von Taufen in einer baptistischen Kultur (USA), sei darum eine Zeit der Bewährung der Taufe vorzuschalten.

Das Buch will kein umfassendes Kompendium zur Evangelisation sein (dazu würde z.B. eine Diskus­sion des brit. Konzepts der „Alpha-Glaubenskurse“ u.a.m. gehören), sondern eher eine Momentauf­nahme der Ergebnisse der Konferenz in Deerfield. Das wesentliche Anliegen des Sammelbandes ist es, einen von der biblischen Wahrheit geprägten Ansatz der Evangelisation im Kontext der Postmo­derne zu durchdenken und praktizieren zu helfen (vgl. den Titel des Buches). Alle Autoren werden vorgestellt, jeder Beitrag ist mit einer kurzen Bib­liographie versehen, was hilfreich ist. Weniger sinnvoll scheint es, dass die (eher wenigen) Fußno­ten erst ganz am Ende des Buches nach Kapiteln getrennt erscheinen. Das macht das Auffinden sehr unbequem. Erschlossen wird dieser empfehlens­werte Sammelband durch einen Themen-, Perso­nen- und Schriftstellen-Index.

Dr. Friedemann Walldorf, em 2004-1.

Christen in islamischen Ländern. Hg. v. Re­ferat für Mission, Ökumene und Kirchlichen Entwicklungsdienst des Ev. Oberkirchenrat der Ev. Landeskirche in Württemberg, Stuttgart 1993, 84 S. In beschränkter Auflage erhältlich gegen Schutzgebühr von DM 10.00 plus Porto bei: IMATEL, z. Hd. Frau Rudolf, Ev. Presse­haus, Theodor-Heuss-Str. 23, D-70174 Stutt­gart.

Von einem in England lebenden Theologen aus einem mehrheitlich islamischen Land stammt dieser Bericht für die württembergische Lan­dessynode über die Lage der Christen in Ägyp­ten, Malaysia, Nigeria, Pakistan, Saudi-Arabi­en, Sudan und Türkei. Über die Länderberichte hinaus wird über die allgemeinen Hintergründe der Diskriminierung von Christen in islami­schen Ländern und die Verhaltensmöglichkei­ten der betroffenen Christen informiert. Ab­schließend werden zehn Empfehlungen für Christen in westlichen Ländern gegeben. Die erschütternden Berichte sind durchwoben von Bezügen zum christlichen Zeugnis in diesen Ländern.

Christiansen, Hauke. Missionieren wie Paulus? Roland Allens missions­theo­logische Rezeption des Paulus als Kritik an der neuzeitlichen Mis­sionsbewegung (Missions­wissen­schaft­liche For­schun­gen NF 24), Neuen­dettelsau: Erlanger Verlag für Mission und Ökumene, 2008.

Zu den Klassikern der Missions­literatur des 20. Jh. gehört die heraus­fordernde, an vielen Stellen prophe­tische Studie Missionary Methods: St. Paul’s or Ours des anglikanischen Chi­na­missionars Ro­land Allen von 1912. In ganz unter­schiedlichen Kon­texten wurde das Bänd­chen mit seiner Betonung unabhängiger einheimischer Kirchen für unter­schied­liche Frage­stellungen und Forderungen heran­gezogen. Was waren die prägenden Fak­toren in seiner Entstehung? Wie wur­de Allen rezipiert? Wo ist seine Kritik an der neuzeitlichen Mis­sions­bewegung über­holt, was ist bleibend von Be­deutung? Diesen Fragen wid­met sich die Berliner Dissertation Chris­tiansens (2007).

Zunächst beschreibt der Autor Allens Platz in der neueren Missionsgeschichte und seine Bedeutung für die Missions­wissenschaft (S. 11-25). Ferner führt er in die Probleme der Erforschung Allens ein. Der erste Teil gilt „Allens Rezeption des Paulus aus missionarischer und exe­getischer Perspektive“ (S. 27-126). Zu­nächst schildert Christiansen bio­gra­phi­sche Faktoren, die Allens Paulus­re­zep­tion bestimmt haben (z. B. seine Ausbil­dungs­arbeit in Peking). Dann geht es um verschiedene Phasen der Bezugnahme auf Paulus, nämlich das „subjektiv-im­pressionistische Konzept eigenver­ant­wort­licher Kirchen“, das „objektiv-ana­lytische Missionsprogramm“ in Mission­ary Methods und eine „explikative Phase“, die in der Fortführung und im Aus­bau paulinischer Ideen bestand. Ferner analysiert Christiansen Allens Ver­hältnis zur historisch-kritischen Pau­lus­forschung. In Abgrenzung von der ra­dikalen Kritik der neutestamentlichen For­schung seiner Zeit folgte Allen dem po­si­tiveren Historismus der zeit­ge­nös­sischen britischen Forschung (aber auch A. von Harnack) und entwickelte eine eigenständige kritisch-positive Exegese auf der Basis von Quellenkritik und Kom­bi­nationsverfahren.

In Teil zwei untersucht Christiansen Allens paulinisches Missionsverständnis (S. 127-240). Dazu gehört die Ver­wirk­li­chung der ganzen inkarnatorisch-sakra­mentalen Wirklichkeit in der sichtbaren Ortskirche, ordinierte Älteste als Ver­walter der Sakramente (Allen’s volunt­ary clergy Programm als Antwort auf die akute Not in den Missions­gebieten), die Ausbildung einer sakramental-pneuma­to­logischen Missionstheologie, nämlich Prin­zipien paulinischer Missionsarbeit, die Mitte von Allens Missionstheologie, die missiologische Diskussion um die Er­richtung von „independent native chur­ch­es“ auf der Grundlage der Drei-Selbst-Theorie (Selbst­leitung, Selbst­ver­breitung, Selbständigkeit; hier auch gu­te Verortung von Allens Position in der zeit­genössischen Diskussion: H. Venn, J. L. Nevius, A. Anderson) sowie die un­mit­tel­bare Selbständigkeit einheimischer Kirchen als pädagogisches Problem. Da­bei sah Allen den Schlüssel zur Selb­stän­digkeit in der geistlichen Selbst­erziehung der einheimischen Kirchen.

Im dritten Teil bietet Christiansen eine kri­tische Würdigung von Allens Ver­ständnis der paulinischen Mission (S. 241-288). Allens Ansatz und An­liegen wur­de von der Missionsgeschichte des 20. Jahrhunderts weitgehend be­stätigt, in seinem theologischen Ansatz aber nur se­lektiv aufgegriffen (S, 252-59): „Rück­blickend muss an der Mitte des 20. Jahr­hun­derts einsetzenden Allen-Renais­sance kritisch festgehalten wer­den, dass sie zwar Allens Schlagwort von der Selb­ständigkeit und Un­ab­hängigkeit der einheimischen Kirchen übernahm, dass sie aber die seinem Programm zu­grun­deliegende theolo­gi­sche Überzeugung … nicht auszuloten bzw. zu teilen fähig war. […]. Dass der inkarnations­theo­lo­gi­sche Ausgangspunkt und seine sakra­men­tal-pneumatologische Entfaltung sein gesamtes Missions­pro­gramm durch­wirkte, sein Kirchen- und Amts­ver­ständnis zu einem guten Teil beeinflusste und die theologische Basis für seine Un­abhängigkeitsforderung darstellte, wurde oftmals übersehen.“ (258/59). Allens Ver­ständnis war geprägt von der anglo-katholischen Immanenz­lehre, die zu einem Wechsel von einem kreuzes­theo­logischen zu einem inkarna­tions­theo­logischen Ansatz der Mission führte.

Ferner untersucht Christiansen die For­de­rung nach Selbständigkeit unter neu­tes­tamentlicher Fragestellung sowie als Anfrage an die Paulusexegese. Die ge­gen­wärtige Bedeutung von Allens pau­li­nischem Missionsprogramm (S. 281-88) sieht Christiansen in der weitgehenden Flexibilität und Variabilität von Allens Mis­sionsmodell. Ferner könne sein Pro­gramm zu einem „Aufbrechen über­kom­mener kirchlicher Strukturen führen, ins­besondere solcher Strukturen in der west­lichen Welt, die den Heraus­for­derungen angesichts weitreichender Ent­kirch­lichung in einer post-christlichen Ge­sell­schaft bei gleichzeitigem Er­wa­chen des religiösen Interesses nur wenig entgegenzusetzen haben … Die sak­ra­mental-pneumatologische Seite sei­nes Mo­dells warnt zugleich davor, Mis­sion allein unter dem Gesichtspunkt des ope­ra­tionalen Geschäfts zu betrachten oder das Heil in Wachstumshysterie zu su­chen“ (S. 284f.). Ferner ist zu erwähnen, dass Allens Missionsprogramm die Be­deu­tung der Gemeinde für den Mis­sions­prozess hervorhebt und ihr eine Schlüs­sel­stelle für die Verkündigung der Bot­schaft zuweist. Historisch bestätigt wur­de diese Sichtweise durch die Existenz von Gemeinden in Form von Haus­kirchen, die während der kom­mu­nis­ti­schen Herrschaft in China nicht nur die geist­liche Versorgung der Christen er­mög­lichte, sondern darüber hinaus eine Aus­breitung der Gemeinden hervorrief (S. 285).

Neben der gelungenen Untersuchung ist die Erfassung des umfangreichen lite­ra­rischen Werks Allens ein Verdienst des Autors. Zu fragen wäre, ob ein voran­ge­stellter eigener biographischer Abriss nicht die anderweitige Darstellung ent­las­tet und zu größerer Über­sicht­lich­keit geführt hätte. Die Arbeit ist durch­weg inspirierend und bietet viele weiter­füh­rende Perspektiven. Sie zeigt, wie die Verbindung von aktuellen Her­aus­forderungen in der Mission und in­ten­sivem Studium des NT sowohl für die Mission als auch für das Verständnis des NT von großer Bedeutung sein können. Damit trifft sie ein Herzensanliegen evan­gelikaler Missiologie. Doch wird auch deutlich, wie die konfessionelle Ge­bun­denheit den Blick für das NT und die eigene Situation sowohl schärfen und zu einer theologischen Durchdringung be­fä­higen als auch massiv beeinträchtigen können.

Christoph Stenschke, em 2010-3.

Clarke, Peter B. Atlas der Weltreligionen. Entstehung, Glaubensinhalte, Entwicklung. München: Fredering & Thaler, 1995 - 2. Aufl.

Oliphant, Margaret. Atlas der Alten Welt. Eine atemberaubende Reise zu den Hoch­kulturen der Menschheit. München: Fredering & Thaler, 1994 - 2. Aufl.

Die aufwendige farbige Gestaltung mit Fo­tos, Karten, Graphiken, Übersichten und Kasten­texten gehört zum besten, was es zum Thema Religionen und Kulturen gibt. Die bei­den At­lanten sind dabei pädagogisch hervorra­gend aufgearbeitet und für die Aufmachung sehr preisgünstig. Die große Fülle des Stoffes wird neben dem Haupttext auf viele kleinere Texte, Begriffserklärungen und Bild­beschriftungen leicht lesbar aufgeteilt. Im Re­ligionsatlas werden die zehn größten Weltreli­gionen ausführlich vorgestellt. Viele weitere Religionen werden in einem Lexikon im An­hang vorgestellt. Die Darstellung erfolgt meist durch einen Wissenschaftler, der der je­weiligen Religion angehört, ist dafür aber sehr sachlich und auf dem neuesten Stand. Der Atlas der Alten Welt beschreibt Meso­potamien, Ägyp­ten, Persien, Europa, Grie­chenland, die Römi­sche Welt, Indien, China und Nord-, Mittel- und Südamerika. Er ist da­mit einerseits für Bi­bel­leser von Interesse, an­dererseits aber auch für jeden, der mit den Nachfahren dieser Hoch­kulturen zu tun hat und sich eingängig über de­ren Kulturleistungen informieren will.

Dr. Thomas Schirrmacher, em 1996-4.

Clauss, Mechthild. College in Koyom: Lehren und Lernen im Tschad. Erlangen: Verlag der Evangelisch-Lutherischen Mission, 1992.

Die Afrika-erfahrene Pädagogin erzählt über Erlebnisse als Lehrerin an einem College im südlichen Tschad. Neben persönlichen Erfah­rungen verarbeitet sie in meist kurzen, gut les­baren Kapiteln vor allem Aufsätze ihre Schüler, in denen sich deren Denken und Konflikte widerspiegehi. Letztere liegen immer wieder in der Spannung zwischen traditionellen Werten und erstrebtem Fortschritt. Das Kapitel „Gesetz und Gewissen“ gibt einen lesenswerten und praktischen Einblick in die Problematik um Schuld-und Schamorientierung, in einem anderen Kapitel geht es um „Brautpreis-Sit­ten“. Es kommen auch immer wieder Anforde­rungen zur Sprache, die das Leben und Lehren in einer solchen Umgebung an eine Lehrerin aus Europa stellen.

Hilfreich ist auch der kurze Überblick „Grundinformationen über den Tschad“ am Ende des Buches, abgefaßt vom Direktor des College. Der Leser erhält auf wenigen Seiten die wichtigsten Informationen über die jüngere Geschichte sowie gegenwärtige politische, wirtschaftliche und soziale Lage krisenge­schüttelten Landes.

Alles in allem bietet das anschaulich und erfrischend geschriebene Buch eine guten Ein­blick in Denken und Leben der südtschadischen Landbevölkerung sowie damit gegebenen Her­ausforderungen für die Pädagogik. Es ist lesenswert für jeden, der beabsichtigt, in einem afrikanischen Land als Pädagoge tätig zu sein, aber auch für solche, die sich allgemein für die Denkweise der schwarzafrikanischen Bevölke­rung im Spannungsfeld von Tradition und Fortschritt interessieren.

Christof Sauer, em 1995-4.

Clemm, Volker (Hg.). Mission kreativ: im persönlichen Umfeld, in unserem Land, in der ganzen Welt. Wuppertal: Brockhaus, 2002.

Diese Rezension ist längst überfällig, denn das Buch erschien bereits 2002. Überflüssig ist sie keinesfalls, denn das Buch bietet eine Vielzahl von zwar kurzen, aber durchaus tiefgehenden und praktischen Perspektiven zur Weltmission. Der Herausgeber ist seit 1998 verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit des Missionshauses Bibelschule Wiedenest aus dessen Umfeld auch fast alle Autoren stammen. Das Buch hat drei Teile. Im ersten Teil geht es um die Person des Missionars: „Jetzt bist Du dran“ (S. 4-68). Themen wie Berufung, Begabung, Einsatz-möglichkeiten und Herausforderungen des Missionarsberufs stehen im Mittelpunkt. Unter der Überschrift „Karriere mit Gott“ entfalten Missionare aus drei Kontinenten ihren Berufs-weg als Berufungsweg mit Gott. Zum Beispiel Matthias Drochner, ursprünglich Pilot und Fluglehrer, jetzt Bibelschullehrer in Peru, fragt: „Kann ich überhaupt ‚Karriere mit Gott machen‘? Ich denke, ja. Aber wenn es schon um den Dienst für Gott geht, sollte ich auch Gottes Definition von Karriere und Erfolg gelten lassen“ (S. 37). Erfolg wird hier neu definiert als Treue, Gehorsam, Dienst, Liebe, Glaube und Gebet. Grundlage für die geistliche „Karriere“ im Missionarsberuf ist für Drochner folgerichtig die geistliche Berufung durch Gott. „So eine Berufung kann der Einzelne als gefühlsmäßig eindrückliches Geschehen erleben oder in einem mehr analytischen Prozess der Reflexion“ (S. 37). Die Berufung gibt Halt angesichts von Durststrecken, Selbstzweifeln und Angriffen von anderen. Ralf Kaemper setzt sich in seinem Beitrag „Warum ich nicht in die Mission gegangen bin“ erfrischend nüchtern und kritisch mit bestimmten Berufungsverständnissen (Gott hat mich genau in dieses Land berufen) und pauschalen Appellen zur Mission im Ausland (Stichwort: Fußtritt statt Ruf) auseinander. Er plädiert für eine nüchterne Bestandsaufnahme der eigenen Fähigkeiten: „Nicht jeder ist für jede Situation und für jedes Land geeignet“ (S. 67). Es wird deutlich, dass das Hören und Vertrauen auf Gott und möglichst nüchterne und realistische Wahrnehmungs- und Entschei-dungsprozesse im Bereich Berufung und Führung zusammengehören.

Der zweite Teil des Buches „Worum es bei Mission eigentlich geht“ (S. 69-138) beleuchtet wichtige Themen der Weltmission. Ernst Schrupp bindet eigene biographische Erfah-rungen in seine Reflexion des Ziels der Weltmission ein, nämlich die „Mobilisierung der ganzen Gemeinde, d.h. aller Gemeinden in allen Ländern zur Weltmission“ (S. 71), um das Evangelium unter allen Völkern und Menschen bekannt zu machen – weltweit und in Deutschland. C. Stenschke zeigt biblisch-theologisch die Einbindung des Menschen in die Mission Gottes als persönlicher Auftrag und Verheißung auf. Grundlagen und Erfahrungen der Gemeindegründung werden in Beispielen aus Meckenburg-Vorpommern, Tansania und Nepal präsentiert. K. Brinkmann reflektiert über die „Zukunft der Mission“ und bietet nachdenkenswerte Perspektiven, u.a. über zunehmende Widerstände und Leidens-bereitschaft, Mission durch Migration, neue Möglichkeiten durch Kurzzeiteinsätze und den missionarischen Aufbruch in der Dritten Welt. Grundsätzlich wird die Bedeutung der Wiederkunft Jesu als Triebfeder der Mission betont.

Der dritte Teil bietet „Tipps für deine Gemeindearbeit“ (S. 139-190). Eine neu gegründete Gemeinde in Neubrandenburg berichtet, wie sie von Anfang an den weltmissionarischen Horizont einbezog und trotz geringster finanzieller Ressourcen einen Missionar in Pakistan als „global player“ unterstützt. Es finden sich weiter: Bausteine zum Predigen über Weltmission, für einen Jugendkreis, für Kinderarbeit. Das Buch schließt mit einem Serviceteil (S. 191-207) mit nützlichen Adressen und Literaturhinweisen. Fazit: ein vielseitiges, informatives und motivierendes Praxis-Buch für junge Leute (und ihre Lehrer/Leiter), das auch theologische und missiologische Themen einbezieht und den Mut mitbringt, kontroverse und sich ergänzende Sichten (z.B. Berufung) zu thematisieren.

Dr. Friedemann Walldorf, em 2007-1.

Collier, Richard. Der General Gottes - Wil­liam Booth. Die Geschichte der Heilsarmee. Verlag der St. Johannis Druckerei, Lahr-Dinglingen.

Als CT. Studd und seine Braut Priscilla Ste­wart 1888 den Rest ihres gewaltigen Ver­mögens verschenkten, erhielt William Booth davon den größten Teil; schon vorher war die Heilsarmee für die Ausweitung ihrer Arbeit in Indien mit 5000 Pfund bedacht worden. Dies ist nur ein Beispiel von vie­len für die engen Beziehungen, die in den ersten Jahrzehnten zwischen der Heilsarmee und vielen interdenominationellen Glaubens­missionen bestanden und die auf gemein­same Wurzeln in der Heiligungsbewegung zurückzuführen sind. Deswegen ist dieses Buch für alle, die sich für evangelikale Mis­sionsgeschichte interessieren, eine hilfreiche und spannende Lektüre. Collier beschreibt eindrucksvoll die Arbeit William Booths, seiner Frau Catherine, einer großen Predi­gerin, und ihrer Kinder, von denen zwei, Bramwell und Eva, später Generale der Heilsarmee wurden. Danach wird das Buch allerdings dem Anspruch, eine Geschichte
der Heilsarmee zu sein, wie es der Unter­titel sagt, nicht mehr gerecht. Es bleibt eine Biographie. Daß das Buch keine Fußnoten hat, kommt der leichten Lesbarkeit zugute; daß es aber keine Quellenangaben macht, ist Sparsamkeit am falschen Platz.

Klaus Fiedler, em 1987-1.

Conrad, Christa. Der Dienst der ledigen Frau in deutschen Glaubensmissionen. edi­tion afem, mission scripts Bd. 12. Verlag für Kultur und Wissenschaft: Bonn, 1998.

Die Autorin ist theologische Lehrerin in Tan­sania. Sie verknüpft in ihrer ursprünglichen Magisterarbeit theologische und missionsge­schichtliche Aspekte mit ihrer persönlichen Er­fahrung, ergänzt durch eine Umfrage unter Missionsgesellschaften und ledigen Missiona­rinnen. Im ersten Teil stellt Christa Conrad die Frage, inwieweit durch die Neugeburt in Chri­stus ein neues Miteinander von Männern und Frauen entsteht. Bei der Überlegung, ob Gala­ter 3,28 nur soteriologische oder auch funktio­nale Gleichheit meint, kommt sie zu dem Schluß, dass Frauen und Männer in gleicher Weise gerufen und begabt sind und überall mit den ihnen verliehenen Gaben dienen können.

Interessant ist der missionshistorische Teil des Buches. In der frühen Missionsgeschichte wa­ren Frauen Hilfskräfte. Mit Hudson Taylor und dem Entstehen der ersten Glaubensmissio­nen wurden Frauen auch als selbständige Pionier­missionarinnen eingesetzt. Taylor mußte seine Haltung stark verteidigen, nannte auch prakti­sche Gründe für seine Entschei­dung, doch im Vordergrund stand seine bibli­sche Begrün­dung. Als weiterer wegweisender Vertreter dieser Sicht sei F. Franson erwähnt: „Alle ver­fügbaren Kräfte müssen angesichts der nahen Wiederkunft des Herrn eingesetzt werden.“ Für dieses Ziel galt es, Grenzen zu überwinden. Zur Evangelisation durch Frauen sagte Fran­son, das Problem liege nicht in der Frage, was die Bibel lehrt, sondern im Mangel an brüderli­cher Liebe.

Catherine Booth, Charles und Priscilla Studd, Hedwig von Redern und ihre adeligen Be­kannten in Berlin sowie der DFMGB spiel­ten eine Vorreiterrolle für den Verkündigungs­dienst der Frauen. In den deutschen Glaubens­missionen galt anfangs: „Mit gutem biblischem Gewissen lassen wir unsere Schwestern Evan­gelium verkündigen“ (H. Coerper). Doch schon bald gingen Missionsgesellschaften dazu über, für Evangelisations-, Gemeinde- und Lehrauf­gaben Frauen nur dort einzusetzen, wo Männer fehlten oder versagten. Nur wenige Missions­gesellschaften gestehen Frauen die gleichen Rechte und Pflichten wie Männern zu. Für viele ledige Missionarinnen bleibt eine Diskre­panz zwischen ihren Gaben, ihrer persönlichen Berufung und dem, was Verantwortliche in der Mission ihnen an Dienstmöglichkeiten zuge­stehen.

Frau Conrad fragt in ihrem Schlußsatz: „Ob es uns gelingt, die große Vision der Väter und Mütter neu zu beleben: eine Leidenschaft zu wecken, die stark genug ist, starr gewordene Strukturen zu durchbrechen, damit alle Gaben, die der Herr Frauen und Männern schenkt, in der Mission eingesetzt werden können?“ Eine Frage – und ein Buch, dessen Lektüre für Mis­sionare und Missionarinnen, sowie für Missi­onsverantwortliche befruchtend wirken könnte.

Hanna Weiberle, em 1999-4.

Cook, Guillermo (Hg.). New Face of the Church in Latin America: Between Tradi­tion and Change. Mary­knoll/N.Y.: Orbis Books, 1994.

Es ist spannend, was sich in Lateinamerika er­eignet. Unzählige Artikel und Bücher erschie­nen aufgrund der 500-Jahr-Feier des lateiname­rikanischen (katholischen) Christentums. Aber das Bild der Christenheit wandelt sich. Heute gehen sonntags mehr Protestanten zum Gottes­dienst als Katholiken. Besonders Pfingst­gruppen zeigen ein explosives Wachstum. Bleibt dies so, wird das nächste Jahrhundert Lateinamerikas prote­stantisch. Wie aber gehen Christen aller Couleur mit der zunehmenden Armut und der sozialen und politi­schen Unge­rechtigkeit um?

21 Artikel sammelte Guillermo Cook in die­sem Band, der die religiöse Situation Lateinameri­kas beleuch­tet. Cook ist Mitarbei­ter der ‘Latin American Mission’ und wirkte viele Jahre in Brasilien und Costa Rica. Die Beiträge stam­men von namhaften Autoren aus verschieden­sten kirchlichen Gruppen. Der Her­ausgeber hat sie in fünf Gruppen eingeteilt: Teil 1: 1492-1992. Veränderung und Konti­nuität (historisch); Teil 2: Die Dynamik der Verände­rung (v.a. sozioreligiös); Teil 3: Volks­religion: Tradition und Veränderung (sozioreligiös); Teil 4: Regionale Studien (v.a. soziopolitisch); Teil 5: Die Zukunft der latein­amerikanischen Kirche.

So verschieden die Autoren der einzelnen Arti­kel sind, so verschieden sind auch ihre Ak­zente und die Qualität der Beiträge.

Insgesamt ist dieser Band für jeden Interes­senten und Kenner der religiösen und sozio­kulturellen Situation in diesem Kontinent ein gut gelungenes Kompendium lateinamerikani­scher Stimmen.

Martin Sachs, em 1997-3.

Coomes, Anne. Festo Kivengere, Gottes Bote für Afrika. Metzingen: Ernst Franz Verlag, 1997.

Durchaus keine „Heiligenvita“ ist dieses Buch geworden, sondern eine ausführliche, ehrliche Biographie des ersten afrikanischen Erwec­kungsevangelisten von internationalem Rang. 1919 im Südwesten Ugandas als Hirtenjunge unter nicht eben hoffnungsvollen Umständen geboren und anfänglicher Gegner des Chri­stentums, erwog Kivengere schon Anfang 20 Selbstmord als Ausweg. Er war lange Dorf­schullehrer, und die Schulbildung der Jugend blieb ihm sein ganzes Leben lang ein Anliegen. Später wurde er Schulinspektor und – nach sei­ner Bekehrung – Evangelist, der ganz Uganda, Tanganjika und Teile Kenias bereiste: „Den Preis dafür zahlte die Familie. Die Kinder wuchsen praktisch ohne ihn auf“ (80). Es folg­ten Studienzeiten in Europa, Amerika (1966 Master of Divinity) und Australien. Kivengere wurde nicht nur bekannt als Übersetzer für Billy Graham, sondern erhielt bald selbst weltweit Einladungen zu Evangelisationen. 1967 wurde er zum Priester ordiniert, 1972, kurz nach Idi Amins Machtübernahme, zum Bischof geweiht. 1977 mußte er vor Idi Amin aus Uganda fliehen und erlebte ganz persön­lich, daß sein weiterer Dienst für Gott von der für ihn sehr schweren Vergebung für Idi Amin abhing. – Zwar schildert das Buch detailliert Kivengeres Lebensweg, es fehlt aber etwas an Zusatzinformationen zu den erwähnten Namen von Personen und Organisationen. Mehr Hin­weise hätte ich mir auch gewünscht, wo es um Kivengeres geistlichen Werdegang und die Prägung seiner theologischen Ansichten geht, wie z. B. seinen engagierten Einsatz für die Frauenordination in seiner Diözese. 1988 starb Kivengere an Leukämie.

Dr. Christine Schirrmacher, em 1997-3.

Coomes, Anne. The Authorised Biography of Festo Kivengere. Eastbourne: Monarch, 1990.

Eine Biographie des weltbekannten Afrikaners in Englisch. Mit großem Engagement hat Anne Coomes, eine englische Journalistin, umfassende Recherchen vorgenommen und, mit der Zustimmung von Festo Kivengere, Freunde, Kritiker und seine Familie befragt.

Die umfangreiche Biographie des „Billy Graham von Afrika“ öffnet das Verständnis für die von Missionaren beeinflußte Entwicklung des Enkels des letzten großen Königs aus dem Stamme der Bahororo. Das Buch zeigt Festos Weg zum talentierten Pädagogen und späteren Lehrer-Missionar in Tansania, zum leiden­schaftlichen Evangelisten und gleichermaßen geachteten wie kritisierten Bischof Festo Kivengere. Die Geschichte dieses unermüdli­chen Weltreisenden in Sachen Gottes ist untrennbar verbunden mit der Erweckungsge-schichte seines Landes Uganda.

Die etwas ausführliche Darstellung seiner
Kindheits- und Jugendjahre erhält ihren Sinn, wenn der Leser die Hintergründe für Festos unerschrockenes Auftreten vor Erzbischöfen und Präsidenten, vor Schwarzen und Weißen, vor Anglikanern und Charismatikern zur Kenntnis nimmt. Zum Beispiel zog der selbstbewußte Afrikaner Festo Kivengere mit dem Südafrikaner Michael Cassidy per „Tandempredigt“ sichtbar gegen die Apartheit zu Felde.

Coomes ist es gelungen, den weltbekannten Prediger mit seiner biblisch-geistlichen Nüch­ternheit zu aktuellen Fragen sprechen zu lassen: bleibende Erweckung ohne Gesetzlichkeit, politisches Handeln ohne Parteinahme, Frau-enordination und klerikale Tradition, Theologie und Weltkirchenrat, Liebe zu Katholiken, sozial-missionarischer Einsatz für Flüchtlinge, das Verhältnis zu den Moslems u.a. Ein kleines Manko: Der Biographie mit ihrer ausrei­chenden Quellenangabe hätte ein Namens- und Sachregister beigefügt werden sollen.

Konrad Brandt, em 1994-1.

Corrie, John (Ed.), Samuel Escobar, Wilbert R. Shenk (Consulting Editors), Diction­ary of Mission Theology: Evangelical Founda­tions. Nottingham, England: Inter-Varsity Press, 2007.

Das vorliegende missionstheologische Nach­schlagewerk enthält 166 Fachartikel von 139 Autoren. Über ein Drittel der Autoren kommt aus Asien, Lateinamerika und Afrika, was bereits ein wesentliches Anliegen der Herausge­ber reflektiert, nämlich missiologische Heraus­forderungen angesichts der Globalisierung und Polyzentralität christlicher Mission („from every-where to everywhere“) aus evangelikaler und auch nichtwestlicher Perspektive neu zu durchdenken. In der Einleitung skizziert der Herausgeber, John Corrie, Tutor für Mission und Ethik am Trinity College in Bristol, England, das Profil des neuen Lexikons: (1) die Integration von Theologie und Mission, die in der westlichen Theologie oft vernachlässigt worden sei („all theological categories are inherently missiological and all missionary categories are profoundly theological", S. xv) und ein daraus sich ergebendes holistisches Missionsverständnis ("it is the universal mission of God which defines the scope of our involvement in it“, S. xvi); (2) eine kontextuelle Sicht von Mission und Theologie; (3) ein klares und zugleich weiträumiges evangelikales Profil, das traditionelle evangelikale Positionen (Auto­rität der Bibel, Einzigartigkeit Jesu, Evangelisa­tion) mit neuen evangelikalen Themen (Heiliger Geist und Religionen, Ökologie, politisches En­gagement etc.) verbindet. Das neue Lexikon möchte sich gezielt von ande­ren Nachschlagewerken unterscheiden und nicht „reproduzieren“ oder „zusammenfassen“, was auch andernorts nachzulesen sei, sondern fri­sches und originelles Missionsdenken an gegen­wärtige Fragestellungen herantragen (S. xv). Es enthält kaum deskriptive oder historische Arti­kel über Personen und Organisationen, sondern konzentriert sich auf theologische Konzepte und aktuelle Fragestellungen wie „AIDS“, „African Theology“, „Arts“, „Buddhist relations“, „caste“, „culture“, „holistic mission“, „Muslim relations“, „spiritual warfare“, „transforma­tion“. (Unglücklicherweise fällt allerdings gleich das erste Stichwort aus dem gesetzten Rahmen, da der Begriff „accomodation“ in der zeitgenössischen Diskussion und Mission nur noch als missionshistorischer Verweis eine Rolle spielt. Warum er hier zusätzlich zu „contextualization“ eingefügt wurde, bleibt unklar). Bereits die Lektüre einiger Artikel zeigt den innovativen Ansatz des Lexikons, aber auch seine Grenzen. Auf beeindruckende Weise be­schreibt J. Jongeneel im Artikel „Mission theo­logy in the 20th Century“ den methodischen Ansatz der Missionstheologie und wichtige Bei­träge des 20. Jahrhunderts. Er fordert dazu heraus, über Boschs opus magnum hinauszu­denken und die Erforschung von Paradigmen­wechseln in der Missionstheologie nicht nur von der Kirchengeschichte, sondern von den Ent­wicklungen der Weltreligionen her zu denken. Die Geschichte und der Beitrag der spezifisch evangelikalen Missionstheologie im 20. Jahr­hundert werden jedoch nur kurz gestreift. Kang-San Tan beschreibt aktuelle Positionen und Herausforderungen für eine evangelikale „Theology of religion“ (sic) und gibt Anregungen, über die gewohnte Exklusiv-Inklusiv-Pluralistisch-Dreiteilung hinauszudenken. Dick Dowsett bietet nüchtern und informiert wesentliche Per­spektiven zur brenzligen Frage nach „hell/judge-ment“. H.W. Ritter (ÜMG) beschreibt „Motives for mission“ in ihrer theologischen Entwicklung und als geistliche Herausforderung für die Zukunft. D.E. Singh bietet einen interessanten Überblick zu christlich-muslimischen Beziehun­gen („Muslim relations“) und diskutiert die Kontextualisierungsmodelle C1-C6. Worin al­lerdings der Bezug seiner Beschreibung christ­licher Naturerlebnis-Reisen (S.255) zum Thema besteht, wird nicht recht deutlich. K. Rajendran unterzieht das Konzept der „Unreached peop­les“ einer kritischen Analyse und bietet dabei interessante und wichtige Einsichten aus indi­scher Perspektive, die ursprüngliche Definition und Entwicklung des Konzepts in der evangeli-kalen Missionstheologie wird jedoch nicht dar­gestellt. Der Artikel zu „Theology of Mission“ bietet ein gute Typologie und methodische Hin­weise zur Missionstheologie; nicht ganz zutref­fend scheint die Feststellung, dass das heils­geschichtliche Denken in der katholischen und evangelikalen Missionstheologie (mit der Aus­nahme von Rene Padilla) keine besondere Rolle gespielt habe (S. 382). Als methodisch proble­matisch empfinde ich den Artikel „managerial missiology“, der nicht deutlich macht, dass es sich bei diesem Begriff um eine polemische Fremdeinschätzung und eine (sicherlich nicht ganz unberechtigte) kritische Sichtweise, aber nicht um eine objektive Darstellung der Missiologie D. McGavrans, der Church-Growth-Schule und der AD-2000-Bewegung handelt. Auch die Herkunft des Begriffs selbst wird nicht belegt. Im Blick auf die Auswahl der Stichworte (die natürlich immer selektiv sein muss) fällt auf, dass Artikel zu Stichworten wie attrition (die vorzeitige Rückkehr von Missionaren, vgl. die umfangreichen WEA-Forschungen dazu), mem­ber care, violence/war sowie zu Bible/hermeneutics/epistemology fehlen. Auch fällt auf, dass gerade angesichts des ansonsten über­zeugenden polyzentrisch-globalen Ansatzes Ar­tikel zu Asien, Afrika und Lateinamerika als Bezugsfelder kontextueller Theologie vorhan­den sind („Asian theology“ etc.), Artikel zu Europa und Nordamerika aber trotz wichtiger kontextuell-missions-theologischer Beiträge und Entwicklungen dort fehlen. Diese kritischen Anmerkungen sollen jedoch nicht von dem großen Wert dieses Nachschla­gewerks ablenken.

Es bietet auf 461 Seiten eine Vielzahl gründlich recherchierter und inno­vativer Perspektiven, einen bisher einzigartigen Überblick und Einblick in aktuelles globales evangelikales Missionsdenken (vor allem im anglophonen Raum), das sich neuen Herausfor­derungen stellt, Kategorien erweitert, sich altem Lagerdenken verweigert und dem Beitrag evan-gelikaler Theologen aus der nichtwestlichen Welt einen angemessenen und prominenten Platz einräumt. Das neue Wörterbuch stellt eine gute Ergänzung zum umfassenderen Evangelical Dictionary of World Missions (2000) dar und ist ein wichtiges und nützliches Werkzeug für Missiologen, Bibliotheken und theologisch Interes­sierte mit globalem Horizont.

Dr. Friedemann Walldorf, em 2008-4.

Crossman, Eileen. James O. Fräser. Der Bergsteiger Gottes, Bielefeld: Christliche Literatur-Verbreitung, 1994.

In dieser packenden Biographie erzählt Eileen Crossman die Geschichte ihres Vaters James Fräser, der trotz zweimaliger Ablehnung durch die China-Inland-Mission seinen Weg zu den entlegensten Völkern im Grenzland Chinas zu Burma und Thailand suchte, um ihnen das Evangelium zu bringen.

Hier wird jedoch nicht an der Legende des „Fräser vom Lisuland“ weitergearbeitet, kein übermenschlicher Glaubensheld gezeichnet, sondern der Mensch James Fräser, der in seiner Schwachheit, seinen Zweifehl und seinen täg­lichen Kämpfen mit sich selbst und den Gefah­ren einer unbekannten Umwelt von Gott als sein Werkzeug für die Mission unter den Berg­völkern (Lisu, Karen) gebraucht wird.

Lebendig wird das Buch durch die vielen Zitate aus den Tagebüchern Fräsers, die den Leser unmittelbar in seine Begegnungen mit den Menschen um ihn herum einbeziehen. Zusammen mit den sorgfältigen Recherchen Crossmans trägt dies zu einem eindrucksvollen und realistischen Bild Chinas und der Aufga­ben eines Missionars in den Randgebieten Chinas bei. Durch die Zitate wird das Buch darüberhinaus zu einer wichtigen Quelle für weitere Arbeiten über eine Missionsgeschichte Chinas.

Ein besonderer Verdienst Frau Crossmans ist es, die Geschichte der unter ihrem Vater entstandenen Gemeinden bis in die Gegenwart hinein darzustellen. Insgesamt ist dieses span­nende Buch eine rundum gelungene Kombina­tion einer realistischen Biographie James Frä­sers, einer Quellensammlung und eines Beitra­ges zur Kirchengeschichte der südchinesischen Völker.

Stefan Müller, em 1995-4.

Dahling-Sander, Christoph; Andrea Schultze, Dietrich Werner, Henning Wrogemann (Hg). Leitfaden Ökumenische Missionstheologie. Gütersloh: Chr. Kaiser/Gütersloher Verlags­haus, 2003.

 Das vorliegende Einführungswerk ist motiviert von der Erkenntnis, dass christliche Mission „alles andere als nur ein vergangenes Phäno­men“ ist: „Mission, der spannungsvolle Prozess der Kommunikation und neuen Inkulturation des christlichen Glaubens … ist in vollem Gang“ (S.10). Das Zentrum der Aktivität liege in den Ländern des Südens und die Kirchen Europas brauchten Neubelebung aus dieser Richtung. Darum sind die Herausgeber aus dem Umkreis der „Arbeitsgemeinschaft Ökumenische For­schung“ (AÖF seit 1988) auch überzeugt, dass Missionswissenschaft als Fachdisziplin auch in Deutschland nicht etwa gestrichen, sondern „ausgebaut zu werden verdient“. Das vorliegen­de Kompendium zeigt, wie das aussehen kann und gibt erste Einblicke in die vielfältigen The­men- und Forschungsbereiche dieser Disziplin, die im Titel (etwas reduktiv) als „Missionstheo­logie“ bezeichnet wird. Die folgenden fünf Zu­gänge werden in 32 Aufsätzen näher beleuchtet: 1. „Mission in Geschichte und Wissenschaft“ (S.17-112). Hier werden hermeneutisch-metho­dische Grundfragen und historische Zusammen­hänge thematisiert. Dabei wird deutlich, dass auch das Missionsverständnis der Herausgeber nicht homogen ist. Wrogemann definiert Missi­on und die damit verbundene Wissenschaft durch die interkulturelle und interreligiöse Be­gegnung. Die Beschäftigung mit dem deutschen Kontext gehört für ihn darum nicht zur Missi­onswissenschaft, sondern zur Praktischen Theo­logie. Werner hingegen, dessen Ansatz ich hier für richtig halte, entfaltet gerade einen missi­onswissenschaftlichen Ansatz für Deutschland (vgl. unter 5.). Die biblische Fundierung von Mission (R. Achenbach, S.32-50) bleibt missi­onstheologisch an der Oberfläche und wird auch in ihrer Kürze der großen Relevanz biblischer Theologie für das missiologische Denken und der Forschungsarbeit in diesem Bereich (z.B. BISAM, Okure, Köstenberger/Obrien, Glasser, Van Engen, Stuhlmacher, Schnabel etc.) nicht gerecht. Hier liegt ein Schwachpunkt des Sam­melbandes.

2. „Konfessionelle Profile“ (S.113-246). Hier stellen orthodoxe, römisch-katholische, protes­tantische, baptistische, evangelikale, pfingstliche und ökumenische Vertreter Grundlinien ihrer jeweiligen Sicht zur Mission vor. Ein wichtiges Kapitel, das die ergänzende und reiche Vielfalt missionstheologischer Perspektiven der welt­weiten Gemeinde Jesu Christi deutlich macht. Dies ist eine große Stärke des vorliegenden Ban­des.

3. „Mission, Dialog und Religionen“ (S.247-318). Hier untersucht C. Lienemann-Perrin die vielfäl­tigen Zusammenhänge zwischen Mission und Dialog, U. Grabe argumentiert (m. E. gegen Paulus und das NT), dass die christliche „Missi­on“ am jüdischen Volk gerade darin bestünde, es gerade nicht für Christus gewinnen zu wollen. Fragwürdig ist m. E. auch die von Klaus Hock vorgestellte einseitige historische und religions­wissenschaftliche Betrachtungs- und Anwen­dungsweise des Fundamentalismus-Begriffs, die gegenteiliger Beteuerungen zum Trotz zu einer recht undifferenzierten Zusammengruppierung katholischer, evangelikaler und islamischer Richtungen führt. Hock schlägt zwar vor, man solle im Blick auf Evangelikaie und Fundamen­talisten doch „um eine zumindest grobe (!) Dif­ferenzierung bemüht sein“ (S.306), schafft es aber dennoch immer wieder Pietisten und Evan­gelikaie in die Nähe des Fundamentalismus zu rücken, indem er „Gemeinsamkeiten“ und „flie­ßende Übergänge“ betont.

4. „Mission, Partnerschaft und Globalisierung“ (S.319-456) befasst sich mit aktuellen Strukturen und Themenbereichen weltweiter Mission. U. a. macht C. Währisch-Oblau auf die missiologi­sche Relevanz v. a. afrikanischer Migrationskir­chen in Deutschland aufmerksam. Weitere wich­tige Themen in dieser Sektion sind: Gewalt, Frauen, Heilung, Entwicklung, Partnerschaft.

5. „Mission in den Kontexten der Welt“ (S.457­-562) bietet inspirierende regional-kontextuelle Perspektiven: Afrika (M. Roser), Asien (K. Schäfer), Lateinamerika (Dahling-Sander). Wichtig ist, dass auch Europa und Deutschland als eigene missionarische Kontexte untersucht werden (Ionita, Werner). Meine historisch-kontextuell-theologische Untersuchung zu öku­menischen Missionstheologien für den europäi­schen Kontext in den Jahren 1979-1993 (Die Neuevangelisierung Europas, Gießen/Basel, 2002), die u. a. auch auf die Beiträge des Euro­päischen Lausanne Kommittees eingeht, wurde hier noch nicht wahrgenommen. Dietrich Wer­ner fordert mit Recht dazu auf, die Frage nach einer Missiologie für den Westen aus deutscher Perspektive durchzubuchstabieren und praxisre­levant zu bündeln. Erste wichtige Anregungen hierzu hat die Jahrestagung 2004 der DGMW in Zusammenarbeit mit der AMD bereits gegeben (vgl. Zeitschrift für Mission 3 und 4/2004). Das vielseitige und wichtige Werk schließt ab mit einem Verzeichnis missiologischer Zeitschriften und Standardwerke, von Anschriften aus dem Missionsbereich sowie der Herausgeber und Autoren. Aus evangelikaler Sicht erfreulich und anerkennenswert ist, dass mit dem Aufsatz von Bernd Brandl „Mission aus evangelikaler Per­spektive“ (S.178-199) und auch die Arbeit des Arbeitskreises für evangelikale Missiologie (AfeM) zumindest ansatzweise thematisiert wird (leider fehlt ein Hinweis auf den AfeM im Ad­ressen-Anhang. Die Zeitschrift „Evangelikale Missiologie“ wird allerdings aufgelistet). In Spannung zu dieser erfreulichen Tatsache steht die oben bereits kritisierte und m.E. verzeich­nende Einordnung von Pietismus und evangeli­kaler Theologie in die verallgemeinernde und tendenziöse Kategorie „Fundamentalismus“ (Aufsatz von K. Hock, S. 306ff). Hier möchte ich Herrn Hock und auch den Herausgebern die Frage stellen: gibt es wirklich mehr Gemein­samkeiten zwischen islamischen Fundamentalis­ten und Evangelikaien, als beispielsweise zwi­schen „evangelikalen“ und ökumenischen“ Mis­sionstheologen? Verzerrt ein verallgemeinernd religionswissenschaftlicher Gebrauch des Fun­damentalismus-Begriffs hier nicht grundlegende hermeneutische, ekklesiologische und missiolo­gische Zusammengehörigkeiten? Sollten wir hier nicht gemeinsam an einer neuen Sichtweise arbeiten? Ein erster Schritt ist (nicht nur) mit diesem Band ja schon getan.

Dr. Friedemann Walldorf, em 2005-2.

Damson, Erwin. Gezeichnet Mielke - Streng geheim! Hänssler Verlag: Holzgerlingen, 1999.

Ein wenig spektakulär klingt der Titel schon. Alltäglich sind die schlaglichtartigen Berichte auch nicht. Erwin Damson, Leiter des Mis­sions­werkes „Licht im Osten“ (LiO), be­rich­tet sehr persönlich über die Facetten seiner Arbeit in den Jahren der kommunistischen Diktaturen. Von ihnen wurde ihrer Ideologie entsprechend Religion mit allen Mitteln be­kämpft. Beson­ders zielten sie auf jede Art von Literatur, spe­ziell auf die Verbreitung der Hei­ligen Schrift. Damson schildert sehr ehrlich die Spannung zwischen missionarischer Nächsten­lie­be und dem bewußten Verstoß gegen Ge­set­ze der Ost­blockländer. Er glorifiziert die ‘Ost­land­fahrer’ nicht und zeigt realistisch die Bela­stungen, wobei das Risiko für die Emp­fänger ohnehin viel größer war, denn ihr Leben war be­droht.

Damson vertritt die Meinung, daß die Ar­beit von LiO unverzichtbar für die Ausbreitung des Evangeliums war. Zahlreiche Christen aus den verschiedenen westlichen Ländern stellten sich für diese Arbeit zur Verfügung. Das Kli­schee vom seichten Christentum läßt sich an­gesichts dessen nicht aufrecht erhalten. Aus­führlich geht Damson auf einen erschüt­ternden Fall ein. Ein Bruder verriet unter an­derem Ak­tionen von LiO an die ‘Stasi’. Diese hatte ihn zielstrebig eingeschleust. Unüberseh­barer Scha­den ent­stand, zahlreiche Personen und Fa­mi­lien wur­den gefährdet. Erschreckend, daß der IM Pa­stor war und sich als Evangelist all­gemeiner Wertschätzung erfreute. Auf die Wurzeln der verbrecherischen Heuchelei geht Damson nicht ein. Fragen danach bleiben.

Als Empfänger und Transporteur von Lite­ratur darf ich zustimmen: Geld, Anstrengung, Angst und Risiko waren gut angelegt.

Richard Bergmann, em 2000-1.

Daniels, Eugene. A Protestant Looks at the Catholic Church in Mission. Highlights of Church Teaching since 1891. Monrovia, California: MARC, 1993.

Daniels, Baptistenpastor und seit 1963 voll­zeitlicher Mitarbeiter bei World Vision, arbei­tete zwischen 1983 und 1991 auf den Philippi­nen an positiven Beziehungen zwischen World Vision und katholischen Bischöfen. Er versucht in seiner Studie zu zeigen, daß in der katholi­schen Missiologie Entwicklungshilfe und Evangelisation zwei wichtige Komponenten sind. Die Tatsache, daß Evangelikaie und Katholiken hier übereinstimmen sowie die ökumenische Offenheit der Katholiken bilden einen Imperativ, der dringend eine positive Reaktion der Evangelikaien erfordert. – Ob Daniels Wunsch sich allerdings in der Praxis verwirklichen läßt bzw. verwirklicht werden sollte, bleibt fraglich.

Andreas Wieland, em 1995-2.

Danyun. Aufbruch im Reich der Mitte. Zeugen der Erweckung in China berichten. Wiesbaden: Projektion J, 1994.

Auf fast 400 Seiten wird hier eine unausgewo­gene Mischung aus Geschichte und Gegenwart, aus Möglichem und offensichtlichen Lügen präsentiert, die sich im Vorwort gar selbst als eine Sammlung von Berichten aus China bezeichnet.

Schon bei geringstem Vorwissen über China müssen diese Geschichten äußerst fragwürdig erscheinen. Während die Kirche in China blüht und die 10-millionenste Bibel gedruckt wird, versucht der Autor uns weiszumachen, der
Gebrauch des Namens Jesu stünde in China unter Strafe. Damit rechtfertigt er dann die Fülle an Geschichten über Verfolgungen, die mit sadistischer Freude die grausamsten Details der Folterpraktiken ausmalen. Im tragischsten Falle handelt es sich dabei um reale Schicksale, deren Leid während der Zeiten der Verfolgun­gen (1966-1976) dem Leser nun etwas Ner­venkitzel und dem Buch eine höhere Auflage verschaffen sollen.

Der theologische Standpunkt des Autors und seiner Gruppe ist eindeutig: Während es in Nordost-China auch neben der 3-Selbst-Kirche bereits Hausgemeinden nahezu aller Kon­fessionen gibt, gehen sie davon aus, daß sie dort die ersten „wirklichen Christen“ sind. So gewinnt diese Sekte ihre Anhänger vor allem aus den Kreisen der chinesischen Kirche („Durch ihren Einfluß kamen mehrere hundert Menschen aus der 3-Selbst-Kirche heraus“, 355). Beweis des wahren Christseins eines Menschen ist für sie die Fähigkeit zum Heilen und Wundertun.

Zusammenfassend muß man sagen, daß die­ses Buch in Deutschland zur Verwirrung über die Lage der chinesischen Kirche beitragen soll, so wie in China die „Missionare“ der pfingstlerischen Sekte, die in diesem Buch als Helden auftreten, zur Verwirrung der chinesischen Christen und zur Zersetzung der einheimischen Kirchen ihren unheilvollen Beitrag leisten.

Stefan Müller, em 1995-4.

Danz, Christian; Ulrich H.J. Körtner (Hg.). Theologie der Religionen: Positionen und Per­spektiven evangelischer Theologie. Neukir­chen: Neukirchener Verlagsgesellschaft, 2005.

Der vorliegende Sammelband ist herausgegeben von den systematischen Theologen C. Danz und U.H.J. Körtner, die beide an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien lehren. Unter den weiteren Autoren befinden sich mit R. Bernhardt (Basel), J. Fischer (Zü­rich), M. Hüttenhoff (Uni Saarland), D. Korsch (Marburg), A. v. Scheliha (Osnabrück) weitere fünf systematische Theologen, mit D.-M. Grube (Utrecht) ein Religionsphilosoph und Ethiker und mit U. Tworuschka (Jena) der einzige Reli­gionswissenschaftler. Missionswissenschaftler sind nicht beteiligt.

Die Veröffentlichung versteht sich als Beitrag zur neueren Theologie der Religionen, die im­mer noch ausgehend von der konzeptionellen Trias von Exklusivismus, Inklusivismus und Pluralismus gleichzeitig versucht diese zu er­weitern (etwa durch den Ansatz der komparati­ven Religionstheologie), und die sich weiterhin mit dem noch ungelösten Grundproblem „der Vermittlung der Geltung der eigenen Religiosi­tät mit einer positiven Würdigung fremder Reli­gionen“ (VI) beschäftigt. Der Band soll die ge­genwärtige „Differenziertheit und Breite der Debattenlagen … in der gegenwärtigen evangeli­schen Theologie“ (VI) vermitteln. Die Einleitung der Herausgeber bietet einen guten Überblick über die Beiträge des Buches, das die Thematik in vier Teilen bearbeitet. Im ersten Teil legt Uwo Tworuschka die religions­wissenschaftlichen Grundlagen, nach denen bereits die Begriffe „Religion“ und „Gott“ we­der allgemeingültig definiert noch interreligiös harmonisiert werden dürfen. Im Gegensatz zur älteren Religionswissenschaft, die nach Harmo­nie suchte, betont die neuere die Differenziert­heit und Komplexität religiöser Realitäten und Prozesse: es glauben eben nicht letztlich alle an den selben Gott. Im zweiten Teil des Buchs wird dieser Befund vertieft und theologisch reflek­tiert. A. V. Scheliha ist der Meinung, dass man nicht von festen Religionen, sondern eher von synkretistischen „Verflüssigungen und Aus­tauschprozessen“ ausgehen und diese in einer Theologie der Religionen berücksichtigen müs­se. U. Körtner plädiert für einen metakritischen Inklusivismus, der seine eigene Standortrelativi­tät zugibt, aber andererseits an dem evangelisch­theologischen Kritierium festhält „ob Christus als letztgültige Heilsoffenbarung die Mitte des Glaubens bleibt oder ob er einem anderen reli­giösen Heilsereignis … untergeordnet wird“. In den fremden Religionen sei der biblische Gott als der verborgene Gott zu sehen, eine Anfech­tung für den Glaubenden, die aber letztlich aus der Mitte des Heilsereignisses in Christus inter­pretiert werden könne. Im dritten Teil des Buchs plädiert R. Bernhard für einen „mutualen Inklu­sivismus“, die im Gegensatz zum Pluralismus im eigenen Glauben selbstkritisch wurzelt (nicht in Meta-Theorien), aber die authentische Offen­barung Gottes auch in anderen Religionen zuge­steht. M. Hüttenhoff verbindet pluralistische Religionstheologie mit der Rechtfertigungslehre. Er hält es für theologisch legitim, die ev. Recht­fertigungslehre von ihrer Bindung an die Über­zeugung, dass Tod und Auferstehung Christi objektiv heilskonstitutiv sind, zu trennen. Übrig bleibt das Prinzip Gnade und Glaube an einen heilschaffenden Gott, das auch in anderen Reli­gionen zu finden sei. Konkret wird das am Bei­spiel der indischen Bhakti-Frömmigkeit be­schrieben. Dennoch bleibe diese Theologie im eigenen konfessionellen Glauben verwurzelt, die reduzierte ev. Rechtfertigungslehre bleibe Maß­stab für eine angemessene Gottesbeziehung, die nicht in allen Religionen zu finden, aber doch in ihnen jederzeit möglich sei. Im letzten Teil des Buchs plädiert D. M. Grube dafür, die Wahr­heitsfrage (die offen bleiben muss) von der kon kreten Gestaltung des religiösen Pluralismus zu trennen. Abschließend führt D. Korsch anstelle von „Wahrheit“ den Begriff der „Lebensdeu­tung“ ein. Religionen vermitteln nicht Wahrheit, sondern bieten die Möglichkeit zur notwendigen Deutung und Bearbeitung der „Asymmetrien“ des Lebens. In diesem Sinn könne man Religio­nen aufwerten. Der Maßstab ist, „ob sie über eine hinreichende interne Differenziertheit ver­fugen, die es ihnen erlaubt, mit gesellschaftli­cher Komplexität umzugehen“ (S. 12). In der Tat bietet dieser Band gegenüber den Konzeptionen von Hick und Knitter neue Per­spektiven durch seine durchgehende Betonung der empirischen Differenzerfahrungen zwischen den Religionen und der Betonung der „Unhin-tergehbarkeit“ eigener Voraussetzungen. Hier wird nicht mehr vorschnell von Konsens und Einheit gesprochen, sondern religionswissen­schaftlich und hermeneutisch differenzierter hingeschaut. Andererseits stellt sich die Frage, ob die Versuchung der Metatheorie hier z. T. nicht nur neue, konfessionell gewandete Formen annimmt, etwa in dem Versuch Hüttenhoffs eine abstrahierte ev. Rechtfertigungslehre mit einer bestimmten Formulierung von Bhakti-Frömmigkeit auf einen Nenner zu bringen. Die­se reduzierte Rechtfertigungslehre ist m. E. eben auch ein Meta-Konstrukt. Insgesamt bietet dieser Band einen guten Ein­blick in die religionstheologische Diskussion aus systematisch-theologischer, evangelischer und deutschsprachiger Perspektive. Leider fehlt dabei die Perspektive der Missionswissenschaft. Da ist doppelt schade, einmal angesichts der Tatsache, dass die theologische Reflexion der Religionen einen wichtigen Ursprung und Ort in der christlichen Mission hatte, sowohl im Neuen Testament (Paulus in Athen) als auch in der Kir­chengeschichte (z.B. B. Ziegenbalg 1706), zum anderen, weil Missionswissenschaftler wie L. Newbigin, D. Bosch, T. Sundermeier oder P. Peterhaus wichtige Beiträge geleistet haben. Dennoch und gerade deswegen ist das Buch für Missionswissenschaftler eine wichtige Lektüre und Anregung.

Dr. Friedemann Walldorf, em 2005-4.

Deane, Hudson. Good and Faithful - New Zealand Missionaries and their experience of attrition. Mairangi Bay, Neuseeland: Daystar Publications Trust, 2008.

Warum brechen Missionare ihren Einsatz ab, und wie lässt sich dies vermeiden? Dies sind zwei entscheidende Fragen in der modernen Weltmission, denn eine vorzeitige Rückkehr ist oft mit zerbrochenen Lebensperspektiven, ent­täuschten sendenden Gemeinden, ja Zweifeln an Gottes Führung, unterbrochenen Projekten und immenser Fehlinvestition verbunden. Hudson Deane hat diese Fragen so vielen evangelischen Missionaren gestellt, wie er nur irgendwie errei­chen konnte. Während andere Studien meist Missionsleiter befragten, hat Deane die Betrof­fenen selbst zu Wort kommen lassen: 92 neu­seeländischen Missionare von 19 Missions­werken wurden mit Fragebogen und ausführ­lichem Telefoninterview befragt, und er tat dies auf einfühlsame Weise, um möglichst ehrliche Antworten zu erhalten.

Dabei traten einige unerwartete Ergebnisse zutage. Beispielsweise benennen Missionsleiter oft zwischenmenschliche Konflikte als Haupt­grund für die Rückkehr, während die Missionare vor allem familiäre (14.3%), arbeits- (13.2%) sowie werksbezogene (10.7%) Gründe be­nannten, und Konflikte mit Kollegen (2.6%) erst auf den 13. Platz kam - entgegen landläufiger Meinung. Dieser drastische Unterschied ver­deutlicht, dass Missionsleiter und betroffene Missionare durchaus unterschiedliche Über­zeugungen haben können, die sich gegenseitig ergänzen und Teil des Gesamtbildes darstellen. Die Gründe für die Rückkehr sind auch vom Familienstand der Missionare abhängig: Wäh­rend Singles vor allem unter Arbeitsüberlastung (9.0%), emotionalem (7.8%) und kulturellem Stress (7.2%) sowie Mangel an persönlicher Unterstützung (6.8%) leiden, macht den Verheirateten vor allem die Ausbildung ihrer Kinder (15.3%) und der Abschluss von Pro­jekten (10.9%) zu schaffen. Missionare werden in jedem Zivilstand und jeder Lebenssituation herausgefordert und benötigen spezifische per­sönliche Unterstützung und Leitung. Das wird auch im Kap 4 deutlich, in dem der Autor die Antworten nach den verschiedenen Altersgruppen in der Mission untersucht: Wäh­rend den Pionieren (geb. vor 1946, engl. Boost ers) vor allem ihre physische Gesundheit, man­gelhafte Mitwirkung bei Entscheidungen und emotionaler Stress zu schaffen machten, setzt den baby boomers (geb. 1946-64) vor allem die Ausbildung ihrer Kinder, emotionaler Stress, Pflege ihrer Eltern und Arbeitsüberlastung zu und den Gen X-ern (geb. 1965-83) der kulturelle Stress, physische Gesundheit, Einsamkeit und mangelnde persönliche Erfüllung im Dienst. Was können sendende Gemeinden, Ausbil­dungsstätten, Missionswerke und Gemeinden im Einsatzland beitragen, um die vorzeitige Rück­kehr zu reduzieren? Auf diese Frage machten die drei genannten Altersgruppen an Missio­naren jeweils ganz konkrete Vorschläge, die sehr bedenkenswert sind und den Weg in die Zukunft der Mission weisen. Das abschließende Kapitel befasst sich mit den Stärken und Schwächen der neu aufkommenden Generation an Mitarbeitern, üblicherweise Gen Y (geb. 1984+) genannt. Deane fordert vor allem flachere Hierarchien in Missionswerken, neue Ausbildungsmodelle, Lernen im Team und ex­perimentelles Lernen, Partnerschaften von sen­denden Gemeinden, Ausbildungsstätten und Missionswerken, kontinuierliche Weiterbildung, integrierte Lernprogramme und weist auf die entscheidende Rolle der Gemeinde im Einsatz­land hin, ob und welche Missionare eingeladen werden. Diese Maßnahmen sind erforderlich, damit die neue Generation ihren Platz in der Mission findet, so Deane. Damit weist die Studie weit über den nationalen Horizont von Neuseeland hinaus und beleuchtet grundsätzliche Aspekte der modernen Welt­mission. Die statistische Basis ist zwar begrenzt, doch das Werk bietet umfassende Inspiration und Reflektion für jeden, der mit der Sendung und Betreuung von Missionaren befasst ist: Gemeindeälteste, Pastoren, Bibelschullehrer, Missionsleiter, Missionare... Der Stil ist zwar etwas nüchtern und weniger unterhaltsam (da der Autor die Vertraulichkeit der Interviewten mit allen Mitteln wahren wollte), doch ist das Werk eine Pflichtlektüre für alle, die in Gottes globaler Mission mitarbeiten.

Dr. Detlef Blöcher, em 2008-4.

Decker, Rudolf. Ruanda: Tod und Hoffnung im Land der Tausend Hügel. Begegnungen und Eindrücke 1. Hänssler-Verlag, 1998.     

Decker, Rudolf. Im in­nersten Afrika: Hutu und Tutsi zwischen Vernichtung und Ver­söhnung. Begegnungen und Eindrücke 2. Neuhausen: Hänssler-Verlag, 1998.

Ein Umdenken macht sich bemerkbar. In ei­nem evangelikalen Verlag erscheinen nun auch Bücher politischen Inhalts. Das ist zu begrü­ßen; haben doch die Christen den Geruch, welt­fremd und -fern zu leben. Sagen wir, ein An­fang ist gemacht; denn es geht in den Büchern um den fehlenden Frieden in einer immer noch fernen Weltregion, die einen Mordrausch über­stehen mußte, der bis heute noch nicht völlig abgeklungen ist. Über hundert Jahre Christen­tum und ein halbes Jahrhundert der Erweckung haben die Feindschaft zwischen zwei gegneri­schen Ethnien Afrikas nicht entscheidend schwächen können. Hier sind auch politische Lösungen gefragt.

Der Autor ist Bundestagsabgeordneter und hat von der amerikanischen Gebetsfrüh­stücksbewegung her den Gedanken der Ver­antwortung vor Gott und den Menschen im Blick. seinen Gesprächspartnern bot er an, zu diesem Freundeskreis von Politikern hinzuzu­stoßen. In erzählendem Ton und nicht auf wörtliche Genauigkeit der wiedergegebenen Dialoge bedacht, entfaltet Rudolf Decker die erstaunliche Geschichte politischer Vermitt­lung in einem ethnischen Konflikt, der mehrere afrikanische Staaten in Atem hält. Sie geschah auf höchstem Niveau: Alle Präsidenten der Re­gion trifft der Leser in den beiden Büchern wieder.

Das erste, eine überarbeitete Fassung des 1995 noch anonym erschienenen Buches, setzt ei­nige Jahre vor der 1994 ausbrechenden Kata­strophe in Ruanda ein. Der später in einem Flugzeug abgeschossene, verstorbene Präsident kam auf Decker zurück, um in der schwelenden Auseinandersetzung das Gesetz des politischen Handelns wieder an sich zu reißen. Doch die Bemühungen scheiterten. Das tat dem Opti­mismus des Autors keinen Abbruch, der uner­müdlich weiterhin überwiegend auf dem Luft­wege einer Pendeldiplomatie den Vorzug gab, die um die Variante der geistlichen Wortbe­trachtung und des Gebets bereichert wurde. Vielleicht muß man dem Autor eine zu positive Bewertung der Wirksamkeit solcher Rahmen­handlungen ankreiden. In diesem Gebiet des christianisierten Afrika ist man vielfach aus Gewöhnung religiösen Riten gegenüber aufge­schlossen. Mir fiel in diesem Zusammenhang auch in den Büchern die fast formelhafte Er­wähnung Gottes als dem Unsichtbaren je öfter je mehr störend auf.

Gut kommt in den Büchern heraus, daß Vor­würfe und Mißtrauen das Denken der Politiker beherrschen. Statt auf Gewalt muß in diesen Umständen auf politische Räson und persönli­che Kontakte gesetzt werden. Decker und seine Mitstreiter gaben nicht auf - hier beweist der CDU-Politiker seine überparteiliche Einstel­lung; er kann den SPD-Mann Hans-Jochen Vo­gel zu seinem Kreis zählen. Sie luden sogar nach Deutschland ein, um alle Beteiligten an einen Tisch zu bekommen.

Das zweite Buch fährt mit den Folgeereignis­sen ab 1996 im gleichen Stil fort. Das Krisen­gebiet verlagerte sich nun in das südlich von Ruanda gelegene Burundi. Der Bürgerkrieg in Zaire - jetzt Demokratische Re­publik Kongo - wird nur am Rande wahrge­nommen, denn dort ist die Vermittlung Dec­kers nicht gefragt. Nur der persönliche Kontakt zu Mobuto wird er­wähnt. Spätestens hier wird klar, daß die christliche Initiative zur Völker­verständigung den freundschaftlichen Umgang mit dem aus deutscher Sicht verhaßtesten Staatsführer sucht und ohne erkennbare innere Skrupel pflegt - eine ethische Entscheidung zugunsten der Trä­ger politischer Verantwor­tung.

Decker beschreibt die Gastfreundschaft Afri­kas. Er nimmt auch den Leser auf den Be­such einer katholischen Missionsstation und auf Safaris durch Nationalparks mit. Da nur seine Einsätze dargestellt werden – die aller­dings durch eingestreute Analysen der politi­schen Situation begleitet sind und so alle Konflikt­parteien erfassen – tritt die Ungeheuer­lichkeit der Bürgerkriege und des Völkermor­des etwas in den Hintergrund. Das Auge des Betrachters ruht da schon eher auf der ärmli­chen Kleidung vieler Afrikaner und betont auf diese Weise den Gegensatz zu ihren gut be­tuchten Politi­kern um so deutlicher.

Die in zeitlicher Reihenfolge angeordnete Er­zählung gibt ein realitätsgetreues Bild Afri­kas mit seinen Schönheiten, Hindernissen und prä­sidialen Wohnsitzen wider. Ich kann die leicht lesbaren Bücher als gute Ergänzung zu den Be­richten der Missionare Ostafrikas emp­fehlen.

Winfried Schwatlo, em 1999-3.

Decorvet, Jeanne. Samuel Ajayi Crowther. Un père de l’Église en Afrique noire. Foi vi­vante 309. Édition des Groupes Missionnai­res/Les Éditions du Cerf: La Côte-aux-Fées/Paris, 1992.

Dem Leben des ersten schwarzen anglikani­schen Pastors ist dieses Buch gewidmet. Der wohl 1806 geborene Ajayi wurde als Teenager von Sklavenjägern gefangengenommen, auf dem Weg in die Gefangenschaft jedoch von ei­nem britischen Schiff befreit und nach Free­town, Sierra Leone, gebracht. Dort kam er zum Glauben und war einer der ersten Schüler auf der neugegründeten Missionarsschule der An­glikaner in Foura Bay bei Freetown, in der er später auch Direktor wurde. Weitere wichtige Stationen seines Lebens sind seine Ordination 1843 und die Weihe zum Bischof 1864.

Crowther nahm an einigen Forschungsreisen auf dem Niger teil und gründete die Niger-Delta-Mission. Durch den stärker werdenden Druck der Briten wurde er mehr oder weniger unfreiwillig zu einer wichtigen Figur der afri­kanischen Unabhängigkeitsbewegung und für viele zu einem der Gründerväter der Republik Nigeria.

Das Buch gibt uns einen interessanten Ein­blick nicht nur in das Leben dieses Pioniers der schwarzafrikanischen Kirche, sondern auch in die Bemühungen der Mission, Schwarzafrika­ner für die Missionsarbeit zu gewinnen in einer Zeit, in der in vielen Staaten noch die Sklaverei und die damit verbundene Sicht der Afrikaner als Menschen zweiter Klasse vorherrschte. Das Buch zeigt sowohl die Beweggründe als auch die ersten Gehversuche dieser neuen Missions­politik auf. Es erwähnt auch die großen Ent­behrungen, die ein Europäer zu dieser Zeit auf dem Schwarzen Kontinent auf sich nehmen mußte. Wir erhalten Einblick in eine Zeit des Übergangs, in der die Sklaverei zwar noch be­stand, aber schon bekämpft wurde. Wir erleben lebendig den Verlauf und die Motive der For­schungsreisen auf dem Niger mit. Schließlich schildert uns das Buch auch die Entwicklung der Kolonialpolitik und die Zuspitzung der Probleme, die sich bereits vor der Jahrhun­dertwende abzeichneten und zu ersten Ausein­andersetzungen führten, in die selbst eine so friedliebende Persönlichkeit wie Crowther verwickelt wurde.

Alles in allem ein interessantes Buch in franzö­sischer Sprache, das einen lebendigen Einblick gibt in die Missionsarbeit des 19. Jahrhunderts auf dem schwarzafrikanischen Kontinent.

Martin Schröder, em 1999-4.

Dembowski, Hermann & Wolfgang Greive (Hg.): Der andere Christus. Christologie in Zeugnissen aus aller Welt. Erlangen: VdELM, 1991.

Diese Anthologie christologischer Entwürfe ermöglicht eine intensive Begegnung mit Chri­stuszeugnissen, die sich durch ihre jeweilige sozio-kulturelle Prägung stark unterscheiden. Die Palette reicht vom jüdischen, europäischen, lateinamerikanischen bis zum asiatischen Kolorit. Ein unbestreitbarer Verdienst ist, daß durch die ökumenische, interkulturelle Kommunikation der Versuchung gewehrt wird, das Christusbild im je eigenen kulturellen Kontext dogmatisch zu verabsolutieren und unreflektiert als authentisch biblisch zu tradieren.

Doch muß kritisch gefragt werden, wo Chri­stus nur anders und wo ein anderer Christus verkündigt wird. Gewiß führt das Ernstnehmen der Inkarnation zu unterschiedlicher Akkultu-ration des Christuszeugnisses. Christus geht in die jeweilige konkrete Lebenswelt ein, aber er geht nicht in ihr auf. Der biblische Kontext darf nicht aus seinem alttestamentlichen Verste-henszusammenhang herausgelöst werden, daß aus der Person Jesus Christus ein wie auch im­mer zu bestimmendes Prinzip wird, das dann in die fremdkulturellen Denkkategorien nivelliert wird. Das ist eine Anfrage an die asiatischen Entwürfe und an die Minjung-Theologie. In diesem Zusammenhang fällt auf, daß nur in der Befreiungstheologie Lateinamerikas, wenn auch selektiv, das AT Erwähnung findet. Aber genau hier liegen doch wohl die Grenzen und Gefahren einer Kontextualisierung der Christologie.

Ein nützliches Buch, mit dem auseinander­zusetzen sich lohnt.

Gerold Schwarz, em 1993-1.

Dengler, Sandy. Susanna Wesley: Powerfrau und Methodistenmutter. Brunnen-Verlag: Gießen: 1998.

In diesem biographischen Roman beschreibt die Autorin Sandy Degler das Leben von Su­sanna Wesley (1669-1742), der Mutter von John und Charles Wesley, von ihrer frühen Ju­gend bis zu ihrem Tod.

Die Erzählung setzt ein, als Susanna, die jüng­ste von 25 Kindern, 13 Jahre alt ist. Das intelli­gente Mädchen studiert die Bibel und kann be­reits hebräisch, griechisch und englisch – und das zu einer Zeit, als fast keine Frau lesen und schreiben konnte, geschweige denn studie­ren durfte. In diesem Jahr ereignen sich zwei wichtige Dinge: Susanna lernt nicht nur ihren zukünftigen Ehemann, Samuel Wesley, ken­nen, sondern entscheidet sich auch dafür, die Kirche ihres Vaters zu verlassen und wieder der englischen Staatskirche beizutreten. Dieser Schritt zeigt, daß die englische Gesellschaft im 17. Jahrhundert in das Lager der anglikani­schen Staatskirche und der Nonkonformisten gespalten war. Die Königstreue wirkte sich später auch politisch aus und brachte den Wesleys viel Leid.

Im folgenden erlebt der Leser nun den tägli­chen Kampf der Wesleys mit: die Armut, die körperliche Schwachheit (Susanna gebar fast jährlich ein Kind – insgesamt 19) hohe Schul­den und politisch bedingte Anfeindungen durch die Menschen. Es ist beeindruckend, daß Su­sanna Wesley – trotz aller Probleme – nie den Glauben an Gott aufgab.

Wie sehr die mütterliche Erziehung ihre Kinder beeinflußte, zeigt sich im Missionsstil ihrer Söhne John und Charles, die die Struk­turliebe ihrer Mutter erbten und später als „Methodisten“ bezeichnet wurden.

Diese Biographie von Susanna Wesley ist leicht lesbar und erbaulich für alle, die sich fragen, wie groß ihr Einfluß auf die nächste Generation überhaupt ist.

Tatiana Heuser, em 1999-3.

Detlef, Kapteina. Afrikanische Evangelikale Theologie: Plädoyer für das ganze Evangeli­um. edition afem, mission academics 10, Er­langen: VTR, 2001.

Detlef Kapteina, der selbst zehn Jahre in einer Lehr- und Missionstätigkeit in Westafrika und später als Missionssekretär in EBM (Elstal) für Afrika arbeitet, untersucht in seiner Dissertation an der Evangelischen Theologischen Faculteit in Leuven/Belgien die Entstehung einer Afrikani­schen Evangelikalen Theologie (AET). Dabei bezieht er sich ausschließlich auf afrikanische evangelikale Theologen und maßgebende Kon­ferenzen und Beschlüsse. Mit dieser umfangrei­chen Arbeit stellt er die Notwendigkeit eines eigenständigen Profils der AET dar und be­schreibt ihre Entwicklung. So beginnt seine Darstellung im ersten Teil mit einem geschicht­lichen Überblick und den ersten Gedankenan­stößen von Byang H. Kato. Mit seinen Grundla­gen beschäftigen sich weitere Konferenzen und er wird als Vorbereiter einer AET herausgestellt. Kapteina beschreibt wichtige Konferenzen und Beiträge im zweiten Teil, um die Entwicklung und Notwendigkeit einer Abgrenzung der evan-gelikalen Theologie aufzuzeigen. Dies nimmt einen sehr umfangreichen Teil ein. Hier gelingt es, entscheidende Merkmale herauszuarbeiten. In einem dritten Teil stellt er die theologischen Konzepte der AET in den Gebieten der Herme­neutik, der Soteriologie und der Christologie dar. Die wegbereitenden Gedanken prominenter Vertreter der AET, wie Tite Tienou, Tokunboh Adeyemo und Kwame Bediako, werden darge­stellt und ihre Einflüsse zur Prägung einer AET beschrieben. Kapteina bewertet im vierten Teil die Grenzen der AET und weist auf Defizite hin. Er zeigt auch den theologischen Beitrag für die weltweite evangelikale Missionstheologie auf. Das Buch vermittelt einen weitreichenden über­sichtlichen Einblick in die Entwicklung einer AET. Als Darstellung und Zusammenfassung einer geschichtlichen als auch einer theologi­schen Entwicklung in Afrika empfiehlt es sich besonders für Missionare in Afrika und darüber hinaus für die Auseinandersetzung mit dem Thema der Entwicklung einer Theologie in einer nichtwestlichen Kultur. Kapteina ist es gelungen einen Beitrag für die afrikanische christliche Theologie zu leisten und ihre eigene Stellung innerhalb der evangelikalen Theologie aufzuzei­gen.

Mathis Kögel, em 2004-2.

Dictionary of the Ecumenical Movement. Hrsg. von Nicholas Lossky u.a., Genf: WCC 1991.

Hier soll nur nach dem missiologischen Ertrag dieses Lexikons gefragt werden, das in über 600 Artikeln die ökumenische Bewegung im weitesten Sinne beschreibt. Der Rezensent fand ca. 60 Beiträge, die neben missionsrelevanten Sachthemen auch 15 Biographien und 16 Institutionen oder Bewegungen darstellen. Die Hoffnung auf einen besonderen Beitrag des Lexikons zur Geschichte des Internationalen Missionsrates (IMR), einem wesentlichen Mo­tor der ökumenischen Bewegung, wird aller­dings etwas enttäuscht, (wie schon Gerald An­derson in seiner Rezension in IBMR bemerkt). Selbst ein Amerikaner vermißt biographische Beiträge zu Karl Hartenstein und Walter Frey­tag, die nur äußerst marginal erwähnt werden! Doch viele biographische Porträts sind heraus­ragend und kommen im „Lexikon zur Welt­mission“ von Neill nicht vor (N. Goodall, B. Graham, K. Grubb, J.A. Mackay, Neil], Newbigin, D.T. Niles, Potter, J.V. Taylor) oder übertreffen es (Mott, Oldham, W. Paton). Bei R. Allen ist man dagegen mit Neills Lexikon besser bedient. Unter den besprochenen Orga­nisationen sind auch ausgesprochen evangeli-kale verzeichnet, doch fehlen leider gerade bei „Lausanne Committee“ die sonst üblichen grundlegenden Literaturhinweise, während der Artikel „Lausanne Covenant“ Sekundärlitertur verzeichnet. Die Konferenzen des IMR werden unter „ecumenical Conferences“ dargestellt. Unter „evangelical missions“ findet sich der irrtümliche Hinweis, die AEM sei der Heraus­geber von Idea! Womit das Lexikon einem Missiologen vielleicht am meisten dient, ist die Darstellung des Missionsverständnisses in der heutigen ökumenischen Bewegung bzw. der Uminterpretation von Mission und ihrer Ver­drängung durch andere vorrangigere Themen, wie auch in diesem Lexikon der Fall. Die Schlüsselartikel hierzu sind von ehemaligen Generalsekretären des ÖRK verfaßt: Potter schreibt über „mission“ und E. Castro über „evangelism“. Aufschlußreich ist auch die Neudefinition von Bekehrung („conversion“).


Weitere Artikel von Interesse sind ua.: „inter-religious dialogue, inculturation, missio dei, moratorium, pluralism, proselytism, syncre-tism, uniqueness of Christ, universalism“. So ist dieses wissenschaftliche Werk, an dem Autoren aus vielen Ländern und Konfessionen mitgearbeitet haben, eine außerordentlich beachtenswerte Leistung, aber im Blick auf den Ertrag für die Mission eher symptomatisch für die heutige ökumenische Bewegung.

Christof Sauer, em 1993-3.

Die Guten Seiten 94/95. Das Handbuch für Christen. 2. völlig neu bearbeitete Ausgabe, Hg. vom Johannes Institut, Projektion J Verlag.

Nach langem Anlauf ist Februar 1994 die zweite Ausgabe dieses christlichen Adressbu­ches erschienen. Über 10.000 Adressen aus al­len Bereichen christlicher Aktivitäten machen es zum nützlichen Nachschlagewerk. Diese Ausgabe hat nun einen alphabetischen Index und ein Stichwortregister. Wie schwierig es ist, Adressen aktuell zu halten und sinnvoll in Rubriken zu ordnen, zeigen die Eintragungen zum AfeM und zu em. Der AfeM erscheint gleich drei mal: In der Rubrik „Arbeitskreise – Evangelisation“ (!) als AfeM Dr. Klaus Fiedler, Ratingen, dann als AfeM, Korntal (AEM) und als AfeM, Esslingen. Ich hätte ihn eher unter „Mission – Verbände“ gesucht, wo auch die Deutsche Gesellschaft für Missionswissen­schaft zu finden ist. Die Zeitschrift em er­scheint zu Recht in der Rubrik „Missionszeit­schriften“, könnte aber auch noch unter Fach­zeitschriften aufgeführt werden.

Wer Missionsadressen sucht, findet diese nach Einsatzgebieten geordnet. Die Guten Seiten bieten wohl die umfangreichste Samm­lung charismatischer und neuester Missionen. Es scheinen aber nicht alle Adressen, die man in Jahrbuch Mission mit weiteren Informatio­nen versehen findet, verzeichnet zu sein. Des­halb hätte man auf es verweisen können.

Eine besonders interessante Beigabe ist die Aufstellung von Fred McRae über „Unerreichte Ausländergruppen in Deutschland“, auf S.133-163 in einer Randspalte abgedruckt. (Auch separat beim Autor erhältlich.) Eine ähnliche Aufstellung mit Kurzcharakterisie­rungen findet sich zu Ausbildungsstätten.

Das Nachschlagewerk ist so nützlich, daß es zumindest jede Missionszentrale in ihrem Büro haben sollte. Eine Diskettenversion mit Such­programm wäre wünschenswert.

Christof Sauer, em 1994-3.

Dirks, Friedrich. Das Evangelium im afrika­nischen Kontext: Interkulturelle Kommuni­kation bei den Tswana. Gütersloher Ver­lagshaus Gerd Mohn, 1986.

Jeder Missionar wird sich mit der Frage be­schäftigen müssen: Wie übersetze ich die Frohe Botschaft von Jesus Christus?

Es war nicht immer so, daß dieser Frage in der Mission eine besondere Bedeutung bei­gemessen wurde. Heute muß das jeder Mis­sionar tun. Wir sind feinfühliger geworden. Es ist uns bewußt geworden, daß der euro­päisch orientierte Missionar in seiner eige­nen Kultur aufgewachsen ist und in seinem christlichen Glauben und Denken westlich – wie Dierks sagt „verbal“ – geprägt ist.

Friedrich Dirks war mehr als dreißig Jahre Missionar im südlichen Afrika. „Die Fragen und Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der missionarischen Kommunikation der christlichen Botschaft in einer interkultu­rellen Situation hat Jahrzehnte lang meine eigene Missionsarbeit geprägt“ (S.10).

Dierks beschäftigt sich mit „interkultureller Kommunikation“ oder „kontextueller Ver­kündigung“ des Missionars. Der westlich verbalen Verkündigung stellt er die „nicht­verbale Kommunikation“ des Afrikaners gegenüber. Zur nichtverbalen Kommunika­tion gehören vorwiegend Symbole und Ri­ten, die Dierks dem traditionellen Glauben des Afrikaners entnommen hat.

Das Symbol (z.B. S.40 ff.) und der Ritus (S.67f.; 105 ff.; 160) sind nichtverbale Kom­munikationsmittel, die die unabhängigen Kirchen Afrikas (S.45; 105) von Anfang an in den Vordergrund ihrer Verkündigung gestellt haben. Westlich orientierte Kirchen haben diese Grundbedürfnisse des Afrika­ners zu wenig gesehen, erkannt und aufge­nommen.

Das Buch ist in vierzehn Untertitel aufge­teilt. Die ersten vier Punkte sind eine grundlegende Darbietung, in der sich Dierks damit befaßt, wie die biblische Botschaft zu einem „Kommunikationsprozess“ wer­den muß, wenn sie durch die Vermittlung des „Senders“ an den „Empfänger“ auf dem Boden der einheimischen Kultur und Reli­gion ausgetragen wird. Die Punkte 5-13 stehen paradigmatisch für die „interkultu­relle Kommunikation bei den Tswana“. Als Anknüpfungspunkte wählte Dierks die Be­griffe „Religion“, „Gott“ und „Heil“.

Jeder Begriff wird auf drei Ebenen unter­sucht. Zunächst behandelt Dierks das tra­ditionelle Verständnis von Religion, Gottes­bild und Heil (5; 8; 11). Daran schließt sich die „missionarische Verkündigung“ an (6; 9; 12); eine Reflexion zur Übersetzung der Botschaft des Evangeliums durch die Mis­sionare. Auf der dritten Ebene befaßt sich Dierks mit dem „Christentum der Tswana“ (7; 10; 13). In diesem Teil werden auch Probleme der zweiten Generation angespro­chen. Kapitel 14 ist eine kurze Schlußbe­merkung.

Das Buch ist entstanden aus der reichen Diensterfahrung des Verfassers. Die aus­führlichen Beispiele aus den Dienstjahren Dierks’ unterstreichen seine missionstheo­logischen Untersuchungen und lassen das Buch jedem Missionar empfehlen, der es mit Afrika zu tun hat oder darüber hinaus ein Gespür und eine erweiterte Sensibilität für die „interkulturellen Kommunikationen“ entwickeln möchte.

Heinrich Bammann, em 1987-3.

Dortzbach, Deborah & W. Meredith Long. The Aids Crisis – What We Can Do. Downers Grove. Ill., USA: IVP, 2006.

Deborah Dortzbach und Dr. W. Meredith Long arbeiten beide für „World Relief“ und greifen auf über 20 Jahre Erfahrung im Bereich HIV zurück. Das Buch verspricht eine praxisorien­tierte Antwort zur HIV/AIDS-Frage. Wie kön­nen wir, insbesondere die Kirchen, auf die Krise AIDS reagieren? Es spannt einen Bogen zwi­schen der verheerenden weltweiten AIDS Situa­tion bis hin zum Einzelschicksal, wo Hoffnung zu sehen ist.

Es gibt ca. 40 Mio. HIV infizierte Menschen. Bis 2010 rechnet man mit 25 Mio. Waisen und weiterhin schneller Ausbreitung bei fehlender kurativer Therapie sowie fehlenden Impfstoffen. Hinsichtlich der Krankheit besteht ein starkes soziales Stigma. Auch weil AIDS sehr schnell eine ethische Diskussion entfacht, werfen die Autoren in diese Situation hinein Fragen auf, um den Leser zu mobilisieren und ihn zu prakti­schem Handeln zu bewegen. Die Autoren schreiben aus christlicher Sicht mit großer me­dizinischer und sozialer Erfahrung. Sie ergänzen das mittlerweile unüberschaubare Angebot an Literatur zum Thema HIV/AIDS durch einen christlichen, sehr stark praxisorientierten und partizipatorischen Ansatz. Das Buch gibt einen Überblick über das Thema AIDS, beginnend mit Grundlageninformationen über die Krankheit selbst, sowie über die Situa­tion in den einzelnen Teilen der Welt. Ein gan­zes Kapitel ist dem Schutz der Jugend gewid­met. HIV/AIDS betrifft vor allem Menschen im Fortpflanzungsalter (15-49 Jahre). Verschiedene Möglichkeiten, die Jugend aufzuklären und sie zu schützen, werden diskutiert. Ein anderes Kapitel gilt der Familie. AIDS kann hier durch Ignoranz, Tradition, Scham und andere Gründe sehr zerstörend wirken. Es geht besonders um Ehen, kritische Beleuchtung von Kinderheimen, Pflege innerhalb der Familie und wie Kirchen durch Bedarfsanalyse, Beratung, spezielle Ange­bote, Zeit, Essen und Liebe helfen können. In einem weiteren Kapitel unter der Überschrift „Gewalt von AIDS“, geht es den Autoren u.a. um Frauen, die kein Mitspracherecht im Bereich Sexualität haben, fehlende Impfstoffe, mangeln­de sexuelle Aufklärung, fehlende Vermittlung von Werten wie sexuelle Reinheit und den Wert des Lebens selbst. Kondome seien die primäre Waffe gegen eine Infektion bei denen, die sich sexuell risikoreich verhalten. In dem sehr praktischen Kapitel zum Thema Be­treuung wird über die Pflichten und Möglich­keiten des einzelnen Familienmitglieds, der Regierung und der Kirche gesprochen. Kirchen spielen eine bedeutende Rolle, insbesondere bie­ten sie einen geistlichen Rahmen in säkularen Präventionskampagnen.

Das Buch zeichnet sich aus durch eine gelun­gene Kombination aus gut recherchierten Daten und Widerspiegelung der Realität, die oft dem Nicht-Infizierten, insbesondere in der westlichen Welt, verborgen bleibt. Die Autoren legen sehr viel Wert auf eine persönliche Identifikation mit dem Thema und mit den infizierten und betrof­fenen Menschen. Das Buch ist auch für den Laien verständlich, eine wirkliche Hilfe sowohl für den Einzelnen als auch eine gute Grundlage für Organisationen und Kirchen, um den Be­troffenen umfassend zu helfen, denn HIV/AIDS ist nicht nur ein rein medizinisches Problem. Lebendige persönliche Beispiele aus dem Leben von Betroffen verdeutlichen die einzelnen Aus­sagen und bringen dem Leser die Problematik vom Kopf ins Herz, was in Nachrichten oder wissenschaftlicher Literatur in der Regel nicht erfolgt. Das Buch zeigt, dass HIV/AIDS auch ein Problem ist, bei dem Kirchenleiter ihre Ver­antwortung übernehmen müssen, was durch Un­kenntnis und Ignoranz bisher viel zu wenig ge­schehen ist. Es ruft auf, die Diskussion zu been­den, ob Christen auf die AIDS Problematik überhaupt antworten sollten. Aber auch der Einzelne wird hinterfragt hin­sichtlich seiner Haltung gegenüber Infizierten, Homosexuellen und der Bereitschaft sich zu identifizieren und praktische Hilfe zu leisten. Mit viel Feingefühl werden die Schicksale dem Leser nahe gebracht. Durch die Fragen am Ende der Kapitel motiviert dieses Buch zum Nachden­ken und Handeln. Es ist ehrlich geschrieben und stellt klar, dass AIDS-Arbeit schmerzhaft und lang ist und nicht zu großem Ruhm führt. Es ist ein Arbeitsbuch, das das Wesentliche für die AIDS-Arbeit beinhaltet. Dieses Buch ist nicht als medizinisches Fachbuch gedacht. Das Ziel, in dieser kurzen Fassung Menschen zum Nach-und Mitdenken anzuregen, wird aber erreicht. Es gibt einen umfassenden Eindruck des Problems AIDS. Mit seinen breiten HIV- und AIDS Buch-und Online-Literaturangaben ist dieses Werk ein mobilisierendes, praktisches, anrührendes und herausforderndes Arbeitsbuch, das in allen Be­reichen Standardwerk sein sollte, entweder als Grundlage oder Ergänzung zu den anderen Ba­siswerken, da AIDS ein multisektorales Problem ist, dass definitiv nicht nur medizinisch in den Griff zu bekommen ist.

Dr.med. Ulf Basting-Neumann, em 2008-2.

Dowsett, Rose (Hg.). Global Mission: Reflections und Case Studies in Con­textualization for the Whole Church (Globalization of Mission Series / World Evangelical Alliance Mission Comnission), Pasadena: Willi­am Carey Library, 2011.

Zur Vorgeschichte: Vom 10. bis 15. Oktober 1999 veranstaltete die Missions­kommission der Weltweiten Evange­lischen Allianz (WEA) im brasilia­nischen Foz de Iguassu/ Brasilien eine Konsultation, aus der die sogenannte Iguassu-Erklärung hervorging. 160 Mis­sionare, Missiologen und Kirchen­leiter aus 53 Nationen nahmen daran teil und reflektierten die Entwicklungen der Lausanner-Bewegung sowie die Anfor­de­rungen des anbrechenden 21. Jahr­hunderts an die christliche Mission.

Der Sammelband Global Mission ist der zwölfte Band aus der Reihe Globali­zation of Mission, mit der die WEA-Missionskommission an die bisherigen Forschungen und Gespräche anschließt; zugleich dient er als Begleitbuch zum Werk Local Theology for the Global Church: Principles for an Evangelical Approach to Contextualization, Matthew Cook (Hg.). Die Herausgeberin von Global Mission ist stellvertretende Vorsitzende der WEA-Missions­kom­mis­sion und arbeitete 40 Jahre mit OMF International u.a. in Asien. Die restlichen Mitwirkenden stammen aus bzw. ar­beiten auf allen fünf Kontinenten.

Der erste Teil des Bandes („Reflections and Foundations“) bietet mit zehn Artikeln eine grundsätzliche Perspektive zum Verhältnis von biblischer Theologie und menschlicher Kultur. Die Autoren gehen auf relevante Bibeltexte ein, beschäftigen sich mit diversen Metho­den, Definitionen sowie Hindernissen für eine gelingende Kontextualisierung.

Der zweite Teil („Contextualization at Work“) macht mit 21 Fallbeispielen den Hauptteil des Bandes aus und gibt Ein­blicke sowohl in die Praxis der Kon­textualisierung als auch in die jeweils dahinter liegende Theorie. Dazu be­richten die Autoren von unterschied­lichen Versuchen, Überlegungen, Ansät­zen und Lernerfahrungen aus ihrem jewei­ligen Arbeitskontext (Brasilien, buddhistischer Kontext, China, Europa, Guatemala, hinduistischer Kontext, Indien, islamische Welt, Kongo, Korea, mittlerer Osten, Neuseeland, Philippinen, Senegal, Sudan). Dazu drei Beispiele: Die Dozentin und Missionarin Ruth Julian erläutert, mit welcher Methodik im Kongo eine kontextuelle Theologie des Heiligen Geistes gefördert wird, ohne einen animistischen Denkrahmen zu bedienen (S. 115–119). Der japanische Gemeindegründer Yuzo Ima­mura hingegen malt den Lesern den Stellenwert des Weihnachtsfestes bei kambodschanischen Christen auf und erklärt, wieso welche Aspekte dort besonders betont werden (S. 161–163). Auch ein „christlicher Bruder“ aus Ägypten kommt zu Wort, der das C5-Modell vom muslimischen Kulturkreis aus kritisch evaluiert und aufzeigt, wie Kontextualisierung zum Hindernis für Evangelisation und Jüngerschaft werden kann (S. 213–216).

Am Ende jedes Artikels werden Fragen zur Reflexion gestellt, sowohl um eine Diskussion anzuregen als auch um zu einer eigenen begründeten Position zu verhelfen. Ein Literaturverzeichnis sowie ein Schlagwörterverzeichnis runden den Sammelband ab. Aufgrund der Vielfalt an Autoren und Themen unterscheiden sich die Artikel in Anliegen, Anspruch und Methodik. Einige Leser wird die fehlende Vertiefung und Kürze mancher Artikel stören. Der Band enthält nur teilweise akademische Erörterungen; die Literaturliste bietet mit 210 Titeln einen ersten Überblick zum Weiterforschen, wobei 70% der verwendeten Literatur nach 1990 erschienen sind. Dies weist auf die beständige Aktualität des Themas Kontextualisierung hin.

Insgesamt aber macht die inhaltliche Vielfalt gerade die Stärke des Bandes aus. Unterschiedliche Stimmen aus Asien, aus der muslimischen Welt, aus der westlichen Welt und aus dem globalen Süden kommen zu Wort und erklären, wie und warum sie in ihrem eigenen Kontext Kontextualisierung betreiben. Aktuelle Debatten (z.B. C1-C6; Evangelisation und soziales Engage­ment) werden in diesem Band ebenso aufgegriffen wie zukünftige Trends und bestehende Grundfragen einer evange­likalen Missiologie, die sich um eine biblische und relevante Kontex­tua­lisierung bemüht.

Als Zielgruppe werden die „’reflective practitioners’ of the global mission community.“ genannt (S. xi). Tatsächlich richtet sich der Sammelband in erster Linie an Praktiker mit dem Wunsch, ihren Dienst zu ‚verbessern’, gleichzeitig werden aber jene profitieren, die Global Mission als ein Arbeitsbuch verwenden, z.B. Dozenten und Studierende. Die einzelnen Berichte und Fragen laden zum Weiterdenken ein, bieten wertvolle Einblicke aus erster Hand und ermutigen zum reflektierten Dienst für das Reich Gottes, in dem Menschen aus allen Stämmen, Sprachen und Nationen Platz haben.

Daniel Vullriede, em 2014-4.

Dubach, Alfred; Roland J. Campiche (Hg.). Jede(r) ein Sonderfall? Religion in der Schweiz. NZN Buchverlag: Zürich, Friedrich Reinhardt: Basel, 1993.

Zerfall oder Aufwärtstrend der Religion – was stimmt heute in den sogenannten modernen westlichen Gesellschaften? Um ein präzises und umfassendes Bild der religiösen Situation zu bekommen, wurde 1988/1989 eine Studie von einem fünfköpfigen Expertenteam des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Insti­tutes in der Schweiz durchgeführt. Die dabei erzielten Ergebnisse sind von der religiösen Entwicklung in Europa nicht zu trennen. Dabei werden Themen wie die Individualisierung des Glaubens, die Stellung des einzelnen zu den Institutionen, die Glaubensorientierung vermit teln, der Grad der Loyalität der Schweizer zu ihren Kirchen, die wachsende Säkularisierung und das Verhältnis von Religion und Kultur behandelt. In den Schlußfolgerungen ver­knüpfen die Autoren diese Themen- und Fra­genkomplexe und geben Überlegungen und Anregungen für die Zukunft.

Die Experten haben wissenschaftlich sauber gearbeitet. In den gesamten Text sind präzisie­rende Tabellen und Graphiken eingearbeitet. Im Anhang finden sich eine Beschreibung der Stichprobe, der bei dieser Umfrage verwendete Fragebogen mit einer Häufigkeitsauszählung, sowie eine Bibliographie. Ablauf und Ergeb­nisse der Untersuchung können vom Leser geprüft werden.

Als Adressaten werden alle diejenigen angegeben, die im religiösen Bereich engagiert sind, die die religiöse Lage besser einschätzen wollen und die daran interessiert sind, heutige Religiosität zu verstehen oder fundierte Äuße­rungen zum Thema Religion machen wollen. Leider ist dabei die wissenschaftliche Sprache bei aller Genauigkeit zu hoch, sodaß nur der Experte, nicht aber der interessierte Laie den Inhalt versteht. Das ist sehr zu bedauern, da das Buch endlich Fakten zu diesem interessanten Thema liefert, und das nicht nur für Schweizer!

Veronika J. Elbers, em 1995-4.

Dudley-Smith, Timothy. John Stott: The Making of a Leader (Bd. 1), Leicester: IVP, 1999.

Dudley-Smith, Timothy. John Stott: A Global Ministry (Bd.2), Leicester: IVP, 2001.

Mit Recht wurde festgestellt: Billy Graham war der Motor und John Stott der Kopf des evangelikalen missionarischen Neuaufbruchs seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts. Vor allem die Lausanner Bewegung, deren Wurzeln bereits auf dem Weltkongreß für Evangelisation 1966 in Ber­lin gelegt wurden, ist geprägt von Stotts biblisch­theologischem Denken, verbunden mit ökumeni­scher Gesprächsbereitschaft, einer Weite des Hori­zonts und einer Haltung der Demut. John Stott ist der theologische Denker hinter der Lausanner Ver­pflichtung von 1974, dem Grunddokument gegen­wärtiger evangelikaler Missionstheologie in aller Welt.

Das Leben dieses missionstheologisch so bedeut­samen Mannes erzählt T. Dudley-Smith, ehemali­ger Bischof der anglikanischen Kirche und Freund John Stotts, in diesen beiden Bänden auf über 1000 Seiten. Jeder der acht Abschnitte der zweibändigen Biographie ist einem Jahrzehnt in Stotts Leben gewidmet (von den 1920ern bis in die 1990er Jah­re), und beginnt mit einer kurzen zeit- und kir­chengeschichtlichen Beschreibung des Jahrzehnts und konzentriert sich dann in mehreren Unterkapi­teln (insgesamt 28) auf Leben und Werk des „Pro­tagonisten“ in diesem Zeitraum. Im Zentrum des ersten Bandes stehen die formativen Jahre des jungen Stott (Bekehrung, Berufswahl), die u.a. durch einen durch Stott Pazifismus ausgelösten Konflikt mit dem Vater geprägt sind, und der prä­gende Dienst als Hauptpastor („Rector“) in der Londoner anglikanischen All Souls Gemeinde (seit 1950). Auch nach der Aufgabe dieses Amts 1970 bleibt Stott als „rector emeritus“ mit der All Souls Gemeinde verbunden. Der zweite Band beschreibt die weltweite Ausdehnung des Dienstes von Stott von den 1960ern bis in die 1990er Jahre. Hier be­kommt der Leser Einblick in Stotts Rolle in der Lausanner Bewegung, seine prägenden Teilnahme am Evangelikal-Römisch-katholischen Dialog über Mission (ERCDOM) oder das von ihm geführte missionarisch-apologetische Projekt des „London Institute for Contemporary Christianity“. Viel Raum bekommen auch theologische Entwicklun­gen in Großbritannien, wie z.B. die spektakuläre Auseinandersetzung um den Verbleib der Evangelikalen in der Church of England, in der John Stott und Martyn Lloyd-Jones 1966 konträre Positionen vertraten. Nicht alle diese Entwicklungen werden für den nicht-britischen Leser von erhöhtem Inte­resse sein. Darüber hinaus bietet Dudley-Smith immer wieder auch gründliche Einblicke in das literarische Schaffen Stotts, indem er die wichtigs­ten Publikationen in ihrer Bedeutung in den Le­benslauf integriert und darstellt. Dudley-Smith ist sich der Schwierigkeit, Biogra­phien über lebende berühmte Männer zu schreiben, sehr wohl bewusst, mit denen man auch befreundet ist. Wie zu erwarten hält er sich darum in seinem Urteil sehr zurück. Stott hat ihm allerdings vollen Zugang zu den privaten Papieren gegeben und ihn gebeten keine „Hagiographie“, sondern „eine ehr­liche Einschätzung meines Lebens und Wirkens zu geben – mit Ecken und Kanten“ (Bd.1, S.15, meine Übersetzung). Das ist auch weitgehend ge­lungen, wenn auch verständlichlicherweise die sympathische Beschreibung die kritische Analyse überwiegt. Streckenweise empfindet man die Dar­stellung als zu detailreich und weit ausholend, so dass man erst den roten Faden wieder suchen muss. Stott selbst faszinierten Biographien am meisten, die „nicht nur die Geschichte erzählen, sondern das Geheimnis aufdecken“ (Bd.1, S.12). Das kann und will dieses zweibändige Werk nicht bieten (obwohl am Schluss doch das „Geheimnis“ Stotts in drei Dingen festgestellt wird: rigorose Selbstdisziplin, völlige Demut und eine betende Geisteshaltung, Bd.2, S.453). Es ist vielmehr eine überaus gründliche und materialreiche Dokumen­tation über das Leben und Wirken Stotts vor dem bewegten Hintergrund des 20. Jahrhunderts und im Zeugnis vieler Zeitgenossen. Das Buch ist mit ausführlichen Fußnoten, einer Bibliographie (nicht der Werke Stotts – eine solche hat der Autor separat veröffentlicht) und einem Index versehen. Ein tabellarischer Lebenslauf wäre zur Übersicht hilf­reich gewesen. Insgesamt: ein authentisches und inspirierendes Bild eines herausragenden missiologisches Denkers des 20. Jahrhunderts, eine wichti­ge Quelle für evangelikale Missionsgeschichte im 20. Jahrhundert.

Dr. Friedemann Walldorf, em 2004-1.

Dueck, Gerry. Kids for The World. A Guide­book for Children’s Mission Resources. William Carey Library: Pasadena, 1990.

Dieses Arbeitsbuch läßt das Herz von Mitar­beitern in der Kinder- und Jugendarbeit höher schlagen. Auf 57 Seiten werden amerikanische Hilfsmittel zum Thema Mission für diese Altersgruppe aufgeführt und vierfach regi­striert: Lehrpläne, Bücher, Geschichten, Arbeitsmaterialien, Medien, Lieder, etc mit­samt Bezugsadressen. Die andere Hälfte bietet konkrete Anleitungen: einen 52-stündigen Lehrplan, Beispielstunden und -geschichten, Arbeitsanleitungen und Kopiervorlagen. Davon erscheint manches für uns adaptierbar. Besser wäre jedoch ein gleichartiges Verzeichnis für den deutschsprachigen Raum. Ein Anfang war in der Bibliographie evangelikaler Missionen (bem) enthalten. Wer hat Interesse?

Christof Sauer, em 1995-2.

Dyrness, William A. and Veli-Matti Kärkkäinen (Hg.) unter Mitarbeit von Juan Francisco Martinez und Simon Chan, Global Dictionary of Theology: A Resource for the Worldwide Church. Downers Grove, Illinois, [USA]: IVP Aca­demic; Nottingham, Eng­land: In­ter-Varsity Press, 2008.

Um Leserinnen und Lesern der Evan­ge­likalen Missiologie (em) diese post­mo­derne theologische “Fundgrube für die weltweite Kirche” kurz vorzustellen, ver­suche ich aus der Einleitung sowie aus einzelnen Beiträgen etliche Merkmale und Kennzeichen herauszuschälen, die der Absicht und dem Ziel der Heraus­ge­ber entsprechen. Das Wörterbuch bein­haltet über 240 Beiträge zu aktuellen The­men, die von fast 200 Theologen und theologisch orientierten Fachleuten aus vielen Ländern der Erde erarbeitet wor­den sind. Das umfangreiche Register der Bibelzitate (S. 960-972 – über 200 Verweise allein auf Matthäus) gilt als Nach­weis, dass die Schreiber ihre Aus­sagen biblisch zu begründen suchen. Nur Obadja, Jona, Nahum, Philemon sowie 2. und 3. Johannes bleiben unzitiert.

Etwa 40 der Artikel stammen von Pro­fessoren, Lehrbeauftragten und Dokto­ran­den am Fuller Theological Seminary (FTS), wo das Wörterbuch von den Her­aus­gebern auch konzipiert und in Zu­sammenarbeit mit InterVarsity Press bis zur Veröffentlichung begleitet wurde. In diesem Zusammenhang veranstaltete FTS ein Symposion über “Die Zukunft globaler Theologie”. Dazu schreibt der Dekan, Howard Loewen (Fuller Focus, März 2009, S. 24), dass das Wörterbuch als Markstein theologischen Denkens unserer Zeit zu bezeichnen sei. Nach de­mo­graphischen und geographischen Di­mensionen zu urteilen, trifft die Be­zeich­nung “global theology” durchaus zu, auch wenn manche Beiträge lokale und re­gionale Theologie reflektieren. Diese Merk­male werden schon auf dem er­wähnten Symposion in den Referaten von Ogbu Kalu über „An African View of the Future of Global Theology“ und von Simon Chan zum Thema „An Asian Per­spective of Global Theology“ ange­spro­chen.

Einerseits wollen die Herausgeber das Wör­terbuch nicht als ein universales Werk verstanden haben, da solche The­men wie die “Gott-ist-tot-Theologie” und andere radikale Theologien der 60er Jahre oder auch synkretistische Theo­lo­gien alter und neuer Religionen bewusst zurückgestellt bleiben. Andererseits fällt auf, dass hier postmodern-relevante The­men behandelt werden, die man sonst in traditionell-theologischen Wörterbüchern kaum findet, wie z. B. „Globalization“, „Green Theology“, „Children at Risk“, „Terrorism“ und „Animal Rights“, um einige zu nennen.

Die vielseitigen Gesichtspunkte der Auf­sätze bestätigen, dass es sich hier weder um ein Werk westeuropäischer noch an­glo­amerikanischer Theologen handelt, son­dern um ein Produkt theologischer Denker der jungen Kirche, die ihre ge­meinsame Arbeit als Frucht für die welt­weite und multinationale Kirche (A Re­source for the Worldwide Church) in Nord und Süd, Ost und West der be­wohnten Erde (Ökumene) verstanden haben wollen. Nicht nur die missio­na­rische, auch die theologische Einbahn­straße existiert heute nicht mehr. So se­hen es auch die Herausgeber, indem sie einen Satz John Mbitis, Kenya, zitieren: “Die Zentrale kirchlicher Universalität ist nicht länger in Genf, Rom, Athen, Paris, London oder New York, sondern in Kinshasa, Buenos Aires, Addis Abeba oder Manila zu finden” (S. ix).

In Übereinstimmung mit obigen Aus­sa­gen glaubt der Verleger, Daniel Reed (IVP), dass die Beiträge primär als kon­tinuierliche Gesprächsthemen und weni­ger als definitive Aussagen oder dok­trinäre Erklärungen gedacht seien. Daher spielen Begriffe wie “conversation”, “dialog” und “discussion” eine nicht un­wichtige Rolle. Das ist vor allem bei Artikeln der Fall, wo zwei oder drei Ver­fasser das gleiche Thema diskutieren. Wichtig ist, dass die beteiligten Autoren am Ende ihres „Gesprächs“ jeweils ge­mein­sam eine Bibliographie für das Wei­ter­studium zusammenstellen. Dazu et­li­che Beispiele:

1. H. K. Yeung betrachtet die Ahnen­ver­ehrung (Ancestor veneration) aus chine­sischer Sicht, während J. Nkansah-Ob­rem­pong die afrikanische Perspektive ver­ständlich zu machen versucht und Simon Chan in einem dritten Teilbeitrag zu demselben Artikel die religiöse Be­deu­tung der Ahnenverehrung aus der Sicht­weite des asiatischen Horizonts be­schreibt (S. 28-35).

2. In ähnlicher Weise diskutieren Veli-Matti Kärkkäinen, J. Levison und P. Pope-Levison die Lehre von der Person Christi („Christology“) von den ersten Glau­bens­formulierungen der Väterzeit bis hin zu den Aussagen heutiger Be­freiungstheologen im Kontext Afrikas, Asiens und Lateinamerikas (S. 167-86).

3. Auch Mark Baker, Timoteo Gener und Frank Macchia verwenden die gleichen Begriffe bei ihrer Diskussion eines län­geren Aufsatzes eines traditionellen The­mas wie „Systematic Theology“ (S. 864-69). Wer in diesem Zusammenhang ei­nen Ausgleich zur Systematik sucht, dem ist Elmer Martens’ Beitrag “Biblical Theo­logy” zu empfehlen (S. 109-11).

Fazit: (1) Außer knappen biographischen Hinweisen finden die Leser in diesem Wör­terbuch keine Lebensbeschreibung der Theologen, nur deren Ausdruck theo­logischen Denkens. (2) Während Wör­terbücher gleichen Umfangs die Themen in der Regel kurz darstellen, gibt es hier aus­führliche Beiträge in der Länge von Zeit­schriftenartikeln. (3) Sowohl die Viel­falt kultureller Hintergründe der Au­toren als auch die inhaltlich abwechs­lungsreiche Gestaltung der Thematik dürf­ten manche evangelikalen Leser des Westens zur Überprüfung ihrer bis­herigen Hermeneutik herausfordern. (4) Die Herausgeber gehen davon aus, dass christliche Theologie biblisch begründet sein muss, wobei aber die Rolle der Kontextualisierung (oder Inkulturation) nicht übersehen werden darf. (5) Alle Theologie ist kontextuell, auch die westliche. Ob aber jede Theologie bib­lisch kompromissfrei gestaltet werden kann, bleibt zu hinterfragen. (6) Ein per­sönliches Wort: Leser der em, die mit den Dokumenten ökumenischer und den Schriften evangelikaler Missionskonfe­ren­zen und -kongressen vorigen Jahr­hunderts vertraut sind, werden beim Gebrauch dieser „Resource for the Worldwide Church“ um so mehr profi­tieren. Eine biblische Hermeneutik bleibt für alle Leser unerlässlich.

Prof. em. Dr. Dr. Hans Kasdorf, em 2009-4.

Eber, Jochen. Johann Ludwig Krapf. Ein schwäbischer Pionier in Ostafrika. Riehen/Basel: Verlag arteMedia Win­teler, 2006.

Auf dem missiologischen Büchermarkt sind sowohl missionsmotivierende als auch wissenschaftlich fundierte Mis­sions­biographien eher die Ausnahmen, denn in der Vergangenheit neigte man dazu, Missionspioniere hagiographisch zu verklären. Das führte dazu, dass manch ein Leser sein eigenes Leben dem dieser „geistlichen Schwergewichte“ gegenüberstellte und frustriert feststellen musste, wie weit er von diesem Ideal noch entfernt war. Statt für Mission zu motivieren, entmutigten diese Bio­gra­phien ihre Leser. Wohltuend anders ist die Biographie von Jochen Eber über den Missions- und Entdeckungsreisenden J. L. Krapf. Ebers Bemühen um historische Akkuratesse lassen auch die „schwachen Seiten“ Krapfs nicht unerwähnt. So erfährt man beispielsweise, dass der eifrige Afrika-Missionar und später in der Heimat wirkende Missionsmotivator auch Phasen von „große(r) Unlust zur Mission“ (123) und Depression (153) empfinden konnte.

Im Hauptteil seiner Biographie zeichnet Eber Krapfs abenteuerliche Reisen nach Äthiopien und seine späteren Reisen im heutigen Kenia und Tansania nach. Dabei erfährt man viel sowohl über Land und Leute als auch über das zeit­genössische Reisen. Unter anderem kann man beispielsweise lesen, dass Krapf mit einer Luftmatratze reiste, die damals als eine der neuesten technischen Errun­genschaften galt und die ihm auch in der afrikanischen Wildnis eine erholsame Nachtruhe ermöglichte. Natürlich ist auch von den berühmten Entdeckungen die Rede. So hat Krapf den Mont Kenya „entdeckt“, während schon zuvor Krapfs Mitstreiter Johann Rebmann als erster Europäer den schneebedeckten Kili­man­djaro gesehen hatte. Das galt in der damaligen Zeit als Sensation, denn Schnee­berge am Äquator waren für Krapfs Zeitgenossen einfach un­vor­stellbar.

Auch die Theologie Krapfs wird von Eber dargestellt. Demnach lebte Krapf in gespannter eschatologischer Erwartung, die ihn zur unermüdlichen missio­na­rischen Tätigkeit und den gefährlichen Erkundungsreisen veranlasste. Unbe­ant­wortet bleibt jedoch die Frage, wie Krapf als begeisterter Missionar trotzdem Jo­hann Michael Hahns Theologie, mit ihren offensichtlich allversöhnerischen und unmissionarischen Tendenzen an­hängen konnte.

Die Lektüre dieser Biographie sei allen empfohlen, die sich für Missions­geschichte interessieren oder einfach Afrikabegeisterte sind, denn es handelt sich dabei um ein hervorragend illus­triertes mit vielen zeitgenössischen Abbildungen versehenes und gut aus Quell- und Sekundarliteratur schöpfen­des Buch. Zudem ist es gut lesbar, obwohl Eber einem historisch-wissen­schaftlichen Ansatz folgt. Statt Fußnoten sind jedem Kapitel Endnoten angefügt. Das Buch schließt mit einer umfang­reichen Bibliographie und hilfreichen Registern ab.

Elmar Spohn, em 2009-1.

Troeger, Eberhard. Zwischen Alexan­drien und Kairo. Die evangelische Mis­sionsarbeit in Unterägypten im 19. und 20. Jahrhundert. Nürnberg: Ver­lag für Theologie und Religions­wis­sen­schaft, 2013.

Muss die Mission unter Muslimen nicht als gescheitert angesehen werden? In keinem muslimischen Land gibt es Gemeinden mit einer großen Anzahl von Kon­vertiten durch Mission. Da macht Ägypten mit seiner großen koptischen Min­derheit keine Ausnahme und doch war die Missionstätigkeit im Nildelta alles andere als fruchtlos.

Eberhard Troeger, der von 1966 bis 1975 in Ägypten tätig war und bis 1998 die Mission der Evangeliumsgemeinschaft Mittlerer Osten (EMO) leitete, die er wegen des häufig wechselnden Namens in seinem Buch „Wiesbadener Mission“ nennt, legt mit diesem Buch eine Ge­schichte der Missionsarbeit in Unter­ägyp­ten vor, die es in deutscher Sprache und in diesem Umfang noch nicht ge­geben hat.

Kairo und das Nildelta sind bis heute das Gebiet mit der stärksten Islamisierung in Ägypten. Die nachhaltigste Arbeit leis­te­te dort die Amerikanische Mission (AM) der Vereinigten Presbyterianischen Kir­che von Nordamerika (1854-1967). Sie erreichte mehr Muslime mit der Grün­dung von Gemeinden als irgendeine andere Mission. Sie legte großen Wert auf die Sprachkenntnisse der Missionare: „Predigt oder Unterricht durch Überset­zer wurde abgelehnt.“ Der Erneuerungs­prozess in der Koptischen Kirche wäre ohne die Herausforderung durch sie und deren Bildungsarbeit nicht möglich ge­wesen. Heute ist die evangelische Über­setzung der Bibel aus Beirut von 1867, die als Van-Dyke-Übersetzung bekannt ist, die Standardbibel der Koptisch-Ort­ho­doxen Kirche.

Troeger berücksichtigt nicht nur die großen Missionen wie die genannte Ame­rikanische Mission, die Egypt General Mission (EGM, 1898-1956) oder die Church Mission Society (CMS, 1825-1956), sondern auch kleinere Mis­sions­vetretungen, wie z.B. die ameri­ka­nische Peniel Mission (1895), die nur in Port Said tätig wurde oder die Hollän­dische Mission (1871) in Qalyûb, nörd­lich von Kairo. Es werden weitere Missionen erwähnt, wie z.B. die der Brüdergemeinde, Heiligungsgemeinde und Pfingstgemeinde, die auf der evan­gelisch-presbyterianischen Kirche auf­bau­ten.

Die ersten Missionare waren die Her­ren­huter von 1752-1783. Die Pilger­mission St. Chrischona versuchte das Pro­jekt „Apostelstraße“ mit dem Ziel Ab­besinien (Äthiopien) zu verwirk­lichen. Dies blieb jedoch eine Episode (1860-1870). Aber genau diese Initiative drückte damals schon etwas aus, das heute wieder aktuell ist, nämlich sen­dungsbewusste Gemeinden zu fördern. Troeger resümiert an dieser Stelle, was bereits Wirklichkeit geworden ist: „Die ganze Diskussion darüber hatte die Missionare (...) daran erinnert, dass ihr Ziel in Ägypten darin bestand, eine missionierende und evangelisierende Kirche zu gründen.“

Wer nach Zahlen sucht, findet sie an vielen Stellen in diesem Buch. So heißt es: Der Erfolg der Mission (AM) liegt bis 1900 bei 75 Taufen. 1890 bis 1894 wurden 20 Muslime getauft, bei 2165 neuen Gemeindemitgliedern insgesamt allerdings nicht viel. Man liest, dass Kompetenz nicht immer alles ist, so heißt es von Samuel Gobat, einem der frühen Basler Missionare im Dienst der CMS: „Er predigte gewöhnlich eine Stunde mit großer Leichtigkeit [auf Arabisch]. Es fehlt nur an Zuhörern.“

Troeger verzichtet – wie er selbst am Anfang betont – auf die Aus­ein­ander­setzung um die Fragen der Legitimität evangelischer Mission in einem seit Jahrhunderten christlich-orthodox und mus­limisch geprägten Land. Ihm geht es um die Geschichte der evangelischen Missionsgesellschaften und ähnlicher Ein­richtungen (z.B. Bibelgesellschaft). Er schreibt gegliedert über deren Prä­gungen, Methoden und Zielsetzungen. Es geht ihm dabei nicht um das En­ga­gement der evangelischen Kirchen in den letzten Jahrzehnten. Die berühmte Qasr id-Dûbȃra-Kirche am Kairoer Tahrîr-Platz, eine Gemeinde, die seit Jahr­zehnten mit großer Sendungskraft aktiv ist, wird daher nur als „City-Kirche“ am Rande erwähnt.

Nicht alle arabischen und englischen Ausdrücke werden als solche aufgeführt. Für diejenigen, die sich sprachlich auf die Mission in Ägypten oder der arabischen Welt vorbereiten, werden sich mit Begriffen oder Namen wie z.B. Khalȃs in-Nufûs, die nur in der Übersetzung als „Heil der Seelen-Bewegung“ genannt wird, nicht vertraut machen können. Troeger arbeitet den­noch detailliert und genau, davon zeugen die 1293 Fußnoten, verteilt auf 209 Seiten und ein ausführliches Register, das sehr dazu beiträgt, dieses Buch als Nachschlagewerk gebrauchen zu kön­nen.

Seine Arbeit berichtet vom Widerstand der Muslime durch politische Maß­nah­men, die „Verweigerung der Religions­freiheit durch die Behörden“, Boykotte, Beschimpfungen und Anzeigen. Was aber die Gewalt anbetrifft, die Mis­sio­naren widerfuhr, war das Schlimmste Steinwürfe gewesen. Es wurde in den zwei Jahrhunderten von keinem einzigen Mord an einem Missionar berichtet. Wenn man das gesamte Buch gelesen hat, wird man vielleicht am Ende fragen wollen: War es vielleicht nicht der Islam oder die Muslime, die die Missionsarbeit am meisten gehindert haben, sondern möglicherweise so vieles andere: die Krankheiten der Missionare, der zu frühe Tod etlicher außerordentlicher Mit­ar­beiter; der Krimkrieg (1853-56) und eine Meuterei gegen die Britische Herrschaft in Indien 1858 (beides strahlte nach Ägypten aus); eine theologische Kontro­verse mit dem Darbysmus 1868, Unfälle, der Urȃbi-Aufstand (1879-1882), die Cholera 1865, die beiden Weltkriege, die Säkularisierung der Amerikanischen Uni­versität (AUC) ab 1922, die Re­volution von 1952 (der „arabische So­zialismus“), die Suezkrise von 1956, der Sechs-Tagekrieg und nicht zuletzt die insgesamt viel zu geringe Zahl der Missionare. Troeger nennt zwar über 200 entsandte Verantwortungsträger und her­aus­ragende Persönlichkeiten mit Namen und alleine das macht das Buch schon lesenswert, aber in Relation zu dem Zeitraum, den dieses Werk insgesamt berücksichtigt, waren es zu wenige Mit­arbeiter. Sollte ein weiterer Grund vielleicht ein zu eigentümliches Ver­hältnis zum eigenen Auftrag gewesen sein? Über den EGM-Missionar Aubrey Whitehouse heißt es: „Er setzte sich dafür ein, dass die Mission ehrlich zu ihrem Auftrag steht (...) alle `Geheimnis­krämerei´ in der Korrespondenz und im Verkehr mit den Behörden sah er kritisch.“ Wurde die Arbeit einge­schränkt, weil Mission zu sehr im Under-Cover-Modus betrieben wurde? Mit diesen Fragen im Hinterkopf wird die Lektüre des Buches spannend.

Als Resümee lässt sich sagen: Durch die Geschichte, die Eberhard Troeger in gewissenhafter Recherche zusammen­ge­tragen hat, bekommt man eine Idee davon, welches Potential in der Ge­schichte der evangelischen Christenheit in Ägypten verborgen liegt. Wer einen Grund zur Inspiration und Hoffnung im Blick auf die Mission unter Muslimen sucht, wird es in diesem Buch finden.

Thomas Dallendörfer, em 2014-2.

Ekman, Ulf. Doctrine - The Foundations of the Christian Faith. Uppsala: Word Life Publicati­ons, 1996.

„Doctrine“ ist die englische Übersetzung der schwedischen Originalausgabe von 1995. Sie ist Ekmans Versuch einer systematischen Theologie. Herausgekommen ist dabei eher ein biblisch-theologisches Handbuch, in dem Ek­man seine Erkenntnisse und Einsichten addiert. Seine „Lehre“ besteht zu einem großen Teil aus einer Kette von biblischen Zitaten und Aufli­stungen (Extrembeispiele 27-38 und 219ff.)

Der Buchaufbau folgt den klassisch lutheri­schen Loci. Ekman, der ja ein dezidiert charis­matischer Vertreter und Anhänger einer Glau­benstheologie Haagin’scher Prägung ist, erwarb an der Universität Uppsala einen theologischen Grad. Nur wenige Aussagen (z. B. Rechtferti­gung schließt die körperliche Heilung mit ein, 186ff.) und allenfalls die kurz gehaltenen Ka­pitel über Pneumatologie und Angelologie (speziell der Abschnitt über Dämonenaustrei­bung) machen deutlich, daß hier nicht bloß ein lutherisch-evangelikal geprägter Pastor am Werke war. Bei der Soteriologie schlägt Ekmans Herz. Das beweist allein schon der Umfang des Kapitels. Allerdings zeigt sich hier auch eine besondere Schwäche des Buches, denn die Trennlinien, z. B. zur Christologie, werden nicht immer deutlich gezogen. Generell sind Gedankenführung und Kapitelaufbau nicht immer klar strukturiert; eine kreisende und sich häufig wiederholende Tendenz ist erkennbar.

Ekman kommt in seiner „Lehre“ mit nur ei­ner Fußnote aus (eine Erläuterung zur jüdi­schen Bar Mizwa). Eine Bibliographie sowie ein In­dex fehlen völlig. Biblische Aussagen erschei­nen als einzige Quellenangaben. Die drei im Nachwort aufgeführten altkirchlichen Be­kenntnisse (Apostolikum, Nizänum und Atha­nasianum), auf denen Ekmans Lehre ba­sieren soll, werden im Text nicht zitiert. Sollen sie die Kontinuität mit den Anfängen der christlichen Kirche ausdrücken oder ein refor­matorisches Selbstverständnis dokumentieren? Mehr als 40 DM sind für dieses Buch jeden­falls ein recht hoher Preis.

Joost Reinke, em 1997-4.

Elliot, Elisabeth. Amy Carmichael. Ein Le­ben in der Nachfolge. Neu­hausen: Hänssler, 1995.

Der bekannte indische Bischof und Missionshi­storiker Stephen Neill äußerte einmal, daß aus heutiger Per­spektive und aus Liebe zur Wahr­heit eine große Anzahl erbaulicher Missionars­biographien neu ge­schrieben werden müßten. Auch auf dieses Buch, das den Wer­degang Carmichaels von Irland über Japan, China und Ceylon nach Indien und die Entste­hung der Dohnavur-Fellowship zur Rettung von Tem­pelkindern beschreibt, trifft sein Urteil zu.

Für Neill war Amy Carmichael keine Unbe­kannte, denn er hatte sie in Dohnavur selbst kennengelernt. Er mußte die Arbeit aber bald verlassen, da sich unüberbrückbare Differenzen ergaben. Ohne den Einsatz und das Werk von Amy Carmichael und auch Elisabeth Elliot ge­ring schätzen zu wollen, empfinde ich diese Biographie als oft beschönigend und damit ein bißchen unehrlich. Die vielen Konflikte und Anfeindungen, denen die Dohnavur-Fel­lowship ausgesetzt war, sind nicht nur einfach Angriffe des Satans, wie sie es selbst empfun­den haben, sondern auch das Ergebnis eigenen Verschul­dens, von falschem Autoritätsdenken und Führungsver­ständnis bis zu Überängstlich­keit und Unflexibilität. Wenn die Dohnavur-Kinder beim Eintritt in ein College weder das indische Englisch noch Ta­mil richtig verstehen bzw. sprechen konnten, ist dies z. B. ein sehr deutli­cher Hinweis darauf, daß hier eine unge­sunde und auch ungeistliche Iso­lation stattge­funden hat.

Der Stil der Autorin (er soll wohl erbaulich sein) ist mir ein wenig zu süßlich und die Er­zählung oft unzu­sammenhängend. Bedauerli­cherweise kann ich daher diese Lektüre einem heutigen anspruchsvollen Missions­interes­sier­ten nicht empfehlen, sondern muß mich Neill in dem Rat an­schließen, eine neue Biogra­phie über Amy Carmichael zu verfassen.

Martin Sachs, em 1997-2.

Engel, James F. & William A. Dyrness. Changing the Mind of Missions – Where Have We Gone Wrong? Downers Grove: InterVarsity Press, 2000.

Dieses Buch ist ein hilfreicher Beitrag zur Diskussion um die Spannung zwischen Missionswerken und Gemeinden. Als jemand der seit vielen Jahren in der missionarischen Arbeit im Ausland tätig ist, muss man schon kräftig schlucken, denn manche traditionellen Überzeugungen werden in Frage gestellt. Die Autoren sind bekannte Missionswissenschaftler: Dyrness lehrt am Fuller Seminary und Engel im Ruhestand am Eastern College. Auch wenn sie den nordamerikanischen Kontext im Blick haben, ist ihre Kritik auch für europäische Missionswerke von Bedeutung.

Nach Ansicht der Autoren ist die westliche Missionsarbeit stark von der Moderne beeinflusst. Mission wird als Bewegung vom Zentrum zur Peripherie verstanden, der Glaube als persönliche Angelegenheit betrachtet, und Missionsstrategien sind pragmatisch begründet. Dies erweist sich in einer postmodernen Welt als negativ. Die große Chance für die Mission liegt darin, dass die Postmoderne wieder näher an den ursprünglichen Werten dran ist, wie sie besonders in der Zweidrittel-Welt geschätzt werden und wie sie Jesus zu seiner Zeit gelebt hat: Religiöse Vorstellungen haben auch im öffentlichen Leben Platz, die Realität des Bösen wird anerkannt, und Gemeinschaft ist wichtiger als Individualität.

Anhand der fiktiven Geschichte eines Missionsdirektors, seiner Missionsgesellschaft und einer mit ihnen verbundenen Gemeinde beschreiben die Autoren in spannender Weise die Herausforderungen im Verhältnis Missionsgesellschaft – Gemeinde sowie einen möglichen Lösungsansatz. Das Paradigma ihrer Missionsstruktur stammt von Jesu selber: die Aufrichtung und Ausbreitung des Reiches Gottes und seiner Herrschaft auf der ganzen Welt. Die Kernbotschaft lautet: „Mission in einer postmodernen Welt wird Gemeinde-zentriert sein, ausgerichtet auf Stärkung und Befähigung der Leute Gottes. Die Botschaft des Evangeliums wird wieder ganzheitlich gesehen, ausgedrückt durch Worte und glaubhaft gemacht durch das ‚Salz und Licht’ das von aufrichtiger Gemeinschaft kommt (Mt 5,13-16). Individuelle Initiativen werden der Arbeit in Netzwerken Platz machen, wobei die Stärken der Einzelnen sich gegenseitig ergänzen, indem Christen zusammen denken, arbeiten und beten um die Herrschaft Christi auszubreiten“ (S.80f.).

Das Buch ist lesenswert für Gemeindemitarbeiter denen das Anliegen der Weltmission am Herzen liegt. Eine Gemeinde, die sich nicht als Institution, sondern als lebendigen Organismus versteht, hat auch bei postmodernen Menschen große Chancen. Das Anliegen der Weltmission wird nicht nur durch finanzielle oder personelle Unterstützung gefördert, sondern die Gemeinde nimmt eine aktive Rolle ein: sie mobilisiert ihre eigenen Ressourcen und ergreift die Initiative, um einen bestimmten Auftrag auszuführen. Dies geschieht oft in Zusammenarbeit mit einer Missionsgesellschaft. Mission ist nicht nur ein Programmpunkt unter vielen, sondern das weltumspannende versöhnende Werk Gottes bestimmt alle anderen Gemeindeprogramme.

Die zweite Zielgruppe des Buches sind die Missionsgesellschaften. Sie werden nicht darum herumkommen, sich zu verändern, ein Prozess der Transformation ist gefragt. Dabei sollte sich eine Missionsgesellschaft u.a. folgende Frage stellen: „Welchen Unterschied würde es auf die Weltsituation bzw. auf die Gemeinden in den sendenden Ländern machen, wenn unsere Organisation nicht bestehen würde?“

Die Autoren haben nicht die Antworten auf alle Fragen, aber sie machen Mut, sich auf eine Pilgerreise in unbekanntes Land einzulassen. Ein spannendes Unternehmen!

Reinhold Strähler, em 2006-4.

Engel, James F. & William A. Dyrness. Changing the mind of Missions – Where have we gone wrong? Downers Grove: Intervarsity Press, 2000.

Kaum ein anderes missiologisches Buch hat zu einem solch radikalen Umdenken in der Weltmission aufgerufen, wie der vorliegende Band der beiden bekannten Missiologen James F. Engel und William Dyrness. Mit großer Sorge beobachten die Autoren die Anpassung vieler Missionswerke an den westlichen Wirtschaftspragmatismus (S. 18) und befürchten ihr Aussterben in den nächsten 10 Jahren, weil sie Mission stellvertretend für die Gemeinden statt mit ihnen zusammen tun. Viele Missionsleiter sähen Gemeinden lediglich als Quelle für Personal und Finanzen an, statt ihnen zu dienen (S.122). Gemeinden müsse ihre zentrale Rolle in der Mission wieder zurück gegeben werden (S.110-142). Das Modell der Glaubensmissionen, das auf Freiwilligen basiere (S. 146), die nur auf Gott vertrauten, sei weder biblisch begründbar noch werde es von Gemeinden in den Heimatländern länger hingenommen (S.75). Darum rufen die Autoren zu einer echten Partnerschaft zwischen Missionsgesellschaften und Gemeinden in den Heimatländern (S.81,127) auf. Gemeinden sollten unmittelbar am Leben und Wirken ihrer Missionare beteiligt sein.

Zudem beklagen die Autoren, dass westliche Missionswerke weitgehend einem menschlichen Strategie- und Methoden-Denken (S. 67) zum Opfer gefallen sei, das sie mit Samuel Escobar als „Managerial Missiology” (S. 87) bezeichnen: Strategisches Planen und Problemlösung, numerische Ergebnisse, Finanzierungspläne (S. 68), Kommunikationstechniken (S.68), Marketingstrategien (S.69) und Fundraising (S.73) bis hin zu irreführenden Erfolgsstorys (S.72), das Vertrauen auf westliche Macht und Einfluß (S.45), Verquickung von Evangelium mit westlicher Kultur (S.80) bestimmten viele Aktivitäten. Dies basiere auf dem Leitbild der „Moderne” (S.61ff, 78), d.h. der Ideologie von Vernunft, Zahlen (S.68ff), Management und Methoden (S.106), die längst von der Postmoderne abgelöst worden sei (S.173ff). Dadurch verschließe man sich dem Wirken des Heiligen Geistes und werde taub für seine Leitung. Im gleichen Atemzug werde Mission auf Evangelisation (möglichst viele Menschen mittels vorgefertigter evangelistischer Methoden – „prepackaged evangelistic tools” genannt - mit dem Evangelium zu erreichen, S.64; 87) reduziert, die auf die örtliche Situation im Einsatzland wenig abgestimmt seien. Mission sei zu einer „Industrie” (S.50) verkommen, auf einen Massenartikel reduziert, den es zu vermarkten gelte (S.69). Mission sei stattdessen Gottes Mission; es geht um die Verherrlichung Gottes. ER ist verantwortlich für das Ergebnis, nicht wir Menschen (S.37). „Mission fließt aus dem Herzen von Menschen, die durch den Heiligen Geist transformiert wurden und alles verlassen, um Christus zu folgen” (S.36).

Im Zentrum des biblischen Missionsauftrags stehe zudem das „Jünger Jesu machen” (S.31,64), das Wachstum in der Heiligung (S.88), die Integration von Gläubigen in eine Gemeinde (S.102,117), Hingabe und Transformation des ganzen Lebens (S.29), die Herrschaft Jesu in seinem Volk (S.39; 115). Die Gemeinde solle ein Segen für die Umgebung darstellen („soziale Transformation”, S.64, 89). Aufrüttelnd sind die Worte eines afrikanischen Gemeindeleiters: „Your people brought us Christ, but never taught us how to live”(S.22). Das Evangelium sei nicht eine Privatsache ohne gesellschaftliche Relevanz (S.22, 65). Das schließe die Wahrnehmung von struktureller Sünde und Ungerechtigkeit (S.93) ein. Es gehe um Erlösung und Versöhnung, Evangelisation und soziale Transformation (S.64).

Dabei sei die Kooperation von Missionswerken untereinander (S.71; 96,181) wie auch mit lokalen Gemeinden im Einsatzland (S.76) zwingend erforderlich, statt Konkurrenzdenken und isolierten Einzelinitiativen (S.96) Raum zu geben. Entscheidungen sollten vor Ort getroffen (S.77) und große Allianzen (S.171; 181) in den Einsatzländern gebildet werden, statt wirtschaftlicher und politischer Macht (S.45f) und Kontrolle aus dem Westen (S.97). Da habe die alte Arbeitsweise mit der Abhängigkeit von externer Finanzierung (S.73) oft die Entwicklung von Eigeninitiative (S.73) und einheimischen Resourcen (S.20) eher behindert.

Die bisherigen Markenzeichen der westlichen Mission „Organisatorische Brillianz und zentralisierte Verwaltung” (S.67) müßten ersetzt werden durch schlanke Administration bei verstärkter Motivation und Befähigung von Mitarbeitern (Schulung von Führungskräften S.160). Statt der Fixierung auf Projektziele (S.113; 166) sollte jeder einzelne Mitarbeiter persönlich gefördert werden (S.124; 153ff). Statt hierarchischen Führungsstrukturen (S.113; 148) und Kontrolle von oben (S.23) werben sie für dezentralisierte Teams (S.158), lokale Initiativen (S.98) und die Ermöglichung alternativer Wege (S.158). „Gebet ist wichtiger als Aktion; Dienstbereitschaft und Selbstaufgabe wichtiger als Dominanz und Kontrolle” (S.166). Dieser fundamentale Richtungswechsel in der Mission müsse zügig eingeleitet werden (S.167). Dafür böte der gesellschaftliche Wechsel von der Moderne zur Postmoderne einen gute Chance, da letztere geprägt sei von dem Wunsch nach persönlichen Beziehungen, Vertrauen, Spontaneität, Spiritualität und ganzheitlichem Leben (S.81;173-183).

Diese markanten Thesen sind eingepackt in eine spannende Rahmengeschichte von einer fiktiven Gemeinde und einem Missionswerk, die aus der Not heraus beide den vorgeschlagenen Paradigmenwechsel wagen. Diese Geschichte zieht sich durch das ganze Buch hindurch - die Abschnitte sind am Seitenrand durch einen Balken klar gekennzeichnet - und überträgt die grundlegenden Gedanken auf die konkrete Situation von Missionswerken und Gemeinden.

Mit ihren mutigen Gedanken fordern die Autoren zum Neu- und Umdenken heraus und provozieren Widerspruch – kein missiologisches Buch wurde in letzter Zeit so heftig diskutiert (vgl. Mission Frontiers Dez. 2000, S.5, EMQ Jan. 2001, S.92-98); keinem anderen wurde so viel destruktive Kritik unterstellt. Es ist aber zugleich ein hoffnungsfrohes Buch, denn es zeigt neue Wege auf und macht Gemeinden und Werken Mut, Veränderungen zu wagen (S.143-172). Kein anderes Buch habe ich so inspirierend empfunden und mit so viel Gewinn gelesen.

Zwar kann ich mich der unkritischen Euphorie über die Postmoderne (mit ihren unbestreitbaren Vorzügen wie auch Nachteilen) nicht uneingeschränkt anschließen, ebenso wenig den scharfen Kontrasten, die sie zwischen dem alten und dem neuen Denken sehen – es ist aber gerade die Stärke der amerikanischen Denkweise, komplexe Fragen auf wenige Grundprinzipien zurückzuführen und einfache Antworten zu finden, die mit großem Engagement und Überzeugungskraft vorgetragen werden. Zudem sehe ich das Problem nicht nur auf Missionsgesellschaften und ihrer Leitung beschränkt – das radikale Umdenken ist ebenso bei den Missionaren gefordert, denn ihnen kommt eine entscheidende Rolle im Verhältnis zu ihren Heimatgemeinden und den Kirchen im Einsatzland zu – dieses Thema ist in dem Werk leider ausgeklammert.

Das Buch ist spannend geschrieben; die Leitgedanken werden in den verschiedenen Kapiteln immer wieder in neuer Form entfaltet und prägen sich so besser ein. Fußnoten verweisen auf weiterführende Literatur. Mit praktischen Fragen wird zum Überprüfen der Effektivität von Missionswerken eingeladen und die einzelnen Phasen des Veränderungsprozesses skizziert (S.143-173), auch wenn mir diese den Eindruck vermitteln, dass die Autoren doch wieder auf das sonst kritisierte Methoden-denken zurückgreifen mußten. Das äußerst praktische Buch schließt Checklisten mit provokativen Kernfragen ein, wie etwa: „1. Welchen Unterschied würde es für die Welt machen, wenn dieses Missionswerk aufgelöst würde? 2. Welchen Unterschied würde es für die Gemeinden in den Heimatländern machen? 3. Was können wir beitragen zum Leib Christi, der bereits in dieser Volksgruppe am Werk ist?” (S.150)

Von keinem anderen Missionsbuch bin ich so sehr inspiriert und herausgefordert worden wie dem vorliegenden. Es ist zum Lesen sehr empfohlen, ja es sollte Pflichtlektüre für jeden Missionsleiter und Missionar sein.

Dr. Detlef Blöcher, em 2001-3.

Enger, Philipp A. Die Adoptivkinder Abrahams. Eine exegetische Spurensuche zur Vorgeschichte des Proselytentums. Beiträge zur Erforschung des Alten Testaments und des Antiken Judentums 53. Frankfurt/Main: Peter Lang, 2006.

Philipp Enger promovierte im Wintersemester 2002/03 mit einer Studie zur Vorgeschichte des Proselytentums an der Humboldt-Universität in Berlin, die er nun in überarbeiteter Form veröffentlicht. Der Studienleiter in einem Bildungswerk der EKD begibt sich hier auf die Suche nach Konversionsphänomenen im Alten Testament, also nach dem, was in der Missiologie auch als „Bekehrung“ bezeichnet wird.

Um dabei der Gefahr einer „Rechtfertigung der aggressiven christlichen Missionsideologie durch angebliche jüdische Vorläufer“ (S.31) zu entgehen, gründet Enger die seiner Untersuchung zugrunde liegende Definition von „Konversion“ auf die Ergebnisse moderner Human- und Religionswissenschaft. Von H. Mohr (Art. Konversion/Apostasie in Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe, 3: 436-45, 436, Hg. H. Cancik u.a., Stuttgart, 1993) übernimmt er drei Indikatoren für eine gelungene Konversion: (1) Die Veränderung der kognitiven Grundeinstellung, sichtbar oft durch Bekenntnisakte, (2) die Neuorientierung der Mentalitäts- und Verhaltensmuster und (3) der soziale wie religiöse Statuswechsel in Form einer Integration in die Gemeinschaft.

In dem ausführlichen exegetischen Teil seiner Monographie trägt Enger in kanonischer Rei-henfolge (Tora, Propheten, Schriften) die Texte von der Aufnahme des Fremden (Dtn 23,2-9 u.a.), dem Umgang mit den Gibeonitern (Jos 9), sowie das Tempelgebet Salomos (1.Kö 8,41-43) und die Erzählung von Naaman (2.Kö 5) zusammen. Hier finden sich zwei Exkurse zu Jitro (Ex 18,11) und Rahab (Jos 2,9-11). Es folgen Überlegungen zu den Deportierten in Samaria (2.Kö 17,24-41), dem Ausländer in Jes (56,1-8), dem ger („Fremdling“) in Hes, den Seeleuten und Niniviten in Jon, sowie zu Rut (1,16f) u.v.m.

Indem sich Enger im Bereich „Tora“ auf 250 Seiten fast ausschließlich mit den Gesetzes-texten zur Problematik des ger beschäftigt, reiht sich seine Studie in die einschlägigen Untersuchungen von C. Van Houten (The Alien in Israelite law, Sheffield, 1991) und C. Bultmann (Der Fremde im antiken Juda, Göttingen, 1992) ein, lässt jedoch eine Auseinandersetzung mit J.E.R. Kidd (Alterity and Identity in Israel, Berlin, 1999) und M. Zehnder (Umgang mit Fremden in Israel und Assyrien, Stuttgart, 2005) vermissen.

Enger kommt in seiner Studie zu einem überwiegend negativen Ergebnis. Für die vorexilische und exilische Zeit könne in keinem Fall von Konversion gesprochen werden. Trotz aller Integrationsbestrebungen habe der ger letztlich keinen Zugang zur Versammlung (‘edah) und Gemeinschaft der „Söhne Israels“. Zur Aufnahme des Edomiters und Ägypters in die Versammlung (qahal) in Dtn 23,2-9 postuliert Enger eine Vorform des Texts, in der es lediglich um eine Duldung im Land gegangen sei. Erst in nachexilischer Zeit sei der Wunsch nach Integration in die „utopische Gemeinschaft“ hinzugekommen (S.296). Die Erzählung von Naaman diene „einzig der politischen und religiösen Selbstwertsteigerung jüdischer Leser“ (S.500), Elisa versage ihm in seiner Antwort die autoritative Anerkennung (2.Kö 5,19). Bei Rut sieht Enger ein Problem darin, dass „ihr Verhältnis zu ihrer moabitischen Heimatgottheit ungeklärt bleibt“ (S.505). Die Seeleute und Niniviten im Buch Jona durchleben keine Integration in die jüdische Gemeinschaft.

Lediglich fünf von Enger deutlich nachexilisch datierte Texte öffnen Nichtjuden den Zugang zum Judentum: Esr 6,21; Neh 10,29; Jes 56,1-8; Hes 14,5-7.11; Est 9,27. Nur die beiden letzten Stellen lassen Enger zu der Hypothese gelangen, „daß der historisch existente Konvertit zum Judentum ein Phänomen der östlichen Diaspora im 3. Jahrhundert ist.“ Enger schließt, dass diese Option einer Konversion in alttestamentlicher Zeit „weit von einer allgemeinen Akzeptanz, theologischen Etablierung oder gar förmlichen Institutionalisierung entfernt“ ist. Völlig abwegig sei von daher die Annahme missionarischer Werbung im Alten Testament (S.518).

Enger bietet eine hervorragende Zusammen-stellung und ausführliche exegetische Untersuchung zahlreicher missiologisch bedeutsamer Texte, insbesondere zur Problematik des ger. Auffällig ist hier das fast völlige Fehlen von Belegen aus den Narrativtexten der Tora, dem weiter hätte nachgegangen werden können. Trotz anfänglicher Bedenken (vgl. S.23, 54) stützt Enger einen großen Teil seiner Ergebnisse auf die Basis umstrittener literarkritischer Hypothesen. Vielfach unterstellt er den Texten tendenziöse Absichten und gibt sich hinsichtlich ihrer Historizität sehr pessimistisch.

Obwohl er in seiner Einführung nachzeichnet, wie sehr die Indikatoren für Konversion im Wandel begriffen sind, legt er sich auf ein wohl eher engführendes Modell fest und führt seine Untersuchung so zu einem negativen Ergebnis. So ist sein Werk, nicht nur aufgrund der 30 engbedruckten Seiten bibliographischer Anga-ben, herausfordernd und unverzichtbar für alle, die sich mit dem Phänomen der „Bekehrung“ im gesamtbiblischen Zusammenhang beschäftigen möchten.

Dr. Siegbert Riecker, em 2007-1.

Escobar, Samuel. A Time for Mission: The Challenge for global Christianity, The Global Christian Library, Leicestershire: Langham Literature & InterVarsity Press, 2003.

Samuel Escobar ist Peruaner und Professor für Missiologie am Eastern Baptist Theological Seminary sowie Präsident der United Bible Societies. Er war als Missionar und Dozent in verschiedenen Ländern der Welt tätig. Escobar legt uns mit seinem Buch einen einführenden Überblick über die missionarischen Herausforderungen der globalen Christenheit im 21. Jahrhundert vor.

Erschienen in der Reihe der Global Christian Library (Hg. John Stott u. David Smith) dient diese Einführung in die christliche Mission (so will Escobar das Buch verstanden wissen, S. 170) dem Ziel der Serie, der Verschiebung christlicher Gravitationszentren in die 2/3 Welt Rechnung zu tragen. Dabei sollen nicht-westliche Autoren relevante theologische Themen aus der Perspektive ihrer eigenen Kultur reflektieren.

Ausgehend von den Veränderungen der globalen Missionssituation zu Beginn des 21. Jahrhunderts entwirft Escobar unter Berücksichtigung der Missionsgeschichte ein trinitarisch-theologisches Missionsmodell, um es für die gegenwärtige globale Situation fruchtbar zu machen. Neben den bekannten missiologischen Wandlungs-Phänomenen (geographische und soziale Veränderung der treibenden Kräfte christlicher Mission), beschäftigt sich Escobar intensiv mit den Auswirkungen der Globalisierung und der postmodernen und postchristlichen Gesellschaftsentwicklung auf die Mission. Dabei warnt er nachdrücklich davor, die materialistische und gewinnorientierte Ideologie der Globalisierung ähnlich unkritisch wie früher den Imperialismus als notwendigen Aktionsrahmen aller missionarischen Bemühungen anzunehmen. Die wirtschaftliche Verabsolutierung radikalisiert Armut und wird so zur Herausforderung ganzheitlicher Mission. Transkulturelle Missionskooperationen müssen gerade in einem global vernetzten Zeitalter nach dem Leitbild nonpaternalistischer, inkarnatorischer Zusammenarbeit gestaltet werden. Darüberhinaus kommt es durch die postchristliche und postmoderne Weltanschauung vor allem in Europa zu kulturellen Abgründen zwischen Kirche und säkularer Welt, die die Evangelisation fast unmöglich machen.

Nach dieser missiologischen, historischen und soziologischen Situationsanalyse erklärt Escobar, wie das Missionsvorbild Gottes die Kirche in eben dieser Situation bestimmen muss: Mission ist Gottes Initiative, Gott ruft Menschen zu sich um sie dann in die Welt zu senden. Christi inkarnatorisches Vorbild warnt vor Triumphalismus und ermutigt zu praktischer Barmherzigkeit und ganzheitlichem Dienst einerseits und klarer Konfrontation mit Ungerechtigkeit andrerseits. Da der Heilige Geist der Regisseur der Mission schlechthin ist, gilt es, seinem Wehen sensibel zu folgen. In der Anwendung seines inkarnatorischen Paradigmas auf den Umgang mit der Bibel betont Escobar, wie wichtig es ist, dass jede Kultur die Schrift aus ihrer eigenen Perspektive lesen lernt, um Antworten für eigene Fragen zu finden. Escobar beschließt sein Buch mit einem kommentierten Überblick zu weiterführender, missiologischer Literatur.

Der innere Aufbau des Buches, das eine Fülle von Themen auf weniger als 200 Seiten abhandelt, wirkt insgesamt durchdacht und logisch stringent. Allerdings tragen die Kapitelüberschriften nicht besonders gut dazu bei, die vorhandenen gedanklichen Strukturen zu verdeutlichen. Escobar leitet die Kapitel mit narrativen Beispieltexten ein und stellt damit einen plastischen Wirklichkeitsbezug her. Zusammenfassende Abschlussparagraphen fehlen jedoch völlig, was die Übersicht im Buch erschwert. Das thematisch untergliederte Literaturverzeichnis am Schluss ist ein gutes Hilfsmittel zur missiologischen Orientierung. Einen Index gibt es nicht.

Escobars Buch hat keinen wissenschaftlichen Anspruch, sondern stellt eine hilfreiche allgemeinverständliche, missiologisch reflektierte und evangelikal orientierte Einführung in die aktuelle weltmissionarische Thematik aus der Perspektive eines lateinamerikanischen Theologen dar. Es gelingt dem Autor, einen klaren Blick in die Missionsgeschichte mit einer kritischen Gegenwartsanalyse und einem trinitarisch-inkarnatorischen Leitbild der Mission zu verbinden. Besonders erwähnenswert erscheint mir Escobars Anliegen, ein umfassendes Problembewusstsein für die ideologischen Implikationen der Globalisierung für ein christliches Missionsverständnis zu schaffen.

Andreas Rauhut,em 2006-2.

Estep, William R. Whole Gospel, Whole World. The Foreign Mission Board of the Southern Baptist Convention 1845-1995. Broadman & Holman: Nashville, 1994.

Dieses Buch will keine Geschichte der Missi­onsarbeit der Southern Baptists sein, sondern nur die der Heimatleitung. Als solche kann uns das Buch helfen, die sich wandelnden Grund­sätze der SB Mission besser zu verstehen, die sich sowohl von denen der klassischen Missio­nen unterscheiden als auch von denen der ge­genwärtigen evangelikalen Missionen, mit Ideen wie „indigenous principle“ und „nationalization“.

Für das 150jährige Jubiläum geschrieben (und offiziell autorisiert), zieht der Autor die Entwicklungslinien von einer Missi­onsgesellschaft, die fast die Denomination schuf, über eine von der Denomination unab­hängige Mission zur voll in die Denomination integrierten und von ihr kontrollierten Missi­onsabteilung. Als solche wurde die SB Mission von der konservativ/progressiven Krise betrof­fen, die zum Rücktritt von Keith Parks als Prä­sident 1992, zur Krise um Rüschlikon und zur Gründung der Cooperate Baptist Fellowship führte.

Das Buch endet mehr mit einem Ton der Unsicherheit und des Nachdenkens als des Tri­umphes, zudem der weltweite Bold Mission Thrust auch kein voller Erfolg war. Mir scheint, daß der Autor die auseinandergehen­den Überzeugungen (Evangelisation und Un­terstützung der Missionare gegen Mission durch Institutionen) beide vertritt. Dieses Buch hilft, eine Mission, die uns in vielem fremd er­scheint, besser zu verstehen. Die von den SB gegründeten Kirchen spielen in dem Buch kaum eine Rolle.

Dr. Klaus Fiedler, em 1998-3.

Evangelisches Kirchenlexikon. Internatio­nale theologische Enzyklopädie. Herausge­geben von Erwin Fahlbusch, Jan Milic Lochman, John Mbiti, Jaroslav Pelikan und Lu­kas Vischer. Erster Band (A-F). Dritte Auf­lage. Neufassung. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 1986.

Die dritte Auflage und zugleich völlige Neu­fassung des bekannten Evangelischen Kir­chenlexikons (EKL), das in den 50er Jahren erstmals erschien, um eine „zusammenfas­sende Darstellung der theologischen Arbeit und des kirchlichen Lebens“ zu geben, liegt jetzt in ihrem ersten Band vor. Diese Neu­fassung des EKL sucht der veränderten
Weltsituation und in ihr den neuen Heraus­forderungen gerecht zu werden.

Der beschränkte Raum ermöglicht keine umfassende Besprechung, deswegen will ich mich hier auf die Themenkreise beschrän­ken, die em berühren. Als Lexikon dient das EKL zuallererst nicht der Stellungnah­me, sondern der Information, und es gelingt ihm, die weltweite Vielfalt des Christentums zu erfassen. Der konfessionellen und denominationellen Vielfalt versucht das EKL dadurch gerecht zu werden, daß häufig zu „katholischen“ Themen katholische Autoren schreiben (z.B. Ludwig Wiedemann über Adveniat) oder zu freikirchlichen Themen eben Freikirchler (z.B. Schütz und Seidel über die Ev. Freikirchen und Freien ev. Ge­meinden). So sind auch die „evangelikalen“ Themen an Evangelikale vergeben worden: Waldron Scott schreibt über die Evangeli­sche Allianz, Erich Geldbach über die Evan­gelikale Bewegung und Peter Beyerhaus über die Evangelikalen Missionen.

Hervorstechend ist der internationale Cha­rakter des EKL. Ein internationaler Heraus­geber- und Mitarbeiterkreis verantwortet das von Britta Hübener und Wolfgang G. Roehl redaktionell betreute Werk. Die Ar­tikel über die einzelnen Länder wurden, wenn eben möglich, an Autoren aus diesen Ländern vergeben (wobei sich manchmal Unebenheiten in der Übersetzung einge­schlichen haben, z.B. die „Muselmanen“, Sp. 430, in Benin). Es ist nicht nur für jedes Land der Welt ein Artikel vorgesehen, wich­tiger ist noch, daß auch bei thematischen Artikeln der geographischen Vielfalt Raum gegeben wird: so enthält der Artikel über Begräbnis neben einem Unterartikel „Be­gräbnis in der orth. Kirche“ auch Unterarti­kel über Begräbnis in Afrika und in den USA.

Natürlich kann nicht jeder geographische Bereich (und nicht jede der vielen Kirchen in diesen Bereichen) in jedem Fall gleich große Aufmerksamkeit erhalten, so daß bestimmte Artikel oder Unterartikel auch exemplarisch gesehen werden müssen, z.B. der Artikel über die „Assembleias de Deus no Brasil“ für die vielen ähnlichen Pfingstkirchen. Aber auch hier ist, sicher bewußt, eine Kirche aus dem Lande gewählt worden, in dem weltweit die Pfingstler am stärksten sind.

Erfrischend ist für mich die Tatsache, daß amerikanische Themen und Autoren so starke Berücksichtigung gefunden haben, denn deutschsprachige Theologie steht sonst manchmal in der Gefahr der Isolierung. Eine englischsprachige Ausgabe des EKL ist schon in Arbeit und wird von Eerdmans in Grand Rapids (USA) veröffentlicht wer­den. Hilfreich ist zum Beispiel der Artikel über die Brüderkirchen in Amerika (Donald F. Durnbaugh), der uns hilft, die wichtig­sten unter ihnen auseinanderzuhalten, oder der Unterartikel „Erweckungstheologie 2 Nordamerika“, selbst wenn man die Mei­nung des Autors Eldon G. Ernst nicht teilen kann, daß um 1850 die Verbindung der Er­weckungstheologie zur Theologie abgerissen
(und wohl auch nicht wiederhergestellt wor­den) sei. Ich denke, schon allein Ausbil­dungsstätten wie Fuller oder Trinity mit ihren Doktorarbeiten zu den Themenkreisen der Mission und des Gemeindewachstums bieten da ein anderes Bild.

Reiches Material zum Thema Mission bieten in diesem Band auch die Artikel „Britische Missionen“ und „China Inland Mission“ von Andrew Walls, „Deutsche Missionen“ von Niels-Peter Moritzen, „Frauenmission“ von Elisabeth Ottmüller und „Ärztliche Mission“ von Martin Scheel. Interessant ist auch der Artikel von Rene Blanc über die französi­schen Missionen; er wird aber insofern sei­nem Thema nicht gerecht, als praktisch nur die Pariser Mission (DEFAP) dargestellt wird und die interdenominationellen, frei­kirchlichen oder pfingstlichen Missionen gar nicht erwähnt werden, nicht einmal die 1927 gegründete Mission Biblique (die aber in John Mbitis Artikel „Elfenbeinküste“ ihren Platz hat). Als Missionstheologe hätte ich mir auch gewünscht, daß der Länderartikel „Finnland“ (Jouko Martikainen / Markku Heikkilä) den fast tausend finnischen Mis­sionaren ein paar Zeilen gewidmet hätte.

Das EKL ist natürlich kein evangelikales Werk, aber es bietet dem evangelikalen Le­ser eine große Fülle wertvollen Materials und verlangt keine Identifikation mit der theologischen oder historischen Auffassung der Autoren, so wie sich unter den Autoren auch verschiedene Tendenzen zeigen. Zum Beispiel werden zwei sehr unterschiedliche Verständnisweisen des Begriffs Fundamen­talismus vertreten, wobei ich der Definition Geldbachs (Sp.1187) gegenüber der inklusiven von James Barr (Sp.1404 ff.) eindeu­tig den Vorzug geben möchte.

Das EKL bietet dem, der bestimmte Infor­mationen sucht, weitreichende Möglichkei­ten, die dann Band V als Registerband noch erweitern wird. Als angenehm empfinde ich, daß bei Literaturangaben auch der Er­scheinungsort angegeben ist, so daß der Benutzer die genannten Bücher über den auswärtigen Leihverkehr bestellen kann. Gut ist auch, daß die Umlaute wie einfache Vokale behandelt werden. Das EKL ist ge­fällig gedruckt, nicht nur ein Nachschlage­werk, auch ein Buch zum Lesen.

Klaus Fiedler, em 1987-4.

Evangelisches Kirchenlexikon. Internatio­nale theologische Enzyklopädie. Herausge­geben von Erwin Fahlbusch, Jan Milic Lochman, John Mbiti, Jaroslav Pelikan und Lu­kas Vischer. Zweiter Band (G-K). Dritte Auflage - Neufassung, Vandenhoek & Ru­precht, Göttingen, 1989.

Nachdem 1986 der Band I der dritten, völlig neubearbeiteten Auflage des Evangelischen Kirchenlexikons (EKL) erschienen war (sie­he Rezension in em 4/1987), liegt nun Band II (G-K) vor. Er zeichnet sich wie der erste Band durch gewaltige Vielfalt aus, die sich schon im Reichtum der The­men der Artikel zeigt. Wichtiger ist aber die denominationeile Vielfalt. So werden viele wesentliche theologische Artikel aus unterschiedlicher konfessioneller Sicht be­handelt, oft von Autoren aus dem entspre­chenden Bereich. Diese Vielfalt der konfes­sionellen Verständnisweisen wird besonders deutlich bei der Behandlung des Stichwortes „Kirche“ und damit zusammenhängender Stichworte (Sp.1046-1293), aber z.B. auch beim Stichwort „Gemeindeaufbau“, das für die Volkskirche, die Freikirchen, die Kirchen der Dritten Welt, die Minderheitskirchen und die Kirchen in den USA getrennt be­handelt wird. Als Freikirchler gefiel es mir, daß der freikirchlichen Gottesdiensttradi­tion ein eigener Abschnitt (Sp.273-275) gewidmet wurde; schön hätte ich es gefun­den, wenn ihnen auch bei „Klerus und Laien“ und bei „Kirchenrecht“ ein paar Worte gewidmet worden wären, sonst könn­te der Eindruck entstehen, als hätten die Freikirchen beides nicht.

Kirche ist nicht nur interdenominationell, sondern auch international. Dieser Tat­sache wird das EKL mehr als jedes andere vergleichbare Lexikon dadurch gerecht, daß viele nicht deutschsprachige Autoren mit­arbeiten, und zwar nicht nur für die Län­derartikel, sondern auch bei den „allgemei­nen“ Themen. Daß bei internationalen Bü­chern die Übersetzung nicht immer leicht ist, zeigen Probleme bei der Übersetzung fremdsprachlicher Kirchennamen in einzelnen Artikeln, z.B. Kanada, wo von „propa­gandistischen Kirchen“ (Sp.930) gesprochen wird, oder im Artikel über Kolumbien, wo die Übersetzung eine Mission der „Evange­lischen Allianz“ schuf (Sp.1338). Hier wäre, wie in vielen anderen Länderartikeln dieses Bandes, eine Benutzung englischer oder spanischer Namen richtig. Diese Beobach­tungen sprechen aber ganz und gar nicht gegen die umfassende Beteiligung auslän­discher Autoren. (Nachahmenswert ist auch die Angabe der Übersetzer neben der An­gabe der Autoren.)

Da eine Gesamtbesprechung des Bandes zu umfangreich für diese Zeitschrift würde, möchte ich mich auf die auf em bezogenen Aspekte beschränken. Durch die Anfangs­buchstaben bedingt fehlen in diesem Band die großen evangelikalen Stichworte. Aber auch kleinere haben Bedeutung und werden solide behandelt, z.B. Gemeinschaftsbewe­gung, Heiligungsbewegung (beide Jörg Ohlemacher) und Glaubensmissionen (Peter Beyerhaus). Als Hilfe zur Unterscheidung evangelikal-fundamentalistisch kann der Ar­tikel von Ludwig Rott über den Internatio­nalen Rat Christlicher Kirchen (ICCC) die­nen, der eine faire Darstellung gibt, ihn aber doch gegenüber den Selbstdarstellungen des ICCC auf eine reale (kleine) Größe bringt.

Insgesamt wird das EKL dem freikirchli­chen und dem evangelikalen Bereich nicht nur durch entsprechende Artikel gerecht, sondern auch durch eine Vielzahl von oft treffenden Einzelinformationen (z.B. die Er­wähnung des TEAR Fund in Paul Oestrei-chers Artikel über Großbritannien und seine Feststellung, daß „die eigentlichen theologi­schen und soziologischen Trennungslinien zwischen Christen in Großbritannien heute im wesentlichen nicht mehr konfessioneller Art sind“).

Eine Vielfalt von religionswissenschaftlichen Informationen bieten die entsprechenden Artikel wie Hinduismus, Iranische Religio­nen, Islam, Islamische Philosophie, Jainismus, Judentum, Jugendreligionen u.a.m. selbst dann, wenn der Leser den von einigen Autoren deutlich gemachten Hoffnungen auf einen Dialog zwischen den Religionen nicht zustimmen kann.


Im direkt missiologischen Bereich finden sich der informative Artikel „Katholische Missionen“ (Josef Metzler) und der viele gängige Schablonen zerstörende Artikel „Kolonialismus und Mission“ von Hans-Werner Gensichen. Interessant (und aus­gewogen) ist auch der Artikel „Judenmis­sion“ von Arnulf Baumann, der u.a. auch die Lausanne Consültation on Jewish Evan-gelism und die Messianischen Juden er­wähnt. Artikel wie „Irische Missionen“ oder „Germanenmission“ vermitteln einen Überblick, wie ihn zugängliche Kirchenge­schichtsbücher so schnell nicht bieten.

Eine Fülle wichtiger Informationen bieten die Länderartikel. Es gefällt, daß in diesen Artikeln durchweg auch die nachklassischen Kirchen und Missionen genannt und ange­messen beschrieben werden, wie z.B. die Christian and Missionary Alliance und Ra­dio ELWA in John Mbitis Artikel über Guinea oder die soziale Tätigkeit der Afri-ca Inland Mission auf den Komoren (S.J. Kenneth Baker). Allerdings finden sich auch gelegentlich wenig ökumenisch klin­gende Urteile, z.B. über „Konversionskreuz­züge“ (Crusades) ausländischer evangelika-ler Gruppen in Indien (Sp.531) oder die Stereotype, daß „zum Schaden der Einheit der Indianer fundamentalistische evangelikale Gruppierungen, z.B. die New Tribes Mission oder die Wycliff-Bibelübersetzer, unter dem Vorwand des Missionsbefehls an Einfluß gewinnen“ (Sp.636 f).

Das EKL ist ein Lexikon, das in verständ­licher, umfassender und internationaler Weise Zugang zu der weiten Weit der Kir­che bietet (und darüber hinaus zu vielen Informationen, die damit in Zusammenhang gebracht werden können) und die jedem, der an der Kirche und ihrer weltweiten Tätigkeit interessiert ist, von Nutzen sind. Die qualitativ gute Gestaltung des Drucks macht es auch angenehm lesbar.

Klaus Fiedler, em 1990-4.

Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde (ELThG), Bd. 3 (O-Z), hg. von Helmut Burkhardt u.a., Wuppertal: Brockhaus, 1994.

Nun liegt das Lexikon komplett vor. Wieder sind zahlreiche (ca. 80) missiologisch interes­sante Artikel enthalten. Besonders hervorzuhe­ben sind die Artikel Ostasienmission (H. Hamer), Radiomission (H. Marquardt), Religi­on (P. Beyerhaus), Synkretismus (H. Burk­hardt), Türkei (R. Soramies), Georg Friedrich Vicedom (K.W. Müller) und Weltmissions­konferenzen (H. Wagner). Hinzu kommen zahlreiche religionswissenschaftliche Artikel von N.P. Moritzen. Schwach ist leider der
Artikel über J. Hudson Taylor. Die Tatsache, daß das Register nicht im letzten Band enthal­ten ist, sondern gegen eine Schutzgebühr nach­träglich angefordert werden muß, macht keinen guten Eindruck und läßt auf Probleme bei der Produktion schließen. Das Lexikon bleibt ein wertvolles allgemeines theologisches Nach­schlagewerk, das in manchem die erhältlichen missiologischen Lexika übertrifft, in vielem aber den Mangel an einem neueren evangeli­schen Missionslexikon deutlich macht. Für Missionare wäre es interessant, wenn der Ver­lag das Lexikon auf Diskette anbieten würde. Das erleichtert das Reisegepäck.

Christof Sauer, em 1995-4.

Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde (ELThG). Band 1. Hg. von Hel­mut Burkhardt. Wuppertal: R. Brockhaus, 1992.

Bereits der erste Band des ELThG (A-F) bietet erstaunlich viele Artikel, die für einen Missiologen interessant sein könnten (rund 80 von ca. 930 Einträgen). Am ertragreichsten sind missiologisch relevante, theologische Sachartikel, die durchweg das Lexikon zur Weltmission (1975) übertreffen und den Interessen von Evangelikalen eher entsprechen, als Rzepkowski (1992) oder das Lexikon missionstheo­logischer Grundbegriffe (1987): Absolutheit des Christentums (Ratschow), Allversöhnung, Anonyme Christen, Apologetik, Apostel/Apostolat, Bekehrung (Burkhardt), Berufung, Chri­stentum als Weltreligion (G. Sautter), Dialog (Beyerhaus), Erlösung, und Evangelisation. Kurz aber aktuell werden Missionswerke und -Vereinigungen beschrieben. Im Artikel „AEM“ wird freilich der AfeM als eine Gründung der AEM dargestellt, was der Artikel „AfeM“, nur eine Seite weiter, anders schildert.

Je stärker Einträge von rein missiologischem Interesse sind, umso weniger reichen sie aller­dings in vielen Fällen an ein Missionslexikon heran, was auch für Personenartikel gilt. Be­merkenswerte Ausnahmen sind u.a. die Artikel über Afrika, Animismus, Ärztliche Mission (H. Grüber), Basler Mission, Batak Kirchen/-Mis-sion, China, Ethnologie (L. Käser), Frankfurter Erklärung (Berneburg) und Walter Freytag (Rennstich). Weiter erhält man solide reli-gionskundliche Grundinformation (u.a. sechs Artikel von Moritzen). Schließlich informiert eine Vielzahl von Artikeln, wie sonst in keinem Lexikon, über den pietistischen, erwecklichen oder evangelikalen Hintergrund (inkl. Institu­tionen und Gründerpersonen) der meisten heu­tigen Missionen. Deshalb sei das ELThG als Ergänzung zu einem Missionslexikon und als allgemeines theologisches Nachschlagewerk wärmstens zur Anschaffung empfohlen.

Christof Sauer, em 1993-4.

Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde (ELThG). Band 2. G - N. Hg. von Helmut Burkhardt u.a., Wuppertal: Brockhaus, 1993.

Als Missiologe schlägt man zuerst den Buch­staben M auf und entdeckt zwei umfangreiche Artikel über Mission (H. Wagner) und über Missionswissenschaft (P. Beyerhaus). Weitere Missionsbegriffe sind Missionsfest, Missions­konferenzen (hier wird der AfeM erwähnt, der auf evangelikaler Seite wie eine Missionskon­ferenz wirke) und Missionsschulwesen (J. Triebel). Was zum ersten Band grundsätzlich und empfehlend gesagt wurde (em 93/4,120), bestätigt sich in den gut 100 missiologisch interessanten Artikeln des zweiten Bandes.

Deshalb ist es nicht kleinlich gemeint, wenn hier auch auf einige Schwachpunkte hingewie­sen wird. Am schwersten wiegen eigens aufge­führte Verweisstichworte, wo der genannte Artikel keinen einzigen Satz zum Thema auf­weist (Niederländische Missionsgesellschaften – Niederlande) oder es nur nebenbei gestreift wird (Nordamerikanische Missionsgesellschaf­ten - Nordamerika). In manchen Fällen wurden die Literaturangaben nicht akutalisiert, was besonders bei den Artikeln über H. Gundert (Jubiläumsjahr!) und S. Hebich auffiel. Druck­fehler – v.a. bei Namen – finden sich viele: Im bemerkenswerten Artikel über Islammission von R. Werner wurde aus K.G. Pfander ein S. Pfander, aus P. Parshall ein O. Pearshall, beim „Internationalen Missionsrat“ tagt eine Konfe­renz in Villingen statt in Willingen. Am entstellendsten wurde die erste Dissertation über eine deutsche Glaubensmission im Artikel über die Marburger Mission zitiert: N. Schmidt, Von der Evangelisation zur Kirchenführung (statt Kirchengründung!), Francke 1991.

Für Missionshistoriker interessant zu klären: War J.C.G. Krafft (1784-1845, ab 1818 Pro­fessor in Erlangen) der erste, der ein Kolleg über Missionsgeschichte hielt (so H. Kirchner, S.1172), wenn bereits 1801 J.F. Flatt in Tübingen einen besonderen missionswissen­schaftlichen Lehrauftrag erteilt bekam (Beyer­haus S.1350)?

Bei den zahlreichen Artikeln über einzelne Missionsgesellschaften entsteht der Eindruck, daß die landeskirchlichen Missionen mit weit­aus längeren Beiträgen bedacht sind als die evangelikalen. Der Artikel Gossnermission bietet zudem starke Doppelungen zum direkt vorausgehenden über J. Gossner. Der Artikel über Glaubensmissionen (K. Lagershausen) ist leider nicht so präzise wie er sein könnte (es werden hauptsächlich die Taylorschen Glau­bensprinzipien aufgezählt), und es ist nicht verständlich, warum der in den Literaturhin­weisen als Kronzeuge aufgeführte K. Fiedler nur zur Schweizer „Kooperation Evangelischer Missionen“ schreiben durfte.

Besonders positiv aus der Fülle lehrreicher Artikel ist noch zu verbuchen: ein ausführlicher Artikel über Judenmission (A. Burchartz) und ein interessanter Beitrag über den Begriff Hei­den (H. Wagner). Nach wie vor: herzliche Empfehlung zu einer lohnenden Geldanlage!

Christof Sauer, em 1995-1.

Felber, Stefan. Kommunikative Bibel­übersetzung: Eugene A. Nida und sein Modell der dynamischen Äquivalenz, Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft, 2013.

Laut seinem Vorwort, möchte Felber in dieser Studie Nidas großes Lebenswerk würdigen. Damit solle aber zugleich „kritisch gefragt werden, ob die sprach­philosophischen, theologischen und praktischen Impli­ka­tionen und Folgen seiner Übersetzungs­theorie den Eigen­arten der Bibel … gerecht werden können – oder ob sie diesen Eigenarten gar zuwiderlaufen“ (12).

Der erste Teil des Buches bietet eine historische Einführung. Für die Theorie, dass sich der Sinn eines Textes in basic kernels (Elementarsätze) er­fas­sen und so mehr oder weniger verlustfrei von einer Sprache zur anderen trans­portieren lasse, erntete Nida auch aus dem säkularen Bereich viel Lob. Felber weist darauf hin, dass es heute zwar andere Theorien gibt, die das Feld beherrschen, aber anderer­seits immer wieder neue Bibel­über­set­zungen auf den Markt kommen, die noch dem dynamisch-äquivalenten Paradigma zu­zu­ordnen sind.

In dem zweiten Teil wird die dynamisch-äquivalente Über­setzungstheorie im Spie­gel der Schriften Nidas beschrieben. Nida baut seine Über­set­zungs­theorie auf allgemein gültigen Grund­sätzen auf. Für ihn gibt es keine theo­logisch oder philosophisch gewonnene Grundlage der Bibelübersetzung. Er sah sich als Lin­guist und Anthropologe. Sprache war für ihn Kommunikation und bei der Bibel­übersetzung hob er die informative Seite der Sprachfunktionen hervor, obwohl er auch über die Wich­tigkeit von anderen Funktionen schrieb. Eine Über­setzung soll verständlich sein. Nur was vom Empfänger verstanden wird und eine angemessene Reaktion aus­löst, gilt für ihn als kommuniziert. Wird et­was nicht korrekt verstanden, so ist die Über­setzung nicht korrekt. Übersetzung wird nun nicht mehr nur als philo­logischer Vorgang verstanden, sondern als lin­guistischer und soziologischer Kom­mu­nikationsprozess.

Laut Felber gab Nida zu Beginn dem Quellenbezug gegenüber dem Empfän­gerbezug noch mehr Priorität und er war darauf bedacht, dass eine Übersetzung sowohl Form als auch Inhalt des Ori­ginals repräsentieren solle. Durch den Einfluss Chomskys gewannen Syntax­fragen für ihn zunehmend Bedeutung, was letztlich zu freieren Widergaben der Oberflächenstruktur des Originals führte. In Chomskys Modell haben Be­deu­tungs­verschiebungen bzw. Sprach­ent­wick­lung, Metaphern, etc. keinen Raum. Ob­wohl Nida nicht alles von Chomsky akzeptieren konnte, benutzte er dessen Trans­formations­grammatik an grund­le­genden Stellen. Felber sieht (mit Hem­pel­mann) in Explikationen und der Ver­meidung von Ambiguitäten eine Nach­wirkung der rationalistischen Philo­so­phie. Nidas „Übersetzungstheorie trug dazu bei, die in der westlich-aufgeklärten Philosophie verankerte Geringschätzung von Mehrdeutigkeiten, Metaphern und Poesie als anthropologisch und theo­logisch angemessener Ausdrucksformen zu verfestigen“ (232).

Der dritte Teil ist Felbers Kritik an Nidas Übersetzungstheorie gewidmet. Felber meint, dass für die Übersetzung reli­giöser Texte andere Ansprüche gelten als für die von Ge­brauchstexten. Die Spra­che (d.h. Sprach­form) der religiösen Überlieferung ist für eine Bibel­über­setzung unentbehrlich und mit ihr Meta­phern als Schlüssel reli­giöser Kom­mu­nikation. Felber beklagt, dass Nida das Thema biblischer Aspekte zur Kom­munikation nicht mehr in An­griff genommen hat. In der Bibel kom­mu­niziert Gott ständig, aber die Hörer­reaktion bleibt aus, oder die Botschaft wird missverstanden. So kann man den Sinn der Worte nicht unbedingt aus der Reaktion der Empfänger erschließen. Felber meint auch, die dynamischen Übersetzungen würden „eine Präferenz für natürliche Vorgänge hegen, weil die­se in Alltagssprache ´naturgemäß‘ leich­ter ausgedrückt werden können“. Somit reihen sich diese Bibeln ein in eine „Tendenz zur Säkularisierung der Spra­che“ (315). Laut Felber herrscht in­zwischen ein großer Konsens, dass „zwi­schen Oberflächen- und Tiefen­strukturen nicht sinnneutral transformiert werden kann (Extended Standard Theory)“, d.h. „passive Konstruktionen sind nicht neu­tral auf aktive zurückführbar“. Trans­formationen fügen Sinn hinzu, ändern, oder lassen Sinn weg (316).

In dem vierten Teil, der mit „Per­spek­tiven“ überschrieben ist, weist Felber daraufhin, dass die Lutherbibel nicht ein­fach als ein Vorläufer für die dynamisch-äquivalente Übersetzung gesehen werden könne. Das Wort „dem Volk auf´s Maul sehen“ habe Luther nicht einfach volks­missionarisch oder als simple Kom­muni­kationstechnik gemeint. Bibel­übersetzer sollten viel­mehr die Fremd­heit der Aus­gangs­texte wertschätzen sowie ihre Ober­flächen­strukturen (linguistisch) und ihre Letzt­gestalt (theologisch). Auf sinn­verän­dern­de Transformationen sei daher zu verzichten. Felber ruft Bibel­gesell­schaf­ten zur Zu­sammenarbeit auf und schreibt: „Nach gemeinsamer Be­ratung und letztlich nach den Vorgaben von Theologie und Kirchenleitungen müssen Verlage, Bibel­gesellschaften, Kir­chenlei­tungen und Theo­logen zusam­men­wirken“ (386).

Dass es jetzt „Bibeln gibt, die auf die spezifische Sprache der Bibel verzichten und ihren Inhalt alltagssprachlich dar­stellen wollen“ (12), ist für Felber äußerst problematisch. Seine Kritik ist zum großen Teil theologisch motiviert. Er betont das objektive Heilshandeln Gottes, das auch dann stattfindet, wenn der Text ambivalent ist und vom Kontext her mehr die subjektive Annahme des Evan­geliums im Vordergrund steht. Auf diesem Hintergrund lehnt er Über­set­zungen ab, die ambivalente Texte gegen seine theologische Überzeugung explizit übersetzen. Darüber hinaus führt Felber weitere Kritik an, die meines Erachtens wert ist gehört zu werden, unabhängig davon, wie man zu seiner theologischen Bewertung steht. Das gilt insbesondere dafür, dass Übersetzer von dynamisch-äqui­valenten Übersetzungen manch­mal sorgsamer mit Trans­for­ma­tionen um­gehen sollten.

Leider geht Felber nirgends auf die Übersetzungstechnik der Septuaginta ein, obwohl er eben dies auch Nida vor­wirft. Doch die Übersetzungs­prin­zipien, die Felber auf die ratio­na­listische Philo­sophie zurückführt, findet man schon in der Septuaginta, wenn auch nicht durchgängig. Dass Felber versucht, die dynamischen Übersetzungen für eine Kirche verantwortlich zu machen, die fern ist von den Wasser­bächen des Wor­tes Gottes, ist meines Erachtens falsch. Zu verlangen, dass sich Verlage und Bibelgesellschaften nach den Vorgaben von Theologie und Kirchenl­eitungen rich­ten, ist unrealistisch. Doch trotz aller Kritik enthält diese Studie manches Nachdenkenswerte auch für Menschen, die eine andere theologische Position vertreten und nicht (nur) form­orientierte, sondern (auch) kommunikative Bibel­über­set­zungen favorisieren.

Dr. Gerhard Tauberschmidt, em 2014-3.

Feldkeller, Andreas; Theo Sundermeier (Hg.). Mission in pluralistischer Gesell­schaft. Frankfurt: Lembeck, 1999.

Um Mission im europäischen Kontext in lan­deskirchlich- und universitätstheologischen Kreisen wieder stärker ins Gespräch zu bringen „bedurfte es wohl erst des gegenwärtigen fi­nanziellen Einbruchs … und einer schonungslo­sen Analyse der volkskirchlichen Situation, wie sie uns durch die Wiedervereinigung in den neuen Bundesländern vor Augen geführt wurde“ (Einleitung S.7).

Das Buch ist die überarbeitete und um einen Aufsatz des Heidelberger Missionswissenschaftlers Theo Sundermeier und drei Dokumentationen erweiterte Fassung der Nummer 6/98 der Zeitschrift "Evangelische Theologie" zum Thema "Missionarische Gemeinde". Der Schwerpunkt des Buches liegt in einer grundsätzlichen systematisch-theologischen Auseinandersetzung mit dem Konzept und der Praxis von „Mission“ im europäischen Kontext angesichts moderner, pluralistischer Anfragen.

Für Theo Sundermeier antwortet Mission auf die menschlichen Grundfragen nach Herkunft, Sein und Zielbestimmung in der dreifachen Gestalt von gemeinsamem Leben (Konvivenz), Dialog und Zeugnis, die voneinander zu unter­scheiden, aber nicht zu trennen sind. Das Zeugnis spricht von den großen Taten Gottes und lädt ein zum Fest, denn "nirgendwo ist man so sehr bei sich selbst und zugleich beim anderen wie auf dem Fest" (S. 24).

A. Feldtkeller betrachtet Mission als Weiter­gabe des Lebens in umfassender Weise. Die Tabuisierung der Mission in der Gesellschaft sei nichts Ungewöhnliches, sondern diene dem Schutz ihres Geheimnisses. Dies dürfe jedoch nicht zu einer Weigerung der Lebensweiter­gabe durch die Kirche führen. Einer pluralisti­schen Theologie der Religionen setzt er entge­gen, daß sie die „grenzüberschreitenden Im­pulse der Religionen“ abkappen würde (S.43)., die Weitergabe von Leben über die Verwandschafts- und Stammesgrenzen hinaus, wobei es gerade dieses Proprium der Mission sei, das ein pluralistisches Zusammenleben auch in Zukunft erst ermögliche. Die Zukunft des Christentums erkennt er in der spannungsvollen Beziehung zwischen Mission und volksreligiöser Inkulturation. Neben for­mal wichtigen Erkenntnissen hätte man sich hier allerdings ein deutlicheres inhaltliches Statement des christlichen Missionars ge­wünscht – über das pluralismusförderliche „Prinzip Mission“ (egal, durch welche Reli­gion) hinaus. Von daher ist auch zu fragen, ob die Zukunft des Christentums in Deutschland im Bezug auf „Konturen primärer Religion“ (d. h. Volks- und Stammesreligiosität) gesucht werden sollte, oder nicht vor allem in der Überwindung dessen, was C. Grundmann ein­mal den „Verlust der einstigen Glaubensge­wißheit“ nannte (Antrittsvorlesung Hamburg 1997).

Weitere grundlegende Aufsätze liefern M. Welker und H. Wrogemann, der mit seinem Konzept von „Positionalität“ doxologische, diakonische und zeugnishafte missionarische „Eckpunkte“ profiliert. Drei neuere kirchliche Dokumentationen zur Mission schließen den Band ab: (1) „Mission – Ökumene – Partner­schaft“, eine Erklärung der Evangelisch-Re­formierten Kirche, die u. a. den Aufruf zur Be­kehrung als Teil des Missionsauftrages thema­tisiert, (2) ein interessantes Grundsatzpapier der „Offenen Kirche Elisabethen, Basel“, das neben vielen inspirierenden Anregungen leider nur sehr undeutlich von der „Versöhnung mit der Wirklichkeit, die alles umfängt“ (S.142) als missionarischem Ziel spricht und (3) das missionarische Leitlinien-Papier der Evangeli­schen Kirche in Berlin-Brandenburg „Wachsen gegen den Trend“, in dem mit Recht die Not­wendigkeit der Verwurzelung der Kirche im Heiligen betont wird.

Alles in allem ein intellektuell anregendes Buch, das manch gute Denkanstöße gibt – vor allem, wenn es um die Notwendigkeit von Konvivenz und hörendem Dialog geht. Erfreu­lich auch, daß man die Fremdheit der unter­schiedlichen Religionen mitsamt ihrer „Absolutheitsansprüche“ und Missionsunter­nehmungen ernstnimmt. Die kreative Span­nung zwischen diesem Ernstnehmen der fakti­schen Pluralität und der Gewißheit, daß Jesus Christus der einzig(artig)e Retter und Herr ist, wird allerdings nicht immer ausgehalten. Je­denfalls hätte ich mir zu letzterem ein deutli­cheres Bekenntnis gewünscht, denn gerade darin dürfte der entscheidende Faktor für die Zukunft der christlichen Mission in der plurali­stischen Gesellschaft liegen.

Friedemann Walldorf, em 2000-2.

Feldtkeller, Andreas. Die ‚Mutter der Kirchen’ im ‚Haus des Islam’. Gegenseitige Wahrnehmungen von arabischen Christen und Muslimen im West- und Ostjordanland. Missionswissenschaftliche Forschungen. Neue Folge Band 6, Erlanger Verlag für Mission und Ökumene, Erlangen 1998.

Diese umfangreiche Habilitationsarbeit des Religions- und Missionstheologen A. Feldtkeller, der inzwischen einen Lehrstuhl an der Humboldt-Universität in Berlin innehat, untersucht das Zusammenleben von Christen und Muslimen in Jerusalem und Umgebung seit der arabisch-islamischen Eroberung bis heute. Da die Kirche von Jerusalem, die Mutterkirche der Weltchristenheit, seit dem 7. Jahrhundert – nur unterbrochen durch die Kreuzfahrerzeit - im Herrschaftsraum des Islam lebte und auch seit 1918 bzw. 1948 eng mit dem arabisch-islamischen Kulturraum verwachsen blieb, konzentriert sich der Verfasser auf das christlich-islamische Verhältnis. Er zieht eine Fülle alter und neuer, auch arabischer, Literatur heran und verwertet zahlreiche Gespräche, die er während eines mehrjährigen Forschungsaufenthaltes in der Region führen konnte.

Für Feldtkeller ist das komplizierte Gefüge der Koexistenz von dominierenden Muslimen und dominierten Christen (die zahlenmäßig allerdings lange in der Mehrheit waren) ein Beispiel für ein einigermaßen gelungenes Zusammenleben (Konvivenz) von Menschen unterschiedlichen Glaubens und unterschiedlicher kultureller und ethnischer Herkunft (aramäisch-griechisch auf christlicher Seite, arabisch-türkisch auf muslimischer Seite) in einem Prozess gegenseitiger kultureller Durchdringung. Dabei legt der Verfasser vor allem Denkkategorien der Hermeneutik (Lehre des Verstehens und der gegenseitigen Wahrnehmung) und der Soziologie zugrunde. Entsprechend entfaltet er den Stoff nicht in geschichtlicher Abfolge, sondern in kultur-soziologischen Querschnitten. Als Beispiele nenne ich die Beziehungen von Bedrohung und Schutz (Kap. 2) sowie von Außen und Innen (Kap.4): Die von außen gekommenen und die Außenwelt beherrschenden Muslime gewährten den Christen äußeren Schutz, solange diese ihr Leben auf den Innenbereich von Kirche und Haus beschränkten – so wie ein arabischer Mann seiner Frau Schutz gewährt, solange sie sich auf den Bereich des Hauses beschränkt.

Feldtkeller sieht diese Balance der Konvivenz m.E. zu positiv. Denn eine Voraussetzung für die Duldung der Christen durch die Muslime war u.a. deren Verzicht auf die Verkündigung des Evangeliums unter den Muslimen, also auf ein Kernanliegen christlicher Existenz. Feldtkeller beschränkt sich zu einseitig auf soziologische Fragestellungen und blendet die theologische Diskussion der Probleme des Zusammenlebens von Christen und Muslimen zu sehr aus. Dadurch erscheint die Konvivenz – zu welchem Preis auch immer – als ein Wert an sich. Dennoch bietet das Buch eine Fülle interessanter und wertvoller Einsichten und Einblicke, die durch das umfangreiche Literatur- und Stichwortverzeichnis positiv ergänzt werden.

Eberhard Troeger, em 2001-3.

Feldtkeller, Andreas. Sieben Thesen zur Missionsgeschichte, Berliner Beiträge zur Missionsgeschichte, Heft 1. September 2000.

In dieser Thesenreihe von A. Feldtkeller, Professor für Religions- und Missionswissenschaft sowie Ökumene an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, wird Missionsgeschichte unter der Annahme betrachtet, dass eine Mehrzahl von „missionarischen Religionen“ (u.a. Buddhismus, Christentum und Islam) in einer gemeinsamen Geschichte miteinander verwoben seien. Die „missionarische Religion“ als ethnische Grenzüberschreitung sei nicht selbstverständlich. Sie unterscheide sich von der Abstammungs-Religion, in der Menschen außerhalb der eigenen Gemeinschaft als fremd und bedrohlich angesehen würden. „Es mag vielen heute selbstverständlich erscheinen, dass Leben mit allen Menschen zu teilen ist, aber wir hätten dieses Kulturgut nicht, wenn es nicht ursprünglich einmal durch den missionarischen Impuls des Christentums in unsere Lebenswelt eingeführt worden wäre“ (S.7). Gerade diese wichtige Beobachtung wirft die Frage auf, ob man so generell-verallgemeinernd von „missionarischen Religionen“ sprechen kann, und ob nicht - auch im Bereich der kulturellen Auswirkungen – gravierende Unterschiede zwischen z.B. islamischer, buddhistischer und christlicher Grenzüberschreitung bestehen? Zeichnen sich wirklich alle „missionarischen Religionen … durch das Bemühen, Gemeinschaft zwischen Menschen verschiedener Kulturen herzustellen“ aus (vgl. Pressemitteilung), oder ist dies westliches Wunschdenken?

Feldtkeller interpretiert Missionsgeschichte als Geschichte kultureller und religiöser Grenzüberschreitung. In ihr sei ein erheblicher Teil der Konstitutionsbedingungen gewachsen für heutiges Zusammenleben in pluralistischen Gesellschaften und in einer entstehenden Weltgesellschaft. Der auf Gemeinschaft über Grenzen hinweg zielende missionarische Impuls trete notwendig in eine Beziehung zum politischen Leben; er werde darin jedoch auch missbrauchbar, bzw. führe zur Verfolgung von politisch Unerwünschten. Entscheidend für den Aufbruch der modernen Missionsbewegung (seit W. Carey) sei die Idee der Religionsfreiheit (und damit verbunden vor allem der Missionsfreiheit) und die Hoffnung auf deren Umsetzung in aller Welt gewesen. Diese Idee der Entflechtung von Macht (Politik) und Mission sei in der Folge auch von islamischen, hinudistischen und buddhistischen „Missionaren“ übernommen worden, die nun Mission nach dem Vorbild des Westens im Westen trieben. Nicht zuletzt diese Erfahrung habe zur Desillusioniserung der modernen Missionsbewegung beigetragen. Hier ist zu fragen: war es wirklich die Hoffnung auf Religionsfreiheit, die zum Hauptmotivator der modernen Mission wurde? Ist diese These angesichts der vielen Märtyrer christlicher Missionsgeschichte haltbar?

Grundlegend für Feldtkellers Thesen ist das Anliegen, den Missionsbegriff für die moderne, pluralistische Gesellschaft zu rehabilitieren und so auch die Missionsgeschichte als relevant aufzuweisen (These 1). Dazu definiert er Mission nicht mehr spezifisch christlich-theologisch, sondern in religions­wissenschaftlicher Weite als „Weitergabe von Leben“ (S.4). Weil es sich dabei um ein göttliches Geheimnis handele, werde Mission zu Recht in der westlichen Gesellschaft als Tabuthema behandelt. Nicht berechtigt allerdings sei es, auch die Missionsgeschichte zu tabuisieren, und sich mit ihr nicht mehr ernsthaft auseinanderzusetzen. Sie enthalte trotz der bekannten Problematiken „sehr viel Bemühung um Gerechtigkeit“ (S.5). Der Historiker müsse versuchen, dieser Tatsache gerecht zu werden und könne dabei aus dieser Geschichte Maßstäbe dafür gewinnen, „was Gerechtigkeit in der Gegenwart heißen kann“(S.6).Während Feldtkellers Thesen insgesamt eine Reihe von beachtenswerten Überlegungen enthalten und mit Recht die profangeschichtlichen Implikationen der Missionsgeschichte in den Blick nehmen, ist vor allem zur ersten grundlegenden These kritisch anzumerken, dass das zutreffend beobachtete Missions-Tabu in der westlichen Gesellschaft wohl kaum auf ein Gespür der Gesellschaft für das geheimnisvolle Handeln Gottes zurückzuführen ist, sondern wohl eher einerseits eine (verständliche) Reaktion auf europäisch-westliche Überheblichkeiten in der Vergangenheit ist und andererseits in der modern-individualistischen Haltung, daß Glaube Privatsache sei und im „Verlust der einstigen Glaubensgewissheit“ (C. Grundmann) begründet liegt. Inwieweit Feldtkellers Aufnahme einer vorwiegend religionsgeschichtlichen Sichtweise des Phänomens „Mission“ eine Abkehr von einer biblisch-theologischen Missionbegründung impliziert und so als Indiz eben dieses Verlustes der Glaubensgrundlagen auch in der Missionswissenschaft selbst gedeutet werden muß, ist eine offene Frage. M.E. kann die Missionsgeschichte der christlichen Kirche mit ihren Licht- und Schattenseiten und ihren welt- und kultur- und religionsgeschichtlichen Implikationen nur unter Einbeziehung ihrer biblisch-theologischen und geistlichen Identität, Begründung und Motivation angemessen verstanden werden.

Dr. Friedemann Walldorf, em 2002-3.

Feneberg, Rupert. Der Jude Jesu und die Hei­den. Biographie und Theologie Jesu im Markus­evangelium. 2. Aufl., Herders Biblische Studien 24, Freiburg, Basel, Wien: Herder, 2001.

Seit der Diskussion der späten fünfziger Jahre über Jesu Verhältnis zu den Heiden (vgl. z.B. J. Jeremi­as, Jesu Verheißung für die Völker, 1953; D. J. Bosch, Die Heidenmission in der Zukunftsschau Jesu: Eine Untersuchung zur Eschatologie der sy­noptischen Evangelien, 1959) hat es kaum weitere Studien zu diesem Thema gegeben. Dem katholi­schen Theologieprofessor Rupert Feneberg geht es in diesem Buch um das Erfassen des Verhältnisses Jesu zu den Heiden in der Gesamtstruktur und theologischen Entwicklung des MkEv. Dabei ver­tritt er folgende These: „Markus schrieb sein Evan­gelium unter dieser Leitfrage: Wo und wie im Le­ben Jesu, in seinen Worten und Taten, ist diese Entwicklung zur Heidenkirche angelegt?“ (153). Hierbei handelt es sich um eine Fragestellung, die gut zu den heidenchristlichen Empfängern des MkEv passt. Von besonderem Interesse ist der ent­scheidende Abschnitt „Jesus und die Heiden“ (Mk 6,14-8.30 tw. mark. Sondergut, 145-95). Nach F. hat die Begegnung Jesu mit dem besessenen Gerasener und seine Heilung in Mk 5,1-20 diesen Ab­stecher Jesu in heidnisches Gebiet ausgelöst. F. spricht hier von einem „neuen Schlüsselerlebnis für Jesus“ (136-44). „Was nur als Rückzugsbewegung begonnen hatte, bekam jetzt eine unerwartete eige­ne Perspektive“ (153). Die in diesem Abschnitt thematisierte Frage nach der Person Jesu, die im Messiasbekenntnis gipfelt (8,27-30), wird vor al­lem durch das Verhalten Jesu gegenüber den Hei­den bestimmt. Was inhaltlich bei Matthäus und Lukas u. a. in den Kindheitsgeschichten geschieht, bereitet Mk durch seinen Bericht des Wirkens Jesu vor.

F. behandelt und vergleicht die beiden Brotvermehrungen bei Juden am Westufer (6,32­-44) und bei Heiden am Ostufer des Sees Genezareth (8,1-9, vgl. 7,31), denen Jesus, ohne die beson­dere Erwählung Israels aufheben zu wollen, sym­bolisch Anteil an der Heilsgabe gibt. Jesu Lehrrede über „rein“ und „unrein“ (7,1-23) unmittelbar vor Aufbruch in nicht-jüdisches Gebiet dient „im Zu­sammenhang des Evangeliums der theoretischen Vorbereitung der bevorstehenden Ereignisse im Heidenland“ (176; vgl. auch den kompositioneilen Aufbau von Apg 10, wo die Vision des Petrus dem konkreten Auffrag, das Haus eines Heiden zu betre­ten, vorausgeht). Aus der Abfolge des MkEv ergibt sich, dass Jesus seinen Abstecher ins Heidenland theoretisch vorbereitet hat und sein dortiges Han­deln, einschließlich der Tischgemeinschaft mit Hei­den (im Rahmen des zweiten Speisungswunders), vorbereitet hat.

Auf der Reise geschehen vier Wunder unter und an Heiden: die Speisung und drei Exor­zismen bzw. Heilungen: 7,24-30; 7,31-37; 8,22-26. Der ungewöhnliche Charakter der Heilung des Taubstummen in der Dekapolis und des Blinden in Bethsaida an dem mit Heiden assoziierten Ostufer des Sees Genezareth erklärt sich aus der Lokalisie­rung in heidnischem Umfeld: „Die zwei ‘komplizierten’ Heilungswunder… erzählen von der Liebe Gottes auch zu den Heiden in einer Art und Weise, dass durch diese Heilstat Gottes der Unter­schied in der Erwählung [von Juden und Heiden] nicht aufgehoben wird“ (377). Die eingeschobene Zeichenforderung der Pharisäer in 8,10-13 (zurück am Westufer des Sees, 8,10) ist direkt auf das Spei­sungswunder unter den Heiden zu beziehen: Mit ihrer Forderung bezweifeln die Pharisäer, „dass Gott ein solches Heilszeichen auch für die Heiden wollen kann. Der Sauerteig [der Pharisäer, vor dem Jesus anschließend bei der Rückfahrt die Jünger warnt, 8,15] meint also an dieser Stelle nicht eine bestimmte Lehre oder Haltung der Pharisäer, son­dern gezielt ihre Ablehnung der von Jesus gezeig­ten Liebe zu Heiden“ (184f). Auch das in 8,27-30 folgende Christusbekenntnis ist aus dieser Signal­wirkung tragenden Reise zu den Heiden zu verste­hen: „Die Hinwendung Jesu zu den notleidenden Heiden führt dazu, dass Petrus und die Jünger über den Prophetentitel hinaus zum Christusbekenntnis kommen“ (188). Nach den Eindrücken dieser Reise gab es für die Jünger nur zwei Möglichkeiten: „Die Jünger konnten sich jetzt nur von Jesus abwenden, weil sie ihn nicht mehr verstanden, oder sie muss­ten ihn in ihrem Nichtverstehen auf seinem Weg in das Heidenland auf eine neue Weise qualifizieren und ihn anders sehen lernen“ (189). F. unterstreicht die Bedeutung dieses Abschnitts für die Struktur und theologische Entfaltung des MkEv: „Erst durch die Heidenreise in Mk 6,45-8,26 ist das Messiasbe­kenntnis des Petrus in Mk 8,29 überhaupt möglich geworden. Denn erst damit hat sich inhaltlich ge­klärt, in welche Richtung Jesu besondere Aufgabe gehen sollte. Jesus ist für Petrus der Christus ge­worden, das heißt: der jüdische Gesalbte Gottes, der sich in einer verschwenderischen Großzügig­keit und Liebe auch für die Not bei den Heiden einsetzen und auch bei ihnen Gottes Heil anzeigen und wahrmachen soll“ (191). Diese Entwicklung entfaltet F. im weiteren Verlauf seiner Studie. Als König verkündet Jesus sein Programm im Tempel (11,1-13,37).

In einzelnen Beobachtungen am Text, in der Beur­teilung der Historizität des Itinerars von Mk 3,7­-8,30 („Ein Leitfaden für den Weg Jesu zwischen Juden und Heiden“, 152-62) sowie in den topogra­phischen Kenntnissen des Markus und der Datie­rung des MkEv kann man mit guten Gründen auch zu anderen Ergebnissen als F. kommen. Der Ge­samtthese des Bandes ist jedoch zuzustimmen, dass die Heiden und die Heidenmission kein Nachge­danke des Auferstandenen oder eine Rückprojekti­on der Gemeinde waren, sondern schon zu Jesu irdischen Lebzeiten in seinem Blick waren, bzw. durch göttliche Führung mehr als nur in den Blick gekommen sind und dass Jesus als der Christus Gottes nicht nur für das jüdische Volk ein Evange­lium war (vgl. die interessanten Schlussfolgerun­gen zum Verhältnis der Erwählung und Stellung Israels und den Heiden, 376-78). Dies ist missions­theologisch für die Verankerung der Mission im Wirken und Willen Jesu – über die oft angeführten Missionsbefehle hinaus – von grosser Bedeutung. Die Kirche dieses Christus kann und muss den Menschen, die ihn nicht kennen, nach dem Beispiel Jesu begegnen, der sich keine Provokation scheu­end ihrer Not gegenüber nicht verschlossen hat (7,14-8,9; 8,22-26).

Dr. Christoph Stenschke, em 2003-3.

Fermor, Gotthardt. Ekstasis. Das religiöse Erbe in der Popmusik als Herausforderung an die Kirche. Praktische Theologie heute, Band 46. Stuttgart: Kohlhammer, 1999.

Zunehmend wird in der wissenschaftlich­theologischen Forschung das Phänomen der Popmusik wahr- und ernstgenommen. Das ent­spricht durchaus ihrer Bedeutung in der postmo­dernen Lebenswelt und damit auch der Heraus­forderung, die sich für die Gemeinde Jesu Chris­ti damit verbindet. Die Zugänge und Interpreta­tionen sind allerdings sehr unterschiedlich. In dieser Bonner Dissertation fragt der Autor nach der Bedeutung ekstatischer Religiosität (oder religiöser Ekstase) in der säkularen Popmusik für die praktische Theologie und die Praxis der evangelischen Volkskirchen. Er tut dies in ei­nem methodisch komplexen Untersuchungs­gang, in dem kulturanthropologische, religions­soziologische und theologische Zugänge mitein­ander verknüpft werden, den er als „hermeneutisch-phänomenologisch“ bezeichnet. Zunächst stellt der Verfasser verschiedene inter­disziplinäre (musikwissenschaftlich, psycholo­gisch, ethnologisch, politisch-ökonomisch etc.) und theologisch motivierte Untersuchungen zur „Lebenswirklichkeit Popmusik“ dar. Äußerst kritisch setzt er sich in diesem Zusammenhang mit der evangelikalen Studie Horst Neumanns (Diss. Tübingen, 1985) auseinander, dem er zwar eine große „Nähe zu den Phänomenen“ bescheinigt, aber eine generelle Dämonisierung der Popmusik – (angeblich) basierend auf einer „Hermeneutik der Unhinterfragbarkeit“ der bib­lischen Texte – vorwirft (S. 75). Im Folgenden zeigt sich, dass Fermor in den Analysen weitge­hend Neumanns „Religionisierungs“-Ansatz bezüglich der Beurteilung der Popmusik teilt (d.h. eine bestimmte Rhythmik impliziert religi­öse Ekstase- und Geisterfahrungen), in der theo­logischen Bewertung allerdings aufgrund offen­barungstheologischer Weichenstellungen zum gegenteiligen Ergebnis kommt: statt von Dämonisierung spricht Fermor (aufgrund einer kosmi­schen Pneumatologie) von der positiven „Theologizität“ der säkularen Popmusik. Der Autor zeigt auf, wie die Bewegungs-, Bild-und Wortebenen der Popmusik in Konzerten (z.B. bei Michael Jackson) zu einem religiös­ästhetischen Inszenierungs-Ritual der Ekstase verschmelzen, das sowohl religiös-ethisch „ent­grenzend“ als auch (gerade in der Entgrenzung) „vergemeinschaftend“ wirkt. Diesem Phänomen der Ekstase geht er an den Wurzeln der Popmu­sik zunächst in der musikalischen Religiosiät Afrikas, dann im Bereich der afro­amerikanischen Entwicklungen des Spiritual, Blues und Gospel und schließlich des Rock’n’ Roll nach. Durch die oben erwähnte und m.E. falsche Religionisierung der sog. „off-beat“-Rhythmik interpretiert Fermor die Spirituals unzutreffenderweise als „synkretistische Religi­onsform“ (S.132) und unterbewertet die Tatsa­che, dass Rhythmus und Ekstase auch anthropo­logische Kategorien sind und sich durchaus mit genuin christlicher Aussage verbinden können (vgl. Theo Lehmann, Negro Spirituals: Ge­schichte und Theologie, Neuhausen, 1996). Die Ergebnisse der Konzertstudien und des Gangs durch die Geschichte der Popmusik dis­kutiert Fermor nun auf dem Hintergrund kultur­anthropologischer Ritualtheorien (V. Turner), religionssoziologischer Entwürfe und biblisch-kirchengeschichtlicher Beobachtungen. Letztere machen (entgegen Fermors Interpretationslinie) deutlich, dass ekstatische Musikalität biblisch­theologisch in der durchaus konstruktiven Span­nung zwischen „Ablehnung heidnischer Kult­praktiken“ (S.198) und „humanschöpfungsgemäßer Vollzugsform“ verstanden werden kann, also nicht automatisch eine Entgrenzung bib­lisch-christlicher Glaubensinhalte und Lebens­weisen impliziert. Gerade diese biblisch „be­grenzte“ Ekstase allerdings ist Fermor immer wieder ein Dorn im Auge. So kritisiert er im Bereich der christlichen Popmusik, dass die „ri­tuellen Dimensionen … mit nur ,angezogener Handbremse’ erlebbar gemacht“ werden (S.164) und die „normativen Gestaltungsvorgaben vor allem im Bereich der Sexualmoral“ die Ge­fahr bergen, die entgrenzenden „Gehalte dieser Musikerfahrungen wieder zu verspielen“ (S.165). Er zitiert dazu einen Kommentar zu christ­lichen Popkonzerten: „Sex und Gott vertragen sich nicht gut. Das ist das große Problem aller Christen-Acts“ (Fußn.304). Abschließend bietet Fermor seine eigene theo­logische Perspektive zur kritischen Würdigung ekstatischer Musikalität in der säkularen Pop­musik. Grundlegend verortet Fermor seinen An­satz in Paul Tillichs Kulturtheologie, die von „der Komplementarität von Kultur und Religi­on“ (S.234) ausgeht. Diesen Ansatz erweiternd greift Fermor neuere Konstrukte einer kosmi­schen Pneumatologie (Moltmann, Welker, Schroer) auf, die den Geist Gottes weder an den biblischen Christus noch die Kirche gebunden sieht und dadurch „einen offenen Dialog zwi­schen Kirche und Kultur und Kooperation mit allen kulturschaffenden Kräften“ ermöglichen möchte (S.235). Kriterium zur theologischen Beurteilung popmusikalischer Ekstase- und Ent­grenzungserfahrungen sind weder Bibel noch Kirche, sondern (1) die Wahrung der Persön­lichkeit und (2) der Verweis auf eine unverfüg­bare Transzendenz (S.236). „Die Besonderheit einer christlichen Perspektive“ zu ekstatischen Erfahrungen in der säkularen Popmusik liegt nach Fermor darin, „Lebenskraftsteigerung“ und „Gebrochenheit“ (S.241) in ihrem dialektischen „Zusammenhang zu bewahren“ (S.241). Prakti­sches Ziel für die Kirche müsse sein, die säkula­re Popmusik theologisch zu deuten als Über­windung von „religiösen Identitätsbildungen“ und „Rückbindung an … das Geheimnis, das Unverfügbare, das Zwischen“, das auch als „die unendlichen Möglichkeiten Gottes“ beschrieben werden kann (S.242).

Ein brilliant geschriebenes, manchmal allerdings fachterminologisch überladenes Buch, das auf einen wichtigen Kontext gegenwärtiger christli­cher Theologie und Mission hinweist. Hilfreich für weiterführende Studien ist die 27-seitige kategorisierte Bibliographie zu „Popmusik und Religion“ im Anhang, neben einem alphabeti­schen Literaturverzeichnis. Die interdisziplinäre Beschreibung und Analyse der popmusikali­schen Lebenswelt ist methodisch sehr interes­sant, inhaltlich oft zutreffend, allerdings durch „ideologische“ Vorentscheidungen geprägt und dadurch m.E. manchmal verzeichnend. Die Fra­ge, die sich am Schluß dem Leser stellt, ist, worin die spezifisch christlich-theologische Identität dieser (in einer praktisch-theologischen Reihe erschienen) Arbeit besteht, deren Ziel parado­xerweise die Entgrenzung, d.h. z.T. auch Über­windung, biblisch-christlicher Glaubens- und Lebensweise zugunsten einer diffusen ekstati­schen Religiosität ist. M.E. benötigt die Ge­meinde Jesu als Mit-, Für- und Gegenkultur eine solche Grundlegung nicht, um in einem lebendi­gen und missionarischen Dialog auch mit einer popmusikalisch geprägten Welt zu stehen. Im Gegenteil: gerade dieser Dialog benötigt Ge­sprächspartner mit einer biblisch begründeten Identität. Auch der „Religionisierung“ popmusi­kalischer Rhythmik, die diese Arbeit auf eine inhaltliche Stufe mit den sog. „evangelikalen Warnschriften“ (S. 300f) stellt, ist zu widerspre­chen. Gerade die Spirituals und nachfolgende musikalische Entwicklungen in bibelgläubigen Gemeinden zeigen, dass christliche Glaubens­ und Lebensweise (als religiös-theologischer Inhalt) und popmusikalische Ausdrucksformen (als anthropologische Kategorien) sich nicht widersprechen müssen. Die „angezogene Hand­bremse“ wollen wir dann gerne akzeptieren – besser als ohne Bremsen in den Abgrund zu rauschen.

Dr. Friedemann Walldorf, em 2004-2.

Fernando, Ajith. The NIV Application Commentary: Acts, Grand Rapids: Zondervan, 1998.

„Es ist wichtig”, so höre ich noch Dick Dowset auf der ESMA Tagung 2004 sagen, „dass wir mehr darauf hören, was unsere afrikanischen, südamerikanischen und asiatischen Geschwister über Mission sagen und schreiben.“ Der NIV Application Commentary über die Apostelgeschichte, geschrieben von dem Srilankesen, Ajith Fernando, ist meines Erachtens das beste Beispiel für die Wahrhaftigkeit dieser Aussage. Doch erst ein paar Worte zu der Serie in der das Buch 1998 erschien.

Die NIV Application Commentary Serie verfolgt das Ziel, über die fachgerechte Auslegung des Textes hinaus, den Bogen zu der Anwendung in der Gegenwart zu spannen. Jeder Textabschnitt wird in drei Teilen besprochen. Im ersten Teil, „Original Meaning“, wird das Verständnis des Textes für die Hörer im 1. Jahrhundert nach Christus verdeutlicht. Wie in jedem anderen Kommentar werden alle Elemente einer traditionellen Exegese diskutiert. Im zweiten Teil, „Bridging Contexts“, wird eine Brücke vom Kontext der ersten Leser zum Kontext des heutigen Lesers geschlagen. Dabei werden besonders die zeitgebundenen, von den nicht zeitgebundenen Aspekten des Textes unterschieden. Im dritten Teil, „Contemporary Significance“, wird die Anwendung des Textes in der Gegenwart diskutiert. Etwas überschwänglich formulieren die Herausgeber, dass dieser Abschnitt es erlaube, die biblische Botschaft heute genauso vollmächtig zu verstehen, wie sie damals geschrieben wurde (:11).

Es ist offensichtlich, dass vielen Christen im 21. Jahrhundert die Anwendung der Bibel auf ihre Lebenswelt aufgrund des großen zeitlichen Abstandes zwischen Niederschreibung und heute schwer fällt. Die Dreiteilung der Textbesprechung in den „Application Commentaries“ zwingt den Autor und somit seine Leser dazu, nach der Bedeutung der Bibel heute zu fragen.

Zurück zu Ajith Fernandos Kommentar zur Apostelgeschichte. Was kann uns ein Kommentar zur Apostelgeschichte für die Mission heute lehren? Die Apostelgeschichte beschreibt wie kein anderes Buch der Bibel die Anfänge der Mission. Wie kein anderes Buch wurde aber auch die Apostelgeschichte oft dazu benutzt, so genannte „rein biblische“ Gemeinde- und Missionsmodelle zu postulieren. Durch seine gute Exegese zeigt Ajith Fernando auf, wie dieses Geschichtswerk uns zu legitimen Ansätzen für die Mission heute führt. Er studiert z.B. ausführlich die Reden der Apostel und die Gebete der Gemeinde. Sehr deutlich arbeitet er dabei Mängel der heutigen Verkündigung heraus. Wie sehr war den ersten Christen in der Verkündigung das Leben Jesu bedeutsam und wie sehr beschränken wir uns heute oft auf seinen Tod und seine Auferstehung. Wie sehr beharren wir evangelikale Christen in der Mission auf den Fakten des Glaubens, ohne die so nötige subjektive Seite des Lebens im Heiligen Geist und der Freude der intimen Gemeinschaft mit Gott zu betonen. Wie sehr stellt das Beten und Leben der ersten Christen das Verständnis unserer individualistischen Gesellschaft von Verantwortung füreinander, Gemeinschaft untereinander und vor allem unsere Leidensbereitschaft in Frage? Die Missachtung dieser Aspekte, so folgert Ajith Fernando, macht unsere missionarische Verkündigung leer und das daraus entstehende Christsein blutarm und lau.

Ajith Fernando, der eine integrierte Besprechung der Aspekte „Original Meaning“, „Bridging Contexts“ und „Contemporary Significance“ bevorzugt hätte (:16), versteht es meisterlich den Text der Apostelgeschichte in den Kontext der postmodernen Welt zu bringen. Mit Scharfsinn und überraschender Klarheit deckt er unbeachtete Aspekte auf. Seine Beobachtungen, auch wenn an manchen Stellen etwas zu ausführlich, hinterfragen, regen zum Nachdenken an, und ermutigen den Leser, die alte Botschaft der Apostelgeschichte neu zu entdecken.

Ajith Fernandos Kommentar zur Apostelgeschichte ist daher eine äußerst lohnenswerte Lektüre, nicht nur für Bibelschullehrer oder Gemeindepastoren. Vor allem Verantwortliche in der Mobilisation, in der Missionsleitung und im Gemeindedienst werden im persönlichen Bibelstudium mit diesem Buch biblisch-theologisch für ihren Dienst zugerüstet. Dies gilt besonders, wenn sie sich mit Gemeindebau, mit Fragen von Gemeindestruktur und Gemeindeordnung sowie mit Missionsstrategien, hier oder in Übersee, beschäftigen. Aber eigentlich sollte jeder bewusste Christ sich gründlich mit der Apostelgeschichte beschäftigen. Ajith Fernandos Kommentar wird ihm dabei helfen, in rechter Weise die geschichtlichen Anfänge seines Glaubens auf seinen Alltag heute zu übertragen. Er ist verständlich geschrieben und ein gutes Werkzeug für jeden, der tiefer ins Wort Gottes hinein wachsen will.

Wahrscheinlich werden alle, die Ajith Fernandos Kommentar zur Apostelgeschichte in Händen hatten, Dick Dowset recht geben, der ermahnte mehr auf unsere nicht westlichen Geschwister zu hören. Leider sind aber viele ihrer Stimmen bisher nur denen vorbehalten, die zumindest der englischen Sprache mächtig sind. So ist auch dieser Kommentar bisher nicht auf Deutsch erhältlich.

Sabine & Hans Walter Ritter, em 2004-4.

Fiedler, Klaus. Ganz auf Vertrauen. Ge­schichte und Kirchenverständnis der Glau­bensmissionen. Gießen/Basel: Brunnen, 1992.

Ein großes Werk, das nicht wenig leistet: Es erschließt die Bewegung der Glaubensmissio­nen in ihrer geschichtlichen Eigenart, Zusam­mengehörigkeit und Dynamik als ein eigen­ständiges Ergebnis von Erneuerungsbewegun­gen im Protestantismus, die ihrerseits einer beachtlichen Anzahl von Kirchen mit z.T. be­achtlicher Größe (jedenfalls in Afrika) zu Ent­stehung und Wachstum verholten hat.

Diese Bewegung ist leider nicht voll wahr­genommen worden, weil sie nicht in den Raster einer Kirchengeschichte der Denominationen paßt – da liegt sie als eine Reihe von Störfak­toren am Rande. Und nicht viel besser ist es in der Sicht der Missionsgeschichte der „Klassi­schen“ Missionen, die zur Entstehung der öku­menischen Bewegung beigetragen haben und sich an ihr orientiert haben. Damit wird auch deutlich, inwiefern die evangelikalen Missio­nen als eine zusammenhängende Gruppe nicht eine Randgruppe Unzufriedener sind, sondern eine eigene geistliche Qualität und Vitalität haben.

Der Verfasser leistet diese Arbeit mit den Methoden des Historikers, der seine Aussagen mit Quellen belegen kann. Die Fußnoten um­fassen oft ein Drittel der Seite (und mehr) und bringen nicht nur den Fundort, sondern Zusatz­informationen und kleine Exkurse. 22 engbe­druckte Seiten, ca. 600 Titel, umfaßt das Lite­raturverzeichnis. Andere Quellen wie Archiv­material, Protokolle, Briefe, Interviews und Zeitschriften (85) sind noch einmal über 600. Das verarbeitete Material ist immens, und es wird übersichtlich: 10 Karten, 8 Zeittafeln, 7 Tabellen, 5 Graphiken und Übersichten machen Zusammenhänge überschaubar. Ein Register von 17 Seiten (doppelspaltig) erleichtert das Nachschlagen; eine Reihe von „Glaubens­grundlagen“ (doctrinal Statements) bringt 9 wichtige Texte, die aber auch im Text selbst
durch Zitate zu Wort kommen. Bei aller Mate­rialfülle ist das Buch eine spannende Lektüre, die auch dem Kenner der Missionsgeschichte recht viel Neues zu bieten hat.

Der erste Teil stellt die Glaubensmissionen geschichtlich dar, in drei Kapiteln: als Teil der Evangelischen Missionsbewegung, ihre Ent­stehung und Grundkonzepte und ihre Ge­schichte in Afrika im Überblick (9-178). Das wäre schon ein beachtliches Werk.

Nun aber geht es dem Verfasser darum, das Kirchenverständnis der Glaubensmissionen zu erheben, und zwar mehr aus ihrem Handeln als aus Texten zur Ekklesiologie. Denn sie haben Kirche gegründet, und sie haben in christlicher Gemeinschaft gehandelt, also Fragestellungen der klassischen Ekklesiologie explizit und im­plizit beantwortet. Es blieb nicht nur beim Glauben an eine rein geistliche Einheit.

Diese Darstellung erfolgt in zwei Arbeitsgängen. Zuerst werden die Attribute der Kirche nach dem Nizänum als Leitbegriffe verwendet: Einheit, Heiligkeit, Katholizität und Apostolizität. Dabei wird immer auch dargestellt, wie die übernommene Botschaft in der afrikani­schen Kirche rezipiert und modifiziert wurde.

Zweitens werden die konstituierenden Merkmale der Kirche nach den reformatori­schen Bekenntnissen (Wort, Sakrament und Amt) in ähnlicher Weise behandelt. Ein letztes Kapitel über Denominationalisierung und In­ternationalisierung rundet die Darstellung ab. Ein umfangreiches Material wird hier in dieser Form zum ersten Mal wissenschaftlich bear­beitet: nur wenige Ausschnitte sind zuvor kri­tisch dargestellt worden. Der Autor vermeidet Verallgemeinerungen, die nicht durch genau dargestellte Beispiele belegt und veranschau­licht sind, und läßt Ausnahmen nicht uner­wähnt. Von dieser Materialfülle bedeutet das Werk einen großen Gewinn, das wird kaum zu bestreiten sein.

Der Ansatz bei der Ekklesiologie bewirkt eine kritische Darstellungsweise; die Sichtwei­se ist ungewohnt, das Phänomen „interdenominationell“ zwar nicht unbekannt, aber selten so genau erfaßt, so deutlich definiert: Fragen der Kirchengestalt haben keinen Vorrang. Aber die konkreten Kirchen (Denominationen) werden zwar kritisiert, aber auch herausgefordert und transzendiert.

Ekklesiologie ist unter diesen Attributen ein unerwartetes Thema, und die Vorgehensweise ist neuartig. Die vier klassischen Attribute der Kirche finden sich vorrangig in Beziehung auf Individuen und deren Handeln wieder, ähnlich die reformatorischen Merkmale der Kirche. Aber das soll nicht heißen, daß sie auf Ethik reduziert sind! Jedenfalls ist hier eine Erschlie­ßung dieser Bewegung gelungen, wie sie bisher fehlte.

Niels-Peter Moritzen, em 1993-1.

Findeisen, Sven. Unter dem weiten Bogen. Mein Leben, Wuppertal: Brockhaus, 2002.

Dass Mission nicht nur in Afrika, sondern mitten in Deutschland geschieht, wissen wir schon länger. Die vorliegende Autobiographie erzählt persönliche und theologische Facetten der seelsorgerlichen Mission eines Theologen unter Theologiestudenten und unter Arbeitern. Der Autor, Sven Findeisen, ist der Begründer der 1971 begonnenen Krelinger Theologiestudentenarbeit und war lange Jahre evangelischer Pastor in der Industriestadt Neumünster in Schleswig-Holstein. In diesem Buch erzählt Findeisen seine Geschichte – und damit auch die Geschichte der Mission Gottes in seinem Leben. Sie reicht von Estland über Leipzig, Föhr, Bethel, Stockholm bis nach Neumünster und Krelingen. Auf einer Abiturientenfreizeit wird Findeisen von einem Bibelwort über der Tür des Hermannsburger Missionsseminars getroffen: „In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis“. Das empfand er als neuen und guten Gedanken: „Hier wäre der Weg in unserer Welt“ (S.79). Dieser Weg wird ihm zur Gewissheit und zieht sich von nun an durch Höhen und Tiefen seines Lebens. Findeisen erzählt von prägenden Begegnungen im Studium, vor allem mit Hellmuth Frey in Bethel und Karl Barth in Basel; er berichtet von der nüchternen Realität der missionarischen Arbeit unter deutschen Matrosen im Vikariat in Stockholm und von den Herausforderungen und Früchten des missionarischen Gemeindeaufbaus in Neumünster. Bemerkenswert sind auch die eingeflochtenen Erfahrungen zweier Asienreisen.

Doch das Buch bietet nicht nur Einblicke in das missionarische Ringen eines Gemeindepastors in einer Arbeiterstadt, sondern auch in das Ringen um theologische Grundlagen in Kirche, Universität und Gesellschaft am Ende der 1960er Jahre. Der Leser erlebt die Entstehungsgeschichte der Bekenntnisbewegung „Kein anderes Evangelium“ mit, zu deren Vorstand Findeisen lange gehörte. Hier wurden wichtige Grundlagen für die Mission in Deutschland und weltweit erarbeitet. Doch als die Bekenntnisbewegung sich in den 90er Jahren gegen die missionarische Arbeit von ProChrist und Ulrich Parzany zu wenden begann, „fiel ich einfach heraus wie durch ein kaputtes Netz, in dem mich nichts mehr hielt“ (S.243). Findeisen wollte Fundamente, aber keine Festungen; er suchte die biblischen Grundlagen und den Auftrag Jesu an seine Gemeinde – für die verlorene Welt. Davon ist auch die mit Heinrich Kemner zusammen aufgebaute Studentenarbeit in Krelingen geprägt: hier konnten und können junge Frauen und Männer sich von der Weisheit Christi her kritisch mit den ideologischen Voraussetzungen der modernen Bibelkritik auseinandersetzen, um sich auf die seelsorgerliche und missionarische Arbeit in der Kirche vorzubereiten. Findeisens Ansatz dabei war immer eine Theologie des Weges (wenn er das auch selbst nicht so bezeichnet), die sich nicht auf theologische Systeme und dogmatische Sicherungen verlässt, sondern ihren Grund in der täglichen Nachfolge Jesu, im Hören und geschenkten Vertrauen auf das biblische Wort findet. Doch nicht nur Theologie und Kirche spielen in diesem Buch eine Rolle. Persönliche Einblicke zeigen auch die Bedeutung von Ehe, Familie und nicht zuletzt von Urlaub, Natur und Kunst im Leben des Autors und seiner Mission. Eine ehrliche und interessante Biographie, die auf persönliche Art auch wichtige Facetten der neuesten Missionsgeschichte in Deutschland beleuchtet.

Dr. Friedemann Walldorf, em 2006-1.

Fischer, Jörn; Oliver Gräf. Zivi weltweit - Der „andere Dienst im Ausland als Alterna­tive zum Zivildienst“. interconnections: Frei­burg, 1999.

Kurzeinsätze im Ausland erfreuen sich heute großer Beliebtheit - im Gegensatz zum Wehr- und zivilen Ersatzdienst, den junge Männer ge­zwungenermaßen ableisten müssen. Daß als Alternative zum Zivildienst auch der „andere Dienst im Ausland“ geleistet werden kann, nach dessen Abschluß der Betreffende vom Zi­vildienst befreit wird, ist wenig bekannt. Dabei läßt die gesetzliche Grundlage (Förderung des friedlichen Zusammenlebens der Völker) viel Freiheit in der Gestaltung und Trägerschaft ei­nes Einsatzes, auch wenn dieser Dienst nur ge­ringe staatliche Unterstützung erfährt, so daß soziale Absicherung und Finanzierung weitge­hend dem Trägerverein bzw. Bewerber über­lassen bleiben.

Das vorliegende Buch informiert umfassend über Möglichkeiten und Grenzen, gesetzliche Grundlagen und Vorbereitung, Leben im Aus­land und Rückeingliederung. Erfahrungsbe­richte von Teilnehmern ergänzen den Band, ebenso ein umfangreiches Adreßverzeichnis von bereits anerkannten Trägervereinen in Deutschland, darunter auch eine Reihe von evangelikalen Missionswerken. Das Buch wurde von den jungen Autoren interessant ge­schrieben. Es wendet sich vor allem an junge Männer, die einen solchen Auslandseinsatz er­wägen, ist aber in gleicher Weise empfehlens­wert für mögliche Projektträger in den Ein­satzländern, sowie für Missionsleiter in Deutschland, die an einem rechtlichen Rahmen für Kurzzeiteinsätze interessiert sind.

Dr. Detlef Blöcher, em 1999-4.

Fischer, Moritz. Pfingstbewegung zwischen Fragilität und Empowerment. Beobachtungen zur Pfingstkirche „Nzambe Malamu“ mit ihren transnationalen Verflechtungen (Kirche – Konfession – Religion 57) Göttingen: V&R unipress, 2011

Dieser Band beschäftigt sich mit der Pfingstbewegung im besonderen Kontext der Pfingstkirche „Nzambe-Malamu“, einer Kirche mit Ursprung in der Demokratischen Republik Kongo (offizielle Grün-dung 1967) und mittlerweile transnationalen Verflechtungen (Angola, Deutsch¬land, Finnland, England, USA). Ihm liegt die Habilitationsschrift des Verfassers zugrunde, für die er am 1. 11. 2011 den „Henning Schröer-Förderpreis für verständliche Theologie“ erhielt. 

Das Einführungskapitel (S.19-63) setzt sich im ersten Abschnitt mit dem (neueren) Pfingstlich-Charismatischen Christentum auseinander. Es folgt ein Forschungsüberblick und methodische Fragen mit besonderem Bezug auf die vor-liegende Studie. Anschließend stellt der Verfasser in drei Teilen sein Arbeit dar.

Im ersten Teil (Missionsgeschichtliche Fragestellungen – S.65-200) verfolgt Fischer historische und missionsgeschicht-lich ausgerichtete Fragestellungen. Kernstück bildet nach einer theoretischen Einführung die Biographie des Gründers der Nzambe-Malamu Kirche, Apostel Alexandre Aidini Abala (1927-1997) und seiner Nachfolger bis in unsere Gegenwart.

Im zweiten Teil geht es um die Klärung ekklesiologischer Probleme (S.201-253). In drei Abschnitten widmet Fischer sich der Transnationalität und dem Netzwerk der Nzambe-Malamu, deren Verbindung zur New-Order-of-the-Latter-Rain-Move-ment sowie der Beziehung des Pfingstlers Tommy Lee Osborn zu Nzambe-Malamu.

Der dritte Teil (Performanz, Ritual und Heilung) versucht schließlich eine Beurteilung von Nzambe-Malamu aus ritual-wissenschaftlicher Perspektive zu geben (S.255-307). Dazu präsentiert Fischer einen „theoretischen Beitrag zur Performanz des pfingstkirchlichen Heilungsrituals“ gefolgt von der Fragestellung, wie „die konkrete Handlung des Heilens … ritualwissenschaftlich zu verstehen und zu dekonstruieren sind“ (S. 255). Ein Literatur-, Stichwort- und Namensverzeichnis schließen den Band ab (S. 311-349). 

Die Studie ist aus meiner Sicht in dreifacher Weise bemerkenswert. Erstens, als evangelisch-lutherischer Theologe wagt Fischer sich in eine „Landschaft“ innerhalb des globalen Protestantismus, die von der evangelisch-lutherischen Kirchentradition und Institution in vielfacher Weise „weit entfernt“ ist. Zweitens, Fischers Forschungsansatz schließt als wichtige Dimension die Selbst-aussagen von Nzambe-Malamu ein, weil er dadurch versucht „die jeweiligen Identitätsbestimmungen, durch welche sich Menschen, die mit Nzambe-Malamu verbunden sind, ernst zu nehmen“ (S.47). Das geschieht m. E. selten genug. Mit diesem Ansatz ist er gefordert, nicht nur eine reine Literaturstudie über Nzambe-Malamu zu verfassen, sondern sich selbst als Akteur (Teilnehmende Beobachtung, Interviews) einzubringen. Dies wiederum nötigt ihn drittens eine, wie er sie nennt, „transdisziplinäre Perspektive“ (S.13) einzunehmen.

Ein (nötiger) transdiziplinärer Ansatz heißt für den Forscher jedoch auch, sich auf wissenschaftlich fremdes Terrain zu begeben, in dem er nicht als „Fachforscher“ agieren kann. Damit steht er im-mer im Zugzwang bestimmte „Zulieferungsdienste“ in Anspruch nehmen zu müssen, so z.B. das Konzept des wounded healers im Sinne von C.G. Jungs Archetyps des „Wounded healers“ (der Protagonist ist zugleich Held und Versager), das Fischer auf Aidini Abala als religionspsychologisches Konzept anwendet und das damit „theologisch fruchtbar gemacht werden soll“ (S119). Hier stellt sich allerdings die Frage, wie man mit diesem Konzept in Bezug auf Paulus oder Jesus selbst als „Religionsstifter“ umgehen würde? Ist Jesus „Held“ und „Versager“ oder nicht vielmehr victor quia victima (Sieger, weil Opfer), (Pöhlmann 1980)?

Insgesamt gesehen ist es ein empfehlenswertes Buch. Der Verfasser hat viel Material zusammengetragen und gründlich recherchiert. Es eröffnet nicht nur einen Einblick in die Entstehungsgeschichte einer afrikanischen Kirche im südlichen Afrika, sondern auch deren Verflechtungen mit Gemeinden in Deutschland. Für 49,90€ bekommt man guten Inhalt in einem gebundenen Band.

Dr. Robert Badenberg, em 2013-1.

Flemming, Dean. Contextualization in the New Testament: Patterns for Theo­logy and Mission, Downers Grove: IVP, 2005.

Der Autor des vorliegenden Buchs ist Dozent am European Nazarene College in Deutschland (Büsingen). Er verfügt über interkulturelle Erfahrung, war Pastor in Japan, unterrichtete auf den Philippinen und in den USA. Mit seiner umfangreichen Monographie zum The­ma Kontextualisierung im Neuen Testa­ment verfolgt er zwei große Ziele. Er möchte einerseits herausfinden, wie die neutestamentlichen Autoren „context-sensitive theology“ betrieben (S. 15), andererseits möchte er „patterns“ für die heutige Aufgabe der Anpassung an Kontexte herausarbeiten. Dabei kon­zen­triert er sich insbesondere auf Paulus als interkulturellen Missionar im helle­nistisch-römischen Umfeld (sechs von zehn Kapiteln).

Der Autor beginnt seine Studie mit der Apostelgeschichte, der er die ersten zwei Kapitel seines Buches widmet. Zuerst untersucht er die Apostelgeschichte als kontextuelles Dokument, wendet sich aber anschließend dem Apostelkonzil zu. Im zweiten Kapitel durchleuchtet Flem­ming die drei großen Paulusreden in Antiochien (Apg 13,13-52), Lystra (Apg 14,8-20) und Athen (Apg 17,16-34), wobei letzterer ein besonderes Gewicht beigemessen wird. Es folgen drei aus­führliche Kapitel über die Paulusbriefe im Allgemeinen, über Paulus Stellung zur Kultur und über seine Hermeneutik. Hieran schließen sich zwei Kapitel mit Fall­beispielen anhand des ersten Korinther- und des Kolos­serbriefes an, in denen Flemming das Problem des Göt­zenopferfleisches (1Kor 8-10), die Auf­er­stehung (1Kor 15) und die Situation der Kolosser in ihrer multireligiösen Umgebung, behandelt.

Darauf folgt ein knappes Kapitel über die Evangelien. Er bestimmt das Genre Evangelium und präsentiert den speziellen Kontext für den der jeweilige Evangelist schrieb. Daraus leitet er ab, dass Christen auch in heutiger Zeit lernen müssen, dass Evangelium in „different keys“ (S. 265) zu „singen“. Als letztes Buch behandelt er die Offenbarung. Das Buch schließt mit einem Kapitel über die heutige, praktische Anwendung der erarbeiteten Erkenntnisse und Methoden. Flemming kommt zu dem Schluss, dass das Evangelium eine Erzählung ist, die aus verschiedenen Perspektiven wiedergege­ben werden kann, wie es bereits das Neue Testament selbst erkennen lässt. Trotz der Gefahren, die in der Kontextualisierung liegen, hält er sie für unverzichtbar, denn „all theology is contextual theology“ (S. 298). Und trotz der verschiedenen Perspektiven kommt Flemming zum Ergebnis, dass das neutestamentlich bezeugte Evangelium eine kohärente Botschaft ist.

Flemming bietet eine fundierte biblische Grundlagenstudie zu dem heiß um­kämpf­ten Thema Kontextualiserung. Dass in einer solch umfangreichen Studie das ein oder andere Detail dis­kussionsbedürftig ist, ist nicht ver­wunderlich. Gerade beim Thema Syn­kretismus und der praktisch-metho­di­schen Anwendung der Kontex­tua­li­sierung bleibt Flemming etwas un­präzise. Betrachtet man die Offen­barung stellt sich speziell die Frage, ob Johannes diese Ereignisse nicht doch tatsächlich sah, obwohl er, wie Flem­ming richtig erkennt, antike Mythen­erzählungen ver­arbeitet. Insgesamt ist er sehr stark auf Paulus konzentriert. In den Evangelien gäbe es sicherlich noch viele zu hebende Schätze. Besonders schwer­wiegend ist allerdings, dass die all­gemeinen Briefe, die ja eine breite Zielgruppe hatten, nicht behandelt wer­den. Bei all diesen Aus­lassungen ist Flemming jedoch zu Gute zu halten, dass er sich an diese um­fangreiche Arbeit gewagt hat – zeitliche und platz­technische Grenzen sind da zu erwarten. Mit seinem Buch hat Flem­ming ein herausragendes Beispiel für eine Untersuchung geschaffen, die wissen­schaftliche Theorie und ge­meindliche Praxis vereint. Nicht umsonst wurde sein Werk im Jahr 2005 vom International Bulletin of Missionary Research (IMBR) zu den fünfzehn hervorragenden Mis­sions­studien gezählt und im Jahr 2006 von Christianity Today zum wichtigsten Buch in der Sparte Mission/Global Affairs gekürt.

Es ist eine wertvolle Ressource für kultur­orientiertes, bib­lisches Arbeiten – sei es kulturüber­greifend oder im west­lichen post­mo­dernen Umfeld. Dieses Werk ist zweifellos ein „Must-Have“ für jeden, der sich für Kontextualisierung inte­ressiert!

Bart P. Thompson, em 2009-1.

Flury-Schölch, André. Abrahams Se­gen und die Völker. Synchrone und dia­chro­ne Untersuchung zu Gen 12,1-3 un­ter besonderer Berücksichtigung der intertextuellen Beziehungen zu Gen 18; 22; 26; 28; Sir 44; Jer 4 und Ps 72 (Forschungen zur Bibel 115), Würz­burg: Echter Verlag, 2007.

Mit Vehemenz und zahlreicher Gefolg­schaft vertritt der Tübinger Alttesta­mentler Erhard Blum das Urteil, nach welchem „es einen ‚Segen für andere’ in den Verheißungen der Genesis nicht gibt“ (Komposition der Vätergeschichte, WMANT 57, Neukirchen-Vluyn: Neu­kir­chener, 1984, S. 352). Er übersetzt Genesis 12,3b nicht passiv („und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden“), sondern reflexiv („durch dich werden sich (gegenseitig) Segen wün­schen“) – ein Segen als frommer oder verzweifelter vergeblicher Wunsch der Völker, nicht jedoch als effektives Handeln Gottes durch Abraham. Den Oxforder Theologen Keith N. Grüne­berg führte jüngst seine um­fang­reiche syn­chrone Untersuchung Abra­ham, Blessi­ng and the Nations. A Philological and Exegetical Study of Genesis 12:3 in its Narrative Conext, BZAW 332, Berlin: De Gruyter, 2003 zu genau dem ent­gegengesetzten Urteil: Das Nifal von brk „segnen“ in Gen 12,3; 18,18; 28,14 ist passiv zu übersetzen (das Hitpael in Gen 22,18; 26,4 hingegen reflexiv). Unab­hän­gig von ihm und unter Verwendung dia­chroner Methoden kommt André Flury-Schölch in seiner Dissertation an der Ka­tho­lisch-Theo­lo­gischen Fakultät der Uni­versität Luzern bei Ivo Meyer zu exakt demselben Er­gebnis: „Es handelt sich da­bei [nur bei dem Nifal] um ein theo­lo­gischen Selbst­anspruch Israels, ein Se­gen für andere Nationen zu sein, ohne dass diesen Na­tionen irgendwelche Be­din­gungen ge­stellt würden“ (S. 326). Somit gibt es nun zwei aktuelle, groß an­ge­legte Mono­graphien, welche das Urteil Blums als äußerst fragwürdig erscheinen lassen.

Flury-Schölch möchte in seiner Unter­su­chung vor allem eine Motivgeschichte kon­struieren, welche die traditions­ge­schicht­liche Entwicklung von Gen 12,3b und Parallelstellen nachzeichnen soll (S. 233). Demnach sei der Gedanke des Se­gnens der Völker ein Importprodukt as­syrischer Ideologie, welches auf den Krö­nungshymnus Assurbanipals SAA III, 11 (669 v.Chr.) zurückgehe: (1) Auf den jungen König Josia (639-09) bezo­gen sei der erste Beleg in Ps 72,17, worin sich die unterworfenen Nationen wünschen, so gesegnet zu sein, wie der is­raelitische König. (2) Die wohl noch spätvorexilische Verheißung Gen 22,8 (vgl. 26,4) übertrage diesen Herrschafts­segen auf das Volk. Dieser Passus diene der nachträglichen Legitimation des Ge­bots in Dtn 13, seinen Sohn eigen­händig zu töten, ein Gedanke, der Flury-Schölch sichtlich Probleme bereitet (vgl. S. 158-67 und 332). (3) Eine inhaltliche Modi­fi­ka­tion erhalte der Satz mit Jer 4,2 (eben­so in der Zeit Josias, vgl. Jer 3,6), hier gründet der Segenswunsch der Völ­ker nicht in der Herrschaft, sondern der Um­kehr Israels zu Jhwh. (4) Kritik und ent­scheidende Transformation findet in den spät­nachexilischen Texten Gen 12,3; 18,18; 28,14 statt, die den Ruf Israels zur Herrschaft ablehnen, und stattdessen eine Be­rufung zur aktiven Vermittlung des Segens aufrufen.

Auch wenn sich Flury-Schölch gegen das Vierquellenmodell, insbesondere „E“ und „J“, gegen Gerhard von Rads nega­tive Sicht der Urgeschichte, gegen Julius Well­hausens Sicht der Väterreligion als Rückprojektion aus der Königszeit und gegen Albrecht Alts Unterscheidung zwi­schen sesshaftem und nomadischem Re­ligionstyp wendet, entscheidet er sich ebenso weiterhin gegen das Selbst­zeug­nis der Texte (S. 1f und 233f). Dabei stellt seine Motivgeschichte das, was von dem einstigen historisch-kritischen For­schungskonsens geblieben ist, ein wei­teres Mal auf den Kopf (Gen 12 war bis­her immer noch Ausgangspunkt, wenn auch oft spät datiert) und bezeugt damit ein­drucksvoll den spekulativen und flüch­tigen Charakter der alten dia­chro­nen Methodik. Dem gegenüber stellt die ka­nonisch vor­gezeichnete Motivge­schich­te eine solide Alternative dar: Das Reden Gottes in Gen 12,3b zu Abraham (um 2092 v.Chr.) und dessen sorgfältige Verschriftlichung ist Ausgangspunkt und Bezugspunkt viel­fältigster alt­tes­ta­ment­li­cher Tra­di­tio­nen. Sehr schön deutet Flury-Schölch in Gen 12,2 das „große Volk“ als Mose­pro­lepse und den „großen Namen“ als Da­vid­prolepse (S. 69-77). Er verzichtet je­doch auf eine strukturelle Ana­lyse der To­ledot Terach (Gen 11,27-25,11), wel­che Gen 12 und 22 als rah­mende Ele­mente einer Lebensgeschichte literarisch und historisch in direkten Bezug zueinander bringt. Flury-Schölch scheint ferner den Wert von Septuaginta, Tar­gu­mim, Sir 44,21 (in Bezug auf die Hitpael-Stellen!), Gal 3,8 und Apg 3,25 zu unterschätzen, welche als früheste Aus­legungen der Texte Nifal und Hit­pael, also sämtliche Belege in Genesis unisono passiv deuten (S. 95f, 129 und 180‑5). Ps 72 (laut Überschrift in der Zeit Salomos, 971-31) und Jer 4,2 führen das Motiv des Völkersegens schließlich in die entstehende messianische Erwar­tung hinein und bieten dort mit pole­mi­scher Spitze den babylonischen und as­sy­rischen Hegemonialansprüchen ein selbst- bzw. Gottes-bewusstes Paroli.

Trotz der genannten Bedenken kann das Werk vor allem im Detail überzeugen. Flury-Schölch arbeitet sich in detail­lier­ter Fleißarbeit durch die einzelnen Ar­gu­mente der Forschungs­diskussion und ver­sucht sie ehrlich zu gewichten. Seine Versauslegung (S. 45-125) erweist sich als einer der tief­schürfendsten mo­der­nen Kommen­tare zu Gen 12,1-3. Gut be­grün­det ist seine deutliche Verab­schie­dung der verlocken­den rezeptiven „Ver­le­gen­heits­lösung“ für das Nifal („für sich Se­gen finden“, ähnlich dem griechischen Me­dium, S. 113f). Seine kritische Aus­ein­ander­setzung mit den Argumenten von Oswald T. Allis, „The Blessing of Abraham“, PTR 25 (1927): 263-98 war längst fällig, da diese über Walter C. Kaisers alttestamentliche Theologie und Victor P. Hamiltons Genesis-Kommentar bis heute kaum geprüft in zahlreiche Pub­likationen übernommen wird (S. 99-107). So wird man der Arbeit kleinere Lücken in der Sichtung relevanter Lite­ra­tur (etwa Wilfried Warning, „Ter­mi­no­logische Verknüpfungen und Genesis 12,1-3“, Biblica 81 (2000): 386-90) und Korrigenda (etwa S. 100, Anm. 2: „432“ statt „###“, S. 237: „ect.“, S. 271: zweimal „1.)“) leicht verzeihen.

Dr. Siegbert Riecker, em 2010-1.

Foster, Paul. Community, Law and Mission in Matthew’s Gospel. WUNT II, 177, Tübingen: Mohr Siebeck, 2004.

Die vorliegende Studie widmet sich der sozialen Verortung der sog. matthäischen Gemeinde, der Rolle, die das Gesetz in dieser Gemeinschaft spiel­te und deren Haltung zur Heidenmission. Der Kon­sens in der Matthäusforschung geht dahin, hinter dieser Gemeinschaft eine innerjüdische, sich ab­sondernde Gruppe zu sehen, die Jesus von Naza­reth für den Messias Gottes hielt. Daher haben ihre Anhänger jeglichen Kontakt mit Heiden vermieden und ihre abgesonderte Existenz bewahrt. Die Hei­den spielten allenfalls in der Zukunftserwartung eine Rolle (77f). Gegen dieses Bild, das auf einer Reihe von fragwürdigen historisch-kritischen Prämissen beruht und wichtige Aussagen des MtEv übersieht oder aber weg erklären muss, will Forster zurecht zeigen, „that at the time of compo-siton of the gospel the group had been decisively rejected by other parties in formative Judaism, and that the gospel was both a supersessionary docu­ment claiming many of the prerogatives of Judaism as its own, but also a pedagogical document en­couraging and instructing the community with dominical authority, to continue and enlarge upon an outwardly focused Gentile mission“ (1). Spe­ziell für die Mission will Forster zeigen, wie sich die Aussagen in Mt 10.5b-6 („Geht nicht auf den Weg zu den Heiden und zieht in keine Stadt der Samariter …“) und andere Aussagen zur Mission zueinander verhalten: „Any treatment must deal with both the negative outlook in chapter 10 as well as integrating the larger corpus of texts that call for the inclusion of Gentiles within the Matthean communities“ (20). Zuerst gibt F. in „The Social Location of the Matthean Community“ einen Forschungsüberblick über die Matthäusforschung seit 1945 (22-79). Nach einem knappen Kapitel über den Qumrantext 4QMMT und die halachischen Debatten (80-93), untersucht F. die Antithesen der Bergpredigt (Mt 5,21-48, 94-143). Dem folgt eine ausführliche Un­tersuchung von Mt 5,17-20 (144-217). Im sechsten Kapitel untersucht F. die Mission im MtEv (218­-52). F. will dabei die einschlägigen Texte berück­sichtigen, aber auch deren Bedeutung in der Ge­samtstruktur der Erzählung. Er beginnt mit den beiden „restriktiven“ Texten Mt 10,5-23 und 15,21-28 (220-30). Alle weiteren Texte stehen der Eingliederung von Heiden in die Gemeinschan positiv gegenüber: 21,43; 24,14; 26,13 und 28,16-­20. Abschließend begründet F. überzeugend, dass die Restriktion in 10,5-23 nicht mehr in späterer Zeit gegolten hat. Für die Interpretation von Mt 28,16-20 sieht F. einen Gegensatz zu den in 28,15 erwähnten Juden, die die Auferstehung Jesu ge­leugnet haben. Speziell aufgrund dieser Enttäu­schung sollen die Junger sich an die Heiden wen­den. Dieser Bezug ist fraglich, da mit 28,15 die Auferstechungsberichte abgeschlossen werden und mit 28,16 ein narrativer Orts- und Szenenwechsel erfolgt. F. zeigt ferner, dass die Heidenmission keine leichte Aufgabe sein wird (24,9-14) und schließt: „The picture that emerges from the rele­vant texts in the gospel in relation to mission is that of unqualified support by the evangelist for proselytising activity among the Gentiles to be undertaken by the community in its contemporary situation. … Hence the gospel he wrote was seen, to a certain degree by the evangelist himself, as a celebration of Gentile participation in the Kingdom of heaven“ (252). Und weiter: “… the incorporation of Gentiles into the group is not only the way for­ward but to fail in this task is to fail to take up the direct challenge of the risen Jesus“ (260). Trotz einiger problematischer Grundannahmen (z. B. im MtEv geht es weniger um Leben und Lehre des irdischen Jesus als um die Anliegen und Stim­me seiner Nachfolger in der zweiten und dritten Generation) gibt das Kapitel über die Mission ei­nen guten Überblick über sämtliche missionsrele­vanten Stellen und zeigt, wie die restriktiven und universalisitischen Aussagen zusammengesehen werden können. (Zum Missionsbefehl vgl. ferner P. Stuhlmacher, „Zur missionsgeschichtlichen Bedeutung von Mt 28,16-20“, EvTh 59,1999,108-­29 und in id., Biblische Theologie und Evangeli­um: Gesammelte Aufsätze, WUNT 146, Tübingen: Mohr Siebeck, 2002).

Prof.Dr. Christoph Stenschke, em 2005-3.

Foyle, Marjory F. Gestreßt, verletzt und ausgebrannt. Risiken und Nebenwirkungen des vollzeitlichen Dienstes. Basel und Gießen: Brunnen Verlag, 1995.

Marjory F. Foyle, von Beruf Fachärztin für Psychiatrie, schrieb dieses Buch vor dem Hin­tergrund einer über dreißigjährigen Erfahrung in der medizinischen Missionsarbeit auf dem indischen Subkontinent. Das englische Origi­nal, 1987 unter dem Titel „Hounorably Woun­ded“ erschienen, liegt in der Übersetzung von Barbara Trebing nun auch einer deutschspra­chigen Leserschaft vor.

Die Autorin beschreibt Formen und Auswir­kungen von Streß in ver­schiedenen Bereichen und Phasen des missio­narischen Dienstes in ei­nem anderen kulturel­len Umfeld. Dem Leben als Single, Missionar­sehen, Kindern, Heran­wachsenden, der Aus­wahl von Mitarbeitern, dem Kulturschock, zwischenmenschlichen Be­ziehungen, der Rückkehr in die eigene Heimat und den Kraft­quellen für Missionare sind je­weils eigene Ka­pitel gewidmet. Allgemeinver­ständlich führt sie in psychologisches Grund­wissen ein und macht es dann für den Spezial­fall und die be­sonderen Bedingungen des Le­bens und Arbei­tens von Missionaren fruchtbar. Zu den beson­deren Bedingungen gehören dabei z. B. das Le­ben in einer anderen Kultur, rela­tive Isolation bzw. das enge Zusammenleben mit anderen Menschen. Psychologische Ein­sichten und geistliche Perspektiven verbindet sie im­mer wieder in gekonnter Weise. Die Stärke des Buches liegt im engen Bezug zur Praxis und den vielen Hilfen und Lösungs­mög­lich­keiten, die aufgezeigt werden. „Es ist so wich­tig, daß man über sich selbst la­chen kann (192)“, schreibt sie z. B. im Kapitel zu „Re-entry“-Streß. Eine Empfehlung, die si­cher auch für alle anderen Bereiche ihre Be­rechtigung hat.

Foyle richtet sich damit an alle in der Mis­sion Tätigen, aber auch an Men­schen, die noch fragen, ob hier ihre Aufgaben liegen werden. Allen für die Auswahl von Missions­personal Verantwortlichen sei vor al­lem das Kapitel „Das Auswahlverfahren“ empfohlen. Denn eine geeignete Auswahl ver­meidet bei allen Beteiligten später unnötigen Streß.

Philipp Hauenstein, em 1996-3.

Francke, August Hermann. Segensvolle Fus­stapfen. Geschichte der Entstehung der Halleschen Anstalten von August Hermann Francke selbst erzählt. Gießen: Brunnen Verlag, 1994.

August Hermann Franke (1663-1727), einer der Väter des deut­schen Pietismus, war seiner Zeit weit voraus. Seine bahnbre­chenden Lei­stungen im sozial-karitativen Bereich förderten den Aufbau des vom 30-jähri­gen Krieg zer­mürbten und zer­störten Deutschland. Es ist das Verdienst des Herausgebers Mi­chael Weltes, diese zu ihrer Zeit weit verbreitete Schrift Franckes ein in unserer Zeit eher in Verges­senheit geratenes Werk, einem größeren Leser­kreis wieder zu­gänglich zu machen.

Das Buch erscheint 300 Jahre nach den be­scheidenen Anfän­gen einer kleinen Ar­menschule im Pfarrhaus Franckes vor den To­ren der Stadt Halle a. d. Saale.

Francke selber griff fleißig zur Feder, um Entstehung und Werdegang seines Lebenswer­kes zu dokumentieren. In nur 15 Jahren ent­standen neben her­vorragenden Erziehungs- und Bildungseinrichtungen zahlrei­che gewerbliche Betriebe, die vielen Menschen in Landwirt­schaft, Apotheke, Buchdrucke­rei und Buchhand­lung Beschäfti­gung und damit Brot geben. Die Halleschen Anstalten können mit Recht als ei­nes der ersten Glaubenswerke be­zeichnet wer­den. Aus nah und fern trafen kleine und große Gaben zum Unterhalt des Werkes ein.

Franckes „Fußtapfen“ mit ih­ren sieben Fort­setzungen er­schienen in den Jahren 1694-1709 und lesen sich wie ein Re­chenschaftsbericht. Das sich schnell ausbrei­tende Werk mußte sich schon früh gegen Ver­leumdungen schlimmster Art zur Wehr set­zen.

Francke nimmt durch seine demütige und offene Art der Darstellung den meisten Kriti­kern den Wind gründlich aus den Segeln. Seine Ausführun­gen wirken wie eine außeror­dentlich effiziente Werbeschrift, die unge­wöhnlich weite Ver­breitung fand.

Die „Fußtapfen“ zeugen auch davon, das Francke Initiator und Förderer der ersten prote­stantischen Missionsbemühun­gen von deut­schem Boden aus war. 1705 reisten zwei seiner Schüler auf Veranlassung des dänischen Kö­nigs nach Tranqe­bar/Ostindien aus. 1707 veröf­fentlichte Francke die ersten Briefes Zie­genbalgs in der Halli­schen Korrespondenz. Auf diese Weise wird der Missisonsauftrag in den weiten Kreisen des halli­schen Pietismus wir­kungsvoll eingeführt. Francke ist somit auch Herausgeber des Ersten Deutschen Missions­blattes. Diese großherzige Geste Franc­kes bleibt nicht ohne Wirkung: 1. Erkennen viele evangelische Christen die dringende Notwen­digkeit der Heidenmission. 2. Wird eine große Schar von Be­tern für die Mission gewonnen. 3. Gehen zahlreiche Spenden zugunsten der Mis­sionare ein. 4. Wurden zu Lebzeiten der Dä­nisch-Hallischen Mission ca. 60 Missionare allein aus Halle aus­gesandt.

Fazit: Auch wenn sich die Ausführungen Franckes auf­grund des im „Lutherdeutsch“ ver­faßten Stils zeitweise etwas holprig lesen las­sen, sind die „Fußtapfen“ außerordentlich le­senswert. Ich wünsche dem Buch in unserer Zeit eine so weite Verbreitung wie zur Zeit Franckes.

Hartmut Burghoff, em 1996-3.

Franz, Andreas. Mission ohne Grenzen. Hudson Taylor und die deutschsprachigen Glaubensmissionen. Brunnen (TVG): Gießen/ Basel, 1993.

Dieses Buch geht auf eine Dissertation zurück, die 1991 von der Evangelischen Theologischen Fakultät in Heverlee/Belgien unter dem Titel: Hudson Taylor und die deutschsprachigen Glaubensmissionen angenommen wurde.

Der Haupttitel scheint mit dem jetzigen Untertitel im Widerspruch zu stehen: Mission ohne Grenzen, aber begrenzt auf eine Person und einen geographischen Raum (China). Doch soll von vornherein klargestellt sein: auch wenn für den Rahmen einer solchen Disserta­tion zeitliche (1889-1905, Todesjahr Taylors) und räumliche Einschränkungen (deutschspra­chiges Ausgangsgebiet) vorgenommen werden mußten, bleibt doch das grenzüberschreitende Missionsverständnis der Glaubensmissionen sichtbar. Damit ist im Haupt- und Untertitel eine ihrer Besonderheiten bereits anvisiert. Verglichen mit den damals etablierten klassi­schen Missionen überwanden - auch die deutschsprachigen - Glaubensmissionen kon­fessionelle, soziale, kulturelle und zumindest teilweise auch nationale Grenzen, wobei sich ihre Zielgebiete ständig erweiterten.

Der englische Arzt Hudson Taylor (1832-1905), ein Mann des Glaubens und des Gebe­tes, war einzig von dem Gedanken beseelt, das Evangelium von Jesus Christus bis in die ent­ferntesten Winkel Chinas zu tragen. Mit 23 Jahren reiste er in das „Reich der Mitte“. Hier unternahm er ausgedehnte Reisen in das Innere des Landes und übernahm die Leitung eines kleinen Hospitals in Ningpo. In der Missionarin Maria Dyers, mit der er sich 1858 vermählte und mit der er eine überaus glückliche Ehe führte, fand er eine Lebensgefährtin, die bis zu ihrem Tode (1870) seine geistliche Vision teil­te. Im Juli 1860 mußten die Taylors aus ge­sundheitlichen Gründen nach England zurück­kehren. Er schloß sein medizinisches Studium


mit der Promotion ab und übersetzte mit einem chinesischen Gehilfen das Neue Testament in den Ningpo-Dialekt. Um die Missionsarbeit unter den Chinesen verstärkt fortsetzen zu kön­nen, gründete Taylor Ende Juni 1865 die China-Inland-Mission. In seinem im selben Jahr veröffentlichten Buch „Chinas geistliche Not und Anspruch“ appellierte er an die Verantwortung eines jeden Christen für die Missionierung Chinas. Die Leitung der Mission war nicht, wie üblich, im Heimatland, sondern auf dem Missionsfeld. Er selbst, ständig von Krankheiten geplagt, befand sich in pausenlo­sem Einsatz. Allein elfmal legte er die Monate dauernde Seereise zwischen England und China zurück und versuchte auch auf dem europäischen Kontinent, in Amerika und Australien, Helfer und Beter zu gewinnen. Weltweit entstanden Bewegungen und Organisationen für die CIM, so auch im deutschsprachigen Raum, wo sie sich heute zumeist als evangelikale Missionen verstehen.

Bei den Glaubensmissionen handelt es sich gegenüber den bereits existierenden mehr oder minder kirchlich geprägten klassischen Mis­sionen um neuartige Missionen. Dieses Neuar­tige und für sie Charakteristische betrifft drei Bereiche: Missionsmotive, Missionsmethoden und Missionsprinzipien, die Franz in seinem ersten Kapitel über „Taylors Grundsätze“ dar­legt. Taylors Missionsmotive liegen begründet im Mitleid mit den vielen Menschen, die ohne Christus ewig verloren sind sowie im eschato-logischen Motiv, nach dem die Wiederkunft Christi durch die Mission beschleunigt wird. Daraus folgen die Missionsmethoden, die pri­mär nicht von der Gründung von Missionssta­tionen, sondern von der Reisetätigkeit geprägt sind. Die Missionsprinzipien betreffen vor allem das Glaubensprinzip, nach dem die Mis­sionare (und Missionarinnen) ihre materielle Versorgung von Gott und nicht von Menschen zu erbitten und zu erwarten haben, mithin nicht über ein festes Einkommen verfugen; ein indi­viduelles Berufungserlebnis; die Rekrutierung von Mitarbeiter/innen aus allen protestanti­schen Kirchen; die Stellung der Missionarsfrau als dem Mann gleichgestellte Missionarin; den Einsatz lediger Missionarinnen auch im Pio nierdienst; eine bestimmte neutrale Stellung zur staatlichen Obrigkeit.

Das nächste Kapitel behandelt Taylors Ein­fluß auf den deutschsprachigen Raum. Dieser Einfluß entstand durch Berichterstattung über Taylor, durch verschiedene Reisen deutsch­sprachiger, glaubenserweckter Personen nach China und vor allem durch mehrere ausge­dehnte Vortragsreisen Taylors in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Die folgenden Kapitel stellen ausführlich die Gründung, die Besonderheiten und die Arbeit jener deutschsprachigen Glaubensmissionen dar, die direkt oder indirekt auf Taylor zurück­zuführen sind, nämlich die Deutsche China Allianz-Mission, der China-Zweig der Pilger­mission St. Chrischona, die Kieler Mission, die Liebenzeller Mission, ferner als mit der CIM assoziierte Missionen nach 1906 die Friedens­hort-Mission, der Deutsche-Frauenmissions­bund, die MBK-Mission und die Yünnanmission. Über diese spezielle Missionshistorie hinaus erfährt man manche interessante Ein­zelheit und Eigenart bezüglich des Frömmig­keitsverständnisses, des geistlichen Lebens und des missionarischen Wirkens derer, die maß­geblich in diesen Werken tätig waren, nicht zuletzt im Blick auf Hudson Taylor selbst.

Im abschließenden Kapitel behandelt Franz die deutschsprachigen Glaubensmissionen im Spannungsfeld nationaler und internationaler Beziehungen. Spannungen und Probleme zwi­schen den deutschsprachigen und den übrigen, vorwiegend angelsächsischen Glaubensmissio­nen, lagen in der Tatsache begründet, daß von den drei die Glaubensmissionen tragenden Bewegungen, nämlich der Heiligungsbewe­gung, der Prophetischen Bewegung und der Brüderbewegung, im deutschsprachigen Raum die Heiligungsbewegung dominierte und ihre prägende Kraft entfaltete. Erhalten blieb das Verständnis von Bekehrung und Wiedergeburt und ein ungebrochenes Verständnis der Heili­gen Schrift als inspiriertem Gotteswort.

Bibliographie, Index und englische Zusam­menfassung beschließen dieses gelungene Buch, das gut informiert, sich spannend liest und eine Lücke füllt in der wissenschaftlichen Würdigung der evangelikalen Missionen im
deutschsprachigen Raum, die mittlerweile den größten Anteil der protestantischen Missionare ausmachen.

Heinrich Brandt, em 1995-1.

Fugmann, Wilhelm (Hrsg.). Christian Key­ßer, Bürger zweier Welten. Neuhausen-Stuttgart: Hänssler Verlag, Edition C (153), 1985.

Nach einer kurzen Einleitung läßt W. Fug­mann den Missionar Christian Keyßer aus seinen hinterlassenen Schriften zu Wort kommen: Anfang und Auswirkung der Mis
sionsarbeit in einem Gebiet Papua Neugui­neas, Lehre und Methodik in Gemeinde­arbeit und Mission. Dabei ist der Ansatz Keyßers bedeutsam: Er wendet sich einer­seits gegen die Übernahme von Schablonen in der Missionsarbeit sowie starrer Formen lutherischer (bzw. europäischer) Kirchlich­keit, obwohl selbst lutherischer Herkunft; anderseits tritt er stark für das genaue Kennenlernen von Kultur und Brauchtum ein, worüber er selbst einige Arbeiten ver­faßt hat. Das Buch bietet vielfältige Bei­spiele für die Verwirklichung des Prinzips der „Selbständigkeit“ der Gemeinde in Amtsbefugnissen, Verwaltung, Gemeinde­ordnung und Mission, wobei eine genauere Quellenangabe hilfreich gewesen wäre. Das von Fugmann hiermit wenigstens teilweise zugänglich gemachte Werk Keyßers ist eine Widerlegung der These, daß Mission die Identität der Völker zerstöre.

Jürgen Kuberski, em 1986-2.

Fuller, W. Harold. People of the Mandate: The Story of the World Evangelical Fellow­ship. Paternoster: Carlisle, UK, 1996.

Das Buch des Kanadiers W. H. Fuller erschien zum 150. Jubiläum (1846-1996) der in über 100 Ländern vertretenen Weltweiten Evangeli­schen Allianz (World Evangelical Fellowship - WEF). Es bildet eine interessante Ergänzung und Fortführung der zehn Jahre zuvor erschie­nen Geschichte des WEF mit dem Titel „A Dream that would not die“, von David M. Ho­ward. Während Howard die Geschichte dieser ältesten ökumenischen und evangelikalen Be­wegung bis 1986 schrieb, vermittelt Fuller dem Leser Geschichten und Persönlichkeiten (vor allem aus der Zwei-Drittel-Welt), die diese Ge­schichte bis 1996 belebten. In vierzehn Kapi­teln berichtet er u. a. von der Enstehung der Evangelical Alliance in London 1846, von der spannenden Neu-Gründung als WEF 1951 in Woudschoten, Holland und von der Rolle der nationalen Allianzen, die in vielen Ländern an der Front neuer Entwicklungen und missionari­schen Wachstums stehen. Asien, Afrika und Lateinamerika befinden sich im Zentrum evan­gelikaler Wirklichkeit heute. Ein Kapitel ist der missiologisch bedeutsamen Missions-Kommis­sion der WEF gewidmet. Religiöse Freiheit, sowie Frauen und Jugend sind weitere themati­sche Schwerpunkte. Erwähnenswert sind die zehn Anhänge, die interessante Dokumente bieten, z.B. einen Brief der japanischen Allianz mit der Bitte um Verzeihung für die von ihrer Nation ausgegangenen Aggressionen in der asiatischen Geschichte, die Glaubengrundlage der WEF, die Singapur-Missionserklärung der WEF u. a. m. Hilfreich sind Index und Litera­tur-Verzeichnis zu theologischen und ge­schichtlichen Aspekten der evangelikalen Be­wegung.

Friedemann Walldorf, em 1999-3.

Gabriel, Carlo. Die Josefsgeschichte in Bibel und Koran, Unterschiede, Widersprüche, Maß­stäbe. Uhldingen: Stephanus Edition, 1996.

Nicht nur ein Vergleich der Josefsgeschichte in Bibel und Koran ist das Thema dieses Buches: Carlo Gabriel möchte darüberhinaus allge­meine Beurteilungskriterien für den Islam und den Koran liefern. Die Frage, ob Christen und Muslime an den gleichen Gott glauben, beant­wortet Gabriel mit einem klaren Nein. Bemer­kenswert ist auch die Folgerung, daß aus einer „Theologie der Werkgerechtigkeit“ zwangsläu­fig „Glaubensunsicherheit“ und fehlende Heilsgewißheit folgen muß, wie es im Islam ja tatsächlich auch der Fall ist. Durch die Gegen­überstellung der biblischen und koranischen Josefserzählung wird die Verkürzung und in­haltliche Verflachung des koranischen Be­richtes sehr gut deutlich. – Bei einer Neuauf­lage sollte unbedingt der archaische und für Muslime herabsetzende Begriff „Mohammedaner“ (z.B. S. 135, 140) gegen die korrekte Bezeichnung „Muslim“ ausgetauscht werden.

Dr. Christine Schirrmacher, em 1997-3.

Garrison, D.V. Church Planting Move­ments: how God is redeeming a lost world. Midlothian, VA/USA: WIG Take Resources, 2004. [Deutsch: D. V. Garri­son, Gemeindegründungsbewegungen: Wie Gott eine verlorene Welt rettet. Bonn: Verlag für Kultur und Wis­senschaft, 2007.]

Obwohl die Erstveröffentlichung gerade einmal sieben Jahre zurückliegt, hat das vorliegende Werk bereits eine er­staun­li­che Wirkungsgeschichte entfaltet. In­zwi­schen gibt es kaum eine evangelikale Mis­sionskonferenz oder Strategie­pla­nung unter Missionaren, wo nicht das von David Garrison geprägte Stichwort „Ge­meindegründungsbewegung“, re­spek­tive das englische Kürzel „CPM“ fällt. Die Einsichten dieses Werkes sind in der weltweiten Missionsarbeit schnell zentral geworden. Der Autor war selbst viele Jahre lang Missionar des Inter­na­tion­al Mission Board (IMB) der South­ern Baptists (USA), gegenwärtig ist er der Regionalleiter für Süd-Asien. Garri­son führt einen Ph.D. der Universität von Chicago.

Garrisons Buch kommt aus der Praxis. Der Leser spürt dem Autor sein Ringen ab, eine verlorene Welt für das Evan­ge­lium zu gewinnen. Es ist zugleich für die Praxis geschrieben. Garrisons Absicht ist nicht in erster Linie, einen akademischen Beitrag zu liefern, wiewohl seine Ein­sichten akademischer Forschung ent­springen. „How would he [God] have us participate?“ ist die dringliche Frage, die er schon im Vorwort (S. 11) aufwirft. Er vergleicht seine Forschungsarbeit mit Reverse Engineering, der Tätigkeit eines Ingenieurs, der Produkte der Konkurrenz in ihre Einzelteile zerlegt, um sie dann nachbauen zu können (S. 11). Garrison möchte den Methoden Gottes auf die Spur kommen (S. 28). Die For­schungs­arbeit, die dem Werk zugrunde liegt, hat ihren Anfang im Jahr 1994. Seitdem be­obachten er und sein Team „mehr als 30 Orte“ rund um den Erdball (S. 19). Gar­ri­son geht so vor, dass er Be­we­gun­gen analysiert, die seiner Definition einer Ge­meindegründungsbewegung ent­spre­chen. Der Ansatzpunkt seiner Forschung ist also in einer funktionalen Theorie be­gründet. Der Untertitel deutet den theo­logischen Ansatz des Werkes an: „Wie Gott eine verlorene Welt rettet“. Der er­ste Schritt der Untersuchung ist de­skrip­tiver Natur. Garrison beschreibt, was in diesen Bewegungen geschieht, er un­ter­sucht sie empirisch. In dem zweiten Schritt werden deduktiv sämtliche Phä­no­mene analysiert und wiederkehrende Elemente in den ver­schiedenen Bewe­gungen eruiert. Diese Elemente unter­sucht der Autor dann in einem dritten Schritt auf ihre biblische Basis hin und stellt die Frage: Finden sie sich im Dienst von Jesus Christus und der Ur-Gemeinde? Die vorläufigen Forschungs­ergebnisse, die empirisch und deduktiv gewonnen wurden, werden anhand der nor­mativen Theorien des biblischen Zeug­nisses verifiziert. Der vierte Schritt mündet in die Frage nach der praktischen Anwendbarkeit und Um­set­zung der ge­fun­denen theoretischen Ein­sichten. Gar­ri­son kleidet diese Frage in ein Gebet: „Finally we will submit all that we’ve learned to the lordship of Christ asking: ‘In light of what you’ve shown us, O Lord, what should we now do?’

Es wird deutlich, dass der Forschungs­ansatz ein geistliches Element hat, das sich der Objektivierung wissenschaft­licher Untersuchung entzieht. Zum einen bringt Garrison die Prämisse in seine Forschung, dass Gebet eine Methode der Erforschung von Gemeindegründungs­be­wegungen ist. Zum anderen ist seine Denkvoraussetzung, dass es nur in einer Beziehung zu Christus – „under his lordship“ – möglich ist, die Implika­tio­nen der Daten angemessen auszuwerten. Dies führt zu einem stark durchscheinen­den Absolutheitsanspruch.

Kapitel 2 liefert eine Definition von Gemeindegründungsbewegung. Garrison definiert sie als „a rapid multiplication of indigenous churches planting churches that sweeps through a people group or population segment.“ (S. 21) In den Ka­piteln 3 bis 10 liefert er eine Vielzahl von spannenden Beschreibungen von tat­sächlichen Gemeindegründungs­bewe­gun­gen. Kapitel 11 enthält das Kernstück des Werks, es nennt die Elemente, die in jeder (untersuchten) Gemeinde­grün­dungs­bewegung vorhanden sind. Der Zentralität ihrer Bedeutung wegen sollen sie hier genannt werden: (1) Extra­ordinary Prayer, (2) Abundant Evan­gelism, (3) Intentional Planting of Re­producing Churches, (4) The Auth­ori­ty of God‘s Word, (5) Local Leadership, (6) Lay Leadership, (7) House Churches, (8) Churches Planting Churches, (9) Rapid Reproduction, (10) Healthy Church­es.

Weiterhin identifiziert Garri­son zehn zu­sätzliche Elemente, die in den meisten, jedoch nicht allen Ge­meinde­gründungs­bewegungen erscheinen. Der Rest des Buches beschäftigt sich mit der Um­setzung dieser Einsichten.

Eine Fragestellung, die nicht eindeutig geklärt wird, ist was genau die mensch­liche Rolle im Zustandekommen von Ge­meindegründungsbewegungen ist. Garri­son stellt klar, dass einer Formel zu folgen nicht automatisch eine solche Be­wegung produziert (S. 255.273). Den­noch, „God has given Christians vital roles to play in the success or failure“ (S. 26). Er kommt zu dem Schluss, dass die Frage: „Wie kann man eine Ge­mein­de­gründungsbewegung starten?“ die fal­sche Frage ist. „A better one might be: ‘What is preventing a Church Planting Move­ment from happening here?’ “ (S. 239) Inwieweit aber der Missionar eine solche Bewegung zustande bringen kann, darin bleibt Garrison unklar. Die Frage ist allerdings, ob die Spannung diesseits der Ewigkeit geklärt werden kann.

Das Buch ist sehr gut und übersichtlich gegliedert. Tatsächlich fassen die Über­schriften die Hauptinhalte des Werkes so gut zusammen, dass der beschäftigte Le­ser nur diese zu lesen braucht und bereits mit den Hauptinhalten des Buches ver­traut ist. Es sei hingewiesen auf die wert­vollen Hilfsmittel, die angeboten wer­den. Ein Kapitel enthält Tabellen, mit de­ren Hilfe der Leser den eigenen Dienst bewerten, Lücken feststellen sowie Schrit­te unternehmen kann, diese zu schlie­ßen. Weitere Werkzeuge finden sich im Anhang, es sind dies Trainings­konzepte für Evangelisation, für par­ti­zi­patorisches Bibelstudium sowie Koran­verse, die als Brücken in der Evan­ge­lisation von Moslems verwendet werden können.

Zusammenfassend könnte der Missions­forscher Avery Willis mit seiner Emp­fehlung Recht behalten. Er sagt in seiner Rezension voraus, dass Garrisons Buch Gemeindegründungsbewegungen ein Klas­siker des 21. Jahrhunderts werden wird. In jedem Fall ist dem Werk ein weit reichender Einfluss auch im deutsch­sprachigen Raum zu wünschen.

Emmanuel Prince, em 2011-2

Garth, Alexander. Die Welt ist nicht genug – Wenn Menschen Gott ent­decken, Asslar: Gerth Medien, 2010.

Der evangelische Pfarrer Alexander Garth arbeitet als Gründer der Jungen Kir­che Berlin unter der Trägerschaft der Berliner Stadtmission. Der Buchtitel ist an­ge­lehnt an den gleichnamigen James-Bond-Film und wurde als Kontrast ge­wählt zu einer Gesellschaft, deren Fun­damental­satz allgemein lautet „Die Welt ist ge­nug“. Aufgrund seiner Arbeit in einem kon­fessionslosen Kontext be­han­delt Garth in diesem populären Sachbuch das Phä­no­men der Are­li­gio­sität als lo­gi­sches Konzept und die Frage, wie Men­schen zu einem „Para­digmenwechsel“ ge­lan­gen. Der Autor präsentiert das be­schriebene Phänomen entgegen der The­se, dass alle Menschen in irgendeiner Form religiös seien. Be­griffe wie Gott, Himmel oder Hölle sag­ten Betroffenen nichts und seien weder ein mögliches noch un­mögliches Thema. Letztlich ver­trete die­se post-atheistische Welt­an­schau­ung ein materialistisches und star­res Weltbild. An­schließend stellt Garth die Frage, wie eine völlig neue Sicht auf das Leben ent­stehen kann. Im Fokus stehen Menschen, die bisher nicht nach der Existenz eines lebendigen, er­fahr­baren und kom­mu­ni­zierbaren Gottes ge­fragt hatten. Der Au­tor erkennt drei Fak­toren, durch die areligiöse Menschen auf Gott aufmerk­sam werden.

Der erste Faktor sei die Begegnung mit lebendiger Spiritualität. Gemeint sind Got­tes­erfahrungen, die das eigene Welt­bild erschüttern, bei denen man gleich­zeitig erschrocken und fasziniert mit dem Heiligen konfrontiert wird. Garth weist hier auf die kleinen Dinge hin, die oft einen Prozess des Fragens einleiten. Als zweiten Punkt nennt der Autor die Erfahrung des himmlischen Beistandes, etwa wenn Menschen die helfende Zu­wendung Gottes im eigenen Leben oder bei anderen erfahren. Hier argumentiert er, dass Menschen nicht widerwillig ka­pi­tulieren, sondern sich freiwillig für Gott öffnen sollen. Zuletzt stellt Garth die Sinnfrage, erörtert die christliche Weltsicht und hinterfragt unter­schied­liche Dinge, die areligiösen Menschen oft als Sinngeber dienen.

Ein weiteres Kapitel diskutiert Unter­schie­de im spirituellen und ma­te­ria­lis­tischen Wirklichkeits­ver­ständ­nis. Zudem bietet es Informationen aus der Sterbe­forschung als Argumente für ei­ne um­fassendere Sicht auf die Realität. In einem letzten Kapitel zieht Garth Kon­sequenzen für die kirchliche Praxis. Über eine Institution hinausgehend plä­diert er für eine Kirche als Katalysator, durch die areligiöse Menschen ins Fra­gen kommen und Gottes Hilfe erleben. An diesem Punkt sollen Christen den Men­schen respektvoll auf Augenhöhe be­gegnen, wobei der eigentliche Dienst der Kirche von Vollmacht und Glauben ge­prägt sein müsse. Die persönliche Lei­den­schaft der Gläubigen und die Fähig­keit, das Evan­gelium verständlich und kre­a­tiv zu kommunizieren seien essen­ziell wichtig, um sodann mit der nötigen Selbst­kritik als Kontrastgesellschaft zu leben.

Alexander Garth liefert mit Die Welt ist nicht genug einen vielseitigen Einblick in die Lebenswelt areligiöser Menschen. Er stellt die Menschen in den Vorder­grund und zeigt mit anschaulichen Bei­spielen aus seinem Dienst, wie wichtig ein erfahrungsorientierter Ansatz in der mis­sionarischen Arbeit der Postmoderne ge­worden ist. Garth schreibt aus der Sicht eines Praktikers und argumentiert zu­gleich auf intellektueller Ebene mit Il­lu­strationen aus Naturwissenschaft, Mu­sik, Geschichte und Philosophie. Sein Buch verbindet wissenschaftliche mit prak­tischen Anliegen für den lan­deskirch­lichen Gemeindekontext in Deutsch­land. Trotz der treffenden Dar­stellung wirken man­che seiner Gedanken einseitig. So scheint der Autor teilweise die Er­fah­run­gen seiner Mit­men­schen als maß­geb­li­ches Argu­ment für seine The­sen zu ge­brau­chen. So wichtig spirituelle Erfah­run­gen auch sind, sie sollten den Be­trof­fenen von der Bibel her als Maß­stab „ge­deutet“ wer­den, damit das Evan­ge­lium wirk­lich nachvollziehbar wird. Garth selbst belegt mit Beispielen, dass gele­gent­lich als „modern“ und damit als über­holt an­ge­sehene Argumentations­weisen auch in der Postmoderne ihren Platz haben. Alles in allem hat der Autor ein lesenswertes Buch vorgelegt, in dem sich solide Apo­logetik und wichtige Ge­danken zu missionarischer Gemeinde­ar­beit finden lassen, die nicht nur für den landes­kirchlichen Kontext bedenkens­wert sind.

Daniel Vullriede, em 2011-1

Gaudeul, Jean-Marie. Called from Islam to Christ: Why Muslims become Christians. Monarch Books: Crowborough/UK, 1999.

Dr. Jean-Marie Gaudeul, ein Missionar der Weißen Väter, hat viele Jahre in Tansania ge­arbeitet. Er ist Doktor der Islamwissenschaften und der arabischen Sprache und unterrichtet zur Zeit am Katholischen Institut in Paris.

Gaudeul geht der Frage nach, warum Muslime Christen werden. Er beschreibt sieben Haupt­gründe und erläutert diese anhand zahlreicher Beispiele: (1) Die Persönlichkeit Jesu ist für viele Muslime attraktiv. (2) Viele sind ange­trieben vom Durst nach Wahrheit und innerer Gewißheit. (3) Menschen ohne Familien haben den Wunsch nach Gemeinschaft. (4) Manche sind auf der Suche nach Gottes Volk (God’s Community) und entdecken es in der Kirche. (5) Manche sind auf der Suche nach Verge­bung und werden von der zentralen Botschaft des Evangeliums angezogen. (6) Manche ha­ben Hunger nach Gott und nach Gemeinschaft mit ihm, und (7) Manche werden von Gott di­rekt gerufen (durch Träume und Visionen).

Bei Gaudeuls Einleitung merkt man an einigen Stellen, daß er Katholik ist und auch Muslime als Leser seines Buches im Auge hat. Er ver­sucht, es für sie einsehbar und annehmbar zu machen, daß Muslime Christ werden. Gott ist es, so Gaudeul, der Muslime führt und manche von ihnen – auch aufgrund ihrer besonderen Persönlichkeit, Bedürfnisse und Lebensum­stände – in Jesus Christus Frieden und Erfül­lung finden läßt. Er betont dabei, daß dies kein negatives Licht auf den Islam wirft und nicht heißt, daß das Christentum besser sei. Gott führt den einen vom Christentum zum Islam und den anderen vom Islam zum christlichen Glauben. Ob Muslime ihm das abnehmen?

Gaudeul geht in seiner Einleitung auch auf die Zahl der Übertritte zum Christentum ein. Er ist vertraut mit dem Buch von A. T. Willis, das für 1965 bis 1971 in Indonesien von zwei Millio­nen Übertritten vom Islam zum christlichen Glauben spricht. Er schätzt die Zahl der jährli­chen Konversionen in Afrika auf einige Tau­send. Neuere Informationen über Bangladesh und den Iran seit der Revolution im Jahre 1979 fehlen leider.

Gaudeuls Verständnis von Bekehrung und Konversion wird von Evangelikalen sicherlich als oberflächlich, psychologisierend und hu­manistisch eingestuft werden. Er betrachtet Konversion in großem Maße als Wechsel von einem Wertsystem zu einem anderen, wobei Islam und Christentum als gleichwertige Reli­gionen betrachtet werden. Der ganze Prozeß ist auf menschliche Anstrengung und Entschei­dung reduziert. Der Anruf Gottes, von dem Gaudeul im Titel spricht, ist nicht mehr als der im Menschen innewohnende Hunger und Durst nach dem Ewigen und Heiligen.

Die Stärke des Buches liegt in den biographi­schen Informationen und Erlebnissen der Kon­vertiten. Gaudeul erlaubt es Konvertiten so zu reden, wie sie empfinden, auch wenn dies sei­nem Verständnis nicht entspricht. Dieser (größte) Teil des Buches ist für jeden, der mit Muslimen lebt oder unter ihnen arbeitet, sehr informativ, interessant und hilfreich. Elf Seiten mit 78 Literaturangaben zum Thema Konver­sion, viele aus dem evangelikalen Bereich, hel­fen weiter, sich in das Thema zu vertiefen und Gaudeuls Schlußfolgerungen zu überprüfen.

In Sprache und Stil ist das Buch leicht zu lesen. Das französische Original erschien 1991 bei Cerf in Paris (Appelés par le Christ: Ils vien­nent de l’Islam).

Dr. Dietrich Kuhl, em 2000-2.

Gehring, Roger W. Hausgemeinde und Mis­sion: Die Bedeutung antiker Häuser und Hausgemeinschaften - von Jesus bis Paulus. Brunnen: Gie­ßen, 2000.

Gehring, langjähriger Mitarbeiter von Campus für Christus und seit Ab­schluß der vorliegen­den Promotion unter Peter Stuhlmacher ‘adjunct’-Profes­sor in den USA, faßt hier mi­nutiös zusammen, was exegetisch und ar­chäologisch über die Bedeutung der Häuser als Versammlungsort der Je­susanhänger zu sagen ist. Er geht dabei von der grundsätzlichen histori­schen Glaubwürdigkeit der neutesta­mentlichen Berichte über sol­che Häu­ser aus, auch wenn er Eph, Kol, 1+2Tim und Tit für nachpauli­nisch hält, aber dennoch untersucht. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf dem ex­egetisch-historischen Aspekt. Die Bedeutung der Häuser für die Arbeit von Jesus und Paulus wird zwar festgestellt, aber dabei werden kaum missionsstrate­gische Überlegungen angestellt. Der „Ausblick: Die ekkle­siale und mis­sio­na­ri­sche Bedeutung des Hausgemeinde-Mo­dells für die Gegenwart“ am Ende macht ganze 15 von 500 S. aus und enthält kaum etwas missiolo­gisch Relevantes oder Neues, verläßt den Bereich der Lan­deskirche über­haupt nicht, stellt vor allem Fragen und trägt nichts zur ge­genwärtigen weltweiten Debatte zum Thema bei. Kurzum, das Buch ist zum ersten Teil des Titels eine ausgezeichnete Aufarbeitung des For­schungsstandes, zum zweiten Teil des Ti­tels jedoch wenig ergiebig.

Dr. Thomas Schirrmacher, em 2001-2.

Gensichen, Hans-Werner. Invitatio ad Fra­ternitatem. 75 Jahre Deutsche Gesellschaft für Missionswissenschaft (1918-1993). (Beiträge zur Missionswissenschaft und Inter­kulturellen Theologie Bd. 1). Mün­ster/Hamburg: Lit Verlag, 1993.

Hans-Werner Gensichen, der als profilierter deutscher Missionswissenschaftler 25 Jahre den Vorsitz der Deutschen Gesellschaft für Missi­onswissenschaft (DGMW) inne hatte (1965 - 1990), ist sicher dafür prädestiniert, zum 75-jährigen Jubiläum dieser Gesellschaft in einer geschichtlichen Darstellung über deren Werden und Wollen Rechenschaft zu geben.

Durch seine guten Kenntnissen der jüngeren Missionsgeschichte gerät das Buch zu ei­nem knappen und übersichtlichen Abriß der Ent­wicklung missionswissenschaftlichen Den­kens in Deutschland überhaupt. Gensichen spannt den Bogen von den ersten theoretischen Ansät­zen, die sich bei G. W. von Leibnitz fin­den über Justian von Welz und Konrad Mel zu den ersten pietistischen Missionaren Ziegenbalg und Plütschau, die als Sendboten der Dänisch-Halleschen Mission in Verbindung mit August-Hermann Francke eine glückliche Verbindung von Missionstat und Missionstheorie lebten. Der dahinter lie­gende Konflikt zwischen Theo­rie und Praxis, zwischen dem sog. Mis­sionsbetrieb durch die Missionsgesellschaften und dem kritischen Nachdenken über die Mis­sion sollte den Kampf von Männern wie Karl Graul und Gustav Warneck bestimmen, denen es gelang, die Missionswissenschaft im Be­reich der deutschen Universitäten fest zu eta­blieren. So kam es noch in den letzten Mo­naten des ersten Weltkrieges 1918 zur Grün­dung der Deutschen Gesellschaft für Missi­onswissenschaft, damals einzigartig in der Welt. Gensichen erhellt durch die Veröffentli­chung bisher unzugänglichen Materials die Motive der Gründungsväter der DGMW, und zeigt auf, wie in den schwierigen Zeiten zwi­schen und nach den großen Krie­gen durch Männer wie Carl Mirbt, Martin Schlunk, Julius Richter, Johannes Warneck, später dann auch Walter Freytag, Karl Harten­stein, Georg F. Vi­cedom und Gerhard Rosen­kranz die Ar­beit der Gesellschaft gestaltet wurde. Bedeu­tung er­langte sie besonders durch Nachwuchs - und Literaturförderung und Her­ausgabe zweier missionswissenschaftlicher Schriftenreihen. Dabei gelingt es Gensichen, durch knappe Übersichten Inhalt und Bedeutung dieser Ver­öffentlichungen dar­zustellen. Im Gegensatz zu dem guten ge­schichtlichen Überblick der wei­ter zurücklie­genden Zeit wird Gensichen in der Analyse der Entwicklung der letzten 25 Jahre merkwür­dig blaß und zeigt zuwenig auf, wie sehr die jüngere Missionswissenschaft in den Strudel der theologischen Substanzauflösung des Chri­stentums geraten ist. Kritisch sei hier bemerkt, daß Gensichen mit keinem Wort auf die hoff­nungsvollen Neuansätze des wissenschaftli­chen Nachdenkens über Mission im evangelika­len Lager eingeht, welche durch den Verfall der klassischen Missionswissen­schaften provo­ziert wurden. Wie kann eine Missionswissen­schaft, die den „… Mißlichkei­ten religiöser Pro­paganda und Kirchengrün­dung“ entgehen will, um „…der wahren Wirk­lichkeit der heutigen Welt“ (S.93) eher standzuhalten noch „als der Mission dienende Wissenschaft“ verstanden werden, so wie es Rosenkranz anläßlich der Fünfzigjahrfeier pro­grammatisch für die DGMW formulierte (S.4)? Hier liegt das Di­lemma der heute im Be­reich der Ökumene be­heimateten Missionswis­senschaft. Wenn die Missionstheorie nichts Po­sitives mehr zur Mis­sionspraxis beitragen kann, dann verwirkt sie ihre Berechtigung. Trotz der angedeuteten Schwächen ist das Buch eine gute Einführung in die Geschichte der deutschen Missionswis­senschaft insgesamt, die in den letzten 75 Jah­ren von der DGMW mitgestaltet wurde. Ich möchte dem Buch, auch wenn der Einband et­was steril wirkt und der Titel allzusehr nur akademische Zirkel an­spricht, eine breitere Le­serschaft wünschen.

Bernd Brandl, em 1996-2.

Gerhards, Albert. Heinzgerd Brakmann (Hg.), Die koptische Kirche. Einführung in das ägyp­tische Christentum. Stuttgart: W. Kohlhammer.

Ein wirklich lesenswertes Buch für alle, die sich mit der Missions- und Kirchengeschichte christlicher Minderheiten in der islamischen Welt beschäftigen. Die Aufsatzsammlung be­handelt außer der Geschichte einer der ältesten christlichen Kirchen überhaupt – die vorwie­gend die Geschichte einer Märtyrerkirche war und ist – Themen wie das koptische Mönchtum, die Liturgie (einschließlich Eucharistiefeier), koptische Kunst und das in den vergangenen Jahren verstärkte Dialogbemühen der kopti­schen Kirche mit orthodoxen, katholischen und protestantischen Kirchen unterschiedlicher Prägungen. Hier haben Annäherungen in dem rund 1500 Jahre alten Streit um Chalcedon stattgefunden, und daher sollte die koptische Kirche nicht mehr als monophysitisch bezeich­net werden. Im Kapitel zum Leben koptisch-orthodoxer Frauen wird deutlich, daß sich im Vergleich zwischen muslimischen und kopti­schen Frauen erstaunlich wenige Unterschiede ergeben (Heiratsvermittlung, Wertschätzung der Frau erst durch die Mutterschaft sowie Mädchenbeschneidung sind hier wie dort gän­gige Praxis). Für Missiologen von besonderem Interesse ist die – angesichts zahlreicher Re­pressalien seitens des Islam - bemerkenswerte Tatsache, daß die innere Erneuerung der kopti­schen Kirche in der jüngsten Vergangenheit maßgeblich auf die umfangreiche Sonntags­schularbeit dieser Kirche zurückzuführen ist.

Dr. Christine Schirrmacher, em 1997-2.

Giesbrecht, Heinz Dieter. Mennoni­tische Diakonie am Beispiel Para­guays: Eine diakonietheologische Un­ter­su­chung (Veröffentlichungen des Dia­ko­nie­wissenschaftlichen Instituts 45) Hei­delberg: Universitätsverlag Winter 2011.

Heinz Dieter Giesbrecht ist Nachkomme deutsch-mennonitischer Einwanderer in Paraguay. Er ist Pastor einer Mennoniten Brüdergemeinde in Filadelfia (Chaco – Paraguay) und Dozent für Praktische Theo­logie an der theologischen Fakultät der Evangelischen Universität Para­guays. Mit der vorliegenden Unter­su­chung promovierte er im September 2008 an der Evangelisch-Theologischen Fakultät in Heverlee (Leuven)

Die Monographie umfasst acht Kapitel. Im ersten Kapitel werden die grund­le­genden Begriffe „Diakonie“, „Dia­ko­nie­theologisch“ und „mennonitisch“ de­fi­niert. Unter diesen Aspekten formuliert Giesbrecht die Ziele seiner Unter­su­chung. Erste Absicht sei es, „anhand theo­logischer Kriterien die Praxis men­no­nitischer Diakonie in Paraguay zu be­schreiben und zu bewerten...“ (27). Weiter möchte Giesbrecht herausfinden, „welche theologischen Überzeugungen sich hinter dieser diakonischen Praxis ver­bergen“ (27). Explizit möchte diese Arbeit theologisch ausgerichtet sein und keine sozialwissenschaftliche Unter­su­chung leisten, die die Folgen men­no­ni­tischer Diakonie unter den Emp­fängern erforscht.

Kapitel 2 erarbeitet den theologischen Rah­men, um die diakonische Praxis in Pa­ra­guay ab Kapitel 5 zu bewerten. Gies­brecht stellt sich dafür zwei Leit­fragen: 1. „Wie wird diakonisches Han­deln biblisch-theologisch begründet und/ oder profiliert?“ 2. „Welche theo­lo­gi­schen Leitlinien lassen sich für die Ziel­setzung und Gestaltung diakonischen Han­delns feststellen?“ (30). Zur Be­ant­wortung der ersten Frage orientiert sich Giesbrecht an den wesentlichen heils­geschichtlichen Grunddaten (Schöp­fung, Sündenfall, Inkarnation, pneu­ma­tischer Ursprung der Gemeinde und Escha­to­logie). Dabei geht er auch auf theo­lo­gische Diskussionen ein, wie das Ver­hältnis von Wort und Tat und von Schöp­fung und Erlösung. Aus dieser theo­logischen Grundorientierung defi­niert er anschließend Ziel und Inhalt dia­konischer Praxis (z.B. Hilfe zur Selbst­hilfe).

Anschließend untersucht Giesbrecht im dritten Kapitel, wie mennonitische Theo­logen des 20. und 21. Jahrhunderts zu dem in Kapitel 2 erarbeiteten theo­lo­gischen Rahmen Stellung nehmen. Grund­sätzlich stellt Giesbrecht hier zwei Tendenzen fest: Erstens akzentuieren Theologen wie H.S. Bender, J.H. Yoder, u.a. die diakonietheologische Bedeutung von Christologie und Ekklesiologie in der Betonung ihrer ethischen Relevanz. Die zweite Tendenz halte grundsätzlich an der ethischen Relevanz von Chris­to­logie und Ekklesiologie fest, sehe diese jedoch in der Soteriologie und Pneu­ma­tologie verankert. Da der Gnaden­cha­rak­ter hervorgehoben werde, wehre letz­tere einer latenten ethischen Über­frach­tung der Diakonie.

Um die diakonischen Initiativen der Men­noniten in der Kapiteln 5-7 besser zu erfassen, erforscht Giesbrecht in Ka­pitel 4 den diakonischen Gedanken im Kolonie-Mennonitentum, dessen An­fän­ge sich historisch im Preußen des 16. Jahrhunderts befinden und ab dem 18. Jahrhundert in Russland zur vollen Reife gelangten. Eben dieses Kolonie-Men­nonitentum wurde gemäß seines rus­si­schen Vorbildes ab den 1920ger Jahren nach Paraguay verpflanzt. Giesbrecht be­ob­achtet, dass der ursprüngliche im Glau­ben wurzelnde Gedanke der Lie­bes­tat als Zeichen des wahren Glaubens in den mennonitischen Kolonien immer mehr institutionalisiert bzw. sozialisiert und säkularisiert wurde. Jedoch kam es unter dem Einfluss der pietistischen und baptistischen Erweckungsbewegungen zu einer Erneuerung des diakonischen Ge­dankens, was sich in einer Vielzahl von geistlich-motivierten karitativen Wer­ken in Russland niederschlug. Die Erfahrungen der Erweckungsbewegung und die im Leid nach 1917 erfahrene Hilfe bei Flucht und Neuansiedlung durch das Mennonitische Zentralkomitee (MCC) haben dazu geführt, dass man in Paraguay eine missionarisch-orientierte und transkulturelle Entwicklungs­dia­ko­nie aufbaute.

In den anschließenden drei Kapiteln unter­sucht Giesbrecht sieben diakonische Institutionen der Mennoniten in Para­guay. Diese sind nach dem Kriterium der Trägerschaft (Gemeinde, gemischte Trä­gerschaft aus Gemeinde und Kolonie und privater Vereinsträgerschaft) gegliedert. Jede dieser Institutionen wir anhand der eigenen Geschichte und Zielsetzung dar­gestellt. Anschließend gibt Giesbrecht einen diakonietheologischen Kommen­tar, wobei ihm die in Kapitel 2 und 3 erarbeiteten Kriterien als Maßstab die­nen. Wesentliche Resultate werden dann in Kapitel 8 zusammengefasst und be­wertet.

Giesbrechts Monographie ist auf jeden Fall eine lohnende Lektüre für Diakonie-engagierte Christen. Es gibt dem Leser einen guten und ausgewogenen Einblick in die gegenwärtigen theologischen Dis­kussionen um das Thema Diakonie und exemplifiziert diese an konkreten Bei­spielen.  Zum ersten Mal werden somit dem deutschen Raum wesentliche Er­fahrungen und Erkenntnisse menno­ni­tischer Diakonie (aus Paraguay) und Theologie zugänglich gemacht. Er­fah­rungen und Reflexionen aus anderen Kon­texten bereichern die eigene Wahr­nehmung. Das Lesen dieses Buches ist eine angenehme Erfahrung, da Gies­brecht sich immer wieder bemüht, we­sentliche Inhalte zusammenzufassen und zu präzisieren. Der Leser dieser Un­ter­suchung sollte jedoch über dogmatische Grundkenntnisse verfügen, da diese in manchen theologischen Diskussionen vorausgesetzt sind. Für die Diakonie in Paraguay ist dieses Buch eine Heraus­forderung. Die solide theologische Ar­beit fordert eine weiterführende sozio­logische Untersuchung der Geber- und Empfängergruppen, um zerstörerische Faktoren der mennonitischen Diakonie zu orten und zu korrigieren. Giesbrecht zählt beeindruckende Fakten auf, die von einem Erfolg mennonitischer Diakonie in der verbesserten Lebensqualität der Empfänger zeugen. Soziologisch müsste erforscht werden, ob dieser quantitative Erfolg zu einem dauerhaften qualitativen Fortschritt führt (z.B. ob Abhängigkeiten langsam aufgehoben werden, Über­win­dung einer häufig paternalistischen Hal­tung) und welche kulturell ange­mes­se­nen Schritte in diese Richtung unter­nommen werden müssten.

Rainer Siemens, em 2012-3.

Glaser, Ida; Napoleon John. Partners or Pri­soners? Christians thinking about women and Islam. Paternoster: Carlisle, 1998.

Wo liegen die wirklichen Unterschiede zwi­schen Islam und Christentum, wenn es um die Beurteilung und Stellung der Frau geht? Ist das Kopftuch wirklich ein ‘Instrument der Unter­drückung’ und wäre deshalb mit dem christli­chen Glauben nie und nimmer vereinbar? Ent­hält nicht auch die Bibel Aussagen zum Thema Frau („… sie sollen zu Hause ihre Männer fra­gen“ u. a.), die ganz und gar nicht zum westli­chen, freiheitlichen, gleichberechtigten Chri­stentum zu passen scheinen und eigentlich fast „islamisch“ klingen?

Diese Fragen möchten die Autoren auf den Punkt bringen, ohne einerseits altbekannte Vorurteile gegen den Islam neu zu schüren, aber andererseits auch ohne den biblischen Textbefund zu relativieren. Sie scheuen sich ebensowenig, Musliminnen in ihren apologeti­schen Äußerungen selbst zu Wort kommen zu lassen und positive Seiten der islamischen Kultur zu benennen wie Verirrungen der christlichen Kirchengeschichte und Exegese anzuführen, denn sie möchten „unter allen Um­ständen der Versuchung widerstehen, die be­sten Seiten des Christentums mit den dunkel­sten Kapiteln des Islam zu vergleichen“ (14).

Das Buch möchte nicht polemisieren, aber auch nicht nur wissenschaftliche Vergleiche ziehen: Der Leser erfährt als Resümée aus der sehr sachkundigen, ausführlichen Koran- und Bibelexegese, aus dem Studium von Sekun­därliteratur und islamischer Überlieferung, daß für Glaser und John nur das biblische Gottes- und damit auch Menschen- und Frauenbild Würde und Freiheit vermitteln, aber auch nur das Christentum als einzige Religion Aufga­benverteilung und Platzzuweisung ohne Unter­drückung kennt.

Viele langjährig gereifte Überlegungen wer­den hier in großer Dichte klar und prägnant zu­sammengefaßt. Manche Überlegungen zum bi­blischen Frauenbild sind durchaus herausfor­dernd. Aber auch wer den Autoren nicht in al­
len Schlußfolgerungen zustimmen mag, wird - wenn er in Kontakt mit muslimischen Frauen steht – ein tiefschürfendes, packendes, sehr kenntnisreich geschriebenes, praxisnahes Buch in der Hand halten.

Dr. Christine Schirrmacher, em 2000-3.

Glasser, Arthur. Announcing the Kingdom: The Story of God’s Mission in the Bible. Grand Rap­ids: Baker Academic 2003.

Ganz selten habe ich es gewagt, ein Buch eines meiner geschätzten Lehrer zu zensieren. Dann und wann aber sind Ausnahmen nicht nur berechtigt, sondern geboten. Wer Professor Glasser einmal erlebt hat, vielleicht sogar ein oder zwei Semester bei seinen Vorlesungen dabei war und jetzt dieses Buch liest, der wird unwillkürlich an den apostoli­schen Aufruf denken müssen: „Gedenkt eurer Leh­rer, die euch das Wort Gottes gesagt haben! Be­trachtet genau das Ende ihres Lebens und folgt ihrem Glauben nach!“ (Hebr 13,7). Beim Lesen dieses Buches kann jeder Lernende vernehmen, wie sein ehemaliger Lehrer immer noch von den großen Taten Gottes redet und herausgefordert werden, das gleiche zu tun.

Dr. Glasser schreibt nicht als Theoretiker, sondern als einer, der sein Leben lang die Dringlichkeit der missionarischen Sendung gelebt und gelehrt hat. Selbst im Alter von über neunzig Jahren bleibt er missionarisch engagiert. Sowohl bei seinen Predig­ten und Vorlesungen hinter Kanzel und Katheder, ais auch bei seinen schriftlichen Arbeiten am Schreibtisch ging es ihm von jeher nicht darum, marklose Bruchteile und Fragmente biblischer Wahrheiten wiederzugeben. Er war vielmehr dar­um bemüht, die Zusammenhänge in ihrer ganzen Tiefe des Evangeliums vom Reich Gottes zunächst selbst zu erkennen, davon gepackt und überwältigt zu werden, und erst dann an seine Hörer und Leser zu vermitteln. Nach wie vor möchte er die Nach­folger des Herrn motivieren, die heilbringende Botschaft von Jesus Christus unter allen Völkern der gefallenen Welt zu verkündigen. Dabei geht es immer – wie Glasser nachweist – um einen gewal­tigen Machtkampf zwischen Jahwe und Baal (S. 114-116), zwischen Jesus Christus, dem Licht der Welt, und den Fürsten und Mächten der Finsternis (S. 207-208; 250-256; 330-337). Das Reich Gottes eben ist nicht von dieser Welt.

Das Buch bietet keine oberflächliche Lektüre an, ist auch nicht für denkfaule Leser geschrieben. Diesen tiefgründigen Wesenszug des Autors hat Professor Paul Hiebert, ehemaliger Kollege von Dr. Glasser, im Vorwort auf den Punkt gebracht: „Die meisten Christen reden von ihrem persönli­chen Heil und was Gott in ihrem Leben für sie getan hat. Sie haben eine Theologie der Anbetung und Gemeinschaft, des Gesundheitszustands materiellen Wohlstands und der Besorgnis ur Bedürftigen. Aber sie geben sich in ihrem Denken wenig mit einer Welt verschiedener Völker ab, machen sich kaum Gedanken über die in Übel und Sünde verstrickte Erde; sie denken weder über Geschichte nach, die sich von vor der Schöpfung bis hin in die Ewigkeit erstreckt, noch geben sich Rechenschaft über den Grund, weshalb und wozu sie eigentlich in dieser Welt existieren“ (7). Glassers Theologie geht tiefer und weiter über den Rahmen solcher Oberflächlichkeit hinaus. Wie der vielfarbige Regenbogen sich unserm Gesichtskreis von Horizont zu Horizont erstreckt und uns an Gottes Gnadenbund mit den Menschen innert, so versucht Arthur Glasser seinen Lesern einen Gesamtüberblick von Gottes geschichtlichem Heilshandeln zu gewähren. Er interpretiert die großen Heilstaten Gottes als das eigentliche Missionsthema der Bibel, wie es sich in der Offenbarungsgeschichte zwischen Weltschöpfung und Weltvollendung als ununterbrochene Ankündigung des Reiches Gottes entfaltet. Wer das Buch als Systematiker oder als Dispensationalist liest, darf von vorne herein mit Enttäuschungen rechnen. Glassers hermeneutischer Ansatz ist am besten als der eines Bibeltheologen zu verstehen. Er versucht nach den kanonische Schriften („canonical Scriptures“, wie er die Bibel mit Vorliebe nennt) zu zeigen, wie Gott das gesamte missionarische Handeln kontinuierlich in drei großen Zeitepochen durchführt: Die Urgeschichte mit ihrem Universalcharakter berichte Gottes Wirken bei der Schöpfung, dem Sün­denfall und Gericht, so wie in der Sprachenverwir­rung und Zerstreuung beim Turmbau zu Babel (1Mo 1-11). Die zweite Epoche von 1Mo 12 durch­gehend bis Apg 1 bezeichnet Glasser als „particular history“ (Sondergeschichte). Hier gibt sich Gott vorwiegend mit seinem auserwählten Volk Israel und dessen Verhältnis zu den Völkern ab, und zwar von der Berufung Abrahams bis zur Sendung des Messias und den damit zusammenhängenden Heilsgeschichtlichen Ereignissen. In der dritten und letzten Epoche greift Glasser zurück auf das Thema der Universalgeschichte, die durch das Kommen des Heiligen Geistes und den Aufbruch der Gemeinde (Apg 2) weitergeführt und von Gott selbst vollendet wird (Offb 22; vgl. die Zusam­menfassung auf S.29-30).

In sechs weiteren Hauptteilen, die jeweils aus drei, vier, oder fünf Kapiteln bestehen, detailliert der Autor die umfangreiche Mission Gottes, und zwar wie sich diese schon in den ersten Berichten der Bibel deutlich kundtut (S.17-68); wie sie dann von Israel, dem Volke Gottes, empfangen und getragen wird (S.71-124); wie die Botschaft – einschließend die prophetische Verheißung vom Messias – über Israels Grenzen hinaus zu den Na­tionen kommt (S.127-179); wie das Reich Gottes in Jesus, dem Christus Gottes, konkret in Erschei­nung tritt (S. 183-256); wie die Gemeinde Jesu die Mission verkörpert und in der Kraft des Heiligen Geistes von Jerusalem ausgehend die Botschaft vom Reich Gottes in der ganzen Welt verkündigt (S.259-325). Endlich weist Glasser nach, dass die Mission Gottes alle Grenzen übersteigt und bis an das Ende der Erde und Zeit hinausreicht. (S.329­-373).

Bei all den theologischen und historischen Ausfüh­rungen beruft sich Glasser einzig auf die biblischen Aussagen in ihrem Zusammenhang. Dazu hat er nahe an 3.000 Schriftstellen alten und neuen Tes­taments zitiert und viele davon bearbeitet, Er will seinen Lesern nicht nur ein umfangreiches und einheitliches Bild von der Missio Dei zeigen. Vielmehr möchte er ihnen Gott selbst in seiner ewig-majestätischen Größe und Dreifaltigkeit als den Vater, Sohn und Heiligen Geist präsentieren. Sie sollen ihn in seiner heiligen, gerechten und liebevoll-erlösenden Einzigartigkeit als den Gott der Mission kennenlernen (S.243-245). Gott er­kennen, Jesus Christus als einzigen Weg zum Heil akzeptieren, ihm als Herrn dienen und dem Heili­gen Geist gehorchen ist der Sclüssel zu einem fruchtbaren Leben in der Beteiligung an der Missi­on Gottes.

Sowohl ein umfangreiches Bibelstellen- und Sach­register als auch die vielen Zitate aus der Bibel und anderen Quellen sind eine wertvolle Hilfe, sich weiter mit der Thematik auseinanderzusetzen. Was den Leser weiter beeindruckt, ist eine zehnseitige Bibliographie, in der mehr als 250 relevante Bü­cher und Artikel zum Thema aufgelistet sind. Die­se Liste kann aber auch täuschen. Man findet z. B. unter den vielen Quellen kein Buch, das nach Pe­restroika oder nach dem Sturz der Mauer zwischen Ost und West dem motivierten Leser den Vorhang lüftet und einen Einblick in das missionstheologi­sche Denken der ehemaligen „Zweiten Welt“ ge­währt. Das trifft allgemein auf die letzten zehn bis zwanzig Jahre zu. Solche Vernachlässigung kan man von Dr. Glasser im Kontext seiner Wirkungs­zeit verstehen, aber kaum von seinen jüngeren Kollegen, die auf der Titelseite als Mitarbeiter genannt werden. Trotz dieses Mangels kann ich das Buch nur empfehlen. Noch ein Wort zum Schluß.

In der Einführung zum ersten Kapitel kündet Dr. Glasser seine grundsätzliche Haltung zur Heiligen Schrift an: „Die ganze Bibel alten und neuen Tes­taments ist ein missionarisches Buch; sie ist die Offenbarung der missionarischen Absichten und Aktionen Gottes in der Geschichte der Mensch­heit“ (S.17). Nachdem er dieses große Thema in 23 Kapiteln behandelt hat, schließt der Autor sein Werk mit einem bescheidenen Bekenntnis ab: „Am Abschluß dieser Untersuchung stehen wir unter dem eindeutigen Eindruck, dass unsere Erkenntnis begrenzt geblieben ist, und dass unser Verständnis der Wahrheit weder vollkommen noch vollendet ist (1Kor. 13,9.12). Gelegentlich stießen wir bei unserer Auseinandersetzung auf scheinbaren Wi­derspruch, indem wir bestimmte Wahrheiten sa­hen, aber die Zusammenhänge nicht voll und ganz verstehen konnten. Wir haben jedoch das Vertrau­en, dass das, was geschrieben wurde, den Eindruck einer aufrichtigen und lautern Bemühung vermit­telt, auf Gottes Wort des kanonischen Textes der Heiligen Schrift hinzuhören“ (S.373).

Prof. em. Dr. Dr. Hans Kasdorf, em 2005-1.

Goldsmith, Martin (Hg.). Ein Herz für Mis­sionare. Marburg: Francke, 1992.

Nur die gute Hälfte dieses Buches befaßt sich mit der Unterstützung von Missionaren. Es zeigt sich schnell, daß uns Autoren aus Groß­britannien (alle irgendwann Mitarbeiter der OMF/ÜMG) kulturell näher sind als der Ame­rikaner Pirolo. Was sie zu den drei Themenbe­reichen Gebet, Ausreise und Rückkehr sagen, weckt Verständnis. Dennoch bleibt der Wunsch nach einem nicht übersetzten Buch zum


Thema. Die andere Hälfte des Buches berichtet über weltweite Trends in der Mission und argumentiert mit biblischen Begründungen gegen Vorbehalte gegenüber der Mission.

Christof Sauer, em 1994-3.

Goldsmith, Martin. Islam und Christliches Zeugnis. Verlag C. M. Fliß: Hamburg 1993.

Der Autor kennt die aktuellen Entwicklun­gen im Islam, hat Erfahrung im Umgang mit Mus­limen und besitzt eine fundierte Kenntnis der islamischen Geschichte und Theologie. Sein Ziel ist es, Christen zum Zeugnis zu motivie­ren, trotz aller Probleme, die bei der Weiter­gabe des Evangeliums an Muslime auf­treten. Dies gelingt ihm nicht zuletzt durch eine kurze und gut verständliche theologische Ein­führung in den Islam. Eine prägnante Abhand­lung über die Vorzüge des christlichen Glau­bens, sowie praktikable und teils ungewöhnli­che Tips zum Zeugnisgeben schließen sich dem an. Die Überlegungen, wie aus dem Islam Bekehrte ihr Christsein ausleben können, sowie eine ermutigende Bestandsauf­nahme von Be­kehrungen im Islam aus aller Welt runden das Buch ab. Insgesamt versteht der Autor tief­gründige Zu­sammenhänge auf einfache und interessante Art und Weise zu schildern.

Michael Wimmer, em 1996-2.

Goldsmith, Martin. Life’s Tapestry. Reflec­tions and Insight from my Life. OM Publis­hing: Carlisle (GB), 1997.

„Bleib unter dem Tisch, du bist Missionar!“ Ist Martin Goldsmith beleidigt, ärgerlich, als er von einem Indonesier so zurechtgewiesen wird? Nein, denn seine Grundeinstellung ist es, in jeder neuen Situation - und es sind deren viele - neu zu lernen, immer andere zu motivie­ren, ja sogar, ihnen die Ehre des Erfolges zu überlassen. Abgehoben? Sicher nicht! Gold­smith macht den Lernprozeß humorvoll deut­lich, aber diese Demut bei aller fachlichen (Oxford) und geistlichen Kompetenz stellt den Leser in Frage und fordert ihn auf, nur für Je­sus zu leben. Das macht frei, jede neue Kultur aufgrund der Bibel zu beurteilen und nicht vor dem eigenen Hintergrund. Mit der Haltung des Dieners erwirbt man sich das Vertrauen der Leute, nicht mit der Parole: „Jetzt komme ich, jetzt geht es los!“ Leicht? Sicher nicht, aber in der Zeit des Postkolonialismus das Beste.

Nach Singapur, Thailand, Indonesien geht der Weg für Goldsmith nach Malaysia und bringt die schmerzliche Erfahrung, daß sich Erfolgs­strategien nicht so einfach von einer Kultur in die andere übertragen lassen.

Martin und Elizabeth Goldsmith kennen das schwarze Loch, wenn man Gott und Menschen nicht mehr versteht. Aber sie haben gelernt, daß Bitterkeit die Wurzel vieler Übel ist. So sind sie frei, einen Ruf an das „All Nations Christian College“ in Großbritannien anzu­nehmen und merken, wie Gott sie vielfach ohne ihr Wissen Schritt für Schritt in einen welt­weiten Vortragsdienst führt. Und was ist das Vermächtnis ihres Lebens, nach dem Mar­tin Goldsmith im Vorwort fragt? Es ist, daß Je­sus in allem den Vorrang habe und daß der Knecht nicht höher stehe als sein Herr! Das Buch macht Mut dazu und fordert heraus, für das ei­gene Leben nicht mit weniger zufrieden zu sein.

Ingrid v. Torklus, em 1998-4.

Goldsmith, Martin. Matthew & Mission: The Gospel through Jewish Eyes. Carlisle: Paternoster, 2001.

M. Goldsmith, weitgereister Vortragsredner und Autor vieler Bücher zu missiologischen und missionspraktischen Themen, war Missionar der ÜMG in Singapur, Malysien, Indonesien und Thailand, lehrt am All Nations Christian College in Großbritannien und gehört als jüdischer Christ zum Vorstand des europäischen Zweiges der Jews for Jesus-Bewegung. Mit diesem Buch legt Goldsmith eine missiologisch-exegetische Studie zum Matthäusevangelium vor, die sowohl die wissenschaftliche Diskussion (wenn auch ohne Fußnoten) als auch die praktische missionarische Erfahrung berücksichtigt. Dabei stellt die jüdische Perspektive, die der Autor mitbringt, eine weitere Bereicherung der Auslegung dar. In 14 Kapiteln, die sich am Aufbau des Textes orientieren, nimmt Goldsmith den Leser mit auf eine spannende Entdeckungsreise, die mit dem Hinweis auf die missionarische Gegenwart Jahwes in Jesus Christus als „Immanuel“ (Gott mit uns) beginnt (Mt. 1,23) und mit der missionarischen Verheißung der Gegenwart Jesu endet: „Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“ (Mt. 28,20). Zwischen dieser literarischen „Klammer“ (inclusio) entfaltet sich die Mission Jesu Christi und seines Jüngerteams, die schließlich in der weltweiten Sendung der Gemeinde an alle Völker – Juden und „Heiden“ gipfelt. Immer wieder zieht Goldsmith die missionstheologische Linie aus in die Gegenwart (z.B. in der religionstheologischen Auseinandersetzung) und illustriert seine Aussagen durch eigene Erfahrungen im weltweiten Dienst. Besonders die heutige Situation jüdischer Christen weltweit und in Israel und die besonderen Herausforderungen der Verkündigung des Evangeliums unter Juden treten immer wieder in den Fokus. Am Ende des Buches findet sich eine kurze Bibliographie. Das Buch stellt keinen wissenschaftlichen Anspruch, ist aber eine inspirierende Lektüre, die sowohl frische Einsichten in das Studium des Matthäus-Evangeliums vermittelt als auch wichtige Horizonte für den missionarischen Auftrag in der Nachfolge Jesu heute vermittelt - an Juden, nachchristlichen und anderen „Heiden“.

Dr. Friedemann Walldorf, em 2003-2.

Goldsmith, Martin. What in the World is God Doing? Eastbourne: Monarch, 1991.

Solch ein Streifzug um die Welt mit missiona­rischer Perspektive, allgemeinverständlich und kurz gehalten, fehlt uns auf Deutsch. Ein wich­tiges Motivations- und Informationsbuch für die Gemeinde. Nachahmenswert erscheint auch die „All Nations Series“ (der gleichnamigen internationalen Missionsschule in England), in der dieser Titel erscheint, mit dem vierfachen Ziel: Grundlegendes über Mission zu lehren, den westlichen Kirchen Mission wichtig zu machen, Unterstützung der Mission durch Ge­bet und Handeln anzuregen und den Kirchen im multikulturellen Westen zu helfen, von den Erfahrungen der weltweiten Kirche zu lernen. Wäre die FHM oder die AEM zu einem ähnli­chen Gemeinschaftprojekt fähig?

Christof Sauer, em 1994-1.

Gottwald, Eckart und Folkert Rickers (Hg.), www.geld-himmeloderhölle.deDie Macht des Geldes und die Religionen. Anstöße zum interreli­giösen Lernprozess im Zuge der Globalisierung. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 2002.

Geld – für die einen der Himmel, für die anderen die Hölle? Oder für jeden der Himmel? Oder für jeden die Hölle? Oder immer beides zugleich? – Ohne Zweifel ist Geld eine allgegenwärtige Macht, die gerade im Zuge der Globalisierung ihre gesell­schaftliche Wirkung verstärkt entfalten kann und für viele Menschen - insbesondere unter Einfluss der Medien - zur Ersatz- bzw. Lifestylereligion geworden ist. Damit stellt das Geld eine bislang unterschätzte Gefahrdung für die Religionen dieser Welt und eine Herausforderung für die Religions­pädagogik dar. Die Herausgeber stellen daher als Religionspädagogen die Frage, inwiefern die Reli­gionen eine kritische Potenz gegenüber dem Geld enthalten und entfalten können.

Das Buch ist mit seinen zehn Beiträgen so aufgebaut, dass nach einem volkswirtschaftlich orientierten Grundlagenbeitrag zur modernen Geld­wirtschaft die Haltung der vier Religionen Chris­tentum, Islam, Bahä’i und Buddhismus zum Geld dargestellt wird, indem jeweils ein Vertreter dieser vier Religionen zu Wort kommt. In den anschlie­ßenden Beiträgen wird versucht, religionspädago­gische Folgerungen zu ziehen und Alternativen zur kapitalistischen Geldwirtschaft aufzuzeigen.

Die Selbstdarstellung der einzelnen Reli­gionsvertreter bezüglich der Einstellung ihrer Reli­gion zum Geld ist zwar nicht erschöpfend und auch nur begrenzt selbstkritisch, sie gibt dem Leser aber einen interessanten Einblick in die wesentlichen Einstellungen und Handlungen und in die Begriff­lichkeiten (Zakat, Zinsverbot, Jobel- und Erlass­jahr, Ich-Illusion, HuququUah usw.) der jeweiligen Religion zum Thema „Geld“. Selbstkritik kommt bezeichnenderweise primär aus dem christlichen Lager. Hier sei der Anspruch aber auch am höchs­ten, weil allein das Christentum grundsätzlich eine Problematik im Geld sehe: Gott sei ein Gott der Armen. In den anderen Religionen werde nur die Gefahr des Geldbesitzes aufgezeigt, Geldbesitz an sich sei dort aber nicht negativ behaftet.

Als Leitlinie der religionspädagogischen Ausführungen wird gefragt, was das jeweils Bin­dende unseres Lebens sei. Es werden weitere Fra­gen angerissen, die den Leser zum Nachdenken über die Macht des Geldes bringen sollen, ohne fertige Antworten zu liefern: Was sind die struktu­rellen bzw. gesellschaftlichen Komponenten der Macht des Geldes? Wie kann man andere Werte noch neben dem Wert des Geldes halten? Was sind Möglichkeiten erfüllten Lebens, die sich nicht am Materiellen orientieren? Als Alternativen zur mo­dernen Geldwirtschaft werden unter anderem Leih-und Schenkgemeinschaften, Stiftungen, Kleinkre­ditprojekte in der Dritten Welt und Tauschringe vorgestellt, wiederum jeweils von einem Mitarbei­ter dieser Projekte. Diese Initiativen stellen aber als idealistische, teils auf Spendenbasis finanzierte Klein- oder Entwicklungsprojekte keine Alternati­ve zu unseren großen, anonymen Märkten dar. Ein­zig die Ethik- und Ökofonds haben sich inzwischen zu einer respektablen Alternative zur rein kapitalis­tischen Geldwirtschaft entwickelt.

Das Buch ist insgesamt gut leserlich ge­schrieben und in der Lage, den Leser für die Prob­lematik des eigenen Umgangs mit dem Geld zu sensibilisieren und vereinzelt Alternativen aufzu­zeigen. Nicht verschwiegen werden darf allerdings, dass das Buch insgesamt an einer zu undifferen­zierten und teilweise auch unberechtigten Kritik an unserem Wirtschaftssystem leidet. An diversen Stellen fehlt es an Sachkunde, gängige Klischees werden unkritisch übernommen. Biblische Verse werden - teils auf Basis historisch-kritischer Grundannahmen - interessegcleitet interpretiert. Für den missiologisch interessierten, kritischen Leser kann es dennoch gewinnbringend sein, die gelieferten Grundinformationen über den Umgang mit Geld in anderen Religionen und alternativen Projekten zu reflektieren.

Andreas Mitschke, em 2003-3.

Graham, Billy. So wie ich bin: Die Autobio­graphie. Brunnen Verlag: Gießen, 1998.

Mit diesem Buch liegt nun die deutsche Über­setzung der Erinnerungen des wohl bekannte­sten Evangelisten der Welt an sein Leben und seinen Dienst vor. Den inhaltlichen Schwer­punkt legt Billy Graham dabei auf seine Reisen in verschiedene (z.T. „verschlossene“) Länder und auf seine Begegnungen mit berühmten Persönlichkeiten.

Missiologisch interessierte Leser werden sich daran freuen, daß das Buch einige inter­essante Hintergrundinformationen über die Ge­schichte und Arbeitsweise der Billy Graham Evangeli­stic Association enthält. Eine andere Gewich­tung der Themen wäre jedoch – aus mis­siologischer Sicht – wünschenswert gewe­sen: So fallen z.B. die Abschnitte über die Kon­gresse in Berlin 1966 und Lausanne 1974 sehr viel kürzer aus, als etwa die ausführlichen Beschrei­bungen der Begegnungen Grahams mit den einzelnen amerikanischen Präsidenten.

Das Beeindruckende an dieser Autobiogra­phie ist, daß der Leser spüren kann: Da lebt ein ein­facher, „von Natur aus schüchterner“ Mensch konsequent seine gottgegebene Beru­fung: die Verkündigung des Evangeliums. So erscheint es geradezu typisch für Graham, wenn er es im letzten Teil des Buches nicht lassen kann, dem Leser zu erklären, was „Wiedergeburt“ meint und wie sie geschehen kann (S.669).

Trotz seiner 700 Seiten ist das Buch leicht zu lesen, wozu auch vier Bildteile bei­tragen.

Andreas Baumann, em 1999-3.

Grandjean, Samuel. Orano. Genf: Haus der Bi­bel, 3. Auflage 1989.

Drei interessante und vielen Menschen unbe­kannte Bereiche eröffnen sich dem Leser in diesem Buch: Nordafrika, ein Leben ohne An­gehörige und ein Leben in Blindheit. Der drei­jährige blinde Orano wird von seiner Mutter ausgesetzt und muß ohne Angehörige seinen Weg ins Leben finden. Waisenhaus, Schule, Erlernen der Blindenschrift, Ausbildung im Ausland (Frankreich), Erlebnisse als Blinder unter Sehenden und anderen Blinden und nicht zuletzt das Staunen darüber, wie Gott sich ihm offenbart und neues Leben schenkt - dies alles verpackt in spannende, kurze Abschnitte - ma­chen das Buch zu einer wertvollen Lektüre für die ganze Familie. Als Kinder unserer so abge­sicherten Umgebung treffen uns die tragischen Erlebnisse des Orano ganz besonders. Deshalb scheint mir das Buch als „Gute-Nacht-Ge­schichte“ für sensible Kinder weniger geeignet zu sein.

Der Autor beider Bücher, Samuel Grand­jean, ist vor allem im französischsprachigen Raum aufgrund seiner zahlreich veröffentlich­ten Kin­derbücher und Arbeitsmaterialien für Kinder­stunden bekannt.

Michael Wimmer, em 1997-2.

Grandjean, Samuel. Sebti der Furchtlose. Genf: Haus der Bibel, 1990.

Diese aus dem Französischen übersetzte, span­nende, wahre Geschichte eines algerischen Jungen, der mit seiner Familie nach Nord­frankreich kommt, ist nicht nur für Kinder eine wertvolle Lektüre. Zwei Kulturkreise treffen im Leben des Jungen Sebti immer wieder auf­einander: nordafrikanische Tradition und west­licher Materialismus. Viele kleine, spannende Abenteuer prägen seine Kindheit, zuerst im kleinen algerischen Dörfchen, später in ver­schiedenen Gebieten Frankreichs. Er muß ler­nen, was es bedeutet, Ausländer zu sein, in Ei­senbahn­waggons zu leben und mit den oft ne­gativen Einflüssen seiner Spielkameraden zu­recht zu kommen. Der unerwartete Besuch von Missionaren, die bereits in seiner Heimat gear­beitet haben, bringt eine ganz neue Perspektive in sein Leben. Durch freundliche und hilfsbe­reite Christen lernt er schließlich auf einem Jungscharlager Jesus als seinen persönlichen Herrn kennen. Die Stärke dieses Buches ist, daß es nicht mit Sebtis Bekehrung aufhört nach dem Motto „Ende gut, alles gut“, sondern daß das letzte Drittel Sebtis neuem Leben mit Jesus gewidmet ist.

Michael Wimmer, em 1997-2.

Greenway, Roger S., Timothy M. Monsma. Cities: Mission’s New Frontier. Baker Book House: Grand Rapids, 1989.

Die beiden Autoren, die beide schon durch Veröffentlichungen zur Großstadtmission hervorgetreten sind, versuchen in diesem Band das Thema Großstadtmission umfas­send zu behandeln. So umfassen die 20 Ka­pitel eine kaum zu überbietende Spann­breite, wie ein Blick in die Liste der The­men beweist, die sich leicht verlängern ließe: Großstadtmission im AT und im NT; ethnische Gruppen in Großstädten; die Fa­milie des Großstadtmissionars; Statistiken; Slums und Armut, eine 44seitige Bibliogra­phie; Gemeindewachstum und das Verhält­nis zur politischen Führung.

Sicher sind die Kapitel von unterschiedli­chem Wert. Erfreulich sind die drei bibli­schen Einführungskapitel, auch wenn es mir fraglich erscheint, ob man eine spezielle Großstadtmission aus dem Neuen Testament erheben und zum Muster machen kann. Die Aufgabe der Großstadtmission für die Evan­gelisation ihrer Umgebung, die bei Paulus eine solch große Rolle spielt, wird kaum betont.

Um so besser sind viele der praktischen Kapitel. Sie stellen einerseits dar, wie vie­lerorts gearbeitet wird, und machen an­dererseits Vorschläge, wie die Missionsar­beit auf die Großstadtsituation der Zukunft eingehen sollte. Man spürt dem ganzen Buch die Begeisterung und Hingabe ab, mit der die Autoren die Millionenstädte dieser Welt für Christus gewinnen möchten. Da­durch ist das Buch nicht nur für Großstadt­missionare zu empfehlen, sondern auch für solche, die es bis jetzt noch nicht werden wollen.

Dr. Thomas Schirrmacher, em 1990-2.

Gremels, Georg (Hg.), Alles beginnt einmal ganz klein. Klaus Vollmer im Spiegel seiner Weggefährten. Mit Beträgen von Ulrich Parzany, Reinhard Deichgräber, Klaus Eickhoff u. a., Marburg a. d. Lahn: Francke, 2012.

Das Phänomen geistlicher „Denkmalorte“ – in diesem Fall Hermannsburgs –, „wo sich die Fülle des christlichen Gemeingeistes konzentriert zur allgemeinen Wiederbelebung des christlichen Sinnes und zur christlichen Regeneration der im allgemein[en] verfallenen geselligen Zustände“ (Johann Hinrich Wichern), schließt interessanterweise auch die Möglichkeit der Regeneration ein. Unter Aufnahme von mit den Gründern verbundenen Impulsen wie „die Kirchengemeinde als Trägerin von Mission und Diakonie“ und des Gebets von Ludwig Harms (1808-1865), dem Begründer der Hermannsburger „Missionsgemeine“, geschieht mitunter wirkungskräftige Erneuerung, die neue Impulse aufnimmt oder ältere auswählt und verstärkt. Mit der Berufung des Neutestamentlers Dr. Olav Hanssen († 2005) vom Johanneum in Wuppertal an das Missionsseminar in Hermannsburg 1957 durch Landesbischof Dr. Hanns Lilje vollzog sich eine solche „Regeneration“, die sich personal an seinem nicht immer konfliktfreien Zusammenwirken im „Viergestirn“ mit dem Volksmissionar Klaus Vollmer (1930-2011), Hanssens Schüler am Johanneum, Dozent Reinhard Deichgräber (* 1936) und Pastor Wolfgang Bartholomae († 2008) festmachen lässt. Es ist doch überraschend, wie viel Geist des Johanneums/Wuppertal mit seiner Hochschätzung des griechischen Neuen Testaments für die Predigerausbildung mit Olav Hanssen auch nach Hermannsburg gelangte, so wie bereits die Missionarsgeneration nach dem zweiten Weltkrieg, zu großen Teilen aus Flüchtlingen und Vertriebenen bestehend, die traditionelle Hermannsburger Rekrutierung verändert hatte. Das Moment der Gemeinde als Gemeinschaft der „familia Dei“ ent¬fal-tete in bruderschaftlicher Art unter Betonung von Meditation und Spiritualität für die Zeit von 1960-1990 eine große Anziehungskraft, die nicht nur das Ausbildungsinstitut der Mission (seit 1977 Ev.-luth. Missionswerk in Nieder-sachsen), das 1849 begründete Missions-seminar, neu belebte, sondern auch Institutionen wie die „Missionsbräute-schule“ als weibliche Mitarbeiterschule erfasste und eine Mitarbeiterschule für junge Männer entstehen ließ. In der Zeit der studentischen Proteste um und nach 1968 fanden viele junge Menschen neue Orientierung in den verschiedenen Zweigen der „Koinonia“, die sich um Her-mannsburg sammelte. Mit dem Namen Klaus Vollmer sind die Gruppe 153, dann die „kleinen Brüder vom Kreuz“, später „Geschwisterschaft“, verbunden.

Wenn eine Phase der Erneuerung und Verlebendigung in der Kirchengeschichte neuen Entwicklungen Platz macht, artikuliert sich zunächst das Bedürfnis nach Erinnerung der Beteiligten. Georg Gremels, vielfältig mit dem ELM verbunden, zuletzt Leiter der Abteilung Deutschland und Stellvertreter der Di-rektorin, gebührt der Verdienst nach seinem Erinnerungsbuch an Olav Hanssen „Unterwegs zur Mitte. Bausteine einer Biographie“ (Marburg 2005) nun auch Klaus Vollmer ein entsprechendes Buch gewidmet zu haben. Rechtzeitig zur Jährung des Todestages am 3.6.2011 wurde das Buch in Hermannsburg vorgestellt. 66 Beiträge von Weggefährten und Weggefährtinnen – unterschiedlich lang – sind in dem Band versammelt, der im Titel einen für Klaus Vollmer zentralen Gedanken lutherischer Kreuzestheologie „Alles beginnt einmal ganz klein“, neu formuliert von Hermann Bezzel, aufnimmt. Interessanterweise wurde damit eine sich schon bei Ludwig Harms artikulierende Auslegung des Gleichnisses vom Senfkorn aus der Missionsbewegung des 19. Jh. variiert, ohne dass diese Kontinuität sprachlichen Ausdruck gefunden hätte. Blitzlichter persönlicher Erinnerung können keine wissenschaftlich verantwortete Kirchen-geschichtsschreibung ersetzen, aber sie weisen als Schrift gewordene „oral history“ doch zukünftiger kirchen-geschichtlicher Würdigung eine Richtung und liefern ihr einen Teil des Quellenmaterials. In diesem Sinn liegt hier ein bedeutendes Buch vor, das in einer Reihe von Beiträgen klar ausweist, dass die Wirkung des zunächst als Sozialsekreträr 1955 an die evangelische Akademie Loccum gekommenen, dann 1958 in die „Kammer für Volksmission“ der Landeskirche berufen, 1962 zum Pfarrvikar eingesegnet und 1972 zum Pastor ordinierten Predigers Vollmer sich in einem spezifischen historischen Kontext entfalten konnte. Die mit der Erschütterung von nach der Zeit des Nationalsozialismus an sich schon in Frage gestellten Traditionen 1968 er-möglichten dem rhetorischen Naturtalent und vollmächtigen Verkündiger Vollmer bei Zelt- und anderen Evangelisationen weite Wirkungsmöglichkeiten in Niedersachsen, bundesweit und dann auch in Südafrika. Vollmer vermochte es auch, viele Theologiestudierende zu sammeln, im Göttinger „Johanniskreis“ der 1980er Jahre, über die „Studentenmission in Deutschland“ (SMD). Zu einem nicht geringen Teil familiär religiös sozialisierte junge Menschen fanden in seiner Verkündigung eine Öffnung des Glaubens zu naturwissenschaftlichen und philosophischen Fragestellungen. Was sich als Erweckung darstellt, ist dann wie vergleichbar im 19. Jh. eine unter den Bedingungen pluralistischer Gesellschaft neu persönlich plausibel gewordene christ¬liche Existenz, die natürlich an frühere erschütterte Prägungen anknüpft.

Vollmer spürte in den Jahren nach der Wende 1990, in denen er versuchte, im Osten Deutschland zu wirken, dass sich der Kontext verändert hatte und An-knüpfung sehr viel schwerer war. Nichts desto trotz hat er auch hier, solange es die körperlichen Kräfte zuließen, unermüdlich gewirkt. Um eher historisch strukturierte Abschnitte wie einen Lebensabriss (Kristin Vollmer, Georg Gremels, Klaus Schulz; S. 19-41) und „Die kleinen Brüder vom Kreuz – Ein geschichtlicher und systematischer Einordnungsversuch“ (Georg Gremels, S. 156-170) gruppieren sich persönliche Erinnerungen. Hervorgehoben seien die Ansprachen aus verschiedenen Anlässen von Arend de Fries (S. 15-18), Jörg Homann (S. 252-258), Hans Christian Brandy (S. 259-263) und Dr. Klaus Schulz (S. 266-271).

Der „christliche Denkmalort“ Hermannsburg verdankt Klaus Vollmer, der hier ab 1968 seinen Wohnsitz nahm, viel an regenerativer Kraft.

Dr. Jobst Reller, em 2013-1.

Gremels, Georg (Hg.). Die Hermannsburger Mission und das „Dritte Reich”. Zwischen fa­schistischer Verführung und lutherischer Be­harrlichkeit. Quellen und Beiträge zur Ge­schichte der Hermannsburger Mission und des Ev.-Luth. Missionswerkes in Niedersach­sen. Bd. XIII, Münster: LIT Verlag, 2005.

Die Verwicklungen der deutschen Missionen in die NS-Diktatur sind bis heute noch nicht hinrei­chend erforscht. In diesem kleinen Aufsatzband wird mit Konzentration auf die Hermannsburger Mission versucht, diese Forschungslücke ein wenig zu schließen. (Am Rande sei hier be­merkt, dass die evangelikalen Missionen in der kirchengeschichtlichen NS-Forschung bisher kaum aufgenommen wurden). In diesem Band geht es nicht nur um die lutherische Hermanns­burger Mission. Außerhalb der Hermannsburger Thematik stehen Hugald Grafes und Werner Ustorfs Beiträge.

Während Grafe einen kurzen historischen Über­blick über die Leipziger Mission in der NS-Zeit gibt, setzt sich Ustorf mit der Frage nach der politischen Gesinnung der Vertreter des Deut­schen Evangelischen Missions-Rats (DEMR) in den 1930er Jahren auseinander. Leider enthält Ustorfs Beitrag keine neuen historischen For­schungsergebnisse, die über seine Monographie von 2000 Sailing on the next tide hinausweisen würden. Dennoch ist das Ergebnis seines Auf­satzes aufschlussreich. So seien die Vertreter des DEMR, die zumeist eine pietistische Linie vertraten, der Weimarer Republik gegenüber kritisch eingestellt gewesen und auch sonst hiel­te man progressive politische Denkweisen wie Demokratie, Sozialismus oder Liberalismus für die Dämonen einer liberalen Zivilisation und eines autonomen neuzeitlichen Bewusstseins. Damit impliziert Ustorf, dass die christlich-kon­servative Weltsicht der Missionsführer jener

Zeit, sie anfällig für das christlich-konservative Blendwerk des Nationalsozialismus machte. Da­bei muss jedoch beachtet werden, dass die Ver­treter des DEMR von Ustorf nicht ausreichend historisch-biographisch beschrieben werden und die halbsatzartigen Hinweise über ihre NS-Verwicklungen kaum zu einem adäquaten Verständ­nis der Mentalitätslage jener Zeit beitragen kön­nen. Eine gründliche historische Quellenunter­suchung, die alle Vertreter des DEMR ein­schließt, hätte Ustorfs Beitrag gut getan. Weitere Beiträge sind von Gerhard Lindemann zum Schicksal des „halbjüdischen“ Pfarrers Ru­dolf Gurland, der in der Hermannsburger Mis­sionsanstalt Unterschlupf fand und von Ernst Bauerochse zum Verhalten der Hermannsburger Missionare zu den abwechselnden totalitären Ideologien in Äthiopien.

Herausragend ist der Aufsatz „Die Missions­anstalt Hermannsburg in der Zeit des National­sozialismus“ von Gunther Schendel. Darin wird kenntnisreich die Geschichte der Auseinander­setzung zwischen der Hermannsburger Mission und dem Nationalsozialismus aus umfangrei­chen Archivmaterialien schöpfend nacherzählt. Zusammenfassend kommt Schendel zu dem Fa­zit, dass die Hermannsburger Mission sich bis auf einige Ausnahmen resistent gegen national­sozialistische Vereinnahmungsversuche zeigte. Allerdings gab es auch keinen Widerstand gegen das verbrecherische Nazi-Regime. Interessant und das Fazit von Schendel bestätigend, ist der Beitrag von Martin Tamcke über die Hermanns­burger Kontakte zur Assyrermission. Darin zeigt Tamcke, wie die Hermannsburger Missionslei­tung aus Furcht vor Repressalien davor zurück­schreckte, auf die schrecklichen Gräueltaten und Pogrome gegen die assyrische Minderheit im Irak öffentlich hinzuweisen. Im Hintergrund stand die forcierte Annäherung des national­sozialistischen Deutschlands an die Araber und speziell an den Irak. Deswegen – so Tamcke – vermied man in Hermannsburg die öffentliche Bekanntgabe der unsäglichen Pogrome an den christlichen Assyrern.

Nach der Lektüre dieses Bandes wird deutlich, dass es den deutschen Missionen in der NS-Zeit vor allem um Existenzsicherung ging. Mutiger Widerspruch oder gar Widerstand aus christ­licher Überzeugung waren wegen der lutheri­schen Zweireichelehre und der ängstlich-konser­vativen Weltsicht nicht vorhanden.

Elmar Spohn, em 2008-2.

Grigg, Viv. Mit den Armen leben. Ein Auf­ruf zur Mission hinter dem sozialen Vor­hang [engl: Companion to the Poor]. Lörrach: Simson , ²1990.

Grigg, Viv. Cry of the Urban Poor. Monro­via/CA: MARC, 1992.

Der Neuseeländer Viv Grigg ist Elektroinge­neur, studierte „community development” an der University of the Philippines und erwarb ein Diplom der Fuller School of World Mis­sion. Seit 1979 arbeitete er in den Slums von Mani­la. Er ist Leiter der Urban Leadership Foun­dation und half ähnliche Missionswerke in an­deren Teilen der Welt zu gründen. Heute baut er eine christliche Arbeit in einem süd­asi­a­tischen Land auf.

In seinen beiden Büchern fließen sowohl die per­sönliche Erfahrung als auch intensives For­schen zusammen und ergeben einen abgerun­de­ten Überblick über Missionsarbeit unter der ar­men Stadtbevölkerung. „Mit den Armen le­ben“ erzählt seine persönliche Geschichte und be­faßt sich aus evangelikaler Sicht mit den The­men, mit denen sich ein Missionar in den Slums aus­einandersetzen muß: Berufung, Ar­mut, Slum­kultur, soziales Engagement vs. Evan­gelisation, einfacher Lebensstil, Einsam­keit, Power Encounter, Gemeindegründung, wirt­schaftliche Entwicklung, politische Ge­rech­tigkeit, Qualifikation des Missionars usw.

Intensive Forschung und weltweite Erfah­run­gen machen den 2. Band, „Cry of the Urban Poor“, zu einer umfangreichen Einführung für Mis­sionsstrategen. Im ersten Teil werden die neu­en Mega-Städte unter politischen, wirt­schaft­lichen und sozialwissenschaftlichen Gesichts­punkten betrachtet und christliche Prä­senzmodelle und Strategien skizziert. Als zwei­tes gibt er einen informativen Überblick über Gemeindegründungsmodelle, um seinem Traum einer christlichen Massenbewegung in den Slums der Weltstädte näher zu kommen.

Zusammen geben beide Bände in einer an­sprechenden Aufmachung einen gelungenen Ein­blick in die Mission unter der armen Stadtbe­völ­kerung und sind eine Herausforde­rung für Chri­sten und ihre Leiter in dem rei­chen Teil der Welt.

Martin Sachs, em 1996-2.

Grim, Brian J. and Roger Finke. The Price of Freedom Denied: Religious Perse­cution and Conflict in the Twenty-First Century. Cambridge: Cam­bridge Uni­versity Press, 2010.

Dies ist vielleicht die beste und wich­tig­ste Veröffentlichung zum Thema Re­li­gi­onsfreiheit der letzten Jahre. Zwei Re­li­gi­ons­statistiker, B.J. Grim, Chefforscher der Studie Glob­al Re­stric­tions on Religion des Pew-Forums (http://pew forum.org/docs/?DocID=491), und Ro­ger Finke, Sozio­logie­professor und Di­rek­tor der Association of Religion Data Archives, zeigen, dass Religionsfreiheit zum Frieden und Be­stand einer Ge­sell­schaft beitragen, nicht diese gefährden. Ihre Grundthese, die mit enormem Auf­wand an Beispielen, Sta­tis­tiken und Über­prüfung anderer Thesen unter­mauert wird, ist einfach: In Ländern mit Religionsfreiheit ist der soziale Frieden größer als in Ländern ohne. Oder anders gesagt: Das Argument vieler Länder mit einer dominierenden Mehr­heitsreligion, sie müssten um des sozia­len Friedens willen kleinere Religionen in Schach hal­ten, wird von der Wirk­lich­keit widerlegt. Die Beschränkung von Religionsfreiheit ist oft erst der Grund für gewalttätige Kon­flikte (S. 67). Reli­giöse Homogenität garantiert keine Frei­heit vom Konflikt, son­dern begünstigt of­fen­sichtlich Span­nungen. Mit besonde­rem Aufwand set­zen sich die Autoren mit der von Samuel Huntington aus­gehenden These aus­ein­ander, die Gewalt und Unruhe als Folge eines Zusammen­stoßes der Zivili­sa­tionen darstellt. Diese These, so die Autoren, wird der internen Vielfalt der Religionen und Kulturen nicht gerecht (S. 62-68), et­wa der Span­nung zwischen Sunniten und Schiiten innerhalb eines islamischen Landes. Alle verfügbaren Zahlen wider­le­gen die The­se, dass es die Spannungen zwischen den Kulturen seien, die weitere Span­nungen auslösten (S. 77-82). Viel­mehr sei es ge­wissermaßen die Unter­drückung dieser Span­nungen zugunsten einer vermeint­lichen Monokultur im Land, die die Span­nungen verschärfe. Zwischen Mitte 2000 und Mitte 2007 gab es unter 143 Län­dern 123 Länder (= 86%), in denen Menschen aufgrund ihrer Religions­zu­ge­hörigkeit Gewalt oder Ver­treibung erlitten („physically abus­ed or displaced“, S. 18). In 25 Ländern wa­ren davon mehr als 10.000 Menschen be­troffen (S. 20), darunter auffällig viele islamische Länder. Die Religionsfreiheit, so belegen Grim und Finke, hat aufs Gan­ze gesehen in den sechzig Jahren von 1945 bis 2005 in den christlichen Län­dern zugenommen und in den isla­mi­schen abgenommen (S. 172). Das heißt, dass es aufs Ganze gesehen heute in is­la­mischen Ländern weniger Religions­frei­heit gibt als vor einem Jahrhundert – und die Entwicklung ist immer noch rück­läufig! Zwei Beispiele dazu: 1. In is­la­mischen Ländern (dazu S. 160-201), in de­nen es fast ohne Ausnahme keine Re­ligionsfreiheit gibt, ist der Pegel der Ge­walt und die Neigung zu Bürgerkrieg sehr hoch. 2. Terroristische Bewegungen kom­men überwiegend aus Ländern ohne Religionsfreiheit (S. 198). Die wenigen Aus­nahmen richten zum Einen in ihren Län­dern viel geringeren Schaden an, zum Anderen wirken sie nicht inter­na­tio­nal, sondern national. Speziell dar­ge­stellt werden in dem Buch unter den freieren Ländern (S. 88-119) Japan (große Re­li­gions­freiheit), Brasilien (Re­li­gions­frei­heit mit einigen Spannungen), Ni­geria (religiös gespaltenes Land); unter den un­freien Ländern (S. 120-159) China (Re­ligion als Bedrohung), Indien (Re­li­gion als soziales Monopol) und Iran (Re­li­gion als soziales und politisches Mono­pol) sowie eigens die islamischen Länder insgesamt (S. 160-201). Das aus­ge­zeich­ne­te Buch ist ein Beweis dafür, dass die Forschung zum Thema Reli­gions­freiheit immer mehr Fahrt auf­nimmt. Es setzt Maßstäbe für die Zu­kunft.

Thomas Schirrmacher, em 2012-2.

Grimes, Barbara F. (Hg.). Ethnologue. 14. Ausgabe. 2 Bände + CD-ROM. International Academic Bookstore (SIL International): Dallas (TX), 200114 [Academic_Books@sil. org oder www.sil.org]  
Band 1: Languages of the World.        
Band 2: Maps and Indexes.
CD-ROM-Version (Windows 95ff und Mac).

Der 1951 zuerst erschienene ‘Ethnologue’ des Summer Institute of Linguistics ist der Klassi­ker der evangelikalen Missionsforschung schlechthin. Er erfaßt 6.800 bekannten Spra­chen und Dialekte der Welt, ordnet sie lingui­stisch und geographisch zu, beschreibt sie kurz und gibt den Stand der Bibelübersetzung an. Umfangreiche Register in Band 2 (z. B. allein 41.000 Namen und abweichende Namen der Sprachen) erschließen die Datenmenge in jeder Hinsicht. Die Verbreitungskarten haben an Zahl zuge­nommen und sind noch übersichtli­cher gewor­den. Längst ist der Ethnologue auch in säkula­ren Kreisen als Standarderfassung der Welt aus linguistischer Sicht anerkannt. Ein­malig ist der Familienstammbaum aller Spra­chen auf 140 S. im Band 2. Mit der neuen, leicht zu benutzenden CD-ROM wird das Su­chen noch viel einfacher und der Missionar muß nicht mehr zwei dicke Bände mit aufs Missionsfeld schleppen …

Dr. Thomas Schirrmacher, em 2001-1.

Gründer, Horst. Welteroberung und Chri­stentum. Ein Handbuch zur Geschichte der Neuzeit. Gütersloher Verlagshaus, 1992.

Mission und Kolonialismus ist kein neues Thema. Neu ist aber, daß ein Historiker (Professor für neuere und neueste Geschichte in Münster) darüber eine Zusammenschau der inzwischen zahlreichen Einzelstudien vorlegt, ein Handbuch.

Für die an Missionsgeschichte Interessierten ist dieses Buch so, als sei der Teppich, den sie betrachten, umgekehrt – und dort hat er ein anderes Muster, weniger leuchtende Farben. Aber gerade deswegen darf man sich dieser Zusammenschau nicht entziehen.

Sie ist nicht an der Frage nach der Wahrheit des christlichen Glaubens (oder anderer Reli­gionen) orientiert, also auch nicht an der Frage, welche Konfession gültig, welche Missionsform sachgemäß ist, sondern von der Suche nach aufzeigbaren Zusammenhängen. Und so wird konstatiert, daß der Missionsfaktor eine „erstaunliche Kontinuität“ aufweist (596) und ein „konstitutives Bestandteil des westlichen Kolonialexpansionismus“ gewesen ist (597). Diese Kontinuität geht von den Konquistadoren bis zu den Glaubensmissionen! Denn auf die eine oder andere Art sollen die „Eingeborenen“ in die richtige Kultur integriert werden und ihre moralische Depraviertheit ablegen. „Aber auch die von Anfang an von den christlichen Send­boten übernommene Rolle als ‚Anwälte der Eingeborenen’ blieb stets systemimmanent und betraf so gut wie nie das Kolonialsystem als Ganzes“ (596). Gründer ist nicht blind für die Kritik der Missionen an europäischer Kultur und Kirche und an den Siedlern und führt diese wohl zutreffen auf die Leitbilder der Reiches Gottes zurück.

Ein Problem bleibt der Verallgemeinerungs­charakter der zusammenfassenden Aussagen: „so gut wie nie“, „fast immer“. Korea wird mehrfach als Ausnahme genannt, aber nicht geschildert - schwer zu begreifen, ist doch die Christianisierung Koreas ganz sicher auch von einer Zuwendung zu westlichen Lebensformen begleitet.

Der Wert des Werkes ist aber eine ausführ
liche Behandlung der sehr verschiedenen Pro­zesse in 17 Kapiteln, die weniger chronolo­gisch als geographisch umgrenzt sind. 122 Titel umfaßt die Liste der abgekürzt, d.h. oft zitierten Werke, aber weit mehr: 82 Seiten die Fußnoten - ausführliche Quellenangaben sowohl aus säkularem wie aus kirchlich-missionarischem Ursprung, 65 Bilder und Karten und ein Regi­ster von 50 Seiten machen das Handbuch ei­nerseits lesbar, andererseits brauchbar als Nachschlagewerk.

Im Einzelfall kann man über die Perspektive streiten, die Livingstone kaum, Stanley aus­führlich erwähnt (520 ff), oder die meint, es habe in der Geschichte Indiens nur wenige christliche Märtyrer gegeben, und es sei kein nennenswerter Einbruch in die oberen Bereiche des Kastenwesens gelungen (307) und die Kultur Indiens sei nur peripher vom europä­isch-abendländischen Christentum angetastet. Vor allem werden immer wieder Bildaus­schnitte vergrößert um aufzuzeigen, was als relevant gilt: die intensive und explizite Ko­operation.

Zum Ganzen muß gesagt werden, daß Gründers Werk nicht einseitig missionskritisch ist. Dazu sind seine Kenntnisse viel zu umfas­send, dazu ist seine Sicht zu problembewußt und human-antiideologisch. Er verkennt nicht das Eintreten für Unrecht Leidende etwa, auch nicht die Eigendynamik der Nichteuropäer, die sich durchaus das Christentum zu eigen ma­chen konnten, er verkennt auch nicht das emanzipatorische Potential solchen Christen­tums. Er insistiert aber darauf, daß die den Kolonialismus legitimierende, Europas Kultur normativ setzende Wirkung der Mission nicht spo­radisch, kein Versehen war. Darin sind er und seine Quellen ernst zu nehmen.

Niels-Peter Moritzen, em 1993-2.

Gründer, Horst. Welteroberung und Chri­stentum. Ein Handbuch zur Geschichte der Neuzeit. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn, 1992.

Der Münsteraner Geschichtsprofessor und Kolonialhistoriker Horst Gründer legt nach seinen bisherigen Quellenstudien zum Verhält­nis von Mission und Kolonialismus einen aus der Literatur erarbeiteten Gesamtüberblick der gesamten christlichen Kolonialgeschichte weltweit vom 15. Jahrhundert bis in die Ge­genwart vor. Er breitet eine ungeheure Fülle von historischem Material aus und legt als Hi­storiker eine erstaunliche Kenntnis der Missi­onsgeschichte an den Tag, wenn ihm auch viele theologische Zusammenhänge verborgen blei­ben. Dies gilt etwa für die Besonderheiten pietistischer Grupperierungen und der Glau­bensmissionen, die sich sicher nicht so einfach in Gründers Schema einordnen lassen. Für ihn ist nämlich „Mission – trotz aller Einschrän­kungen im einzelnen – ein konstitutiver Be­standteil des westlichen Kolonialexpansionis­mus gewesen“ (S. 597). Prinzipiell ist Gründer natürlich zuzustimmen, aber die Zahl der Ein­schränkungen ist erheblich zu vermehren, ste­hen doch für Gründer staatlich durchgeführte oder sanktionierte Aktionen gegenüber denen kleinerer, privat organisierter Missionsgesell­schaften, die oft viel unabhängiger agierten, zu sehr im Vordergrund. Immerhin spricht Grün­der aber bei aller Missionskritik von einer ‚Dialektik’ der Christianisierung (S. 577ff), da die Christianisierung für die einheimischen Völker durch Ausbreitung von Bildung und Bewußtseinsweckung viele positive Folgen hatte, wie Gründer mit Zitaten afrikanischer Missionskritiker aus Nigeria und Ghana belegt (S. 583), die etwa darauf verweisen, daß bis heute praktisch ihre ganze Führungsschicht in Politik, Recht, Verwaltung, Medizin, Wissen­schaft und Bildungswesen auf Missionsschulen ausgebildet wurde. Gründer schreibt sogar weiter: „Vor allem war es jedoch die Lehre der Bibel, die eine wichtige Voraussetzung für die Begründung der Ablösung des Kolonialismus schuf“ (S.585).

Dr. Thomas Schirrmacher, em 1997-2.

Grundmann, Christoffer H. Gesandt zu heilen! Aufkommen und Entwicklung der ärztlichen Mission im 19. Jahrhundert. (Bd. 26 Missionswiss. Forsch.) Gütersloh : Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn 1992.

Der Autor, Jg. 1950, studierte Theologie in Hermannsburg und Hamburg: dort erwarb er den Magistertitel. Im Anschluß: Vikariatsjahr in Caracas. 1978-1983 Dozent am Tamil Nadu Theological Seminary in Indien. Seit 1983 theologischer Referent am Deutschen Institut für ärztliche Mission, Tübingen.

Die erweiterte Dissertation ist ein „Jahr­hundertwerk“ in doppeltem Sinn: Zum einen, eine sorgfältig recherchierte Geschichte der ärztlichen Mission (AM). Das 19. Jhdt. wird zwar schwerpunktmäßig behandelt, dar-überhinaus aber auch das ganze Spektrum der Vorläufer der AM bis hin zu den sich anbah­nenden Neuentwicklungen nach 1900. Zum anderen dürfte die gründliche Arbeit das her­ausragende Referenzwerk dieses Jahrhunderts über die AM sein. Die chronologisch-geschichtliche Darstellung wird u.a. ergänzt durch spezielle Kapitel über Strukturen, Geo­graphie, Diversifikation und theologische Problematik der AM. Das Besondere: Grund­mann ist es gelungen zeitgeschichtliche Zu­sammenhänge zur Entwicklung der AM in Be­ziehung zu setzen. Das Buch liest sich flüssig, da die über tausend Quellenzitate und zahlrei­che (oft fremdsprachliche) Originalzitate in Fußnoten untergebracht sind. Eine wahre Fundgrube! Wer weiß schon, was „KellogsCornflakes“ und Erdnußbutter mit AM zu tun haben? (S.216) Durch die Fülle des Materials bedingte Beschränkungen sind verständlich. In der Behandlung der theologischen Problematik wäre eine Erweiterung wünschenswert, die z.B. die Konfrontation der AM mit animisti-schen und anderen Medizinsystemen im 19. Jhdt. einschließen könnte. Oder: Die Rolle des Gebets und die „dynamis Kyrios“ in der „imitatio Christi“, die damals als eine der Hauptbegründungen der AM galt. Anderer­seits hat Grundmann verschüttete Quellen er­schlossen, wie z.B. ein Manuskript Schlunks oder Informationen über das weitgehend un­bekannte erste deutsche „Medicinische Missi­onsinstitut zu Tübingen“, 1841-1848. Auch die Rolle Gützlaffs für die AM interpretiert Grundmann neu. Ein Folgeband über die Ge­schichte der AM im 20. Jhdt. wäre sehr begrüßenswert!

Nicht nur für missiologische, theologische und medizinische Bibliotheken sondern auch für Missionen und Bibelschulen ist dies her­ausragende, preiswerte Referenzwerk ein „Muß“. Die betroffenen Berufsgruppen und selbst Studenten und informierte Laien werden es trotz seines wissenschaftlichen Charakters mit Gewinn lesen.

Hans L.E. Grüber, em 1992-4.

Gundert, Hermann. Brücke zwischen Indien und Europa. Begleitbuch zur Hermann-Gun­dert-Ausstellung im GENO-Haus Stutt­gart vom 19. April bis 11. Juni 1993 in Ver­bindung mit der Dr. Hermann-Gundert-Kon­ferenz Stuttgart 19. bis 23. Mai 1993. Hg. von Albrecht Frenz. Süddeutsche Verlagsgesell­schaft: Ulm, 1993.

Hesse, Johannes. Aus Dr. Hermann Gun­derts Leben. Calwer Familienbibliothek. 34. Bd. Verlag der Vereinsbuchhandlung: Calw/Stuttgart, 1894 (Reprint Stutgart 1993), geb. 368 S., DM 48.00

Rebmann, Jutta. Julie Gundert. Missionarin in Indien und Großmutter Hermann Hesses. Biographischer Roman. Stieglitz Verlag: Mühlacker, 1993.

Der Studienband „Brücke zwischen Indien und Europa“ stellt mit über 100 Beiträgen nicht den Missionar, sondern den Sprachwissenschaftler Hermann Gundert in den Mittelpunkt. Erst für die Gundert-Konferenz 1993 versuchte man, die Werke Gunderts zur Erforschung der Ma­layalam Sprache möglichst vollständig zu er­fassen: Heute sind fast 50 Titel von ihm auf Malaya­lam bekannt. Hinzu kommen Werke zur Kulturanthropolo­gie und Linguistik, die durch die ‚Ausgrabung’ mehrerer, bis 1986 unbe­kannter Werke in der Universitätsbibliothek Tübingen und Kerala/Indien, sowie in den Ar­chiven der Basler Mission zu Tage kamen. Der vorliegende Band über Gundert, der in Nord­malabar großer „Guru von Kerala“ und bisher als einziger Ausländer „Pandit“ (Gelehrter) be­titelt wurde, ist weit mehr als ein Ausstellungs­katalog, da hier das umfang­reiche wis­senschaftliche Werk Gunderts aus­giebig ge­würdigt wird. Dabei ist die Zu­sammenstellung der Malayalam-Werke Gun­derts nicht nur von histori­schem Interesse; sein Wörterbuch, seine Grammatik und seine Lehrbü­cher haben für das Studium der südindi­schen Sprachen auch noch heute Bedeutung. Außerdem verfaßte Gundert eine Bibelüber­setzung, Kirchen­lieder und Liturgien sowie Schriften über das Brauchtum und die Litera­tur Keralas; ferner befaßte er sich eingehend mit der Geo­graphie des Lan­des. Ergänzt wird diese Darstellung durch Beiträge zur Geschichte und Kultur Ke­ralas in Vergangenheit und Gegenwart. Etliche Originalquellen in Form von Karten, histori­schen Abbildungen, Original­schriften und Photographien wurden für den wissenschaftlich und künstlerisch ausgezeichnet gestalteten Band zusammengestellt.

Mit dem Frakturnachdruck „Aus Dr. Her­mann Gunderts Leben“ von Johannes Hesse (1847-1916) aus dem Jahr 1894 wird erneut ein persön­liches Zeugnis zu Leben und Werk des Indienmissionars, Sprachforschers und späte­ren Verlegers Hermann Gundert zugänglich gemacht, nachdem schon 1986 die dreibändi­gen Gunderttagebücher veröffentlicht wurden. Dieses Zeugnis stammt aus der Feder von Gunderts Schwiegersohn, des Indienmissionars und Vaters Hermann Hesses, das die bereits 1983 und 1986 veröffentlichten Tagebücher Gunderts ergänzt; lediglich die bisher nichter­schlossenen Briefe Gunderts bleiben eine Lücke. Die vorliegende Biographie wurde erstmals bereits kurze Zeit nach Gunderts Tod heraus­gegeben und 1907 erneut überarbeitet. Sie lebt von den zahlreichen Selbstzeugnissen und beschreibt anschaulich und lebendig die Person Gunderts, sein Umfeld und vor allem seinen Werdegang zum Missionar in Südin­dien. Der Verfasser hat keineswegs eine „Heiligenvita“ geschrieben, sondern vermittelt Einblick in die Probleme und Spannungen in Gunderts Leben. Der Bericht umfaßt drei Le­bensabschnitte: 1. die Jugend mit dem Theolo­giestudium in Maulbronn und Tübingen mit der inneren Ent­wicklung vom zweifelnden An­hänger David Friedrich Strauß’, Hegels, Fichtes und Spinozas zum überzeugten „Biblizisten“, 2. die Missionsarbeit in Indien und 3. nach der Rückkehr die Verlagstätigkeit in Calw. Ein le­bendiges Zeitzeugnis des 19. Jahrhunderts über Hermann Gundert und seine ganze Familie.

Licht von einer ganz anderen Seite auf Her­mann Gundert als Ehemann und Vater wirft der biographische Roman über Julie Dubois. Julie Gun­dert war 1809 im Schweizer Jura geboren worden. Sie galt als energisch und tatkräftig und baute nach ihrer Heirat 1838 mit ihrem Mann unter schwierigen Bedingungen mehrere Missionsstationen, Mädchenerzie­hungsstätten und Heime für geschiedene, verwitwete und unverheiratete indische Mädchen auf. „Daneben“ war sie Mutter von acht eigenen Kin­dern. Häufig litt sie unter ihrer, wie sie meinte, im Vergleich zu Gundert mangelhaften Schulbildung und intellektuellen Unterlegen­heit. Dennoch lernte sie im Verlauf der Jahre mehrere indische Sprachen und hatte dafür doch nur sehr beschränkte Hilfsmittel an Lernmaterial zur Verfügung. In diesem Buch wird weniger die „offizielle“ Missionsge­schichte erzählt; vielmehr wird dem Leser ein Blick hinter die Kulissen ermöglicht. Er erfährt von Streitigkeiten zwi­schen Missionaren und ihren Missionsgesellschaften, Schwierigkeiten der Pioniermission in Südindien und den per­sönlichen Problemen mit Krank­heit, Tod, Ent­täuschungen, Widerstand der Hindubevölke­rung, Depres­sionen, Rückschlägen, aber auch von den Erfolgen der Familie Gundert. 1837/38 schreibt Hermann Gundert:

„Soll ich von hier berichten, so ist mein er­stes, daß Gottes Gnade mit uns hier in Chittoor fortlebt, daß wir einander noch nicht aufgefres­sen haben, daß ich mit den Brüdern in Dharwar und Tirunelveli noch nicht gebrochen habe, daß auch K. in Ma­dras mir noch nicht fremd geworden, daß nicht alle Traktate, die ich ver­teile, zerrissen werden, vielleicht auch nicht alle Worte, die ich gesprochen, zu Boden ge­fallen sind. Ihr werdet vielleicht den­ken, das sei ein miserabler Bericht, aber ich kann nicht helfen: So ist es eben!“ (S.117).

Der letzte Teil des Romans ist dem Leben der Familie Gundert in Calw gewidmet. Ein Regi­ster und Anmerkungen zu den Zitaten hätten den Ro­man vervollständigt, da nicht immer deutlich wird, welche Informationen di­rekt auf unveröffentlichte Briefe und Manu­skripte aus Privatbesitz zu­rückgehen. Teilweise hätte man sich ergänzende Erläuterungen zu Be­griffen wie Calvinismus (er wird aus­schließlich nega­tiv belegt), Pietismus (er wird häufig als „Schwärmerei“ bezeichnet) oder auch Hinter­grundinformationen etwa über die Haltung der britischen Krone gegen­über der Missionsarbeit in Indien gewünscht.

Dr. Christine Schirrmacher, em 1996-2.

Haarmann, Harald. Die Sprachenwelt Euro­pas: Geschichte und Zukunft der Sprachna­tionen zwischen Atlantik und Ural. Campus: Frankfurt, 1993.

Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus rücken viele Völker und Sprachen Europas – vor allem Mittel- und Osteuropas – ganz neu in den Mittelpunkt, und auch Missionare und Missionsgesellschaften haben einen großen Nachholbedarf an Wissen über die in ganz Europa gesprochenen Sprachen. Harald Haar­mann, der in Finnland lebende deutsche Sprachwissenschaftler, der schon zahlreiche Werke über die europäischen Sprachen geschrieben hat – vor allem sein dreibändiges Werk über die ‘Elemente einer Soziologie der kleineren Sprachen Europas’ – bietet in dem vorliegenden Buch einen Überblick, der durch die fachliche Kompetenz, die sich ausgespro­chen flüssig liest, besticht. Haarmann läßt die Geschichte der Sprachen und ihrer Völker ebenso lebendig werden wie ihre Gegenwart, geht aber auch gründlich auf die Rolle der Sprachen in Europa überhaupt ein, was einen ganz neuen Einblick in die gegenwärtigen ethnischen Auseinandersetzungen etwa in Jugoslawien, dem Baltikum – aber natürlich auch in Frankreich, Spanien oder innerhalb der EG als ganzer gewährt. Ich glaube, daß die sprachliche Vielfalt Europas gerade auch im Bereich der protestantischen Mission oft genug nicht genügend berücksichtigt wurde und leicht hinter der Vorherrschaft einiger weniger wich­tiger Sprachen, vor allem von Englisch und Französisch, zurückgetreten ist.

Dr. Thomas Schirrmacher, em 1995-4.

Haarmann, Volker. JHWH-Verehrer der Völker. Die Hinwendung von Nicht­is­raeliten zum Gott Israels in alt­tes­ta­mentlichen Überlieferungen. Abhand­lun­gen zur Theologie des Alten und Neuen Testaments 91. Zürich: Theo­lo­gischer Verlag, 2008.

Ist im Alten Testament der Eintritt in eine Gottesbeziehung gleichbedeutend mit einer Integration in Gottes Volk? Die­ser Frage stellt sich die von Erhard Blum (Tübingen) betreute Dissertation des Wuppertaler Vikars Haar­mann. Wie sehr der Autor von seinem Stu­dienjahr in Jerusalem bei Alexander Rofé profitiert, zeigt sich in dem Fundus an rabbinischer Literatur und modernen hebräischen Werken, auf welche er zu­rück­zugreifen weiß. Hier findet er auch den Ansatz­punkt für die These seiner Untersuchung. Während nämlich die alt­tes­tamentliche Wissenschaft „in der Re­gel“ (S. 16) un­dif­ferenziert von (Vor­läu­fern von) Pro­se­lyten rede, unter­schei­det das rab­bi­nische Judentum zwischen dem ger zedeq (Pro­selyt) und dem ger to­schab (Righteous Gentile). Deshalb führt Haar­mann nun auch im Blick auf das Al­te Tes­tament einen neuen Termi­nus ein, den des „JHWH-Verehrers der Völker“. Ein sol­cher wird nicht in das Volk Israel in­te­griert, vollzieht dennoch eine „reli­giö­se Hinwendung zum Gott Is­raels“ (S. 55). Diese „Hin­wendung“ ist zu un­ter­schei­den von dem rabbinischen Be­griff der „Konversion“. Damit stehen sich zwei Modelle gegen­über: Die Kon­ver­sion des Proselyten zum Volk – Die Hin­wendung des JHWH-Verehrers zu Gott.

Die eigentlichen Untersuchungen be­schäf­tigen sich zum großen Teil mit lite­rarkritischen Fragen. Dem aktuellen Trend der his­to­risch-kritischen For­schung am Alten Te­sta­ment (strukturelle Einheit und Spät­datierung) folgend da­tiert der Blum-Schü­ler alle unter­suchten Texte nach­exi­lisch. In mühe­voller Klein­arbeit weist er Stück um Stück eine literar­kri­tische „Auf­split­terung“ der Tex­te bishin zur Un­kennt­lichkeit zurück. Er zeigt, dass Wieder­holungen und Gegen­sätze nicht unbe­dingt auf Quellen oder Schich­ten hin­deuten, sondern als be­wusst ein­ge­setzte Stilmittel verstanden werden kön­nen (vgl. etwa S. 140f; leider setzt er sich bei seinen Vorschlägen zur syn­chro­nen Struktur nur im Hinblick auf 1.Kö 8 mit der aktuellen For­schungs­dis­kussion aus­einander). Problematisch er­scheint, dass er dasselbe literarkritische In­stru­men­tarium, dessen Fragwürdigkeit er so eindrücklich nachzuweisen vermag, an an­derer Stelle kritiklos übernimmt, um die Texteinheiten aus ihrem Kontext iso­lieren und umdatieren zu können. Damit verbaut er sich den Blick für eine mög­licherweise bewusst angelegte theo­lo­gi­sche Funktion der Texte in ihrem ma­kro­strukturellen Zusammenhang.

Untersucht werden die Hinwendung Ji­tros, Rahabs, Naamans und der See­leute zu dem Gott Israels (Ex 18; Jos 2; 2.Kö 5; Jon 1) sowie die Texte 1.Kö 8,41-43 und Jes 56,1-8. Als „Ge­gen­pro­be“ wird die Erzählung von Rut als Modell einer Integration in das Volk über­prüft. In Jitro sieht Haar­mann ein Kon­trastmodell zu dem Pharao und zu den Amalekitern. Im Hinblick auf die Rahab-Erzählung er­kennt er unter an­de­rem Bezüge zum Schilfmeerlied (Ex 15) und zur Achan-Erzählung (Jos 7), schweigt jedoch zu der deutlich an­ge­leg­ten Parallele zwi­schen Jos 2,10 und 9,9f (dem Bekenntnis der Gibeo­niter). Hier ist seine Er­klärung des Ver­hältnisses von Rut zu dem so­ge­nannten „Moabiter­paragra­phen“ interes­sant. Er deutet die qahal jhwh „Ver­samm­lung JHWHs“ (Dtn 23,4) nicht als Volks­gemeinschaft, son­dern als Ver­samm­lung der israe­li­tischen Männer zum Kult. Für Rut als Frau ist dieser Vers von daher ohne Be­deutung (S. 263). Da diese Deu­tung exe­getisch recht anfechtbar ist, hätte man sich hier die Diskussion ei­ni­ger der zahlreichen alter­nativen Lö­sungs­ansätze ge­wünscht. Dass Naaman in Damaskus ei­nen Altar für JHWH bauen möchte, steht dem Gesetz nicht entgegen, da nur ein Is­rae­lit (oder Pro­se­lyt) auf Jerusalem ver­pflichtet ist. Die Ge­gen­überstellung der Gottesfurcht der See­leute und der Flucht von Jona (ähn­lich Achan und Gehasi) zeigt, dass Israel von den JHWH-Ver­eh­rern lernen kann.

Die Untersuchung führt zu dem Er­geb­nis, dass JHWH-Verehrer zwar nicht in dem Volk Israel aufgehen, ihre Gottes­be­zie­hung jedoch von einer besonderen „Is­rael­bezogenheit“ geprägt ist. Gemein­sam, an der Seite Israels, verehren sie den Gott Israels und verstehen sich als Freun­de Israels. Hierin sieht Haarmann ein mögliches Modell für das Verhältnis von Kirche und Israel heute: „An der Sei­te Israels, nicht als Israel verehrt die Kir­che JHWH, den Gott Israels“ (S. 290; eine solche These bedarf einer Prü­fung am Neuen Testament, Röm 9‑11; Eph 2). Haarmanns Alter­na­tive zu dem Prosely­ten­begriff ist sicher­lich kei­ne Neuent­deckung (leider bleibt die bei Eck­hard Schnabel, Urchristliche Mis­sion. Wup­per­tal: Brockhaus, 2002, S. 125-135 dar­gestellte For­schungs­dis­kus­sion unbe­ach­tet), wenngleich eine not­wendige Kor­rek­tur bis heute gängiger Sicht­weisen. Sein Werk weist einmal mehr in ein­dringlicher Weise darauf hin, dass es Menschen außerhalb des Bundes­vol­kes gibt, die den Gott der Bibel ver­ehren.

Dr. Siegbert Riecker, em 2009-2.

Haas, Waltraud Ch. Erlitten und Erstritten. Der Befreiungsweg von Frauen in der Basler Mission 1816 - 1966. Basileia Verlag: Basel, 1994.

Die Motivation, sich gerade diesem Thema zu stellen, läßt sich für Waltraud Haas, einer langjährigen Mitarbeiterin der Basler Mission in Kamerun und der Schweiz, wohl am besten mit den Worten eines Afrikaners, des damali­gen Moderators der Presbyterianischen Kirche in Ghana, Rev. E. M. L. Odjidja, während einer Festpredigt in Basel formulieren: „Ich bin über­rascht zu hören, daß man so wenig von der Ar­beit der Missionarsfrauen (erg.: und der unver­heirateten Missionarinnen) spricht. Wir tun so, also ob es allein auf die Arbeit der Männer an­käme. Das ist nur die Hälfte der Geschichte. Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich bezeu­gen, daß die Arbeit der Missionarsfrau ent­scheidend mitgeholfen hat, die Gemeinde auf­zubauen. Wenn ich die Gabe dazu hätte, würde ich ein dickes Buch darüber schreiben…“

Waltraud Haas hat sowohl die Gabe als auch den Mut besessen, diese Herausforderung an­zunehmen. Auf der Basis von umfassenden Ar­chivstudien für einen Zeitraum von 150 Jahren versucht sie, beide Ebenen miteinander zu ver­binden. Einerseits stellt sie anhand der Wir­kungszeiten und des Selbstverständnisses der Inspektoren der Basler Mission die Strukturen einer patriarchalisch organisierten Missionsge­sellschaft dar, andererseits liefert sie ausführli­che Quellenstudien und Interviews mit noch lebenden Missionarinnen, die sie zu faszinie­renden Momentaufnahmen verwoben hat. Es sind „Lebensbilder“, farbig, realistisch, ehrlich, schmerzlich und ermutigend. Die beiden Pole „Leiden“ und „Streiten“ geben immer wieder Orientierungspunkte für das Leben und den Dienst der einzelnen vorgestellten Frauen vor. Die Autorin versteht ihr Werk nicht als einen kompletten Abriß der Geschichte der Frauen innerhalb der Basler Mission, sondern vielmehr als eine Studie, in der Kurzbiographien in einen missionshistorischen und einen theolo­giegeschichtlichen Rahmen eingebettet wer­den, und dadurch Lesern und Leserinnen un­gewöhnliche Einsichten ermöglicht. Gehorsam, Verzicht, Ordnung und Unterordnung als zen­trale ethische Werte neben und über dem Evangelium von der befreienden Gnade Gottes in Jesus Christus für Männer und Frauen wer­den am Beispiel der Basler Mission in ihren Auswirkungen auf Leben und Dienst der ihr anvertrauten Missionarinnen und Missionare aufgezeigt.

Waltraud Haas vereint in ihrer Person bei­des: die Frauen der Basler Mission betrachteten sie als eine der Ihren und vertrauten ihr ihre Lebensgeschichte an; aufgrund ihrer langjähri­gen Tätigkeit im Archiv der Basler Mission hatte sie auch Zugang zu allen relevanten Quellen, die dieses Werk in seiner vorliegen­den Form zu einer Pionierarbeit machen.

Die Bedeutung dieser Arbeit geht weit über den Rahmen einer nur an der Basler Mission oder an missions- oder theologiegeschichtli­cher Frauenforschung interessierten Leser­
schaft hinaus. Es bietet eine herausfordernde, spannende Lektüre sowohl für Missionare und Missionarinnen im Dienst und im Ruhestand, als auch für Missionsdirektoren, Personalleiter, Missionsseelsorger, Kandidatensekretäre und Dozenten der Missionsgeschichte. Das Motto des Buches ist verdichtet in Julie Würz’ Aufruf auf dem Sterbebett an die Basler Missions­schwestern enthalten: „Sag’ ihnen, sie sollen ein starkes Leben führen! (S.233)

Friedhilde Stricker, em 1998-1.

Halter, Hans; Wilfried Lochbühler. Ökologi­sche Theologie und Ethik. 2 Bände. Verlag Styria: Graz/Wien/Köln, 2000.

Diese zwei Bände wollen nennenswerte Texte aus Vergangenheit und Gegenwart zusammen­stellen, die sich aus theologischer oder ethi­scher Sicht mit der internationalen Umweltpro­blematik beschäftigen. Damit ist von vorneher­ein klar, dass die Bände keine bestimmte Sicht protegieren, sondern alle Stimmen von Ge­wicht zu Wort kommen lassen. Das Ziel ist aber eindeu­tig, nämlich die Ökologie nicht an­deren zu überlassen, sondern als her­ausragendes Thema der christlichen Ethik zu begreifen.

Ob es also die klassischen Texte sind, die dem Christentum die Schuld an der Umwelt­katastrophe geben (z. B. Lynne White, Eugen Drewermann), ob es ältere theologische Vor­denker sind (z. B. Franz von Baader 1765-1841, Fritz Blanke), ob es Evangelikale (z. B. Francis Schaeffer), katholi­sche (z. B. Julius Kardinal Döpfner) oder säkulare Stimmen sind, ob sie die Umweltkatastrophe überzeichnen oder Teile davon für übertrieben halten, ob Naturvölker als Vorbild gepriesen werden (z. B. Eugen Drewermann) oder diese Sicht als Fiktion aufgewiesen wird (z. B. Thomas Bar­gatzky), alles findet sich hier mit einschlägigen Texten versammelt. Alle Texte sind gut aus­gewählt und gegebenfalls gekürzt, mit guten kurzen Einleitungen versehen und aufeinander bezo­gen, so dass die beiden Bände gut als Ar­beitsbuch zu gebrauchen sind und lange Lite­ratursuche überflüssig ma­chen.

Das Buch wird dadurch auch zum guten Ausgangspunkt für eine evan­gelikale, d.h. von der Bibel ausgehende Aufarbeitung der The­matik- wie ich sie in meinem Buch „Drewermann und der Buddhismus“ (VTR: Nürn­berg, 1999) versucht habe. Denn wenn die ‘Umwelt’ wirklich Gottes Schöpfung ist, kön­nen wir ihre Würde als Gottes Schöpfung ebenso wie ihr dem Gericht Ausgeliefertsein als gefallene Schöpfung nicht für uns behalten.

Dr. Thomas Schirrmacher, em 2001-2.

Hamel, Martin. Bibel - Mission - Öku­mene: Schriftverständnis und Schriftge­brauch in der neueren öku­menischen Missi­onstheologie. Gießen: TVG Brunnen, 1993.

Wie wird in der neueren Ökumenischen Missi­onstheologie die Bibel verstanden und ge­braucht? Was sind im Ökumenischen Rat der Kirchen die eigentlichen Quellen und die Norm theologischer Erkenntis? Diesen Fragen geht Martin Hamel mit dieser 1992 in Tübingen eingereichten Dissertation nach. Der z.Zt. in Sach­sen tätige Theologe versucht dabei, in acht Kapiteln die Entwicklung des Schriftverständ­nisses, des Ökumeni­schen Kirchenrates von Wadham 1949 bis San Antonio 1989 nachzu-zeichnen. Im Mittelpunkt steht dabei die Weltmissionskonferenz in Melbourne 1980, der drei Kapitel gewidmet sind: Vorbereitung – die Konfe­renz selbst – Echo. Die ersten drei Kapitel schildern die frühere Entwicklung ökumenischer Hermeneutik. Den Abschluß bilden je ein Kapitel zur weiteren Entwicklung in San Antonio und eine Zusammenfassung mit Ergebnis und Kritik.

Zunächst werden die Studien zu Glauben und Kirchenverfassung von Wadham 1949, Montreal 1963, Bri­stol 1967, Löwen 1971 und Loccum 1977 gesichtet, und der Weg von einer heilsgeschichtlich-christozentri­schen zur histo­risch-kritischen Sicht der Bibel aufgezeigt. Im zweiten Kapitel wird der endgültige Paradig­menwechsel zwischen den Vollversammlungen in Neu Delhi 1961 und Nairobi 1975 aufge­zeigt. In einem weiteren Kapitel wird vertie­fend auf die hermeneutischen Ansätze mit Ein­fluß auf Melbourne eingegangen, insbesondere auf die kontextuellen Dritte-Welt-Theologien und die materialistische-sozialgeschichtliche Ex­egese.

Zusammenfassend hält Martin Hamel die Grundzüge ökumenischer Hermeneutik fest: 1) Die biblischen Schriften werden als zeit- und kontextbedingte menschliche Erfahrungszeug­nisse betrachtet; 2) Eine marxi­stische Gesell­schaftsanalyse und Geschichtsbetrachtung und die Deutungen von Befreiungsbewegungen und nichtchristlichen Religionen werden als neue theologische Erkenntnisquellen eingeführt; 3) Die Bibel wird kontextuell aus der Erfahrungs­perspektive der kämpfenden Armen gelesen.

In den Kapiteln 6 und 8.2 kommt auch Kri­tik gegenüber dem Bibelverständnis der ökumeni­schen Weltmissionskonferenzen, ins­be­sondere Melbourne, zur Sprache. Vor al­lem wird eine ungenügende Sorgfalt im Um­gang mit der Bi­bel bemängelt. Durch die kon­textuelle Methode wird die Bibel ideologisch uminterpre­tiert und als Steinbruch für vorge­faßte Meinungen mißbraucht. Heilsgeschichte wird säkulari­siert und Weltgeschichte sakra­lisiert. Es stellt sich hier die Frage, ob man der Bibel sachgerecht entgegentritt, in­dem man ihre Au­torität und Normativität bei­seite schiebt und sie durch den erfahrenen sozi­alpolitischen Kontext des Befreiungskampfes der Armen er­setzt.

Lobenswert ist die intensive Quellenarbeit des Autors, der viele bisher unveröffentliche Do­kumente aus dem Genfer Archiv unter­suchte. Sehr hilfreich sind auch die kurzen Zusammen­fassungen am Ende fast jeden Kapitels, durch die man sich schnell einen Überblick über den Inhalt des Buches verschaf­fen kann. Allge­mein Interessierten dürfte es genügen, einzelne Ka­pitel (z.B. Kapitel 3, 6, 7 oder 8) bzw. die Zusammenfas­sungen zu lesen. Wer aber tiefer in die ökumenische Missions­theologie eindrin­gen will, wird das gesamte Buch mit Gewinn durcharbeiten.

Martin Sachs, em 1997-4.

Han, Sang-Chan. Die Beziehungen zwischen dem Schamanismus und dem Verständnis des Heiligen Geistes in der protestantischen Kirche in Korea. Religionsphänomenologi­sche und missionstheologische Untersuchung. Ammers­bek: Verlag an der Lott­bek Peter Jen­sen., 1991.

Inkulturation geschieht z.T. ungeplant. Dabei spielen Erwartungen und Vorstellungen aus der vorchristlichen Religion und Weltanschauung eine Rolle. Diesen Einflüssen geht Sang-Chan Han in Korea nach. Ähnliche Phänomene wie im Schamanismus erkennt er in der koreani­schen charismatischen Bewegung. Christliche Verkündiger erfüllen die Erwartung, die früher an den Schamanen gestellt wurden. So wird der irdische Segen wichtig, schamanistische Jen­seits- und Krankheitsvorstellungen werden ins Christentum übernommen, der Heilige Geist wird zur Kraft, die Wunder wirkt. Das Geld für die Kollekte wird gegeben, um Segen zu er­halten. Vor allem geht dabei der ethische, ge­sellschaftliche und politische Bezug des Glau­bens verloren.

Diese Hamburger Dissertation in Missiolo­gie gibt Einsicht in koreanische Geschichte, Theologie und kirchliche Verhältnisse, zeigt Gefahren der charismatischen Bewegung auf (z.B. in der Form eines Wohlstandsevangeli­ums) und läßt vor allem den langen und schwierigen Weg der Inkulturation des Evan­geliums erahnen. Wenn der Autor Kranken­heilung, Exorzismus, Zungenrede, Gei­stestaufe, Prophetie und Segenserwartung als für die charismatische Bewegung typisch her­ausstellt und in diesen Phänomenen in Korea einen schamanistischen Einfluß erkennt, den er von der Bibel her kritisiert, frage ich mich, in­wieweit er damit auch die weltweite charisma­tische Bewegung überhaupt meint. Han macht auf jeden Fall deutlich, daß die Kirchen die tri­nitarische Verkündigung des Heiligen Geistes ernst nehmen müssen, um zu Theologie und Gesellschaftsbezug zu gelangen, die heutiger Missiologie entsprechen.

Walter F. Rapold, em 1997-3.

Hasselhorn, Fritz. Bauernmission in Südaf­rika. Die Hermannsburger Mission im Spannungsfeld der Kolonialpolitik 1880-1939. Erlanger Monographien Bd. 6. Erlangen: Verlag der Ev.-Luth. Mission, 1988.

Ein Profanhistoriker widmet sich der Mis­sionsgeschichte, die ja nicht nur Teil der Kir­chengeschichte, sondern auch der Kolonialge­schichte ist. Dabei erweist sich eine sozialkriti­sche Fragestellung, wie sie Vf. in seiner Dis­sertation anwendet, als Bereicherung der Ge­schichtsschreibung. Wichtig ist, daß hier Archivmaterial aus Südafrika erstmals wissen­schaftlich ausgewertet wird.

Die Arbeit konzentriert sich auf die Frage des Landbesitzes der Hermannsburger Mission in Südafrika. Aus finanziellen Gründen war sie darauf angewiesen, zugleich näherten sich die Missionare damit aber auch (oft unbewußt) der weißen Siedlergesellschaft, mit der sie sich dann oft mehr solidarisierten als mit den (schwarzen) Afrikanern. Dies prägt die Arbeit, die Mission wird zum Handlanger der regie­rungsamtlichen Bemühungen der Rassentren­nung und damit letztlich der Apartheid.

Es ist das Verdienst Hasselhorns, diese Zusammenhänge und Entwicklungen sachlich aufzuzeigen, ohne vorschnelle Schuldzuwei­sungen vorzunehmen. Vielmehr spürt man ihm Solidarität ab, die an einer gründlichen und offenen Aufarbeitung der Missionsgeschichte interessiert ist. Deshalb ist es ein wichtiges Buch.

Johannes Triebel, em 1994-4.

Hattaway, Paul. Operation China. William Carey Library: Pasadena (CA) & Piquant (c/o IVP): Carlisle (GB), 2000.

In Anlehnung an den englischen Titel von ‘Gebet für die Welt’, ‘Operation World’ legt hier ein Chinakenner eine umfangreiche Enzyklo­pädie aller chinesischen Völker, Sprachen und Provinzen vor, die neben detaillierten statisti­schen Angaben zu Politik, Wirtschaft, Religion und christliche Kirchen einfühlsam und mit weit über 1000 farbigen Bildern die jeweilige Kultur vorstellt. Dabei wird auch erstmals gründlich die küsntliche Einteilung Chinas in 56 Völker seitens der chinesischen Regierung widerlegt. Für das Gebet sind alle Ein­träge auf alle Tage des Jahres verteilt. Umfang­reiche Register und Literaturlisten ergänzen den Band. Eine gi­gantische Meisterleistung der Mis­sionsfor­schung in sehr attraktiver Aufma­chung zu ei­nem sehr niedrigen Preis!

Dr. Thomas Schirrmacher, em 2001-1.

Haubert, Katherine M. Women as Leaders. Accepting the Challenge of Scripture. Mon­rovia: MARC, 1993.

Das von namhaften evangelikalen Theologen empfohlene Büchlein der amerikanischen Pa­storin Haubert versucht, die Wahrnehmung von geistlichen Leitungsämtern durch Frauen in der Kirche nicht nur als biblische Möglichkeit zu rechtfertigen, sondern als Notwendigkeit auf­zuzeigen, ohne deren Verwirklichung die Kir­che nicht zur „Fülle Christi“ (Eph 4,13) heran­reifen könne (S.lf).

Methodisch geht die Autorin so vor, daß sie in 10 Kapiteln die biblische Zuordnung der Geschlechter einer grundlegenden Neuinter­pretation unterzieht und - entgegen einer fast 2000-jährigen Auslegungstradition - alle Stel­len, welche die geistliche Führung in der Familie bzw. Kirche dem Mann zuordnen, uminterpretiert oder für zeitbedingt erklärt. Positiv zu vermerken ist, daß sie sich bemüht, ihre Sicht durch 161 Anmerkungen und 60 herangezogene Veröffentlichungen abzusi­chern. Dabei fällt freilich auf, daß sie nur eng­lischsprachige Literatur (und auch diese recht selektiv!) benutzt: Wesentliche Untersuchun­gen, die ihre These bestreiten (etwa die grund­legenden Monographien von Clark, Hauke,
Hurley u.a.), werden leider ignoriert. Aber auch abgesehen von der selektiven Handhabung der Literatur ist ihr Versuch, die biblischen Aus­führungen zum Hauptsein des Mannes und zur Unterordnung der Frau rein partnerschaftlich und egalitär zu interpretieren, angesichts des denkbar klaren Wortlautes der Bibel (z.B. Kol 3,18f; Eph 5,22ff; 1Petr 3,1-7) exegetisch in keiner Weise überzeugend. Indem die Autorin den Gedanken der Unterordnung fälschlich mit dem Begriff der Minderwertigkeit identifiziert (S.12 u.ö.), muß sie zwangsläufig die grundle­gende Unterscheidung von Gleichwertigkeit und Verschiedenartigkeit der Geschlechter ver­fehlen, ohne die das biblische Nebeneinander von Gleichheit (im Hinblick auf die Erlösung) und Verschiedenheit (im Hinblick auf den geistlichen Dienst) nicht verstanden werden kann. Angesichts der Anstößigkeit der bibli­schen Sicht für das moderne Denken wird man freilich befürchten müssen, daß die Autorin trotz der gravierenden exegetischen Defizite ihres Büchleins viele Leser von der Plausibilität ihrer Sicht überzeugen wird.

Werner Neuer, em 1994-3.

Hauenstein, Philipp. Fremdheit als Cha­risma. Die Existenz als Missionar in Ver­gangenheit und Gegenwart am Beispiel des Dienstes in Papua-Neuguinea. Erlanger Ver­lag für Mission und Ükumene: Erlangen, Mis­sionswissenschaftliche Forschungen, NF Bd. 10, 1999.

Der Verfasser dieses Buches mit dem interes­seweckenden Titel ist Jahrgang 1957. Er war sieben Jahre Pfarrer, Missionar und Leiter einer Gemeindehelferausbildung in der Evang.-Luth. Kirche in Papua-Neuguinea. Vor dem Hinter­grund der eigenen Lebenserfahrung in einem anderen Kulturkreis und der Aufgabe der Mit­arbeitervorbereitung für Übersee ist vorlie­gende Arbeit entstanden, die 1998/99 von der Theologischen Fakultät Erlangen-Nürnberg als Dissertation angenom­men wurde. Seit 1992 ist Hauenstein Dozent und seit April 2000 Leiter des Missionskollegs Neuendettelsau.

In der Einführung beschreibt er sein Inter­esse: „Wohl wissend, daß es Gottes eigene Mission ist, um die es geht, gilt es, die Mitwir­kenden dieser Mission in ihrer konkreten histo­rischen Situation in den Blick zu bekommen. Ziel eines solchen Unternehmens kann nur sein, dazu bei­zutragen, daß Gott in seiner Mis­sion bei uns und mit uns zum Zuge kommt“ (13). Dement­sprechend werden gut 100 S. der ge­schichtlichen Entwicklung der von Neuen­dettelsau ausgehenden evang.-luth. Mission gewidmet. Der Bogen reicht von der klassi­schen Pioniermission (1886) über die Zeit des Auf- und Ausbaus innerhalb einer Missi­onskirche bis 1996 und der selbständigen ELC-PNG (Evangelical Lutheran Church of Papua New Guinea).

Auf den folgenden 40 S. theologischer Stand­ortbestimmung wird u. a. ausgeführt, wie die „trinitarische Begründung“ und das „integrale Verständnis von Mission“ als Im­pulse aus der neueren Missionswissenschaft die Funktion, Rolle und das Selbstverständnis von Mitarbei­tenden in Überseee zu klären imstande sind und wie „Leben als missionstheologischer Leitbegriff“ (140ff) fruchtbar zu machen ist.

Das 4. Kapitel beschäftigt sich mit der „Fremdheit als Charisma“ (bes. 211 ff). Hauen­stein begreift „Fremdheit“ als Gnaden­gabe mit der Zielrichtung des Gemeindeauf­baus. „Von außerhalb Gesandte können diese besondere Gabe einbringen. Was sie zu sagen haben, wird oft kontrovers bleiben. Ob ihr Beitrag brauch­bar ist oder nicht, das entschei­den nicht sie, sondern die Gemeinde bzw. einheimische Kir­che. Sie sind ein Ferment, nicht mehr, aber auch nicht weniger“ (13).

Praktische Hilfestellungen zum be­trachtenden Gebet, die menschliche Begleitung der Mitar­beiter in Übersee, den hilfreichen Hu­mor (!) und Bewährung in alltäglichen Kon­fliktfeldern schließen dieses Buch ab. Es bie­tet eine missi­onstheologische Fundgrube und zugleich Hil­fen für alle, die als Lehrer oder Lernende in Ausbildungsstätten stehen. Dies gilt nicht nur für Missionare, sondern auch für Prediger, Pfarrer und Pfarrerinnen, die ja auch in gewis­sem Sinne mit dem Phänomen der Fremdheit zu tun haben, wenn auch nicht im Ausland.

Pfr. i. R. Reinhard Fritsche, em 2000-3.

Hauzenberger, Hans. Einheit auf evangeli­scher Grundlage. Gießen/Zürich : TVG, Brunnen, 1986.

Wenn auch die 1846 in London gegründete Evangelische Allianz sich nie direkt mit der Weltmission befaßt hat, so hat sie doch für das weltmissionarische Bemühen im evan­gelischen Raum im allgemeinen und im heute als evangelikal bezeichneten Raum im besonderen eine wesentliche Rolle ge­spielt. A. B. Simpson, der Gründer der Chri­stian and Missionary Alliance, oder Fredrik Franson wurden durch Veranstaltungen der Evangelischen Allianz angeregt, ihre Mis­sionen als Allianzmissionen zu bezeichnen, und eine ganze Reihe von Glaubensmissio­nen übernahm die „Basis“ der Evangeli­schen Allianz als ihre Glaubensgrundlage. Bisher gab es kaum Gesamtdarstellungen ihrer Entstehung (Peter Schneiders Vor­wort). Hauzenberger gibt diese Darstellung. Außerdem macht er in einem Anhang (S. 375-478) wichtige Dokumente aus der Frühzeit der Evangelischen Allianz im Wort­laut zugänglich, wobei er auch die verschie­denen Schritte der Entwicklung der „Basis“ der evangelischen Allianz aufzeigt. Im drit­ten Teil „Das Wesen der Evangelischen Allianz“ werden die systematischen Schwer­punkte der Gründungszeit (1845/46) be­schrieben. Im vierten Teil zieht Hauzen­berger eine Bilanz unter der Überschrift „Einheit auf evangelischer Grundlage“. Be­sonders interessant für heutige Fragestel­lungen sind seine Begriffsklärungen „Evan­gelikal – ökumenisch – katholisch“ und sein Schlußabschnitt „Ist die Evangelische Allianz eine evangelikale Allianz?“

Klaus Fiedler, em 1988-1.

Heim, Karl. Das Heil der Welt, Die Botschaft der christlichen Mission und die nichtchrist­lichen Religionen, herausgegeben und er­läutert von Friso Melzer, Brendow Verlag, Edition C, 1986.

Im Oktober 1986 trafen sich in Assisi Ver­treter der Weltreligionen, um für den Frie­den zu beten. Vielen war das ein Grund zur Freude, denn sie sahen, wie die trennenden Mauern zwischen den Religionen abgebaut wurden. Andere verhielten sich ablehnend, weil sie die Wahrheit des Evangeliums an eine unerlaubte Religionsmischerei (Syn­kretismus) verraten sahen. Das Problem, das sich hier darstellt, hat die Christenheit
zu allen Zeiten beschäftigt: In welchem Verhältnis steht Christus ‑ und damit das Christentum ‑ zu den Religionen dieser Erde?

Einer, der sich klar und verständlich zu die­ser Frage geäußert hat, ist der langjährige Professor für Systematische Theologie in Tübingen Karl Heim (1874-1958). Als jun­ger Theologe war er in der weltweiten christlichen Studentenbewegung tätig ge­wesen und hatte später an mehreren Welt­missionskonferenzen teilgenommen. So hat­te er sich gründlich mit diesem Problem beschäftigt und wußte wegweisende Ant­worten zu geben, die auch heute noch gül­tig sind.

Es ist dem Brendow Verlag und dem Schü­ler Karl Heims Friso Melzer zu danken, daß die wichtigen Äußerungen Karl Heims zu diesem Thema gesammelt und uns in einem Taschenbuch zugänglich gemacht wurden. Sie helfen uns, in der Wirrnis dieser Zeit einen klaren Blick zu bekommen für die Einzigartigkeit der Christusbotschaft als Heilsbotschaft für die ganze Welt.

Alexander Prieur in: Praxis der Verkündigung (Oncken) 3/89. Em 1989-4.

Heimbach-Steins, Marianne und Heiner Bielefeldt (Hg.). In Kooperation mit der deutschen Kommission Justitia et Pax, Religionen und Religionsfreiheit. Menschenrechtliche Perspektiven im Span­nungsfeld von Mission und Kon­version (Judentum – Christentum – Is­lam. Bamberger interreligiöse Studien Band 7) Würzburg: Ergon, 2010.

Dem Herausgeber und der Kommission Justitia et Pax ist für diesen sehr an­regenden Sammelband zu danken. Die Vielfalt der sechzehn Beiträge ist auf gut zweihundert Seiten mit Sicherheit eine Stärke, auch wenn der Leser heraus­gefordert wird, den Überblick zu be­hal­ten. Die Herausgeber helfen dabei mit ihrer grundlegenden und den Leser orien­tierenden Einleitung „Religionen und Religionsfreiheit im Spannungsfeld von Mission und Konversion – men­schen­rechtliche Perspektiven. Eine Ein­leitung“ (S. 11-17). So gewinnt man auch einen Einblick in die Arbeit der deutschen Kommission Justitia et Pax, die in den Jahren 2004-2009 schwer­punkt­mäßig das Thema Religionsfreiheit diskutierte. Zunächst stand dabei die Kon­zilserklärung „Dignitatis humanae“ („Über die Religionsfreiheit“) im Mittel­punkt. Eine grundlegende Reflexion war für die Zeit des Konzils und danach geboten, da die katholische Kirche lange Zeit Religionsfreiheit nicht mit offenen Armen begrüßte. In der folgenden zwei­ten und dritten Phase der Diskussionen rückten die katholische Politikberatung und die Advocacy-Arbeit sowie das un­mit­telbare Gespräch mit Politikern in den Mittelpunkt. Der vorliegende Sammel­band dokumentiert eine Tagung zu inter­nationalen und interreligiösen Aspekten der Religionsfreiheit (vierte Phase). Die Reihenfolge der Beiträge erweist sich als sehr hilfreich.

Heiner Bielefeldt arbeitet in seiner rechts­politischen Erörterung die „Sper­rigkeit“ des Menschenrechtes auf Reli­gionsfreiheit heraus, führt grundlegende Aspekte und Definitionen ein und öffnet damit den Raum zur Diskussion, den er durch seine Weichenstellungen auch in gewisse Bahnen lenkt. Neben Bielefeldts Beitrag dienen die Aufsätze von Gerhard Robbers, Asma Jahangir, Ömer Özsoy und Marianne Heimbach-Steins „einer multiperspektivischen Annäherung an und einer Verständigung über das Her­aus­forderungspotential des Menschen­rechtes auf Religionsfreiheit“ (S. 11).

Der zweite Teil des Sammelbandes stellt sich der Herausforderung das Men­schen­recht auf Religionsfreiheit vor allem unter dem Aspekt des Rechtes auf Mis­sion zu vertiefen. Die Autoren der sechs Beiträge repräsentieren dabei eine ka­tho­lische (Katja Heidemanns), eine in­do­nesisch-katholische (Johannes Müller), eine evangelikale (Thomas Schirr­ma­cher), eine christlich-orthodoxe (Kon­stan­tinos Delikostantis), eine jüdische (Jo­nah Sievers) und eine islamische Per­spektive (Bülent Ucar). Im dritten Teil beleuchten zwei Beiträge (Saskia Wen­del, Dagmar Mensink) die dem Men­schenrecht eigenen Spannungen auf reli­gionsphilosophischer bzw. theologischer und religionspolitischer Ebene. Die Re­fle­xionen von Rotraud Wielandt und Da­niel Bogner bringen die vorliegenden Beiträge und solche, die nicht im Sam­melband enthalten sind, ins Gespräch und runden diesen wertvollen Band ab.

Insbesondere die Zusammenstellung im zweiten Teil des Buches unterstreicht das Bemühen der Organisatoren, ver­schie­de­ne Perspektiven zu Wort kommen zu las­sen. Auf diese Weise werden die be­son­de­ren Herausforderungen eines sol­chen Dis­kurses sichtbar, wie beispiels­weise im Beitrag von Delikostantis. Er ver­deut­licht, dass westliche Diskurse zu Men­schen­rechten unter anderem unter dem As­pekt „der Überlegenheit des Wes­tens gegenüber den anderen Kul­turen“ be­trachtet werden können. „Ihr Inhalt, ihr An­spruch und ihre Reichweite werden über­zogen, sie werden huma­nis­tisch um­ge­bogen, privatisiert und indi­vi­dua­li­siert“ (S. 137). In Kontexten, in denen Re­ligion und ethnisch-kulturelle Identität sehr eng verbunden sind oder Re­ligion sogar deren Kern ausmacht, wird die Diskussion über Men­schen­rech­te eine Herausforderung. Dies gilt ins­be­sondere wenn Menschen für anti-west­li­che Argumentationen empfänglich sind. De­likonstantis setzt sich kritisch mit dem gegenwärtigen Stand der Dis­kus­sion in orthodoxen Kirchen aus­ein­an­der. Dabei fordert er dazu heraus, die „rei­che und tiefe theologische Tradition“ der Or­tho­doxie für die Begegnung mit den Men­schenrechten zu entdecken und in der Auseinandersetzung theologische Kri­terien anzuwenden statt sich von Er­fah­rungen mit den verschiedenen Aus­prä­gungen der Moderne bestimmen zu las­sen (S. 141). Dem Beitrag sind das En­ga­ge­ment und das Ringen um einen or­thodoxen Weg in dieser Frage deutlich ab­zuspüren. Delikonstantis wehrt sich ve­hement gegen die Einschätzung, dass die Orthodoxie fundamentalistisch und dia­logunfähig sei: „Wie kann eine Kir­che, die sich in ihrer Diakonie an der Sei­te der Mühseligen und Beladenen wuss­te und weiß, eine Kirche die unter un­vorstellbarem Leid, großen Opfern und mit zahllosen Märtyrern in feind­li­chen Regionen überlebt hat, eine Kir­che des Kreuzes und des tiefsten Glau­bens an die Auferstehung, wesenhaft mit den Menschenrechten inkompatibel sein?“ (S. 143). Dieses Ringen ver­deut­licht mei­nes Erachtens wenigstens zwei wich­ti­ge Aspekte der Fragestellung: 1. Eine Dis­kussion außerhalb westeuro­päischer Demokratien ist nicht nur eine Dis­kus­sion zu den Menschenrechten. Es geht auch um anderes, und nicht selten aus der Sicht dieser Menschen um mehr, näm­lich um theologische und nationale/ eth­nische Identität sowie um theolo­gi­sches und nationales/ethnisches Ge­schichts­verständnis. 2. Die grund­sätz­li­che Stellung zu westeuropäischen Län­dern spielt in die Diskussion um Men­schen­rechte hinein. Diese ist nicht selten durch geschichtliche Erfahrungen ge­prägt.

Diese Beobachtungen fordern zu wei­terer Reflexion heraus, von denen nur einmal zwei verschiedene Linien an­ge­deutet werden sollen. Was ist die an­ge­messene Reaktion darauf, dass Men­schen­rechte auch als „westeuropäisches“ Produkt der Moderne angesehen und als solches abgelehnt werden? Sollte man um­so eindringlicher und unnachgiebiger deren Akzeptanz einfordern oder geht es nicht vielmehr darum – wie dies Deli­kon­stantis tut – nach Anknüpfungs­punk­ten in dem jeweiligen Kontext zu suchen, wie die Menschenrechte jeweils ver­mit­telt und „heimisch“ werden können?

Eine zweite Linie sei auch nur kurz angedeutet, die sich meines Erachtens auch gut an der Situation der orthodoxen Kirchen nachvollziehen lässt. Welche Be­deutung hat die sozial-politische Stellung dessen, der das Menschenrecht auf Religionsfreiheit diskutiert? Spricht man aus der Perspektive einer Mehrheit oder einer Minderheit? Heidemanns stellt diesen nicht unwesentlichen Aspekt an den Anfang ihres Beitrages: „Von Min­derheitenkirchen und –bewegungen und ihrem Freiheitskampf sind wichtige Impulse für ein christliches Verständnis der Bedeutung von Religionsfreiheit aus­gegangen“ (S. 83). Und doch gewinnt man den Eindruck, dass sie (wie andere Beiträge) dies nicht weiterführend re­flek­tieren.

Zusammenfassend kann man sagen, dass es dem Sammelband gelungen ist, wich­ti­ge Beiträge zur Diskussion zu doku­men­tieren. Diese fördern sicherlich die weitere Diskussion und hoffentlich ver­mehrt auch das Umsetzen des Men­schen­rechtes auf Religionsfreiheit.

Heiko Wenzel, em 2012-1

Heimbach-Steins, Marianne; Rotraud Wielandt und Reinhard Zintl (Hg.). Religiöse Identität(en) und gemeinsame Religions­freiheit. Eine Herausforderung pluraler Ge­sellschaften. Judentum - Christentum - Islam. Bamberger interreligiöse Studien 3. Würz­burg: Ergon, 2006.

Die vorliegenden Beiträge gehen auf Symposien des Bamberger Zentrums für Interreligiöse Stu­dien im Jahre 2004 zurück. Sie behandeln den Mensch als Staatsbürger und die Frage von religiöser Identität in pluralen Gesellschaften und dokumentieren das Anliegen des Zentrums, einen Beitrag zur interreligiösen, interkultu­rellen und politischen Bildung zu leisten. Dieses Anliegen wird durch die Vielfalt der Beiträge und durch nachdenkenswerte Thesen umgesetzt. In ihrer Einführung (S.9-24) beschreibt Marian­ne Heimbach-Steins Religionsfreiheit als Selbst­begrenzung des Staates (S.13) und Verpflich­tung der religiösen Akteure (S.15). Diese umrahmen den (gegenseitigen) Lernprozess von säkularem und religiösem Bewusstsein wie auch den Lernprozess innerhalb der jeweiligen reli­giösen Gemeinschaft.

Die ersten fünf Aufsätze konzentrieren sich auf die Beziehung des Staates und seiner Organe zu religiösen Gemeinschaften. Stefan Huster be­schreibt in seinem Beitrag (S.35-54) die wert­volle Unterscheidung zwischen Begründungs­neutralität und Wirkungsneutralität des Staates. Das erste ist eine Verpflichtung des Staates; das zweite kann er nicht garantieren und ist auch nicht wünschenswert. Eine Konkurrenz von Überzeugungen würde nämlich dann verhindert werden (S.39-40). Es bleibt die Frage, ob sich alle religiösen Gruppierungen darauf einlassen. Heiner Bielefeldt stellt in seinem Beitrag (S.55-evangelikale missiologie 23[2007]4 74) das vielfältige Spektrum im Raum des Islams vor. Er ist optimistisch, dass die „lebens­weltliche Flexibilität“ im Raum des Islam eine Eingewöhnung ermöglicht. Dieser Optimismus wird von Duran Terzi (S.75-79) und Reza Hajatpour (S.81-86) geteilt. Wolfgang Thierse hinterfragt diesen Optimis­mus zu Recht: „Für den Wahrheitsanspruch einer Religion bleibt es ein Stachel, der religiösen Überzeugung des Anderen dieselbe Dignität zuzumessen wie der eigenen“ (S.29). In seinem Beitrag (S.27-34) argumentiert er ande­rerseits im Rückgriff auf Lessings Toleranz­begriff, dass „die Erfahrung von Freiheit und Rechtsstaatlichkeit den Islam so ändern könnte, dass er von sich aus unsere grundlegenden Prinzipien und Maßstäbe akzeptieren kann“ (S.32). Thierse sieht in der sogenannten „inter­kulturellen Kompetenz“ (S.33) eine Schlüssel­qualifikation der Zukunft. Ob das ausreicht, kann alleine die Zukunft zeigen. Weitere vier Aufsätze beleuchten die Rolle des Individuums im Rahmen dieser übergeordneten Beziehungen. Es beginnt damit, dass jeder Mensch das Recht hat, Rechte zu haben, wie Christa Schnabl anhand von Hannah Arendt aus­führt (S.89-104). Karl-Wilhelm Merks be­schreibt die Trennung von Politik und Religion als eine große Leistung des Abendlandes in sei­nem Aufsatz (S.105-135). Damit betont er „die Einsicht in die Autonomie des Sittlichen“, wel­che „die Moral sowohl aus der staatlichen wie aus der kirchlichen Bevormundung freigibt“ (S.128). Das Ethikverständnis muss daher empi­risch verwurzelt und säkular sein (S.126). Nur in diesem Rahmen kann man die Verantwortung eines Christen im Staat denken und überhaupt scheint die Vermittlung der (christlichen) Reli­gion nur im Engagement für Menschlichkeit möglich (S.133). Die Geistesgeschichte des Abendlandes wird damit implizit zum Maßstab erhoben. Der Islam hat nämlich in seiner Ge­schichte die Trennung von Politik und Religion nicht vollzogen, wie Merks selbst betont (S.128). Wie schwierig es ist, solche Gedanken in einem islamisch-geprägten Land zu denken und umzusetzen, veranschaulicht Cevat Kara in seinem Beitrag zur Jungtürkenzeit (1908-1914) (S.137-155).

Ob eine offene (und gewaltfreie) Konkurrenz von Überzeugungen gewünscht ist und prakti­ziert wird, hängt entscheidend von der Bereit­schaft der einzelnen Bürger ab - und damit ist jeder einzelne gefragt. Diese Bereitschaft muss verpflichtend sein. Zur Realisierung bedarf es sicherlich „dialogfähiger Identitäten“. Mit die­sem Stichwort beschreibt Regina Ammicht Quinn (S.157-165) ein für mich nicht klar fass­bares „zwischen“ im interreligiösen Dialog. Sie grenzt diese Identität von einer defensiven und einer offensiven Identität ab. Erstere versucht Bestehendes zu bewahren, z.B. das sogenannte „christliche Abendland“. Letztere kann Begeg­nung mit „anderen“ nur als „Bekehrung“ begrei­fen. Dialogfähigkeit, die den anderen nicht zum Objekt macht, ist sicherlich gefordert. Des­wegen muss aber der Wahrheitsanspruch der eigenen Überzeugung nicht zwangsläufig rela­tiviert werden. Es muss möglich sein, dem Gesprächspartner als Mensch zu begegnen und die eigenen Überzeugungen uneingeschränkt zu vertreten.

Diese Beiträge fordern auf vielfältige Weise zum Nach- und Weiterdenken heraus und sind allen zu empfehlen, die sich mit diesen Fragen auseinandersetzen wollen.

Heiko Wenzel,em 2007-4.

Hein, Uwe. Indische christliche Seelsorge. (Bd.14, Erlanger Monographien aus Mission und Ökumene). Erlangen: Verlag der Ev. Luth. Mission, 1991.

Diese Heidelberger Dissertation hat eigentlich das Gewicht einer Habilitationsschrift. Der Verfasser hat alles herangezogen, was indische Christen unserer Zeit zur Frage geschrieben haben, und hat durch wiederholte Reisen an Ort und Stelle beobachtet und sich berichten lassen. Der Verfasser hat recht daran getan, daß er zunächst Umwelt und Überlieferung indischer Kultur beschrieben hat (Kaste, Yoga, Ashram, Guru-Chela-Beziehung usw.). Darauf handelt er ab S.148 die christliche Seelsorge indischer Gestalt in 3 Schritten ab: zunächst die Frage der Form (Sprache und Kultur, Kunst und
Liturgie, Beichte, Heilung, Sterben usw.); sodann den Kontext (Gemeinschaft, Familie, Aktion zur Bewußtseinsbildung zur Befreiung); schließlich die Person des Seelsorgers. Hier bewegt ihn besonders „Spiritualität und Meditation“. Leider wird nicht deutlich, worin sich hinduistische und christliche Meditation voneinander unterscheiden, wie sie sich in verschiedener Blickrichtung bewegen. Hier wie auch sonst muß die Frage des Synkretismus deutlich in den Blick genommen werden.

Indische Frömmigkeit und Seelsorge läßt das, was man heute abschätzig „starre Dog­men“ nennt, hinter sich. Sie sucht Erfahrung und blickt nur auf Jesus, allerdings ohne die Heilsgeschichte mitzubedenken. Man wünschte sich, daß deutlicher gezeigt würde: der Seel­sorger muß die Ganzhingabe an Christus (seif­surrender to Christ) vollzogen haben und ein Mann des Gebets sein. Zu recht wird wieder­holt auch Sadhu Sundar Singh genannt, und nach dem englischen Wortlaut seiner Schriften zitiert. Warum fehlt ein Hinweis darauf, daß eine deutsche Übersetzung mit Erläuterungen vorliegt?

Das Buch schließt mit „Anregungen für die deutsche Seelsorgearbeit“. Das Literaturver­zeichnis ist überwältigend umfangreich und für künftige Arbeit zum Thema unentbehrlich (294-320). Nun sollte aber auch ein Inder zum Thema das Wort nehmen und aus der Praxis heraus an Beispielen zeigen, wie Seelsorge geschieht: auf dem Dorf, in der Stadt, bei Chri­sten, die aus den Kastenlosen kommen, und bei anderen usw. usw.

Friso Melzer, em 1993-1.

Heiner, Wolfgang. Schüsse am Schlangen­fluß. Neuhausen: Hänssler, 1993 (Nachdruck von 1979).

Drei Männer sind sich in Brasilien begegnet: Gerhard Lutasch, Sohn eines deutschen Kolo­nisten, Josué de Marco, Sohn eines brasiliani­schen Kolonisten und Pedrinho, der Indianer­häuptling. Zwei Morde führen dazu, daß alle drei über Brasilien zerstreut werden. Wolfgang Heiner erzählt, wie durch die Arbeit von Mis­sionaren alle drei zum Glauben an Jesus Chri­stus finden. Zwischen spannenden Abschnitten enthält das Buch eine Menge – manchmal zu langatmiger – Informationen über die Religion, Geschichte und Missionsituation in Brasilien. Wer das Buch Kindern ab 12 Jahren vorliest oder erzählt, kann das Wesentliche herausfil­tern.

Christof Sauer, em 199-3.

Hempelmann, Heinzpeter. Wahrheit ohne Tole­ranz - Toleranz ohne Wahrheit? Chan­cen und Grenzen des Dialogs mit Anders­gläubigen. Wuppertal: R.Brockhaus, 1995.

Sobald ein Christ unter Nichtchristen seine Überzeugung äußert, daß Jesus der einzige Weg zu Gott ist, gerät er häufig unter schweren Beschuß. Es sei intolerant, so zu denken, und fundamentalistisch. Manchmal wird er sogar mit politisch aktiven Islamisten in einem Atemzug genannt. Daß dieser Vorwurf ungerechtfer­tigt und sogar falsch ist, zeigt Heinzpeter Hempelmann in seinem knapp 70 Seiten umfassenden, gut lesbaren Büchlein. Er gibt begründete, sachliche Denk- und Argu­mentationshilfen für Christen und Nichtchri­sten bei der kritischen Frage nach Wahrheit und Toleranz.

Durch seine philosophischen und theologi­schen Studien und Veröffentlichungen, beson­ders im Bereich der Erkenntnistheorie, ist der Autor für eine derartige Schrift besonders qua­lifiziert. Seit 1995 ist er Studi­enleiter des Theologischen Seminars der Lie­benzeller Mis­sion.

Dieses, trotz mancher philosophischer Fachbe­griffe, sehr lesenswerte Büchlein sollte weite Verbreitung finden und ist allen, die sich mit missionarischen und apologetischen Fragen auseinandersetzen, wärmstens zu empfehlen. Es hilft, Klarheit über einen christlichen Stand­punkt zu gewinnen und diesen ohne defensiven Unterton zu vertreten.

Martin Sachs, em 1997-4.

Herbst, Michael; Jörg Ohlemacher, Johannes Zimmermann (Hg.). Missionarische Perspek­tiven für die Kirche der Zukunft: Beiträge zur Evangelisation und Gemeindeentwicklung Bd. 1, Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Ver­lagsgesellschaft, 2005.

Der vorliegende Sammelband ist die erste eige­ne Veröffentlichung des im April 2004 gegrün­deten „Instituts zur Erforschung von Evangelisa­tion und Gemeindeentwicklung“ der Theologi­schen Fakultät der Universität Greifswald. Zugleich ist es der erste Band seiner damit be­gründeten wissenschaftlichen Publikationsreihe, der „Beiträge zur Evangelisation und Gemein­deentwicklung“, deren Herausgeber identisch sind mit den Herausgebern dieses ersten Bandes. M. Herbst und J. Ohlemacher sind Professoren für Praktische Theologie in Greifswald und die (nebenamtlichen) Direktoren des Institutes. Herbst hat sich bereits mit seiner Dissertation „Missionarischer Gemeindeaufbau in der Volkskirche“ (Stuttgart, 1990), Ohlemacher mit seiner historisch-theologischen Studie zur deut­schen Gemeinschaftsbewegung „Das Reich Got­tes in Deutschland bauen“ (Göttingen, 1986) um das Thema Mission in Deutschland verdient gemacht. H. Zimmermann ist (vollamtlicher) wissenschaftlicher Geschäftsführer, finanziert von der Württembergischen Landeskirche. Im Wesentlichen dokumentiert der Band die Beiträge eines Symposiums in Greifswald, das mit der Eröffnung des Instituts verbunden war. Der Band hat drei Teile. Im ersten grundlegen­den Teil bietet der katholische Pastoraltheologe Paul M. Zulehner (Univ. Wien) missionstheolo­gische Perspektiven: „christentümliche“ Gesell­schaften seien einer „atheisierenden“ Kultur gewichen und verlangten von den Kirchen nicht nur „rückbauende Verschlankung“, sondern einen missionarischen Aufbruch. Die säkulare Offenheit für Spiritualität sei ein Anknüpfungs­punkt für eine „mystagogische Mission“, die davon ausgeht, dass Gott alle retten will, in allen schon wirkt und nach konkreten Wegen sucht, ,jene, die Gott uns ,hinzufügt’ (Apg. 2,47), zu gewinnen… damit seine Kirche leben und wir­ken kann“ (S. 23). M. Herbst beschreibt in sei­nem Beitrag, in dem er das Institut vorstellt, zunächst den pommerschen, hochschulischen und kirchlichen Kontext des Institutes. Er erin­nert an die Gründungsimpulse aus der Leipziger Synode 1999 und der davon inspirierten EKD-Studie „Das Evangelium unter die Leute brin­gen“ (EKD-Text, 2000). Er beschreibt den kon­zeptionellen und strukturellen Weg der Grün­dung von 2001-2004 und die ersten durchgeführten Projekte. Das Institut versteht sich als bisher einmalige universitäre Forschungsstelle für Mission in Deutschland im Rahmen der ev. Landeskirchen. Träger sind die Pommersche Landeskirche und die Arbeitsgemeinschaft Mis­sionarischer Dienste (AMD) des Diakonischen Werkes der EKD. Darüber hinaus finanziell und personell beteiligt sind einzelne Landeskirchen (Pommern, Baden, Württemberg) und Stiftun­gen. Das Konzept besteht darin, historische, theologische und praktische Aspekte der Evan­gelisation und missionarischen Gemeindeent­wicklung in den ev. Landeskirchen zu erfor­schen und zu vermitteln – durch Lehrveranstal­tungen an der Fakultät, durch Weiterbildung für Pfarrer und Ehrenamtliche und durch Disserati-onen und Habilitationen. „Zusammengehalten werden diese verschiedenen Aktivitäten durch die Überzeugung von der „prinzipiellen Ge­meindlichkeit des Glaubens“ (S.41). Im zweiten Teil zeigt der Greifswalder Neutes-tamentler Christfried Böttrich die Legitimation und Enfaltung des missionarischen Auftrag der Kirches nach dem NT auf. Überzeugend legt er die Vielfalt und Tiefe neutestamentlicher Missi­onspraxis dar. Zutreffend auch die Deutung zu Römer 9-11, dass „Israel seiner Erwählung auch durch ein Nein zu Christus nicht einfach verlus­tig geht“. Nicht überzeugend allerdings finde ich seine Schlussfolgerung, nämlich dass darum für Paulus nach der Ablehnung des Evangeliums durch Israel die Heidenmission (unter Aus­schluss Israels) „das nun einzig angemessene … Zeugnis gegenüber seinem Volk“ sei (S.67). Hat Paulus nicht auch nach seinem Römerbrief weiterhin (auch in Rom), den Juden das Evange­lium bezeugt?

Hans-Jürgen Abromeit, Bischof der Pommerschen Landeskirche, unterzieht die Werke Bon-hoeffers einer bemerkenswerten und inspirie­renden missiologischen Re-Lektüre. Nicht die Religionslosigkeit und Mündigkeit an sich sei das Zentralthema Bonhoeffers gewesen, sondern die Frage: „Wie kann Christus der Herr auch der Religionslosen werden“ und damit auch die an die eigene Identität rührende Frage, „wer Chris­tus heute für uns eigentlich ist“ (S. 71) . Daraus folgernd entwickelte Bonhoeffer sowohl ekkle-siologische als auch Neuansätze in der theologi­schen Ausbildung. Die Kirche müsse von der Volkskirche zur Missionskirche werden. Im Finkenwalder Predigerseminar lehrte Bonhoef­fer sowohl Seelsorge als auch Homiletik unter dem Aspekt „Christum zur letzten Entschei­dung“ zu predigen. Er entwickelte das Modell der Volksmissionswochen mit team­missionarischen Einsätzen. J. Zimmermann zieht aufschlussreich Bilanz zu 25 Jahren missionarischem Gemeindebau und zeigt auf, dass zwar manche Erwartungen uner­füllt blieben, aber dennoch mehr geblieben ist als Einzelansätze und ein neues Bewusstsein für „Gemeinde“ als erkennbares Profil im Pluralis­mus gewachsen ist.

Im dritten Teil des Buchs werden verschiedene Kontexte reflektiert. Zulehner stellt die katholi­sche Studie zu Atheismus und Glaube in zehn postkommunistischen Ländern vor, wobei auf­fällt, das Ostdeutschland einen wesentlich inten­siveren Atheismus als beispielsweise Polen auf­zuweisen hat. Weitere Beiträge (L. Szabö) wid­men sich dem Gemeindeaufbau im Rahmen der Ev. luth. Kirche in Ungarn und dem missionari­schen Konzept der Ev. luth. Church of America (Brent Dahlseng). Letzterer stellt lediglich einen Programmentwurf dar, ohne die konkrete Situa­tion zu reflektieren, die sich doch sehr von der in Deutschland unterscheidet. Die ELCA stellt in den USA ein eher kleine und kulturell eher eine Nischenkirche dar. Der Beitrag steht von daher etwas zusammenhanglos da. Abgeschlos­sen wird der Band durch einen Beitrag des Ros­tocker praktischen Theologen Thamas Klie zur missionarischen Bedeutung kirchlicher Räume, der mit Recht darauf hinweist, hier „gewonnene Deutungsofferten“ zu entdecken. Fazit: Der Band ist Ausdruck eines bemerkens­werten Neuansatzes zur ReflektiDn missionari­scher Arbeit in Deutschland im Bereich univer­sitärer evangelischer Theologie. Der Neuansatz scheint geprägt von dem positiven, unpolemi­schen Willen, eine breite, aber zugleich nicht pluralistische, sondern dem neutestamentlichen Evangelium verpflichtete und gemeindebezoge­ne Basis für missiologische Reflektion im Rah­men der ev. Landeskirchen zu schaffen. Diese erste Veröffentlichung bietet einige bemerkens­werte und inspirierende Beiträge, wobei das Zentralstück des Bandes Herbsts „Gründungser­zählung“ (S. 11) über das neue Institut ist, die auch den roten Faden vermittelt. Insgesamt setzt die Dokumentation des Gründungssymposiums einen wichtigen Doppelpunkt für zu erwartende weitere Veröffentlichungen des vielverspre­chenden landeskirchlich-theologischen Instituts. Das Buch ist also eine lohnende Lektüre für alle, die an der missionarischen Herausforderung in Deutschland - auch über den evangelisch-landeskirchlichen Rahmen hinaus - mitdenken und -arbeiten wollen.

Dr. Friedemann Walldorf, em 2005-4.

Hesselgrave, David J. Scripture and Stra­tegy. The Use of the Bible in Postmodern Church and Mission. Evangelical Missiologi­cal Series 1. Pasadena (CA): William Carey Library.

Rommen, Edward; Harold Netland (Hg.), Chri­stianity and Religions: A Biblical Theology of World Religions. Evangelical Missiological Series 2. Pasadena (CA): William Carey Library.

Dies sind die ersten beiden Bände einer neuen missiologischen Buchreihe des amerikanischen Gegenstücks zum AfeM. Der Titel des ausge­zeichneten ersten Bandes ist ebenso irreführend wie der Untertitel, denn Hesselgrave stellt vor allem das Anliegen zehn führender evangeli­kaler Theologen und Missiologen vor: Carl F. Henry (Biblische Autorität), Erich Sauer (Heils­geschichte), William J. Larkin (Aus­le­gung der Bibel), Paul G. Hiebert (Kontex­tua­li­sie­rung), Hans-Ruedi Weber (Dialog und Kon­frontation), Trevor McIlwain (Jün­ger­schu­lung), Timothy M. Warner) Geist­liche Kampf­füh­rung), John Piper (Gemeinde und Mission) und Ralph D. Winter (Ausbildung von Leitern der Zukunft). Natürlich geht es auch darum, wel­che bedeutende Rolle die Bibel für alle diese Theologen spielt, aber vor allem wird deren zentrales Anliegen darge­stellt, um aus diesem Mosaik ein Gesamtbild evangelikalen Missi­onsdenkens zu gewinnen. Damit wird das Buch zu einer ausgezeichneten ersten Einführung in die evangelikale Missio­logie der Gegenwart.

Im zweiten Band der Serie untersuchen 14 Autoren eine biblische Sicht der nichtchristli­chen Religionen. Im Mittelpunkt stehen exege­tisch-systematische Aufsätze jeweils zu den großen Teilen der Bibel: Pentateuch, Weis­heitsliteratur, Propheten, Evangelien & Apo­stelgeschichte, Paulusbriefe und restliches Neues Testament - ein ausgezeichnetes Vorge­hen, das auch einmal die weniger bekannten Bibeltexte zum Thema erfaßt. Daneben finden sich historische und zusammenfassende Bei­träge. Insgesamt wird versucht, die Einzigar­tigkeit Jesu und des von ihm geschaffenen Heilswegs mit einem möglichst wenig kon­frontativen Umgang mit anderen Religionen zu verbinden.

Dr. Thomas Schirrmacher, em 1997-1.

Heyden, Ulrich van der. Rote Adler an Afrikas Küste. Die brandenburgisch-preußische Kolonie Großfriedrichsburg in Westafrika, Selignow-Verlag, 2., überarbeitete Auflage, Mai 2001.

1681, fünfundzwanzig Jahre vor Beginn des Dänisch-halleschen Missionsprojektes in Tranquebar/Indien, schloß der Kapitän des preußischen Schiffes „Wappen von Brandenburg“ im Auftrag seines Fürsten einen Vertrag mit drei afrikanischen Häuptlingen zur Errichtung eines kolonialen Stützpunktes. Ein Jahr später wurde in Emden eine preußische Handelskompanie gegründet und zwei Jahre später (1683) wurde die Festung „Großfriedrichsburg“ im heutigen Ghana gebaut. Zum nun beginnenden brandenburgisch-preußischen Kolonialhandel gehörte auch ein einträglicher Sklavenhandel. Als Stützpunkt für die Sklavengeschäfte mietete Preußen 1685 einen Teil der karibischen Insel St. Thomas an. Der Sohn des Großen Kurfürsten, der pietistisch geprägte Friedrich Wilhelm I. (der „Soldatenkönig“), allerdings sah das „afrikanische Komerzienwesen“ seines Vaters als „eine Chimäre“ (Hirngespinst) an und verkaufte 1717 alle afrikanischen Besitzungen für 6000 Dukaten an die Niederländisch-Westinische Kompanie. Erst in der Phase des deutschen Imperialismus gegen Ende des 19. Jahrhunderts (Carl Peters, O. v. Bismarck) wird die Erinnerung an diese Episode wieder heraufbeschworen und der Große Kurfürst als „Pio-nier“ geehrt.

Ulrich van der Heyden, Kolonialhistoriker und Politikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin, schildert in diesem schön gestalteten Bildband die politischen und wirtschaftlichen Hintergründe dieses Unternehmens, würdigt die Leistungen brandenburgischer Bauleute, Schiffbauer, Matrosen und Soldaten und gibt Einblicke in die schreckliche Realität des Sklavenhandels. Ebenso wird die frühe „Begegnung“ von Vertretern zweier so unterschiedlicher Kulturen, wie die Brandenburg-Preußens und die der westafrikanischen Küste berücksichtigt. Der attraktive Band enthält neben dem Textteil Fotos, alte Drucke, Landkarten, zeitgenössische Texte sowie eine Zeittafel und eine ausführliche Bibliographie. Abgerundet wird er mit Aufnahmen vom heutigen Zustand und Berichten über die aktuelle Nutzung in einem Entwicklungsprojekt.

Obwohl es hier also nicht um Missionsgeschichte geht, bietet der Band interessante Einblicke in die missionsgeschichtliche „Umwelt und Zeitgeschichte“ des 17. und 18. Jahrhunderts und macht e contrario die gegensätzlichen Motivationsfelder kolonialer und missionarischer Aktivität deutlich.

Dr. Friedemann Walldorf, em 2002-3.

Hiebert, Paul G., Transforming world­views. An anthropological under­stand­ing of how people change, Grand Rapids: Baker Academic 2008.

„Hiebert at his best“ (Scott Moreau). Nach etwa 40 Jahren Lehrtätigkeit als Professor für Ethnologie und Missiologie hat Paul Hiebert sein missions­wissen­schaftliches Forschen zusammengefasst in dem Sachbuch „Transforming World­views“, das etwa ein Jahr nach seinem Le­bens­ende erschienen ist. Viele The­men aus seinen früheren Ver­öffent­li­chun­gen finden sich hier wieder, diesmal neu strukturiert und eingeordnet in eine um­fassende Gesamtdarstellung. Dabei ist Hiebert – wie immer – gut zu lesen. Sein Aufbau ist übersichtlich, sein Gedanken­gang schlüssig, seine Ausdrucksweise klar und gut zu verstehen. Es gelingt ihm, komplexe Sachverhalte einfach dar­zustellen, ohne zu simplifizieren. Dass an einzelnen Stellen Wiederholungen vor­kommen, lässt sich thematisch nicht vermeiden.

Nach einem geschichtlichen Überblick über die Entwicklung des Konzepts „Weltbild“ fasst er in einem aus­führ­lichen zweiten Kapitel die Charak­teris­tika von Weltbildern zusammen. Geleitet wird er dabei von der Arbeitsdefinition „[Worldview is] the foundational, cogni­tive, affective and evaluative assump­tions and frameworks a group of people makes [sic.] about the nature of reality which they use to order their lives“ (S. 25f). Dabei bedenkt Hiebert sowohl die synchrone Struktur eines Weltbilds als auch die diachrone Dimension der Ent­wicklung und Veränderung eines Welt­bilds. Er bezieht Sprache und Logik, Vor­stellungen von Raum und Zeit, me­cha­nische und organische Grund­muster des Weltverstehens ebenso ein wie Oplers These der kulturellen The­men und Gegenthemen.

Kapitel 3 beschäftigt sich mit dem Ver­hältnis von Weltbild und Kontext, und Kapitel 4 untersucht Methoden, mit deren Hilfe Weltbilder analysiert werden kön­nen (ethno-semantische Analyse, Rituale, Mythen). Es folgen fünf Kapitel über Grundzüge von Weltbildern in unter­schied­lichen Kontexten und Kul­tu­ren, angefangen bei Stammes- und Bauern­kulturen über das Weltbild der Moderne bis hin zu Weltbild-Charak­teristika der so genannten Postmoderne und der Post-Postmoderne, dem „glo­kalen Weltbild“, wie Hiebert es nennt. Hiebert folgt hier der Inter­pre­tation von Smith und Laudan, die den post­mo­der­nen Skepti­zismus als eine Über­gangs­phase in ein post-post­mo­der­nes Zeitalter verstehen. In diesen Kapi­teln werden jeweils einige charak­te­ris­tische Elemente skizziert, die für Welt­bilder dieser Kul­turen typisch sind. Diese Charak­te­ri­sie­rung ist als Überblick und Ausgangs­punkt für eigene For­schung im konkreten kulturellen Um­feld gedacht. Am aus­führlichsten ist dabei die Darstellung des modernen Welt­bilds, das in der jüngeren Missions­geschichte einen großen Ein­fluss auf die Missionspraxis der west­lichen Kirchen gehabt hat. Ein­drücklich sind hier die Passagen, in denen Hiebert aufzeigt, wie stark unsere Kirchen und unser theo­logisches Denken in der west­lichen Welt beeinflusst sind von Grundmustern der Moderne (z. B. der Club-Charakter unsrer Gemeinden, die Betonung des indi­vi­dualistischen Cha­rakters eines persön­li­chen Glaubens etc.). Es folgt ein Kapitel, in dem Hiebert einige Grundzüge eines biblischen Welt­bilds skizziert. Hierbei handelt es sich nicht um eine definitive Darstellung eines ‚supra-kulturellen bib­li­schen Welt­bilds’. Vielmehr macht Hiebert auf­merk­sam auf einige grund­legende kognitive, affektive und eva­lua­tive Themen, die aus der biblischen Gesamtgeschichte er­wach­sen. Es handelt sich um einen Ge­sprächsanstoß, der zu einer kritischen Reflexion eines spezi­fischen Weltbilds im Licht der biblischen Gesamt­ge­schich­te anregen möchte.

Das letzte Kapitel beschäftigt sich mit grundlegenden Prozessen von Weltbild-Transformation (Bekehrung als Welt­bild-Transformation; wie kommt es zu einem Paradigmenwechsel?) und dem Verhältnis der Weltbild-Transformation zu anderen Systemen (soziales System, multi-individuelle Entscheidungen).

Dieses Buch lädt ein, einem Mis­sions­wissenschaftler in der Endphase seines Wirkens über die Schulter zu schauen und zu sehen, wie Erkenntnisse aus un­ter­schiedlichen Phasen seines For­schens zu einem Gesamtbild zusammen wach­sen. Hiebert arbeitet dabei heraus, dass Mission nicht nur auf die Ver­änderung von Verhaltensweisen oder die Über­nahme bestimmter religiöser Über­zeu­gungen zielt. Menschen begegnen Gott in der Gesamtheit ihres Lebens und Denkens. Diese Begegnung muss Folgen haben für alle Bereiche des Lebens und Denkens, einschließlich der verborgenen und unbewussten Aspekte des Weltbilds. Das Ziel christlicher Missionsarbeit muss deshalb sein, das Evangelium so weiterzugeben, dass es zu einer Begeg­nung mit dem jeweiligen Weltbild kommt und damit zu einer kritischen Auseinandersetzung auf tiefster Ebene. Dieses Buch wird jedem interessierten Missionar helfen, die aus dieser Be­gegnung resultierenden Verän­de­rungs­prozesse besser zu verstehen und zu begleiten. Und es wird für all die­jenigen von großem Interesse sein, die versuchen Menschen den Horizont zu weiten für andere Sichtweisen der Welt und dabei zu einer kritischen Aus­ein­andersetzung mit dem eigenen Weltbild anleiten wollen.

Dr. Jürgen Schuster, em 2009-4.

Hille, Rolf. Das Ringen um den säkularen Menschen. Karl Heims Auseinandersetzung mit der idealistischen Philosophie und den pantheistischen Religionen. Gießen/Basel: Brunnen 1990.

Rolf Hille erwarb mit der vorliegenden Inau­guraldissertation nicht nur den Titel eines Dr. theol. (München 1990), er sicherte sich auch die Anerkennung und den Dank gegenwärtiger und zukünftiger Karl-Heim-Forscher: Hilles umfangreiches Werk bietet auf S.446-597 das gesamte Schrifttum von und über Karl Heim, übersichtlich gegliedert und mit wissenschaft­licher Akribie erstellt. Somit steht nun erstmals eine wirklich umfassende Karl-Heim-Biblio
graphie zur Verfügung (vgl.17f), die auch neues, bislang nicht zugängliches Material be­inhaltet.

Manch ein Leser, der sich bereits mit Heim beschäftigt hat, wird wohl schon bei der Lek­türe der Vorbemerkungen (9ff) eine Überra­schung erleben: Wir sind es gewohnt, mit dem Namen Karl Heim die Person und das Werk jenes Theologen zu verbinden, der durch seine umfassende theologische, philosophische und naturwissenschaftliche Bildung bestach und den interdisziplinären Dialog mit den moder­nen Naturwissenschaften pflegte. Er hegte das erkenntnistheoretisch und apologetisch moti­vierte Interesse, das ganze der Wirklichkeit vom christlichen Glauben her zu erkennen, zu denken und als denk-möglich zu erweisen. Wir kennen Heim als den Theologen, der „die gei­stige Auseinandersetzung mit dem naturwis­senschaftlich begründeten Säkularismus“ (llf) bzw. der „materialistischen Konzeption des Säkularismus“ führte (16).

Hille stellt uns einen bisher kaum bekannten Heim vor: Einen religionswissenschaftlich in­teressierten Theologen, der sich mit den ost­asiatischen Hochreligionen auseinandersetzte und im „asiatische[n] Pantheismus“ das welt­anschauliche Pendant zum „abendländische[n] Idealismus“ sieht, und zwar insofern, als er in beiden äquivalente Formen des „Mystizismus“ findet (16). Im Mystizismus erkennt Heim nun wiederum eine bestimmte Ausprägung des Säkularismus, so daß sein Säkularismusbegriff insgesamt „sowohl das Phänomen des Materia­lismus“ als auch „das des Mystizismus“ umfaßt (16). Diese Erkenntnis ist für das Verständnis der Heimschen Theologie grundlegend, da er den abendländischen Idealismus bzw. den asia­tischen Pantheismus durchweg als „die andere große Herausforderung der christlichen Theo­logie sachlich gleichberechtigt neben dem Pro­blem des Materialismus thematisiert“ (16). Damit wird eine Präzisierung des Karl Heim-Bildes notwendig: Der bisher kaum bekannte Heim ist der wahre - ihn und seine apologeti­sche Konzeption möchte Hille dem Leser na­hebringen, um so das theologische Gespräch über das durchaus aktuelle, leider aber kaum rezipierte Werk Heims anzuregen (7f; llf; 16). Nachdem Hille den bei Heim wichtigen Zusammenhang von Biographie und Theologie entfaltet hat (Verwurzelung im Pietismus), schildert er Heims Begegnung mit dem Säku­larismus und dessen Analyse dieses wichtigen Phänomens. ‚Säkularismus’ meint hier „das menschliche Bemühen, dem verfügbaren, welt­haften Sein göttlich-ewige Qualität zu verlei­hen“ (83). Im folgenden stellt Hille dar, wie Heim jenes Bemühen anhand der drei genann­ten Formen des Säkularismus entfaltet, den Mystizismus dann umfassend kritisiert und eine eigene Begründung des theologischen Perso­nalismus vorlegt. Hilles „Kritische Anmerkun­gen zur Würdigung der missionarischen Apo­logetik Karl Heims“ (410ff), die diesen Titel wegen ihrer Sachkenntnis und Ausgewogenheit zu Recht tragen, sowie eine Thesenreihe beschließen das Werk. Hier ist Hille darin zuzustimmen, daß Heim seine stärkste Leistung in der Apologetik gegenüber dem Materialis­mus zeigt (vgl. S.443). Allerdings sind Heims religionswissenschaftliche Darstellungen und Analysen des Hinduismus und Buddhismus des öfteren so undifferenziert und religionswissen­schaftlich problematisch, daß ich Hilles dies­bezügliche Kritik (vgl. 232ff; 405ff; 443ff) noch schärfer und grundsätzlicher formulieren würde.

A. James Findeisen, em 1993-2.

Hollenweger, Walter J. Charismatisch-pfingstliches Christentum: Herkunft, Situa­tion, Ökumenische Chancen. Vandenhoeck & Ru­precht: Göttingen, 1997.

Da es nur wenig fundierte Literatur zur Ge­schichte der pfingstlichen und der charismati­schen Bewegungen gibt, diese aber stän­dig an Bedeutung zunehmen, wird kaum einer an die­ser Darstellung eines der besten Ken­ner der Materie weltweit vorbeikommen. Was Hol­lenweger zusammenge­tragen und gründlich belegt hat, wird vielen inner­halb und außerhalb die­ser Bewegungen neu sein. Viele Aufbrüche und Pfingsttheologen werden erstmals theolo­gisch beschrieben und eingeord­net, insbeson­dere in Län­dern wie Korea, Mexiko, Chile und Südafrika. Hollenwegers Klassifizierun­gen verschiedener Strömungen (bes. S.198) und Analysen von typischen Entwicklungen sind geradezu klassisch. Als Missionswissenschaft­ler be­zieht Hollenweger ständig den internatio­nalen Bezug und die missionari­sche Kompo­nente der Pfingsbewegung mit ein. Er be­handelt auch aus­drücklich die „Pfingstliche Missionswissenschaft“ (S.330-337), die er stark von dem Anglikaner Roland Allen beein­flußt sieht.

Hollenweger will mit seinem Buch aber auch ganz bewußt der Pfingstbe­wegung sagen, wie sie sich in Zukunft entwickeln sollte. In etli­chen Din­gen wird man ihm sicher zustim­men, etwa seiner wiederholten Kritik, daß viele Pfingstkirchen zu wenig gegen den Lebensstil superreicher Evangeli­sten unternehmen, ob­wohl die Pfingstbewegung doch gerade unter Unter­privilegierten ihren wesentlichen Beitrag leistet. Auch das Erstaunen über die Eschatolo­gie der Pfingstbewegung ist sicher berechtigt. „Man wird erwar­ten, daß die Pfingstler einen starren Dispensationalismus kritisie­ren“, der Geistesgaben für erloschen hält. „Merkwürdig ist nur, daß die Pfingstler in allen anderen Punkten sich immer noch auf die Methode des Dispensatio­nalismus berufen“, obwohl dieser doch ihrer Erfahrung und ihrer Exegese wider­spricht“ (S.347-348; vgl. 229-230).

Aber bei Hollenwegers Änderungswünschen an die Pfingsbewegung fließen auch schon im ge­schichtlichen Teil und erst recht in seinen Empfehlun­gen ständig viele Elemente seiner Theologie ein, die manchmal sogar recht wenig mit dem Thema zu tun haben. Er schreibt etwa: „Meine eigene Schlußfolgerung ist, daß wir für einen theologisch verantworteten Synkre­tismus plädieren müssen“ (S.342). Er empfiehlt „eine neue Soteriologie“ (S.284-286), die auf den Gedanken der Hölle und des ewigen Verloren­seins verzichtet (S.285). Den „Prozeß der Evangelikalisierung“ (S.391) der Pfingstge­meinden sieht Hollenweger eindeutig als nega­tiv, wie überhaupt ein anti-evangelika­ler Zug das ganze Buch durchzieht. Wenn möglich - so Hollenweger - sollte ein meist ökumenisch be­ginnender charismatischer Aufbruch die meist folgende evangelikale Phase über­springen und gleich zur späteren noch weitherziger ausge­richteten Phase eintreten. (Erst recht wendet sich Hollenweger gegen jede Art von Funda­mentalismus, wobei sich allerdings kaum ein Evangelikaler als Funda­mentalist sehen würde, wenn er Hollenwegers Definition zugrundele­gen würde.)

Die Übersetzung ist im übrigen sehr holprig, weswegen sich für manche Details der ge­schichtlichen Darstellung eine Rückversiche­rung anhand des englischen Originals emp­fiehlt, bevor man das Buch zitiert. (Das deut­sche Buch ist dabei Band 2 des englischen Ori­ginals ‘The Pentecostals’.)

Dr. Thomas Schirrmacher, em 1998-4.

Holthaus, Stephan. Heil – Heilung – Heiligung. Die Geschichte der deutschen Heiligungs- und Evangelisationsbewegung (1874-1909), Kirchengeschichtliche Monographien 14, Giessen, Basel: TVG Brunnen, 2005.

Dem Autor, Dekan der Freien Theologischen Fakultät in Giessen, ist nach Jahren der Forschung ein großer Wurf gelungen: seine Arbeit besticht durch Materialfülle, Detailwissen und neue Forschungsergebnisse. Zum ersten Mal wird in diesem Buch die bis dato fast völlig unerforschte deutsche Heiligungsbewegung (HB) aus dem Dunkel des Vergessens und Verschweigens einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der Autor setzt sich zum Ziel, die wichtigsten geschichtlichen Eckpunkte der Heiligungs- und Evangelisationsbewegung zu beschreiben und die historischen Fakten zu liefern, die einen Gesamtüberblick ermöglichen sollen. Wohltuend erkennt der Leser dabei an, dass sich der Autor in seinen Urteilen zurückhält und um Objektivität bemüht ist.

Holthaus schlägt einen beeindruckenden Bogen von den Anfängen der HB im Methodismus und anderen Kreisen Nordamerikas Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Aufbrechen der Pfingstbewegung in Deutschland um 1910. Eingebettet in diesen Rahmen untersucht der Autor zunächst den europäischen Beginn der HB. In kurzen Biographien werden die wichtigsten Vertreter der HB im deutschsprachigen Raum skizziert, angefangen von Carl Heinrich Rappard, Otto Stockmayer, Theodor Jellinghaus bis hin zu Freiherr Julius von Gemmingen (125-166). Zur HB gehörten dann auch verschiedene Konferenzen, z.B. die Allianzkonferenz in Bad Blankenburg, denen der Autor ein weiteres Kapitel widmet (169-188). Aufgrund eigener Forschungen zeigt der Autor, wie die HB sich in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts zu einer Evangelisations- und Missionsbewegung weitete (191-265). Die Glaubensmissionen, die heute den Kern der evangelikalen Missionen in Deutschland bilden, gehen z.B. ausnahmslos zurück auf die Impulse der HB (237-258). Die Heilungsbewegung sieht der Autor als radikalisierten Zweig der HB, der nicht die ganze Bewegung repräsentierte (393). Durch die hier zum ersten Mal in dieser Ausführlichkeit geschehene Zusammenführung der verschiedenen neuen Werke und Initiativen (Glaubensmissionen, Heilungsbewegung, Evangelisten- und Missionsschulen, Verlage und Publikationen, Diakonische Einrichtungen und das Liedgut) gelingt dem Autor ein aufschlussreicher Überblick über die verschiedenen Fassetten der HB.

Interessant und anregend sind die vom Autor aufgegriffenen speziellen Themen und Probleme, die von der HB aufgeworfen werden. So widmet der Autor den Frauen in der HB ein ganzes Kapitel (467-507). Da mag es manchen überraschen, dass der Autor zu dem vorsichtigen Urteil kommt, dass „...die Frauen dieser Bewegung in eingeschränktem Maße der religiöse Ausdruck der gesellschaftlichen Frauenemanzipation Ende des 19.Jahrhunderts verkörperten“ (509).

Wichtig zum Verständnis der HB als internationaler und interdenominationeller Bewegung ist auch ihr Einfluss auf die Freikirchen, der kenntnisreich dargestellt wird (299-331). Noch bedeutsamer war jedoch der Impuls, der durch die HB ausging und zur Entstehung des Gnadauer Verbandes führte. Diesem Prozess geht der Autor nach (268-298). In seinem letzten Kapitel geht Holthaus auf die Entstehung der Pfingstbewegung ein (551-592). An den schmerzlichen Vorgängen um den Gründer der deutschen Pfingstbewegung, Jonathan Paul, die durch ihn hervorgerufene Spaltung der Gemeinschaftsbewegung und den Folgen der Berliner Erklärung 1909 zerbrach die HB. Hier legt der Autor den Finger auf eine wunde Stelle. Mit Recht beklagt er, dass die Gegner der Pfingstbewegung eigene Defizite und Mitverantwortung für die Fehlentwicklungen später leugneten (594). Die negativen Ereignisse wurden der ganzen HB zur Last gelegt, damit verwarfen die Väter der Gemeinschaftsbewegung jedoch ihre eigenen Wurzeln (594). Dies überzeugend herausgearbeitet zu haben, ist ein Verdienst des Autors. Leider bricht hier das Buch ab. Die immer noch notwendige „theologische“ Auseinandersetzung mit den Fragen, die die historische HB uns stellt, auch angesichts des Bruchs mit der damaligen Pfingstbewegung, ist bis heute noch nicht wirklich geführt. Vielleicht gelingt es nun, nachdem Stephan Holthaus mit der historischen Darstellung der HB gewissermaßen eine Schneise in den geschichtlichen Dschungel geschlagen hat, auch ausführlich auf die Theologie der HB einzugehen. Das umfangreiche Werk wird erschlossen durch eine fast 80-seitige Bibliographie und ein Namensregister.

Fotos der wichtigsten erwähnten Persönlichkeiten ergänzen den Text. Ich wünsche dem Buch eine weite Verbreitung. Möge es dazu helfen, die Wurzeln besser zu verstehen, aus denen die Identität der deutschen evangelikalen Bewegung erwachsen ist und zum Gespräch zwischen den verschiedenen Gruppen beitragen.

Dr. Bernd Brandl, em 2006-3.

Holzhausen, Andreas (Hg.). Mission unter Beschuß. Missionspraktiker antworten auf kritische Fragen. Neuhausen: Hänssler, 1996.

Wenn ein Thema von Kritikern unter Beschuß genommen wird, greifen die Verteidiger gern zum gleichen Mittel: Sie schießen zurück. Ge­nau dies aber tun die Autoren der 18 Beiträge nicht, die Andreas Holzhausen hier zusam­mengestellt hat. Sie greifen auch nicht nur die gängigen groben Vorwürfe auf, die gegen die Arbeit der Missionen erhoben werden, sondern auch die subtileren, argumentativ schwieriger zu behandelnden. Manche Autoren gehen be­sonders geschickt damit um: Behauptungen von seiten der Kritiker werden in aller Ruhe mit einem Fragezeichen versehen zurückge­reicht. Es wird gelassen argumentiert, hinter­fragt und abgewogen. Ideologische Verzeich­nungen finden sich höchstens andeutungs­weise.

Holzhausen hat mit 9 Beiträgen den Löwen­anteil des Werks verfaßt. Er ist ein Kenner der Materie. Die Praxis der Mission kennt er aus seiner Arbeit als Wycliff Bibel­übersetzer in Nepal, den Beschuß durch die Kritik aus seinen langjährigen Erfahrungen als Referent für Öf­fentlichkeitsarbeit des deut­schen Zweiges von Wycliff. In vorbildlicher Weise läßt er immer wieder erkennen, daß er nicht so tun will, als blieben keine Fragen of­fen, sondern er spricht aus, daß er in manchen Fällen keine befriedi­gende Antwort hat. Auch bezieht er einen Aspekt mit ein, den Kritiker der Mission grundsätzlich vernachlässigen: In der Samm­lung kommen auch Betroffene zu Wort, vier Afrikaner und ein Perser. Wer - um bei der mi­litärischen Metapher zu bleiben - treffsichere Argumente sucht, die für die Arbeit der Mis­sionen sprechen, der findet sie hier, in unkom­plizierter und flüssiger Spra­che ge­schrieben.

Prof. Dr. Lothar Käser, em 1996-3.

Horie, Hildegard. Tsega, oder Die Sehnsucht der Gefangenen. Hänssler Verlag: Holzgerlin­gen, 1999.

Tsega wächst mitten im Bürgerkrieg in Eritrea auf. Sie wird aus ihrem behüteten Zuhause her­ausgerissen und wandert heimatlos von Konti­nent zu Kontinent - und wird doch die Sorge um die zu Hause zurückgelassene Familie nicht los. Trotz alledem wendet sich Tsega nicht von Gott ab, sondern erfährt ihn in allem Leid um so konkreter.

Der Leser wird in dieser authentischen Erzäh­lung in die Welt der Menschen in Eritrea, in ihre Sorgen, ihre Arbeit und Schicksale mithineingenommen. Da viele Dinge, wie die Traditionen oder die Rolle der Frau auch heute noch Gültigkeit haben und der orthodoxe Glaube in vielen Familien bis heute starken Einfluß hat - leider nicht immer so positiv, wie im Buch für den Großvater Tsegas beschrieben - kann man sich, vor allem, wenn man in Äthiopien lebt, in vieles sehr gut hineindenken.

Bedrückend ist, daß gerade in dieser Region wieder Krieg herrscht und ähnliche Schicksale in Eritrea wie in Nordäthiopien gerade jetzt zu finden sind.

Das Buch vermittelt viel Verständnis für Flüchtlinge aus Bürgerkriegsgebieten, da viele sich in unserem behüteten Deutschland gar nicht vorstellen können, wie es ist, als Kind in so einer Situation aufzuwachsen. Das Buch ist für jeden interessant, der äthiopische oder eri­treische Freunde hat, aber auch für Leute, die ein bißchen über den Tellerrand ihrer eigenen Kultur hinausschauen möchten.

Monika Wiegand, em 2000-3.

Houston, Tom. Scenario 2000. A Personal Forecast of the Prospects for World Evangelization. MARC: Monrovia, 1992.

So knapp es irgend geht, skizziert der Direktor der Lausanner Bewegung, Tom Houston, die Aussichten für die Weltevangelisation. Zugrunde liegen Barrett, Johnstone und Jansen, sowie die eigene Erfahrung des Autors, der einst Direktor der British and Foreign Bible Society und von World Vision International war. Wie kaum einer hat er die Trends beob­achtet. Kapitelweise werden relativ homogene Gebiete charakterisiert: Islam, Hinduismus, Buddhismus, Marxismus, Westeuropa, Latein­amerika, Nordamerika und Afrika. Daraus fol­gen neun missiologische und missionarische Arbeitsprioritäten, auf die man sich nach Hou­ston konzentrieren sollte: „1. Die Gewinnung der großen Blöcke resistenter Volksgruppen für Christus (Muslime, Hindus, Buddhisten und Spiritisten); 2. Wie der Wandel des Kommu­nismus in China, der ehemaligen UdSSR, Ost­europa und andernorts, sowie die größere Offenheit sich auf die Kirchen und die Evan­gelisierung auswirkt; 3. Wie man die Säkulari­sierung im Westen bekämpfen und den Weg für eine Re-Evangelisierung ehemals christli­cher Länder bahnen kann; 4. Wie die wandern­den Völker aufgenommen und gewonnen wer­den können, und wie sie Träger der Guten Nachricht von Jesus Christus an ihren Her­kunftsorten werden können; 5. Die Menschen in den wachsenden Städten der Welt, besonders derer mit wenig oder keinem Zeugnis von Jesus Christus, und was die Gute Nachricht ihnen in ihrer Einsamkeit, Entfremdung und in ihrem Identitätsverlust sagen könnte; 6. Die Armen in Stadt und Land, und wie die Gute Nachricht von Jesus Christus von ihnen als relevant begriffen werden könnte, im Angesicht der Einengungen, die sie durch Ungerechtigkeit und Korruption erfahren; 7. Die niedrigen Leseraten (hoher Analphabetismus) in vielen der unerreichten Gebiete und die wachsenden Bevölkerungsanteile in entwickelten Ländern, die keine Printmedien mehr benutzen. Diese Entwicklungen fordern eine Konzentration auf die Verbreitung von Lesekenntnissen und den Gebrauch von „Non-Printmedien“ in der christlichen Kommunikation; 8. Die Mobilisie­rung sowohl der Laien als auch der Ordinierten, um den unvollendeten Auftrag in Angriff zu nehmen; 9. Das Konzept, daß alle Leute Gottes an einem Ort eine gemeinsame Strategie zur Evangelisierung des Gebietes verfolgen, wo sie Gott hingestellt hat. Dabei sind Kirchen und freie Werke als verschiedene Ausdrücke des einen Gottesvolkes gemeinsam in die Pflicht genommen.“ Ein äußerst stimulierender Welt­überblick, mit Karten und Statistiken illustriert (Stand von Ende 1991), den eigentlich jeder Missiologe und Beter zur Hand nehmen sollte.

Christof Sauer, em 1995-2.

Hübner, Friedrich (Hg.). Indische Väter der Jeypore-Kirche. Die ersten 28 Pastoren be­richten selbst von den Anfängen. Breklum, 1989.

Hier erfahren wir, was vorchristliche Religion ist! Die Pastoren erzählen realistisch und wort­karg von ihrer Herkunft, ihrem Lebensweg und den vielen Leiden. Erschütternde Bilder aus der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts. So etwas sollten unsere Vikare und -innen sowie junge Pfarrer/innen auf sich wirken lassen! Andere Junge Kirchen täten gut daran, entsprechende Zeugnisse herauszubringen!

Friso Melzer, em 1993-1.

Huffman Rockness, Miriam. A Passion for the Impossible. The Life of Lilias Trotter. Harold Shaw Publishers: Wheaton/Illinois, 1999.

Reichtum ist nicht immer ein Hindernis „in das Himmelreich zu kommen“! Lilias Trotter stammte aus einer reichen vikto­rianischen Fa­milie des 19. Jahrhunderts. Sie hatte große künstlerische Begabungen, die viel Anerken­nung versprachen. Aber sie hängte ihr Herz nicht daran, sondern setzte Reichtum und Be­gabung bedingungslos für Jesus ein. Ihrer Ge­sundheit war dieser Lebensstil nicht zuträg­lich; sie musste immer wieder lange aussetzen, ak­zeptierte aber auch diese Zeiten als Aus­druck der Liebe Jesu und brachte eine Fülle geistli­cher, sowie künstlerischer Ergebnisse in die Arbeit ein.

Was war nun ihre Mission? Recht naiv, aber voller Liebe zu den Verlorenen reiste sie mit 34 Jahren nach Algerien, um eine entsagungs­volle Pionierarbeit zu beginnen. Nichts war ihr und ihren Freundinnen zu viel. „Nie hat uns jemand so geliebt wie sie“, sagten später die Frauen (S.14). Rückschläge waren ihre tägli­che Erfahrung. Mehr als 20 Jahre vergingen - das Mitarbeiterteam war inzwischen auf 30 Personen angewachsen - ehe man von einem geistlichen Aufbruch sprechen konnte.

Das Außergewöhnliche an Lilias Trotter war ihre Ursprünglichkeit, ihre Freiheit, ihr gehei­ligtes Künstlertum. Schnell merkte sie, daß E­vangelisationsversammlungen europäisch sind, der arabischen Mentalität jedoch nicht ent­spre­chen, der christliche Geschichtenerzäh­ler oder das christliche Ausflugsziel für die ganze Fa­mi­lie dagegen sehr wohl (S.208f.).

Lilias Trotter setzte statt übersetzten europäi­schen arabische Traktate ein. Sie schrieb Geistliches in Parabelform. Auch mit den My­stikern des Landes suchte sie die Auseinander­setzung und knüpfte an ihre Sehn­sucht an. Sie litt an der Dämonie der ausgeüb­ten Religion und liebte viele durch ihre Krisen und Rück­fälle hindurch. Mit den anderen nordafrikani­schen Missionen arbeitete sie zu­sammen, inspi­rierte sie und übernahm Be­währtes. Sie er­kannte den Wert der Heimatar­beit und baute Gebetsgruppen auf, ja sie dachte und tat vieles, was heute als neu angepriesen wird.

Aber nur jemand, dem Jesus ein und alles ist, dem das Wort Gottes ständig gegenwärtig ist, darf sich so weit aus dem Fenster lehnen. „Leidenschaft für das Unmögliche“ schöpft aus den feinsinnigen Tagebüchern und Briefen, die Lilias’ Zeichnungen und Aquarelle zieren. Die Sprache ist anspruchsvoll, vielleicht hätten ei­nige Stellen gekürzt werden können.

Ist man am Ende des Buches und ihres Le­bens angelangt, muss man sich fragen: Bin ich so hingegeben? Bin ich so in der Schrift gegrün­det? Achte ich alles andere außer Jesus für Verlust? Will ich mich der Herausforde­rung stellen?

Lilias Trotters Arbeit in Algerien war nicht vergeblich, auch wenn Nordafrika schon bald wieder geistlich tot erschien - oder ist der neue Aufbruch bisher nur unbemerkt geblieben?

Ingrid von Torklus, em 2000-3.

Hummel, Reinhart. Religiöser Pluralismus oder christliches Abend­land? Herausforde­rung an Kirche und Gesellschaft. Darmstadt: Wis­senschaftliche Buchges., 1994.

Die Studie des Missionswissenschaftlers Hummel (1983-1995 Leiter der Ev. Zentral­stelle für Weltanschauungsfragen in Stuttgart) befasst sich mit dem zunehmenden religiösen Pluralismus der Gegenwart und will zu einer theologischen Bewältigung der dadurch be­dingten Herausforderung für die Kirchen ver­helfen. Das Buch besticht durch seine sehr gut lesbare Sprache und seine didaktisch hervorra­gende Darlegung der relevanten Fakten und Gesichtspunkte. Die Fülle von religionswissen­schaftlichen Informationen, die Hummel auf nur 200 Seiten entfaltet und theologisch zu verarbeiten sucht, verdient Bewunderung und bietet dem Laien wie dem Fachmann eine so­lide Zusammenfassung der zu beachtenden Tatsa­chen: Die Geschichte der „interreligiösen Bewegung“ in den letzten 100 Jahren (8-22), die wachsende Aufsplitterung des Protestan­tismus in Kir­chen und Sekten in den vergange­nen 200 Jahren und die in den letzten 150 Jah­ren entstandene Präsenz okkulter Religionen (23-30) werden ebenso behandelt wie die zu­nehmende Anwesenheit östlicher Religionen und der mit diesen geführte Dialog (31-60), die neuen religiösen Bewegun­gen (61-73), die Su­che nach Spiritualität (89-105), die Begegnung mit dem Islam (106-134) und die Rolle des re­ligiösen Pluralismus in der säkularen Gesell­schaft (135-147). Der auf dem neuesten Stand der religionswissen­schaftlichen Literatur gege­bene Überblick wird abgeschlossen durch eine theologische Erörterung der Synkretismuspro­blematik und Erwägungen zur geistlich-theolo­gischen Bewältigung der mit dem religiösen Pluralis­mus gegebenen Herausforderung (159-192).

Inhaltlich zeichnet sich Hummels Buch durch eine wohltuende Sach­lichkeit aus, die sich einerseits um eine faire und gerechte Dar­stellung der nichtchristlichen Positionen be­müht, andererseits aber falsche Idealisie­rungen vermeidet und die (im interreligiösen Dialog häufig ignorierten) traurigen Aspekte der reli­giösen Empirie (z.B. die unbefriedigende Stel­lung des Islam zu den Menschenrechten) nicht verschweigt (140-158). Seine theologischen Erwägungen zeichnen sich durch sorgfältige Begriffsklärun­gen und das ernsthafte Bemühen aus, die biblischen Vorgaben zu beach­ten, so daß der christliche Heils- und Wahrheitsan­spruch und die Not­wendigkeit der Mission klar hervortreten und beispielsweise die Unhalt­barkeit der pluralistischen Religionstheologie immer wieder deutlich wird. Hummels Werk verdient daher nicht nur aufgrund seines hohen Informa­tionsgehaltes, sondern auch aufgrund seiner theologischen Qualität weite Beachtung.

Das an sich lobenswerte Bemühen um eine ausgewogene Sicht verleitet Hummel aller­dings gelegentlich dazu, Aspekte nicht hinrei­chend ernstzu­nehmen, die gegenwärtig vor al­lem von Evangelikalen betont werden, de­ren biblisches Recht aber nicht ernstlich bestritten werden kann, wenn man die Normativität der Schrift anerkennt. Wenn evangelikale Theolo­gen beispielsweise im Anschluß an Emanuel Kellerhals und Karl Hartenstein heute noch den antichristlichen Charakter des Islam als einen Aspekt die­ser Religion behaupten (131), dann ist dies solange nicht zu beanstanden, solange die religionswissenschaftliche Multidimensio­nalität des Islam be­achtet bleibt und die theo­logische Bewertung nicht auf diesen einen Ge­sichtspunkt verkürzt wird. Hummels berech­tigte Warnung vor einem ver­einfachenden „Schwarzweißdenken“ (ebd.) sollte von Evan­gelikalen zwar ernstgenommen werden, darf aber seinerseits nicht dazu führen, daß die bib­lisch gebotene „Prüfung der Geister“ (1. Joh 4,1) auf jene Aspekte ver­kürzt wird, die einem interreligiösen Dialog förderlich erscheinen. Denn dies würde gerade jenem Realismus wi­dersprechen, ohne den die Chri­stenheit der Herausforderung des religiösen Pluralismus nicht gewachsen ist, wie Hummel selbst immer wieder betont (4f.,149f., 182f. u.a.).

Werner Neuer, em 1996-3.

Hunn, Karin. „Nächstes Jahr kehren wir zurück…“. Die Geschichte der türkischen „Gastarbeiter“ in der Bundesrepublik. Neue Forschungen zur Gesellschafts- und Kulturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts Nr. 11, hg. v. U. Herbert u. L. Raphael, Wallstein Verlag : Göttingen 2005.

Das vorliegende Buch wurde 2004 als Dissertation im Bereich Neuere und Neueste Geschichte an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg angenommen. Die Autorin, Mitarbeiterin am Institute for the International Education of Students (IES) in Freiburg, erzählt die Geschichte der türkischen Arbeitsmigranten in Deutschland von der deutsch-türkischen Anwerbevereinbarung 1961 bis ins Jahr 1984, als das mit finanziellen Anreizen ausgestattete Rückkehrförderungsgesetz abgelaufen war und endgültig deutlich wurde, dass die türkischen „Gast“-Arbeiter bleibende Einwanderer geworden waren.

Die vier Kapitel des Buchs folgen der Chronologie der Einwanderung und analysieren jeweils drei Bereiche: die Arbeitswelt, die Ausländerpolitik und die gesellschaftliche Situation. Dabei sind sowohl die türkischen als auch die deutschen Akteure und deren gegenseitige Wahrnehmungen und Reaktionen im Blick.

Das umfangreiche erste Kapitel (S.29-206, Jahre 1961-67) bietet eine Interpretation der Anwerbevereinbarung und beschreibt die Hintergründe und Organisation der Anwerbung türkischer Arbeiter, deren Motive und vor allem deren Arbeits- und Lebensumstände in den ersten Jahren in Deutschland. Besonderes Augenmerk wird auf die Aufnahmestrukturen, namentlich die Betriebe und die Gewerkschaften im Bereich der Arbeitswelt und die Betreuung durch die Arbeiterwohlfahrt im sozialen Bereich, gerichtet.

Das zweite Kapitel umfasst die Jahre 1968 bis zum Anwerbestopp 1973 (S.207-342) und beschreibt die starke Zunahme der Migration in dieser Epoche der Hochkonjunktur, die mit dem Familiennachzug verbundende Verwurzelungstendenz, die Integrationsabsichten der sozialliberalen Politik, die sich auch in der neuen Rede vom ausländischen „Mitbürger“ niederschlugen. Zudem wird die dennoch zunehmende Ablehnung der Ausländer und der Anwerbestopp auf dem Hintergrund des starken zahlenmäßigen Zuwachses und der damit entstehenden sozialen Probleme interpretiert.

Das dritte Kapitel (S.343-450) analysiert die bundesdeutsche Politik der „Konsolidierung“ (Integration und Begrenzung der Migration) in den Jahren 1973-1980, das wachsende Gefühl der Ablehnung auf seiten der Migranten und deren verstärkte Selbstorganisation, sowie die zunehmende Einflussnahme politisch-islamistischer Gruppierungen auf dem Hintergrund der nationalistisch-religiösen Politik der türkischen Regierungskoalition seit 1975 („Nationalistische Front“).

Das vierte Kapitel beleuchtet die sich Anfang der 1980er Jahre zuspitzende Situation (Militärputsch Türkei und Anstieg der kurdisch/türkischen Asylbewerber, Arbeitslosigkeit in Deutschland), die sich einerseits im Rückkehrförderungsgesetz und andererseits in zunehmender Ausländerfeindlichkeit und einer sich polarisierenden Debatte zwischen ethnisch-nationalen und multikulturellen Gesellschaftskonzepten äußerte.

In einem Ausblick überschaut die Autorin die sich anschließenden Entwicklungen von 1985 bis zur Gegenwart, die einerseits weitere Eskalationen und Konflikte (Mölln und Solingen 1992/1993, Ehrenmorde, van Gogh-Mord 2004), aber auch Fortschritte der Integration (Reform des Ausländergesetzes 1990 und des Staatsangehörigkeitsrechts 1999) und eine Normalisierung des pluralen Miteinanders deutlich machen.

In die Darstellung der Ereignisse fließen naturgemäß immer wieder Bewertungen mit ein. Dazu gehört auch die Grundthese der Autorin, dass die dargestellten gesellschaftlichen Konflikte zwischen der deutschen Mehrheitsbevölkerung und den türkischen Migranten nicht primär in religiösen und kulturellen Unterschieden begründet lägen, sondern die Ursachen eher in den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen sowie in sich gegenseitig verstärkenden Wahrnehmungsmustern (Ethnisierung) zu suchen seien (S. 539/540).

Diese Einschätzung scheint mir die realen Unterschiede zwischen islamischer und christlich-humanistischer Tradition und deren Wirkkraft zu unterschätzen - wie etwa am Beispiel der fehlenden Religionsfreiheit im Islam oder der Ehrenmorde deutlich wird. Gerade im Bezug auf letztere nimmt auch die Autorin selbst eine andere Position ein und kritisiert nun doch einen pauschalen „Multikulturalismus“, vor allem wenn er motiviert ist von der „Angst, durch eine offene Auseinandersetzung mit den teilweise äußerst fragwürdigen sozialen und kulturellen Normen der Einwanderer … als fremdenfeindlich kritisiert zu werden“ (S.545).

Nicht ganz überzeugend ist die Interpretation der islamistischen Entwicklungen in der türkischen Migrantenbevölkerung seit Mitte der 1970er Jahre als Reflex auf Ausländerfeindlichkeit der Deutschen (S. 527) oder als „Reaktion auf die Erkenntnis, dass ihr Leben in der Bundesrepublik eben nicht nur ein provisorischer Aufenthalt, sondern von längerer Dauer war“ (S.442). Hier wird m.E. die genuine Verwurzelung vieler Migranten im traditionellen Islam unterschätzt. Überhaupt wird manchmal der Eindruck vermittelt, als gäbe es eine saubere Trennlinie zwischen einem allgemeinen Islam (der sich konfliktfrei integrieren ließe) und islamistischen Gruppen, die für Konflikte sorgen (S.443), was sich in Wirklichkeit aber oft nicht so klar unterscheiden lässt.

Berechtigt allerdings ist die deutliche Kritik der Autorin an ethnischen („völkischen“) Konzepten von Nationalität (S.496f) sowie die Warnung vor starren kulturistischen Festlegungen und Interpretionsmustern, die die Dynamik und Wandlungsfähigkeit von Kulturen unterschätzen (S.19/20). Hier verweist sie auf hoffnungsvolle Entwicklungen wie die Herausbildung eines „deutschen Islam“ bei jungen türkischen Muslimen im Rahmen der „erfahrenen Säkularisierungs- und Modernisierungsprozesse“ (S.562) sowie auf konkrete Schritte im Blick auf einen geregelten deutschsprachigen Islamunterricht an den Schulen.

Der Beitrag christlich-missionarischer Begegnung mit muslimischen Migranten für ein konstruktives Miteinander wird allerdings nicht gesehen, sondern lediglich leicht karikiert als weitere Belastung der Beziehungen dargestellt (S.140). Hier hätte eine differenziertere Auseinandersetzung nicht geschadet.

Fazit: Trotz der erwähnten Anfragen ist es das Verdienst dieses Buches, wohl zum erstenmal die Geschichte der türkischen Arbeitsmigranten in Deutschland in zusammenhängender Form und unter Einbezug politischer, gesellschaftlicher, religiöser und sozialer Zusammenhänge als ein Stück gemeinsamer Geschichte der „bundesdeutsche(n) Einwanderungsgesellschaft“ von „Alteingesessene(n) und Zugewanderte(n)“ (S.564) dargestellt zu haben. Die umfangreiche Darstellung basiert auf einer breiten Basis politik- und migrationswissenschaftlicher, sowie historischer, soziologischer und ethnologischer Studien und eigenen Archiv-Forschungen. Im Anhang des Buches befindet sich ein Abkürzungsverzeichnis und das Verzeichnis der Quellen und Literatur. Ein Stichwortverzeichnis, das man bei einem so breit angelegten und aufwändig ausgestatteten Werk erwarten könnte, fehlt leider. Das Buch ist auch für Missionswissenschaftler ein wertvolles Werkzeug zum Erschließen und zur weiteren Diskussion eines wichtigen Themas.

Dr. Friedemann Walldorf, em 2006-4.

Hunsberger, George R.; Craig van Gelder (Hg.). The Church between Gospel and Cul­ture: The Emerging Mission in North Ame­rica. W. Eerdmans: Grand Rapids/USA und Cambridge/GB, 1996.

Das vorliegende Buch ist eine Sammlung von Aufsätzen, die im Rahmen des nordamerikani­schen missiologischen Forschungsnetzwerkes „The Gospel and Our Culture“ entstanden sind. Dieses Netzwerk hat es sich zur Aufgabe ge­macht, die missionarische Begegnung der Ge­meinde mit der (post-)modernen Kultur der Gegenwart zu durchdenken und anzuregen. Einen entscheidenden Anstoß dazu gab der britische Missionstheologe L. Newbigin mit seiner These, daß die westliche Kultur nicht nur säkular, sondern heidnisch geworden sei. Die Gemeinde müsse sich ihrer (unvermeid­li­chen) Verflechtung mit dieser Kultur bewußt werden und, wo nötig, aus ihr befreien, um evangeliumsgemäße und missio­narische Ge­meinde in ihr sein zu können.

Demgemäß be­ginnt der vierteilige Sammel­band im ersten Teil mit einer Einführung in Newbigins Mis­siologie für die westliche Kul­tur. Von diesem Ausgangspunkt her werden in drei weiteren Teilen die Schwerpunkte (Kultur, Evangelium, Gemeinde) einer Missiologie für den Westen untersucht und in einen dynami­schen Zusam­menhang gestellt. Zunächst (in Teil II) geht es darum, die amerikanische Kul­tur als Missions­feld und missiologische Her­ausforderung zu verstehen. Sechs Aufsätze bieten theologische, historische und soziologi­sche Analysen. Der dritte Teil fragt nach Inhalt und Grundlage des Evangeliums für die Mis­sion im Kontext der westlichen Kultur: Was ist Gottes gute, heraus­fordernde Nachricht für die Kultur der Gegen­wart? Implikationen für Bi­belauslegung, Ver­kündigung und Verwirkli­chung werden be­leuchtet. Im vierten Teil geht es um die Ge­meinde, in der die Begegnung zwischen der (post-)modernen Kultur und dem Evangelium konkret wird. Die Themen der Beiträge in die­sem Teil reichen vom missiona­rischen Wesen der Gemeinde über die Rolle des Pastors als „Apostel, Poet und Prophet“ bis hin zur Ent­wicklung eines „ekklesialen Para­digmas“, das die Gemeinde als einzigartiges „Volk der An­betung“ versteht, dessen umfas­sende Mission als Zeichen des Reiches Gottes in der (post-)modernen Kultur wirksam wird.

Ein wichtiges Buch, das zum Weiterdenken über die kulturell relevante Mission der Ge­meinde Jesu auch bei uns im (post-)modernen Europa und Deutsch­land anregt.

Friedemann Walldorf, em 1998-3.

Islamic Assemblies. Muslims Debate De­mocratic and Theocratic Revivals for Nati­ons. Pasadena: Zwemer Institute, 1994.

Leider kann diese Veröffentlichung des Zwe­mer Institutes nur als Enttäu­schung bezeichnet werden. Dieses kopierte Heft, nach eigenem Anspruch ein „Almanach“, bietet eine Materi­alsammlung von gegenwärtigen Ent­wicklungen in der islamischen Welt zu den Themen „Frauen, Minderheiten und Konvertiten“, ohne jedoch wichtige Hintergrundinformation über den Islam in den einzelnen Ländern zu vermit­teln. Zwar scheint der christliche Hintergrund der Veröffentlichung immer wie­der durch, klare Aussagen zur Standortbestimmung ver­mißt man jedoch. Ein Beispiel: Ein Interview mit einem christlichen, evangelistisch arbei­tenden Gemeindeleiter aus Süd­asien, der sich selbst als „muslimischer Bruder“ bezeichnet und die klaren Gegensätze zwischen Islam und Christentum negiert, bleibt völlig un­kommentiert stehen. Der abschlie­ßende „Länderalmanach“ liefert teilweise im Westen unbekannte Informa­tionen zu aktuellen Ent­wicklungen in ein­zelnen islamischen Ländern. Über den Islam in Europa pauschal jedoch nur in wenigen Zeilen zu be­richten, daß der dortige 45 Jahre währende Frieden seit dem 2. Welt­krieg nun durch den Jugoslawienkrieg bedroht werde, ist mehr als nur ma­ger zu nennen.

Dr. Christine Schirrmacher, em 1996-2.

Jabbour, Nabeel. The Rumbling Volcano: Islamic Fundamentalism in Egypt. Mandate Press: Pasadena (CA) (lieferbar über William Carey Library), 1993.

Eine gelungene, lesenswerte Studie zum isla­mischen Fundamentalis­mus! Jabbour versteht es, das in Europa immer noch kaum verstan­dene Phänomen des islamischen Fundamenta­lismus (man zählt heute rund 40 verschiedene Gruppen) in seiner Breite und Tiefe auszu­leuchten. Er untersucht erstens die Ge­schichte der wichtigsten fundamentalisti­schen Bewe­gungen, da ohne geschichtliche Kenntnis ge­genwärtige Bewe­gungen nicht einzuordnen sind. Darüberhinaus stellt er gegenwärtig ak­tive Organisationen dar und beleuchtet Beweg­gründe für ihr Handeln und ihre Wirkungs­weise. Der iranische Schiismus wird hier ebenso behandelt wie die ägyptische Muslim­bruderschaft. Jabbour möchte den islamischen Fundamentalismus nicht verurteilen und ver­meidet daher Schlagworte und Pauschalisie­rungen. Sein sachlicher Ton und seine große Vertraut­heit und Sachkenntnis der Materie ma­chen das Buch zu einer verläßli­chen und gleichzeitig gut lesbaren Quelle für alle, die sich über dieses hochaktuelle Thema fundiert informieren wollen.

Dr. Christine Schirrmacher, em 1996-2.

Jahrbuch Evangelische Mission 1984

Für den, der sich einen Überblick über die Entwicklung der deutschen (BRD) evange­lischen Weltmission verschaffen will, ist die Anfang des Jahrhunderts begründete Reihe der Jahrbücher eine ausgezeichnete Hilfe. Die Jahrbücher bemühen sich, jeweils die Entwicklungen des letztes Jahres im Bereich der Mission und der Missionstheo­logie aufzunehmen. Das geschieht einmal durch ein umfassendes Verzeichnis derAdressen aller deutschen evangelischen Missionen, der Missionsbeauftragten usw., zum anderen durch die Wiedergabe wich­tiger Dokumente sowie durch einen etwa 100 Seiten umfassenden Teil mit Beiträgen zu Mission und Missionstheologie. Bis 1977 enthielt das Jahrbuch auch eine jährliche Statistik der deutschen evangelischen Mis­sionen. 1984 wurde diese Tradition wieder aufgenommen, allerdings nur für jedes ge­rade Jahr. In den ungeraden Jahren er­scheinen andere Statistiken, 1985 z.B. über Bibelübersetzung. Herausgegeben wird das Jahrbuch von der Vereinigung deutscher Missionskonferenzen (ihr Vorsitzender, Dr Theo Wettach, wird in em3 oder em4 einen Artikel über die früheste Phase der christ­lichen Mission veröffentlichen) in Zusam­menarbeit mit dem Evangelischen Mission-s-werk und (seit 1984) der Arbeitsgemein­schaft Evangelikaler Missionen. Das Jahr­buch 1984 ist beim Missionshilfe Verlag vergriffen, bei der Redaktion von em ist aber noch ein kleiner Vorrat vorhanden. (6.80 DM). Ein wichtiges Element des Jahr­buches sind die zahlreichen Buchbespre­chungen, die einen Einblick in die Neuer­scheinungen zum Thema Mission vermitteln.

Klaus Fiedler, em 1985-2

Jahrbuch für evangelikale Theologie 5 (1991). Hg. v. AfeT u.a., Wuppertal: Brock­haus 1991.

13 ausführliche Rezensionen (von 64) in die­sem Jahrbuch erscheinen missiologisch inter­essant, während das auf den kürzeren Artikel­teil nicht zutrifft. Bibelübersetzer könnte in­teressieren wie Siebenthal gegen Hempelmanns These der „Veritas Hebraica“ argu­mentiert (der meint, die hebräische Sprachge­stalt eigne sich besonders für den biblischen Offenbarungsgehalt) und die linguistischen Er­kenntnisse von Cotterell u. Turner (Linguistics and Biblical Interpretation. 1989) dagegenhält.

Die anderen relevanten Rezensionen finden sich zumeist in der Abteilung Kirchenge­schichte oder Praktische Theologie, wo aller­dings das Interesse an evangelistischer Arbeit in Deutschland vorherrscht. Ein Wunsch: Könnten nicht die ausgesprochen missions­theologischen Titel in einer eigenen Abteilung besprochen werden und zudem in größerer Obligations of Christians von 1792. Auf sie folgen in ausführlicher Breite 20 Missionsge­sellschaften, die vornehmlich mit Dokumenten aus der Gründungszeit vorgestellt werden, die von Glaubensmut, Begeisterung, ökumeni­schem Geist, aber auch von konfessioneller Verengung, abendländischem Superioritätsge-fühl und Antiintellektualismus zeugen. In die­sem Abschnitt hätte der Herausgeber noch weit stärker die Missionsländer in den Blick nehmen sollen, um - sowohl von „Missionier­ten“ (vgl. S.243) als auch von den „jungen Kirchen“ - gleichsam ein lebhaftes Echo auf die Missionsarbeit hörbar zu machen. Der zweite Teil des Jahrhunderts behandelt haupt­sächlich die Missionstheorie, wobei neben den namhaften Missionsführern (ua. Graul, Buss und Warneck) auch Theologen (ua. Schlei­ermacher, Kahler, Troeltsch) vorgestellt werden. Daneben ist auch ein eigenes Kapitel dem bekannten Kenner und Kritiker der Missi­on, E. F. Langhans, und seiner instruktiven Abhandlung Pietismus und Christenthum im Spiegel der äußeren Mission von 1864 zuge­dacht. Einen gewichtigen Schwerpunkt bildet die brisante Frage nach den Beziehungen zwi­schen der Mission und dem Imperialismus, zu deren „liierter Gefährtin“ sich die Mission zu­weilen selbst degradierte (Hg., S.412). Drei Texte der Edinburgher Konferenz, die „die missionarischen Bemühungen des 19. Jahrhun­derts zusammenfassen … und die ökumenische Ära einleiten“ (Hg., S.456), bilden den Ab­schluß.

Höchst bemerkenswert ist schließlich die gemeinsame Veröffentlichung des Quellenban­des durch einen „kirchlich-ökumenischen“ und einen „evangelikalen“ Verlag (Verlag der Evang. - Luth. Mission, Erlangen und Verlag der Liebenzeller Mission). Daß letzterer dabei sogar auch das ursprüngliche bildungsfeindli­che Grundsatzprogramm seines eigenen Missi­onswerkes veröffentlicht (S.304-306: „Soll denn des Leeren-Stroh-Dreschens [sc. die the­ologische Ausbildung] kein Ende werden?“) ist ihm anzurechnen.

Der für ein solch umfangreiches wissen­schaftliches Werk äußerst günstige Preis konn­te nur durch Druckkostenzuschüsse ermöglicht
werden: der Deutschen Gesellschaft für Missi­onswissenschaft, dem Evang. - Luth. Zentral­verband für Äußere Mission und dem AfeM sei Dank.

Die Quellensammlung wird auf lange Zeit als Nachschlagewerk und Hilfsmittel unent­behrlich sein - nicht nur für Kirchenhistoriker und Missionswissenschaftler, für Studenten und Pfarrer, sondern auch für den Bibelschü­ler, den Missionar und den interessierten Lai­en, der sich einen ersten Überblick und ein fundiertes Urteil über die wechselvolle Ge­schichte der protestantischen Mission bilden möchte. Bleibt zu hoffen, daß der Herausge­ber, wie im Vorwort angekündigt, Fortset­zungsbände folgen läßt - vor allem über die neuere Zeit (seit 1910).

Herbert Roller, em 1992-4.

Jahrbuch für Evangelikale Theologie, hg. v. AfeT und AfbeT. Wuppertal: Brockhaus, 8. Jg., 1994.

Enttäuscht ist der Rezensent, daß der erste der „Aufsätze“ nur zwei Seiten lang ist. Denn der Dissertationsbericht von Erich Scheurer über „Mission und Altes Testament – Untersu­chungen zur Begründung christlicher Welt­mission mit Hilfe des Alten Testaments“ war der Anlaß, das Jahrbuch noch einmal auf missiologische Beiträge hin zu betrachten. Erfreu­lich dagegen ist, daß bei den Rezensionen die Sektion Praktische Theologie jetzt eine Sparte für Mission aufweist. Hier werden Franz „Mission ohne Grenzen“ und Hamel „Bibel - Mission – Ökumene“ sachkundig besprochen. Das ist ein erster Schritt in die gewünschte Richtung (siehe Rezension zu Jahrbuch für Evangelikale Theologie. 6. Jg. 1992. oben).

Christof Sauer, em 1995-4.

Jahrbuch für Evangelikale Theologie. Hg. v. AfeTund AfbeT, Wuppertal: Brockhaus, 6. Jg., 1992; 7. Jg., 1993.

Wie missiologisch stellt sich evangelikale Theologie dar? Die naheliegende Vermutung,
daß Evangelikalen die Mission auch in ihrer theologischen Arbeit wichtig ist, wird nicht bestätigt. Zumindest vermittelt die geringe Zahl an einschlägigen Artikeln und Rezensionen in den beiden Jahrbüchern diesen Eindruck. Im Gegensatz zur weitgefächerten Beachtung der verschiedenen theologischen Disziplinen und selbst der Belletristik erscheint Missionstheo­logie und -geschichte als ein Stiefkind. Selbst als kurze Notizen erscheinen wichtige Titel kaum. Diese Lage hat sich seit dem 5. Band (rezensiert in em 92/4, S. 93) noch verschlech­tert, obwohl der Umfang zunimmt. So bleibt den Lesern des Jahrbuchs ein wichtiger Teil evangelikaler theologischer Arbeit vorenthal­ten, über den sie sich hier informieren können sollten.

Will man jedoch als Missionar aus der Ferne die übrige evangelikale theologische Arbeit verfolgen, findet man hier einen interessanten Spiegel, wenn auch viele Rezensionen sich mit hochspezialisierten Themen befassen. Manche Beiträge werden möglicherweise für die eigene Arbeit interessant sein, wie z.B. Eberhard Hahns Bericht über den Brasilianischen Arbeitskreis für evangelikale Theologie (1992, 40-83) und seine Auseinandersetzung mit ihm oder die Dokumentation von „Basler Thesen zur Mission“ (1993, 119ff), über deren Verfasser man leider nichts erfährt.

Christof Sauer, em 1995-4.

Jahrbuch Mission 1994. Ozeanien. Hamburg: Missionshilfe Verlag, 1994.

Abgesehen von dem geographischen Schwer­punkt sind einige Beiträge für evangelikale Leser besonderer Beachtung wert. Lothar Käser beschreibt in seinem Artikel „Spät - fast zu spät kamen die Missionare“ wie Missionare die Einheimischen vor Walfängern und Sandel­holzhändlern schützten. Im Abschnitt „Forum Mission“ wird der „Bericht von der Tagung zwischen Orthodoxen und Evangelikalen vom 8.-12. Februar 1993 im Bernhäuser Forst, Stuttgart“ dokumentiert. Auf zwei Seiten wird schließlich der Arbeitskreis für evangelikale Missiologie (AfeM) vorgestellt. Bei den zahl­reichen Buchbesprechungen findet sich auch mancher evangelikale Titel oder Rezensent. Die gesammelten Missionsanschriften sind erstmals mit den neuen Postleitzahlen versehen.

Christof Sauer, em 1995-4.

Janel, Claudia (Hg). Mi stori. Frauen er­zählen Geschichte. Neuendettelsau: Er­langer Verlag für Mission und Öku­mene, 2012.

Anlass für die Entstehung dieses Buches war das 125-jährige Jubiläum der Neuen­dettelsauer Mission in Papua-Neuguinea im Jahr 2011 und das große Interesse, das in diesem Zusammenhang eine Aus­stellung über die Frauen der Mission erregte. Das Begleitbuch zur Ausstellung wurde zu diesem „Lesebuch“, in dem sechs fachkundige Autorinnen aus Quellen des Archivs der Mission oder als selbst Betroffene 13 Biographien von Missionsfrauen nachzeichnen und dem Leser in der Ich-Form lebendig vor Augen führen. Die Herausgeberin leitet das Buch mit einer wertvollen Zusam­men­schau über seine Entstehung und sein Anliegen ein.

Der erste Beitrag gibt zunächst einen guten Überblick über die Geschichte der Neuendettelsauer Missionsfrauen in Pa­pua Neuguinea in ihrer sich wandelnden Rolle und ihrem Erleben großer welt­politischer Umwälzungen von den An­fängen der Mission im Jahr 1886 in der damals deutschen Kolonie Kaiser-Wil­helms-Land bis in die heutige Zeit der Partnerschaft zwischen der lutherischen Kirche Papua-Neuguineas und der evan­gelisch-lutherischen Kirche Bayerns. 

Die einzelnen Biographien stehen als Beispiele in diesem großen Rahmen. Bei ihrer Lektüre kann man gut erkennen, wie das jeweils in Deutschland vor­herr­schende Frauen- und Familienbild sich in der Einstellung und Tätigkeit der Mis­sions­frauen widerspiegelte.

Während in den frühen Jahren der Mission die Arbeit ganz in den Händen von Männern lag und eine Heirat der jungen Missionare zunächst als eher hinderlich und teuer für die Missions­arbeit an­gesehen wurde (S. 15), wurde doch bald die Hilfe der meist als „Missionsbräute“ aus­ge­reisten Missio­nars­frauen in der auf­wändigen Haus­haltsführung und in der Pflege auf den Mis­sions­stationen bald sehr ge­schätzt. Dabei war es zunächst selbst­verständ­lich, dass die Frau des Mis­sio­nars „in erster Linie ihrem Manne und ihrer Familie“ gehörte. Aber man er­kann­te vor Ort auch früh, dass ihr unter den Frauen und Mädchen ein großes Betätigungsfeld offen stand und schätzte ihr selbst­ver­ständliches Einspringen als Ver­tre­terin ihres Mannes in den häufigen Zeiten seiner Abwesenheit.

Ein lebendiges Beispiel für ein solches vielfältiges, arbeits- und oft ent­beh­rungs­reiches Missionarsfrauenleben geben die Biographien von Louise Flierl (S. 30-53), Justine Wilhelmine Caroline Vetter (S. 54-63), Luise Bergmann (S. 100-127), und Magdalene Wacke (S. 128-151) und später Christa Fugmann(S. 194-217).

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts reisten zunehmend auch ledige, oftmals gut aus­gebildete Frauen aus, um aktiv an der Missionsarbeit teilzunehmen. Für sie wur­de das Berufsbild der Missions­ge­hilfin geschaffen. Sie halfen auf den Sta­tionen in vielerlei Funktionen mit und nahmen mit der Zeit verant­wor­tungs­volle selbstständige Positionen ein, vor allem im Bereich der Bildungsarbeit und der medizinischen Arbeit. Oftmals hei­rateten sie vor Ort einen der Missionare und gerieten dann immer wieder in den Pflichtenkonflikt zwischen ihrer Arbeit und der Familie. Biographische Bei­spiele hierfür sind Emilie Decker (S. 64-81) und Babette Schuster (S. 82-99), Hedwig Janner (S. 152-171), Hedwig Hertle (S. 172-193) und Irmgard Horndasch (S. 218-233).

Das in Deutschland sich seit den 1970er Jahren stark ver­ändernde Missionars- und Frauenbild spiegelt sich im Leben und Dienst der Missionarinnen deutlich wider: Der Schwerpunkt ihrer Arbeit lag jetzt zunehmend in der Er­mächtigung und Stärkung der ein­heimischen Frauen zu einem selbst­bewussten Leben und einem eigenen geistlichen Dienst und generell in der Hilfe zur Selbsthilfe, wie an den biographischen Bei­spielen von Christa Fugmann (S. 194-217), Irmgard Horndasch (S. 218-253), Va­nessa Kurz (S. 234-253) deutlich wird. Mit einer gewissen Selbstverständlichkeit ver­än­derten sich dabei die Rollen und der Aktionsradius der Missionarinnen, bis sie vor Ort auch in „Männerberufen“ und im geistlichen Dienst volle Anerkennung fanden. Beispiele hierfür sind Vanessa Kurz (S. 234-253) und Verena Fries (S. 254-269). Gleichzeitig kommt die sich entwickelnde Part­ner­schaft auf Augen­höhe zwischen den jungen Kir­chen Pa­pua-Neuguineas und der bay­rischen Kir­che in den Bio­graphien zum Ausdruck, vor allem bei Nancy Philip, die als Ehefrau eines Missionars und Pfarrers aus der lu­the­rischen Kirche Papua-Neu­guineas in Bayern lebt (S. 270-288). Zwei the­matische Überblicke über 125 Jahre Dienst der Frauen in der Bil­dungs­arbeit und in der medizinischen Mission be­stätigen und er­gänzen auf beein­druc­ken­de Weise das gewonnene Bild. 

Das Buch erreicht auf unaufdringliche Weise sein Ziel, „einen Beitrag dazu zu leisten, die Randständigkeit von Frauen in der Missionsgeschichtsschreibung und die Marginalisierung der Frauen­ge­schich­te in der Geschichtsschreibung überhaupt zu überwinden“ (S. 11), indem es den Frauen der Neuendettelsauer Mis­sion eine Stimme gibt und dem Leser einen guten Einblick in ihren vielseitigen und oft herausfordernden Alltag und ihre erfolgreiche Missionsarbeit. So kann man aus eigener Anschauung nach­voll­ziehen, was Peter Weigand, der Direktor der Mission EineWelt, dann in seinem Epilog auf den Punkt bringt: „Ohne die Mitarbeit der vielen …Ehefrauen… wäre das Projekt Mission in alle Welt vom bayerischen Boden aus nicht möglich gewesen. Sie waren das Rückgrat der Missionsarbeit… .“ Möge seine wohl­tuende Bitte um Verzeihung bei den Frau­en, „denen wehgetan wurde durch die Tatsache, dass sie bei uns keine Rolle spielten oder keine Beachtung fanden“ (S. 345) alle die Missionarinnen er­reichen, die einen solchen Schmerz verspüren! Für alle, die sich für Mission und den Dienst der Frau in der Gemeinde Jesu interessieren, ist dieses Buch eine lohnende Lektüre, die auf die weitere Geschichtsschreibung über die Missions­arbeit von Frauen weltweit gespannt sein lässt.

Dr. Hanna-Maria Schmalenbach, em 2013-4.

Jansen, Frank Kaleb (Hg.): Target Earth: The necessity of diversity in a holistic perspective on world mission. Pasadena, 1989.

Vom Titelblatt lächelt einem ein Mädchen aus China entgegen. Rundherum gruppieren sich die Länder der Erde als Kästchen in ungewohnter Anordnung. Was verbirgt sich hinter dem Titel «Target Earth»? Eine Dar­stellung der Erde aus vielfältigen Perspek­tiven, ganz im Zeichen der Weltmission. Der rote Faden ist die Frage: Unter welchen politischen, wirtschaftlichen, ökologischen, religiösen und gesellschaftlichen Umstän­den leben die Menschen, die Christus fern sind? Das Themenspektrum reicht von „Lebenserwartung“ über „Schuldenkrise“ bis zu „Religionen“. Neben den Grundbe­dürfnissen des Menschen, seinen Bedrohun­gen und der Verbreitung der Weltanschau­ungen werden auch globale Herausforde­rungen wie das Ozonloch genannt.

Ausgeführt wird dieses Programm auf zwei­fache Weise: Zum einen werden Fakten in farbigen Grafiken und Weltkarten anschau­lich gemacht. Zum anderen versuchen Mis­sionsleute in Begleittexten die Fakten zu deuten und zur Teilnahme am „Kommando­unternehmen Erde“ zu motivieren. Ohne diese Texte wären die Diagramme nur die Hälfte wert. Allerdings läßt sich nicht in allen Fällen die Beziehung zwischen beiden erkennen. Auch würden faktenorientierte Überschriften das Nachschlagen erleichtern.

Die Autoren stammen fast ausschließlich aus dem nordamerikanischen Raum. Zur Hälfte sind die Mitarbeiter der als Mit-Herausgeber firmierenden „University of the Nations“ von „Jugend mit einer Mis­sion“ in Hawai. Der Hauptherausgeber bei „Global Mapping International“ in Californien ist Frank Kaleb Jansen, ein norwegi­sches Multitalent. Seine Texte sind m.E. auch die eindrücklichsten. Etwa weil er Europäer ist?

Es ist sehr zu begrüßen, daß Jansen sein Missions-Motivationsbuch von deutschen Autoren neu texten lassen möchte. Manche Konzepte und Perspektiven der „US-Mis­sionsindustrie“ sind bei uns wenig nach­vollziehbar. Die Frage ist nur: Bringen wir in den Kreisen evangelikaler Missionswis
senschaft dazu die nötige Kreativität, Phan­tasie und Zusammenarbeit auf? Er wäre zu wünschen!

Christof Sauer, em 1990-2.

Jantzen, Hermann. Im wilden Turkestan: Ein Leben unter Moslems. Gießen/Basel (Brun­nen): ABC Team, 1988.

Die wohl älteste interdenominationelle Bi­bel- und Missionsschule deutscher Sprache war die 1905 gegründete Allianzbibelschule Berlin (seit 1919 Bibelschule Wiedenest). Eines ihrer frühesten Ziele war die Aus­bildung von osteuropäischen Christen für den missionarischen Dienst in ihren Heimat­ländern. Einer der ersten Schüler dieser Bibelschule war Hermann Jantzen, deutsch­stämmig, aber russischer Nationalität.

Das Buch ist ein bewegendes Buch, das u.a. viele Einblicke in das Leben der deutsch­sprachigen Mennoniten in Rußland vermit­telt. Sein größter Wert liegt aber in der Tatsache, daß es ein direkter Nachdruck seiner Lebenserinnerungen ist. So ist das Buch eine wichtige Primärquelle für die Wirkungsgeschichte der Allianzbibelschule Berlin und der Bibelschule Wiedenest und damit auch für die Geschichte der frü­hen interdenominationellen Missionsarbeit in Osteuropa und Sibirien. Darüberhinaus wirft es die Frage nach der Notwendigkeit der Missionsarbeit unter Muslimen erneut auf. Dem Buch ist weite Verbreitung zu wünschen!

Klaus Fiedler, em 1989-1.

Jaumann-Wang,  Simone. Changsha - Mit Geduld und Gnade. Wie eine chinesische Provinzhauptstadt für das Evangelium ge­öffnet wurde. Verlag für Kultur und Wissen­schaft: Bonn, 1996, edition afem, mission scripts Bd. 10.


China ist im Gespräch. Auf dem internationa­len wirtschaftlichen Markt geben sich Vertreter großer Konzerne und verschiedener Regierun­gen die Klinke in die Hand. Der chinesische Markt lockt an, weil die von Arbeitslosigkeit geplagten westlichen Industrieländer in diesen Markt ihre ganze Hoffnung auf eine positive Wende setzen.

China ist aber auch auf dem missionarisch-christlichen Sektor im Gespräch. Manche China-Experten meinen, daß das Land der Mitte heute schon die mitgliederstärkste Kirche der Welt habe (ca. 60-80 Mill. protestanti­sche Christen). - Gott kennt die genauen Zah­len.

Das Buch verhilft zu einem sachlichen und hi­storisch fundierten Verständnis der christlichen Kirche des Landes. China ist zu groß, zu di­vers, um anzunehmen, daß mit einem Buch ein abgerundetes Bild vermittelt werden kann. Das ist auch nicht das Anliegen der Autorin. Den­noch erhält der Leser einen guten Einblick in die Anfänge der Missionsarbeit, auch wenn nur am Beispiel einer Provinzstadt. Übersichtlich gegliedert und ehrlich auf die positiven wie ne­gativen Praktiken der frühen Missionare einge­hend, gewinnt die geschichtliche Darstellung das Interesse und Vertrauen des Lesers. Die kurzen Abschnitte enthalten oft mehr Informa­tion als manche langatmigen Geschichtsbücher und lassen die Vergangenheit aufleben. Die protestantischen Missionare haben mehr getan als nur das Evangelium verkündigt oder die Christianisierung Chinas vorangetrieben. An Hand einzelner Beispiele, die auch heute noch ein Herz für Mission erwärmen können und die allgemeinen plakativen Vorurteile ad absurdum führen, Mission zerstöre Kultur und ‘verein­nah­me’ den Menschen, wird gezeigt, daß Missio­nare Sprachen erforschen, Kranken und Behin­derten dienen und Krankenhäuser, Schu­len und andere Ausbildungsstätten bauen (S.30f).

Selbst die Auflösung der alten Sitte der schmerzhaften ‘Fußbindung’ der Frauen wurde von Missionarinnen eingeleitet. Der christli­che Glaube beeinflußte die Gesellschaft mehr als an der Oberfläche erkenntlich war, auch wenn er ein ‘weißes Gesicht’ trug und Chine­sen, die sich ihm zuwandten, von der Bevölke­rung als ‘Reis-Christen’ beschimpft wurden (S.91f.). Selbst Politiker zogen Missionare zur Beratung heran.

Knapp aber mit Verständnis und Herz wird auch die Zeit der Verfolgung der Christen an­gesprochen. Viele Ausländer und gläubige Chinesen kamen in den wirren Zeiten der ver­schiedenen Aufstände um. Missionare blieben im Land und standen den Christen zur Seite. Zusammenarbeit verschiedener Missionen und Zusammenschlüsse verschiedener Denomina­tionen verstärkten das missionarische Zeugnis. Verantwortung ging mehr und mehr in die Hände der Einheimischen über. Die Selbstän­digkeit der Gemeinden wurde forciert.

Wie von unsichtbarer Hand vorbereitet, ent­wickelte sich die Kirchen- und Missionsge­schichte Chinas auf ein großes Ereignis hin. Jedoch zuvor erlebten einzelne Provinzen Er­weckungen: Studenten interessierten sich für das Evangelium, so daß die Studentenmission ins Leben gerufen wurde; Gemeinden lebten das ‘Drei Selbst Prinzip’ aus; theologische Schulen hatten keinen Studentenmangel und die ‘einheimischen chinesischen christlichen Gruppen’ belebten das Gemeindebild.

Das genannte Ereignis kam mit der Ausrufung der Volksrepublik China 1949 und dem bald folgenden Exodus der Missionare. Auch in der Stadt Changsha verließen 1950-51 die Missio­nare der CIM-Liebenzell die Gemeinden. Die Zeit der Kulturrevolution wird im Buch über­gangen. Der Neuanfang mit 1980 bis in die neuere Zeit hinein findet in den letzten Kapi­teln eine kurze, doch gute Darstellung. Die Gemeinde Jesu Christi ist nicht vernichtet wor­den. Die Zahl der Christen ist gewachsen, die der Kirchengebäude geringer geworden.

Die am Schluß angefügten Tabellen von vier Missionsgesellschaften und deren Mitgliedern, Mitarbeitern, Einrichtungen und Aktionen sind sehr aufschlußeich und bürgen für ein solides Forschen.


Als einer, der Changsha 1989 besuchte und sich mit den verschiedenen Kirchenmitarbei­tern in ihrer Muttersprache unterhalten konnte, freue ich mich sehr über das Buch und die sau­bere Arbeit. Jeder, der sich für China interes­siert, den Menschen und dem Land mit der Liebe Christi dienen möchte, sollte es gelesen haben. Wer für China beten und die Hinter­gründe der jetzigen Gemeindesituation verste­hen möchte, kommt an diesem Buch nicht vor­bei. Es beantwortet nicht alles, aber doch vieles!

Siegfried E. Glaw, em 1998-3.

Jaumann-Wang, Simone (Übersetzerin und Hg.). James Hudson Taylor: Rückblick. edition afem - mission classics Bd. 3. Verlag für Kultur und Wissenschaft: Bonn, 1999.

„Habe ich das nicht schon einmal irgendwo gelesen?“ Das war zu Beginn der Lektüre die­ses Buches meine erste Reaktion. Sollte der Missionspionier Hudson Taylor wirklich auf so viele bekannte Geschichten und Zitate zurück­gegriffen haben?

Erst danach ist mir bewußt geworden, daß es sich um Hudson Taylors Autobiographie han­delt. Es sind so viele Bio­graphien über Taylor auch auf Deutsch veröf­fentlicht worden, die dieses Material verarbei­tet haben, daß das Buch paradoxerweise fast wie ein Plagiat er­scheint, obwohl es sozusagen das fast 100 Jahre alte „Original“ ist.

In dieser Autobiographie schreibt Hudson Taylor von seinen Glaubenserfahrungen und davon, wie er immer wieder bewußt Schritte in seinem persönlichen Glaubensleben, als Mis­sionar in China, und später auch als Leiter der China-Inland-Mission getan hat, die auf Gottes Verheißungen basierten.

Die zahlreichen Tagebucheinträge nehmen den Leser noch unmittelbarer mit hinein in die Zeit der ersten Jahre, die Hudson Taylor als Mis­sionar der Evangelischen Missionsgesell­schaft und als unabhängiger Missionar in China ar­beitete, bevor er nach einem etwa fünfjährigen Aufenthalt in England 1865 die China-Inland-Mission gründete.

Diese Autobiographie ist ein wichtiges Doku­ment der frühen protestantischen Missionsar­beit in China, aber vor allem ein Zeugnis der Treue Gottes, der zu seinen Ver­heißungen steht!

In der Chronologie der „wichtigen Daten“ im Anhang des Buches wäre es wünschenswert gewesen, diese Reihe bei einem Buch, das 1999 erschien, auch bis zum Zeitpunkt der Herausgabe fortzuführen.

Dem Verlag für Kultur und Wissenschaft ge­bührt Dank, daß er dieses alte Dokument ei­nem deutschsprachigen Leserkreis zugänglich macht, um Hudson Taylor, einen Mann des Glaubens und großer missionarischer Leiden­schaft, direkt zu uns sprechen zu lassen und nicht nur in Zitaten.

Wolfgang Schröder, em 2000-3.

Jeyaraj, Daniel. Inkulturation in Tranque­bar: Der Beitrag der frühen dänisch-halle­schen Mission zum Werden einer indisch-einheimi­schen Kirche (1706-1730). Missionswissen­schaftliche Forschun­gen NF 4. Verlag der Ev.-Luth. Mission: Erlangen, 1996.

Nachdem Hans-Werner Gensichen als ehe­maliger Dozent in Tranquebar das Interesse an der dänisch-hallischen Missionsarbeit in Tran­quebar lange Jahre wach gehalten hatte und be­reits in derselben Reihe mit der Habilitations­schrift von Anders Norgaard ‘Mission und Ob­rigkeit’ eine Gesamtdarstellung der Geschichte der dä­nisch-hallischen Mission in Tranquebar von 1706 bis 1845 erschien (Missions­wissen­schaft­liche Forschungen 22), legt nun ein ein­heimischer Pfarrer, der 1980 zum Christentum konvertierte Tamile Daniel Jeyaraj dar, wel­chen Beitrag die dänisch-halli­sche Mission 1706-1733 zur Entstehung einer einheimi­schen Kirche in Indien geleistet hat. Ein vierjähriges Forschungsstipen­dium an der Universität Halle trug ebenso dazu bei, daß Jeyaraj mit enormer Akribie die Quellen in In­dien, Halle, Leipzig, Kopen­hagen und London gründlicher als je zu­vor auswerten konnte, wie die Tatsache, daß ihm tamilische Texte als Tamile viel vertrauter sind. Kurzum, auch wer meinte, schon alles über ‘Tranquebar’ und Ziegenbalg zu wissen, wird hier auf eine Fülle neuer Einsich­ten sto­ßen.

Die pietistischen Missionare in Tranquebar wollten von Anfang an „im Gegensatz zur hei­mischen Missionsverwaltung“ (S.173) eine einheimische Tamilenkirche mit einheimischen Pastoren aufbauen und standen damit – und nicht nur in dieser Frage – im Gegensatz zu Kolonialherren und euro­päischen Leitungs­gremien. Bereits drei Jahre nach seiner An­kunft bat Ziegenbalg den dänischen König um Erlaubnis, einen Einheimischen or­dinieren zu dürfen (S.288), worauf er jahrelang keine Antwort erhielt. Erst nach 27 Jahren durfte der erste tamilische Pfarrer ordiniert werden, wo­mit auch der Untersuchungszeitraum Jeyarajs endet. Auch sonst gibt es nicht nur Erfreuliches über die pietistische Missionsarbeit zu berich­ten. So zeigt Jeyaraj auf, daß die Wiedereinfüh­rung des Kastenwesens in die junge Ta­milenkirche im Todesjahr August Hermann Franckes 1727, nachdem man zunächst konse­quent das Kastenwesen bekämpft hatte, verhee­rende Kon­sequenzen hatte, so daß die Missio­nare schließlich selbst merkten, wie unglaub­würdig die Kirche wurde (S.223-234). (William Ca­rey lernte daraus und be­kämpfte jeden Einfluß des Kastenwe­sens auf die ein­heimischen Kirchen.) Kurzum, viele Er­gebnisse des Bu­ches erinnern uns daran, daß das Evangelium in jeder Kultur durch einen mühsamen Prozeß heimisch werden muß und daß diese Frage nicht erst un­sere Ge­neration beschäftigt.

Dr. Thomas Schirrmacher, em 1998-1.

Joachim Wietzke (Hg.). Mission erklärt. Ökumenische Dokumente von 1972 bis 1992. Evangel. Verlagsanstalt: Leip­zig, 1993.

Dieses wichtige Buch, herausgegeben vom Theologischen Referenten im Evangelischen Missionswerk Hamburg und längjährigen Mis­sionar in In­dien, Joachim Wietzke, möchte eine Orientierungshilfe bieten für Leser, die durch die gegenwärtige Diskussion über Mission ver­unsichert sind. Anhand offizieller kirchlicher Verlautbarungen wird die ganze Bandbreite der weltweiten Christenheit zum Thema Mission und Evangelisation von 1972 bis 1992 doku­mentiert. Wir finden die wichtigsten Doku­mente der evangelischen und katholischen ökumenischen Bewegung von Kirchenrä­ten und Bischofskonferenzen, Dokumente der Mis­sionsorden und Akti­onsgruppen von Evangeli­sationskonferenzen. Dokumente aus dem deutschsprachigen Raum stehen neben wichti­gen Dokumenten des Lausanner Kongresses für Weltevangelisation und den Verlautbarun­gen des Apostolischen Stuhls wie Evangelii nuntiandi (1975) und Redemptoris missio (1990). Das Wesen und der Geist der Evangeli­sation werden ebenso erörtert wie ihre Adres­saten und Träger. Aus den Dokumenten wird aber auch deut­lich, daß sich die Missi­onstätigkeit noch in den allerersten Anfängen befindet. Die Konsulta­tion der Ost-Orthodoxen und Orientalisch-Orthodo­xen Kir­chen in Nea­polis (1988) ver­deutlicht, daß auch diese Kir­chen neu über die Bedeu­tung der Mission nachdenken. Mission beginnt in der Ortsge­meinde. Das wird aus dem Missi­onsverständnis der Methodistischen Kir­che er­sichtlich. Mis­sion ist gleichbedeutend mit Re­form der Kir­chen und umspannt die ganze Welt.

Die in diesem Band gesammelten Doku­mente machen deutlich, daß sich die missiona­rische Vitalität des Christentums heute in die Kirchen des Südens verlagert hat. Wir müssen dem Herausgeber dankbar sein für diese Zu­sammenstellung weitverstreuter Texte. Es gibt gegenwärtig keine bessere Dokumentation zum wissenschaftlichen Verständnis der Mission. Man kann nur hoffen und wünschen, daß alle Kirchen sich mit diesen Dokumenten beschäf­tigen.

Prof. Dr. Karl Rennstich, em 1997-1.

Johnson, David; Jeff VanVonderen. Geistli­cher Mißbrauch – Die zerstörende Kraft der frommen Gewalt. Projektion J: Wiesbaden, 1996.

Erfreulich, daß ein Verlag, der häufig tabui­sierte Themen anpackt, auch dieses Buch zweier US-amerikanischer Pastoren dem deutschsprachigen Leser zugänglich gemacht hat. Es ist auf Englisch bereits 1991 unter dem Titel „The Subtle Power of Spiritual Abuse“ erschienen. Was verbirgt sich hinter dem provozieren­den Begriff „Geistlicher Miß­brauch“? Johnson und VanVonderen definieren ihn als „falschen Umgang mit einem Men­schen, der Hilfe, Un­terstützung oder geistliche Stärkung braucht, mit dem Ergebnis, daß dieser betreffende Mensch in seinem geistlichen Le­ben ge­schwächt und behindert wird“ (S.23).

Im ersten Teil des Buches beschreiben die Autoren die Opfer, im zweiten Teil geht es um die Täter und die Gründe für ihr Handeln. Der abschließende dritte Teil zeigt Schritte zur Heilung nach geistlichem Mißbrauch auf.

Eine Reihe von Fallbeispielen verdeutlicht ein immer wiederkehrendes Schema: Der ver­letzte Mensch wendet sich an eine Person, die er für eine geistliche Autorität hält und wird noch tiefer verletzt. Das Alte und das Neue Te­stament nennen Beispiele von geistlichen Hir­ten, die ihren Schafe eine Last auferlegen, an­statt sie zu umsorgen.

Die Autoren erläutern zwar den geistlichen Mißbrauch durch falsche Autoritäten, warnen aber auch wiederholt davor, christliche Leiter­schaft grundsätzlich in Frage zu stellen. Sie geben Kriterien an, anhand derer man gesunde und kranke Systeme voneinander unterschei­den kann. „Nicht alle starken christlichen Füh­rer begehen Mißbrauch … Doch im Gegensatz zu einem System, das keinen Mißbrauch be­treibt, ist es in einem mißbrauchenden System nicht erlaubt, über Probleme, Verletzungen und Mißbrauch zu sprechen. Daher gibt es für die Wunde keine Heilung und Erneuerung, und das Opfer hat sich schuldig zu fühlen, überhaupt etwas in Frage gestellt oder auf ein bestimmtes Problem hingewiesen zu haben“ (S.37). Die „Nicht-Sprechen-Regel“, die aufgestellt wird, um eine falsche Harmonie zu wahren, ist be­reits wesentlicher, subtiler Bestandteil des geistlichen Mißbrauchs. Ähnlich wie Ehefrauen den Alkoholismus ihrer Männer um des „Friedens“ willen decken (sogenannter Ko-Alkoholismus), decken Gemeindeglieder um des „Friedens“ willen den mißbrauchenden Täter. Demjenigen, der auf ein Problem hin­weist, wird gesagt: „Du bist das Problem!“

Wichtig ist die Erkenntnis, daß Opfer auch gleichzeitig Täter sein können, wenn sie zum Beispiel den auf sie ausgeübten Druck an den Ehepartner oder an die Kinder weitergeben. Auf diese Art gebiert ein krankes System im­mer wieder neue Opfer und Täter. Deshalb ist es notwendig, die Mechanismen des geistlichen Mißbrauchs aufzudecken und aus der teufli­schen Spirale auszubrechen.

Erstaunlicherweise bleiben Opfer oft sehr
lange in dem mißbrauchenden System gefan­gen oder geraten immer wieder neu in eine sol­che Situation hinein. „Der Grund … ist der, daß sie so gut ‘passen’“ (S.226). Sie haben Machtlo­sigkeit erlernt! Um geheilt zu werden, muß das Opfer seine eigene Wurzeln verstehen lernen. Dazu bedarf es aber eines stabilen Um­feldes mit gesunden Beziehungen. Deshalb ist es für Opfer eine wichtige Feststellung, daß Flucht durchaus eine richtige Lösung sein kann (auch wenn in vielen Predigten Flucht grund­sätzlich als ungeistlich verurteilt wird). Die Autoren geben eine Faustregel als Entschei­dungshilfe: „Wenn die Gemeindeleitung der Gnade den richtigen Stellenwert einräumt … hat die Gnade eine Chance. Schafe neigen dazu, ihren Hirten zu folgen. Wenn die Ge­meindeleitung jedoch Macht einfordert und verhaltensorientiert ist, ist die Chance, die Si­tuation zum Guten zu ver­ändern, sehr gering. … Wenn das der Fall ist, sollten Sie vielleicht besser gehen“ (S.253).

Ein lesenswertes Buch für Leiter und Mitar­beiter in Gemeinde und Mission.

Dr. Volker und Martina Kessler, em 1998-2.

Johnstone, Jill. Kinder beten für die Welt. Neuhausen: Hänssler, 1993.

Die Juniorversion von „Gebet für die Welt“ präsentiert ausgewählte Informationen kindge­recht in der Form eines Populär-Sachbuches. Für jede Woche des Jahres werden Geschichten erzählt über ein Volk wie die Zulu oder ein Land wie die Mongolei. So werden 26 uner­reichte Volksgruppen und 26 missionarisch am stärksten vernachlässigte Länder mitsamt jeweils sieben kurzgefaßten Gebetsanliegen vorgestellt. Großflächige farbige Zeichnungen und geographische Skizzen unterstützen die Darstellung. Die gelungene Verwirklichung ihrer guten Idee hat die Autorin (Ehefrau von Patrick Johnstone) leider nicht mehr erlebt. Eine internationale Co-edition in vielen Spra­chen macht den angemessenen Preis für die gute Ausstattung möglich. Die im Inhaltsver­zeichnis angekündigte Seite 128 mit einem Index fehlt leider. Daß die Reihenfolge der Gruppen sich alphabetisch nach den englischen Namen richtet, stört nicht weiter. Geeignet ist dieses einmalige Buch (nicht nur für Kinder) vom ersten Lesealter an, auch zum Vorlesen. Eine hervorragendes Mittel, um Kindern Welt­mission nahezubringen und sie zum Mitbeten zu bewegen!

Christof Sauer, em 1994-3.

Johnstone, Patrick. Gebet für die Welt. Handbuch für Weltmission. Informationen über alle Länder der Erde. Dt. Ausg. bearb. von Thomas und Christine Schirrmacher. 6. Aufl., Neuhausen: Hänssler, 1994.

Johnstone, Patrick. Operation World. Pray for the World. 5th rev. ed., Carlisle: OM Publishing, 1993.

Endlich ist die einzigartige Missions-Gebets-Information von Patrick Johnstone wieder in einer aktuellen Ausgabe erhältlich. In beiden Sprachen handelt es sich trotz der unterschiedlichen Auflagen- und Nachdruck­zählungen eigentlich um die dritte, grundle­gend veränderte Ausgabe aus Johnstones Hand. Die englische Ausgabe erschien September 1993 (Informationsstand 30.4.1993). Die deut­sche Übersetzung und Bearbeitung (März 1994) beruht auf schon früher vorliegenden und teilweise über die englische Ausgabe hinaus von Johnstone bearbeiteten Manuskripten. Weitere Ausgaben sind angekündigt oder bereits erschienen in: Chinesisch, Holländisch, Französisch, Koreanisch, Spanisch und Portugiesisch (Auskünfte bei: OM-Publishing, POB 300, Carlisle, Cumbria, CA3 OQS, UK). Die folgende vergleichende Besprechung kann
nur einen ersten Gesamteindruck wiedergeben, ohne sich mit inhaltlichen Einzelheiten ausein­anderzusetzen. Gegenüber früheren Auflagen hat Johnstone nach eigenen Angaben versucht, andere theologische und politische Standpunkte stärker wahrzunehmen. Zielgruppe sind aber nach wie vor protestantische Evangelikaie, die durch Gebet an der Erfüllung des Missionsauf­trages teilhaben möchten.

Das Buch teilt sich auf in: Vorbemerkungen, Beschreibungen der Welt als ganzer und unter­teilt in 10 Regionen und in 227 Länder von A-Z, 22 spezielle missionarische Dienste und Anlie­gen und schließlich 8 Anhänge mit Übersichten über Staatsoberhäupter, Missionsgesellschaften und -Zusammenschlüsse, Adressen, Statistiken, Grafiken, Definitionen, Quellen- und Litera­turangaben. Kein Wunder, daß der Textumfang sich verdoppelt hat und einiges detaillierter ist als früher. Der überwiegende Teil der Informa­tion ist als Gebetsanliegen formuliert und nach einem Kalendarium aufgeteilt, so daß man sich in einem Jahr „durch das Buch“ und „um die Welt“ beten kann.

Eine inhaltliche Auseinandersetzung vor allem mit den statistischen Angaben (im Welt­überblick, im Anhang und in den Grafiken) und ihrer Bedeutung für Mission heute wäre einen eigenen Artikel von kundiger Hand wert. Stark vermehrt und wesentlich detaillierter beschrie­ben wurden die nun 22 „speziellen Dienste“. Entfallen sind die Stichworte Forschungszen­tren für Mission und Missionarskinder, wäh­rend 12 neue dazugekommen sind: AD2000, Jesusfilm, Hunger- und Entwicklungshilfe, Medizinische Missionsarbeit, Mission mit Schiffen, Kurzzeitmissionare, Die völlige Durchdringung eines Landes mit dem Evange­lium und Gemeindegründung, Stadtevangelisa­tion, Internationale Kooperation, Gebet, „Gebet für die Welt“, und die Wiederkunft Jesu.

Worin unterscheidet sich die deutsche Ausgäbe von der englischen? (1) Insgesamt macht die deutsche Ausgabe einen etwas besseren optischen Eindruck, der Druck, vor allem der Karten erscheint schärfer und das Papier besser. Das großzügigere Layout der Tabellen trägt seinen Teil dazu bei. Vor allem gegenüber der vorangehenden kleinformatigeren deutschen Ausgabe auf billigem Papier ist ein wesentli­cher Fortschritt erreicht. (2) Zusätzliche Abschnitte: ein weiteres Vorwort, der erneut abgedruckte Artikel über „Mission unter uner­reichten Volksgruppen“ von T. Schirrmacher und 15 Seiten Adressen deutschsprachiger Missionen. (3) Ergänzungen: Es wird stati­stisch ergänzt mit Informationen über deutsch­sprachige Werke, jedoch nicht in den Regio­nalartikeln. Vereinzelt finden sich im übrigen Text ergänzende Hinweise für deutschspra­chige Leser. Der Artikel über Deutschland ist teilweise verändert.

Bei der Übertragung eines solchen Mam­mutwerks bleiben Mängel natürlich nicht aus: Die Übersetzung und Lektorierung wirkt hin und wieder flüchtig, in einzelnen Fällen muß man die englische Ausgabe zu Rate ziehen, um den Sinn zu enträtseln. Zum Schmunzeln ist die Wiedergabe von „nonresidential missionary“ durch „nichtseßhafter Missionar“ (S.715). Die extrem komprimierte Ausgangssprache wird dem Rezensenten zu häufig in schwer lesbare Schachtelsätze und zu substantivisch übersetzt.

Schlampig erscheint bei näherem Hinsehen ein Teil der Grafiken: Die regionalen Über­sichtskarten sind uneinheitlich gestaltet, teil­weise leidet die Übersichtlichkeit (wenn Flüsse und Grenzen als „Gräben“ gezeichnet werden, vgl. Islamische Welt). Auf fast jeder Karte feh­len Ländernamen. Dieselben Übersichtskarten werden bei den Länderartikeln zur Lokalisie­rung verwendet. Die Pazifikkarte ist dabei unnötig winzig geraten. Die thematischen Gra­fiken, die in Gegensatz zur englischen Ausgabe angenehmerweise im Anhang gesammelt wur­den, sind leider zu stark verkleinert und unein­heitlich gestaltet worden. Ihre Reihenfolge erscheint nicht nur uneinsichtig, sondern unsinnig. Genauso wenig nachgedacht wurde bei der Grafik über die „Zusammensetzung der Zahl der protestantischen Missionare“ (S.810).


Schematisch übersetzte Schlüsselbegriffe in der Grafik verkehren die Aussage ins Gegenteil. Letztes Beispiel: Im Inhaltsverzeichnis werden die Regionen von Karibik bis Islamische Welt in falscher Reihenfolge und mit falschen Seitenangaben aufgeführt. Die gravierenden Mängel sind korrigierbar und sollten in einem Nachdruck behoben werden. Dem Verleger gebührt, zusammen mit dem Autor und den Bearbeitern, der Dank dafür, daß sie breiten­wirksam das Missionsinteresse fördern.

Christof Sauer, em 1994-3.

Johnstone, Patrick. The Church is bigger than you think: Structures and Strategies for the Church in the 21st century. Christian Focus Publications und WEC International: Fearn und Gerrards Cross/GB, 1998.

Viele Menschen haben so ein negatives und pessimistisches Bild von der Kirche und ihrer Mission. Patrick Johnstone möchte dieses ein­seitige Bild korrigieren. Die Kirche ist größer und lebendiger, als viele wahrhaben. Sie ist Gottes Plan von Ewigkeit her. Er hat einen Plan mit ihr und der Welt. Patrick Johnstone möchte Christen helfen, strategisch zu denken und sich in Gottes Plan einzugliedern.

Im ersten Teil entwickelt der Autor Gottes Schau und Plan für die Kirche und Welt an­hand von Jesaja 52-54. Im zweiten Teil zeigt er, wie durch die Kirchengeschichte hindurch dieser Plan Gottes immer wieder übersehen, an die Seite geschoben oder marginalisiert wurde. Unglaube, Ungehorsam und Egoismus spielten eine große Rolle in der Geschichte der Kirche und der Mission.

In einem dritten Teil untersucht P. John­stone die Entwicklung der Missionsarbeit der letzten zwei Jahrhunderte und besonders in den letzten vierzig Jahren. In Übersichten und an­hand von Beispielen macht er deutlich, was er­reicht wor­den ist und welches die verbleiben­den Heraus­forderungen und Aufgaben sind.

In einem vierten, hochinteressanten Teil analy­siert der Autor biblische und geschichtli­che Strukturen der Missionsarbeit und stellt die Frage, inwieweit die einzelnen Strukturen in der Missionsarbeit hilfreich oder hinderlich waren. Ihm geht es dabei vor allem auch um das Zusammenspiel von Kirche (gathering structure), Mission (sending structure) und theologischer Ausbildung (training structure). Nach Johnstone betrachtet die Bibel diese Strukturen als sich gegenseitig stärkend und gemeinsam ausgerichtet auf die Evangelisation der Welt - die eigentliche Aufgabe der Kirche.

P. Johnstone verfolgt das Problem der rech­ten Strukturen durch die Kirchen- und Missionsge­schichte. Er fragt dann am Schluß: Wie kann sich eine Ortsgemeinde auf ihre Aufgaben in der Weltmission einstellen? Was müssen Bi­belschulen und theologische Fakul­täten tun, um sich echt auf die Kirche und die Mission auszurichten? Was müssen Missions­ge­sell­schaften tun, um Gemeinden zu helfen, ihren rechten Platz in der Mission zu finden?

Patrick Johnstone, Autor von „Gebet für die Welt“ (Operation World) hat eine Menge wichtiger Informationen in diese 314 Seiten gepackt. Kein Wunder, daß Dr. Kenneth B. Mulholland, Akademischer Dekan der Colum­bia International University, das Buch als „unverzichtbaren Begleiter zu ‘Gebet für die Welt’“ bezeichnet hat.

Dr. Dietrich Kuhl, em 1998-4.

Johnstone, Patrick; John Hanna; Martin Smith (Hg.). Gebet für unerreichte Völker. Das 10/40-Fenster. One Way Verlag: Wup­pertal, 1997.

Dieses Buch exi­stiert bereits in 22 Sprachen. Es wurde von „AD 2000 and Beyond“ in Colo­rado unter dem Originaltitel „Praying through the Window III: The Unreached People“ veröf­fentlicht.

Schon im Vorwort des leitenden Redaktors er­kennt man die Vielfalt der Quellen. Hier wird ein überzeugendes gemeinsames Ziel verfolgt, die Erreichung aller „unerreichten Völker“ die­ser Welt.

Selbst ein Missiologe wird kaum alle der in den Dankesworten erwähnten Organisationen und deren Schwerpunkt kennen, wie soll da ein Laie reagieren? Aber genau das trifft den Nerv dieses Gebetsbuches. Es geht offenbar in der Weltevangelisation gar nicht um einzelne Or­ganisationen, sondern um eine sinnvolle Ver­netzung Vieler zur Ehre des einen Herrn der Ernte!

Das übersichtliche Gebetbuch - und als solches sollte es verstanden werden - besteht aus drei Teilen. Im ersten Teil nehmen sechs bekannte Autoren kurz Stellung zu der Entstehungsge­schichte des Buches, zur Bedeutung des Gebets und zu einigen Fachausdrücken. Die Wichtig­keit des Gebetes wird wie folgt beschrieben: „Wie ständig laufendes Wasser einen Kanal in den härtesten Stein schneiden kann, so können beständige Gebete für die unerreichten Völker Kanäle des Segens Gottes bilden und dazu füh­ren, daß sich das Reich Gottes ausbreitet“ (173).

Im zweiten Teil werden 129 von 140 soge­nannten „Gateway-People-Clusters“ vorge­stellt. Diese Völker stellen Tore für die Evan­gelisation vieler verwandter Volksgruppen dar. Die Herausgeber haben „alles in unserer Macht Stehende getan, um jedes Profil (einer Volks­gruppe) so vollständig und aktuell wie möglich zu gestalten, doch es gibt immer wieder neue Informationen über diese Gruppen“ (42). Kor­rekturen sind von den Autoren daher sehr er­wünscht! Der zweite Teil ist der Wichtigste, denn er ist zur Familienandacht, zum privaten Gebrauch, für Gemeindeanlässe etc. gedacht. Die Autoren liefern darin praktische Beispiele für das Gebet.

Im dritten Teil werden auf 24 S. wertvolle Tips für Volksadvokaten, Gebetsreisen, Informatio­nen zum Josua-2000-Projekt und einige wich­tige Adressen genannt.

Ein gutes Buch, nicht zur intellektuellen Lek­türe gedacht, aber zur „Herzenserweiterung“ durch das inständige Gebet! Ich hätte mir ge­wünscht, daß alle Artikel noch ausführlicher ausgefallen wären.

Dr. Marco Gmür, em 1998-3.

Jongeneel, Jan A. B. Philosophy, Science and Theology of Mission in the 19th and 20th Century. A Missiological Encyclopa­edia. Part 1: The Philosophy and Science of Mission. Frankfurt: Peter Lang, 1995.

Jongeneel, Professor für Missionswissen­schaft in Utrecht, legt den ersten Band seiner faszinierenden Enzyklopädie der Missiologie in englischer Übersetzung vor. Der auf zehn­jähriger Arbeit beruhende, gigantische For­schungsbericht schildert den Forschungsstand der Missiologie und erschließt das Fach durch eine ausführliche kommentierte Bibliographie für das 19. und 20. Jahrhundert. Jongeneel will mit seinem Werk zugleich eine wissenschafts­theoretische Fundierung der Missiologie errei­chen, weil er meint, daß sie sonst im Fächerka­non nicht richtig ernst genommen werde. So diskutiert er ausführlich die verschiedensten Namensgebungen für das Fach, hält jedoch ‘Missiologie’ für den umfassendsten und tref­fendsten Begriff. Weiter untersucht er die Kon­zepte, Methoden und Zweige der Missiologie. Er teilt sie auf in „Philosophie“ (oder Wissen­schaftstheorie) und „Wissenschaft“ (oder Em­pirie) (beides in Bd. 1), sowie in „Theologie“ (für Bd. 2 angekündigt). Dabei und in der wei­teren Feingliederung möchte Jongeneel eine exakte Analogie zur Religionswissenschaft er­reichen. Die Hälfte des Bandes ist der Empirie der Mission gewidmet, aufgeteilt in Linguistik, Geschichte, Geographie, Statistik, Ethnologie, Soziologie, Recht, Ökonomie, Psychologie und Pädagogik. Eine Auseinandersetzung mit dem enzyklopädischen Konzept muß ebenbürtigen Fachgelehrten überlassen bleiben. Aber als wissenschaftstheoretische und bibliographische Einführung in das Fach wird kein Student der Missiologie um dieses Werk herumkommen, schon gar nicht als Doktorand. Deshalb sollte es in keiner Fachbibliothek fehlen. Es ersetzt aber weder eine stärker inhaltliche Einleitung in die Missiologie (Van Rhenen, Verstraelen, Verkyl) noch eine eigentliche Missionslehre bzw. -theologie (Warneck, Bosch, Beyerhaus). Leider sind die bibliographischen Partien durch eine wenig geeignete Computertype schlechter lesbar als der restliche Text.

Christof Sauer, em 1998-1.

Jørgensen, Jonas Adelin. Jesus Iman­dars and Christ Bhaktas. Two Case Studies of Interreligious Herme­neutics and Identity in Global Christi­anity (Studies in the Intercultural History of Christianity 146), Frank­furt: Peter Lang. Internationaler Verlag der Wissenschaften, 2008.

Das vorliegende Buch ist eine 2006 von der theologischen Fakultät der Univer­sität Kopenhagen angenommene Doktor­arbeit und Teil der von Werner Ustorf herausgegebenen Studienserie zur inter­kulturellen Geschichte des Christentums. Der Autor ist Forschungsmitarbeiter der Kopenhagener Fakultät und seit 2010 Generalsekretär des Dänischen Mis­sionsrats (Dansk Missionsråd), der lan­des­kirchliche und freikirchliche pro­tes­tantische Missionsgesellschaften re­prä­sen­tiert. In seiner Arbeit wertet Jør­gensen Feldforschungen aus, die er zwischen 2003 und 2006 unter den Christ Bhaktas in Chennai in Süd­ostindien und den Jesus Imandars in Bangladesh durchgeführt hat. Dabei interessiert er sich für die Beschreibung religiöser Identitäts- und Gemein­schafts­bildungsprozesse, die je nach Per­spek­tive und Sprachgebrauch als Kon­tex­tua­lisierung, Inkulturation oder Syn­kre­tismus beschrieben werden können. Die beiden untersuchten Gruppen stellen inkulturierte christliche Gemeinde­be­we­gungen innerhalb ihres jeweiligen reli­giös-kulturellen Kontextes dar. Die Christ Bhaktas gehören (im Gegensatz zur kastenlosen Mehrheit der indischen Christen) zu hinduistischen Kasten und entfalten ihre christliche Glaubenspraxis und Theologie innerhalb dieses Rah­mens. Die Jesus Imandars leben in Bangladesh, dem ursprünglich hinduis­tischen Bengalen, wo der Islam seit dem 16. Jahrhundert durch wandernde Sufis verbreitete wurde und sich mit hinduis­tischer Frömmigkeit verband. In diesem historisch-synkretistischen Kontext ver­leihen die Isa-Imandars (an Jesus Glau­bende) ihrem christlichen Glauben auf spezifische Art Ausdruck. Die darin im­plizite interreligiöse Hermeneutik unter­sucht Jørgensen zunächst empirisch durch Interviews und teilnehmende Be­ob­achtung. Dabei stellt er drei Haupt­fragen nach 1. der Liturgie, 2. dem Fröm­migkeitsideal und 3. der Theologie der jeweiligen Gruppen.

So zeigt sich beispielsweise, dass die Jesus-Hindus die Liedform der bhajans, emo­tionale, einfache hinduistische Volks­lieder des Bhakti, um eine Gottheit zu verehren, in ihre Liturgie auf­ge­nommen haben. Das Abendmahl feiern sie mit Obst und Milch. Der Gottes­dienst­leiter schlägt eine Kokosnuss auf und zeigt das weiße Innere: Jesus wurde für euch gebrochen. Mit Obst und Milch empfangen die Gläubigen mahaprasad, das große Geschenk. Das zentrale Fröm­migkeitsideal ist bhakti, die persönliche Hingabe und Anbetung Jesu Christi, der in der Predigt in biblisch-meditativen Beschreibungen und Bildern ver­ge­gen­wärtigt wird. Hinduistische Zeremonien und Rituale (pujas) werden dem­gegen­über als „leer“ angesehen; an ihnen könne man teilnehmen, ohne Schaden zu nehmen. In der Theologie der Bhaktas werden biblische Zusammenhänge in der hinduistischen Begrifflichkeit des Ve­dan­ta interpretiert. Bhakti wird als theologische Antwort verstanden auf die Frage: Wie können wir etwas über Gott wissen? Nur durch Anbetung und Hingabe. Brahman, das unveränderliche, ewige und höchste Sein, das sowohl immanent als auch transzendent ist, wird mit dem biblischen Gott identifiziert und neu interpretiert. Dabei werden auch Diskontinuitäten aufgezeigt und die Gren­zen des Vedanta gesprengt, wenn Jesus als muktiswa, Erlöser, der „mensch­gewordene Brahman“ ver­standen wird, mensch-gewordene gött­liche Weisheit, Erkenntnis und Barm­herzigkeit.

Ähnliche Beobachtungen hat Jørgensen auch im Blick auf die Jesus Imandars gemacht. Die Liturgie in ihren jamaats (Versammlungen) greift islamisch-su­fi­sche Elemente auf. Im Zentrum stehen Rezitationen aus dem Bibelbuch, das jeder auf dem Boden sitzende Gläubige auf einem erhöhten Holzständer (als Aus­druck der Ehrfurcht vor dem „Buch“) vor sich hat. Im Zentrum steht der iman (Glaube) an Jesus: nicht als ab­straktes Wissen, sondern als exis­ten­tieller tariqa (arab. Pfad, vgl. das sufische Konzept des tariqa als mys­tischer Pfad zur Einheit mit Gott) des Vertrauens durch die Taufe und in verschiedenen Schritten der Nachfolge. Trotz der Anknüpfung an die sufische Tradition verortet Jørgensen die Iman­dar-Bewegung als letztlich außerhalb der islamischen und innerhalb der christ­lichen Tradition stehend.

An die empirischen Beschreibungen schließt sich die religionstheologische Reflexion an, in der Jørgensen das vorherrschende Schema von Exklu­si­vismus, Inklusivismus und Pluralismus (EIP) zu differenzieren sucht. Dabei verbindet er eine umfassende Dar­stel­lung der Theoriedebatte mit den Er­geb­nissen seiner empirischen Entdeckungen. Erfreulich ist, dass in der Darstellung der Theoriedebatte keine ideologischen Scheu­klappen vorherrschen, sondern so­wohl die Ergebnisse der religions­wis­senschaftlichen Synkretismus­for­schung und der interreligiösen Her­me­neutik (z.B. Berner, Feldtkeller, Grünschloss) als auch evangelikal ge­prägte For­schungs­ansätze zur Kon­tex­tualisierung (Hiebert, Kraft, Tippett u.a.) in ihrer Bedeutung wahrgenommen und kon­struktiv-kritisch berücksichtigt werden. Jørgensen hält das EIP-Modell zwar als Beschreibung bisheriger Entwicklungen und als hermeneutischen Ausgangspunkt fest, möchte es aber differenzierter im Blick auf unterschiedliche Elemente in­ter­religiöser Beziehungsgeflechte an­wenden. Er erweitert es um den Aspekt der „Mutuality“ (Gegenseitigkeit), der zum Ausdruck bringt, dass die christ­liche Tradition durch die Begegnung mit der nichtchristlichen Kultur bereichert werden kann. Beispielsweise hätten die untersuchten Gruppen die christolo­gi­sche Syntax klassischer westlicher Theo­logie durch den Aspekt der praktischen Jesus-Nachfolge erweitert: „the normat­ive status of Jesus is based on what in the Christian tradition is termed imitatio“ (434). Auch die Abwertung einer „hohen Christologie“ in der pluralistischen Reli­gionstheologie (etwa bei John Hick) stehe im Widerspruch zum Selbst­ver­ständnis der untersuchten christlichen Bewegungen. Sowohl die Imandar als auch die Bhaktas seien christologisch exklusiv und distanzieren sich von ko­ra­nischer Christologie und hinduistischer Kosmologie. Hier werde deutlich, dass „Kontinuität mit der größeren christ­li­chen Tradition voll kompatibel ist mit kontextueller Integration und einer sen­siblen hermeneutischen Haltung anderen Religionen gegenüber“. (Jonas A Jørgenson,Theology of Religions as Interreligious Hermeneutics”, in: Kerygma und Dogma 55 (2009) 117 – 140: 134). Als Ergebnis schlägt Jørgensen einen christo­zen­trischen hermeneutischen Pluralismus („christocentric pluralism“) vor: „In the imandars´and bhatkas´ deeper pluralism existential commitment to Jesus as Christ does not hinder interaction or adoption of other religious traditions. … it is the Christological lens which … facilitates a pluralistic interaction with and directs interpretation of other religious tradi­tions” (434). Fazit: Eine komplexe und innovative Studie, die zum kritischen Mitdenken herausfordert.

Friedemann Walldorf, em 2012-2.

Josua, Hanna (Hg.). Allein der Gekreuzigte. Das Kreuz im Spannungsfeld zwischen Christentum und Islam. Holzgerlingen: Hänssler Verlag, 2002.

Diese von Hanna Josua herausgegebene Festschrift zum 60. Geburtstag von Manfred Bittighofer – heute Pfarrer an der Stiftskirche Stuttgart, zuvor langjähriger Leiter der Missionsschule Unterweissach – umfasst elf Aufsätze zu einem, oder besser gesagt zu „dem“ Zentralthema christlicher Theologie, der Begründung und Bedeutung der Kreuzigung Jesu. Die theologischen Aufsätze und Betrachtungen vergewissern Christen zum einen ihres eigenen Glaubens und beleuchten unter verschiedenen Aspekten das Geschehen der Kreuzigung Jesu als ein für Christen unter keinen Umständen aufgebbares Glaubensgut. Sie befähigen aber auch dort zur klaren Positionierung, wo andere Religionen (wie z. B. der Islam) davon abweichende Erlösungswege entworfen haben oder wo man auch in der Theologie allzu leicht bereit war, den Stolperstein dieses schmachvollen Todes aus dem Weg zu räumen. In den inhaltlich und formal divergierenden Beiträgen wird die Kreuzigung als das eine Ereignis der Weltgeschichte erläutert, durch das all diejenigen Errettung, Vergebung von Schuld, unverdiente Begnadigung, Annahme bei Gott und Gewissheit des Glaubens und des Heils erlangen können, die sich auf Jesu Tod berufen. Es gibt viele Gründe, sich viel mehr für das bisher sträflich vernachlässigte gutnachbarschaftliche Miteinander von Christen und Muslimen einzusetzen. Während das Miteinander vernachlässigt wurde, wurden nicht selten in der Theologie stattdessen dort Kompromisse gefunden, wo sie fundamentale christliche Glaubenswahrheiten betreffen. Ein erfolgversprechenderer Weg des christlich-islamischen Dialogs hätte gerade umgekehrt verlaufen müssen: Während Christen sich ihrer Theologie (auch ihrer Kreuzestheologie) hätten gewiss bleiben können und müssen, hätten sie gleichzeitig das Mitmenschliche mit ihren muslimischen Nachbarn viel stärker leben müssen.

Es gibt Punkte im christlich-islamischen Dialog, bei denen sich die Wahrheitsfrage gar nicht stellt: kulturelle Unterschiede z. B., bei denen die gegenseitige Achtung und der Respekt voreinander die Beziehung bestimmen sollten. Bei anderen Fragen des Dialogs gehen die Positionen auseinander, aber doch nicht so, daß man keine Gemeinsamkeiten als Anknüpfungspunkte mehr finden würde (wie z.B. bei den Pro­phe­ten­er­zählungen in Koran und Bibel). Von den Gemeinsamkeiten ausgehend können in einem ehrlichen Dialog dann auch die Unterschiede benannt werden. Aber dann gibt es auch Positionen im Dialog, die unaufgebbar sind, die zu den Grundwerten und -bestand-teilen des eigenen Glaubens gehören. Ein solcher Grundwert des christlichen Glaubens ist die Kreuzigung Jesu. Die Kreuzigung Jesu ist eine Wasserscheide des christlich-islamischen Dialogs. Sie trennt die kompromisslose, ja empörte Ablehnung der Kreuzigung des Korans und der islamischen Theologie von der biblisch-christlichen Auffassung über das Kreuz als Begründung und Ausgangspunkt der gesamtem christlichen Soteriologie. Bei einer entschiedenen Ablehnung des Kreuzes endet der Dialog nicht selten, bei seiner Annahme findet der Suchende Vergebung und neues Leben. Das Wort vom Kreuz ist und bleibt eine Gotteskraft, die auch heute Menschen verändert und erneuert. Hanna Josua hat mit der Kreuzigung das Fundament und den Anfangspunkt des christlichen Glaubens zum Thema seiner Festgabe gemacht. Wer wäre dazu besser geeignet gewesen als ein im Libanon geborener und in Deutschland lebender Islamwissenschaftler und Theologe, Pfarrer der Evang. Arabischen Gemeinde Stuttgart und Doktorand der Missionswissenschaft - das Kreuz bleibt immer das Zentrum.

Dr. Christine Schirrmacher, em 2003-2.

Jung, Friedhelm. Die deutsche Evangelikale Bewegung - Grundlinien ihrer Geschichte und Theologie. Biblia et symbiotica 8. Verlag für Kultur und Wissenschaft: Bonn, 1994 - 2. Auflage (1. Aufl.: Lang: Frankfurt, 1992).

Jungs Dissertation (Marburg 1991) ist eine gelungene konfessionskundliche Abhandlung über die Evangelikale Bewegung (EB), also keine Selbstdarstellung oder eine kritische Auseinandersetzung mit ihr. Der Ausdruck „evangelikal“ hat sich in Deutschland erst Mitte der sechziger Jahre eingebürgert und ist zur Selbstbezeichnung einer vielfältigen Be­wegung geworden, die Anliegen der Freikir­chen und der Gemeinschaftsbewegung (also der Deutschen Evangelischen Allianz) sowie der Bekenntnisbewegungen miteinander ver­band. Jung, selbst Freikirchler, geht es um die Bewegung mit diesem Namen, er behandelt also den Zeitraum von etwa 1966 bis 1991. Die Wurzeln im angelsächsischen Raum und in den deutschen Erweckungsbewegungen werden dementsprechend im ersten Teil nur kurz skiz­ziert. Im Mittelpunkt stehen die Entwicklung der EB in Deutschland (2. Teil) und ihre theo­logischen Grundpositionen (3. Teil).

Ein Hauptanliegen der EB, auf das ich mich in meiner Kurzbesprechung beschränken will, ist Mission und Evangelisation. Nicht zufällig trägt die „Konferenz evangelikaler Missionen“ (1969, seit 1974 AEM) als erste das Wort „evangelikal“ in ihrem Namen. Angestoßen durch den Weltkongreß für Evangelisation mit Billy Graham 1966 in Berlin gewinnt sie durch die Frankfurter Erklärung und die Lausanner Verpflichtung ihr Profil. Die Freie Hochschule für Mission und der AfeM sind weitere wich­tige Exponenten dieser Richtung. EB und Mis­sion lassen sich nicht voneinander trennen.

Auch bei der Darstellung von Grundpositio­nen evangelikaler Theologie ist das Missionsver­ständnis ein wichtiger Punkt. In Auseinander­setzung mit dem Ökumenischen Rat der Kir­chen wird deutlich, daß „der Bibli­zismus der Evangelikalen … letztlich aus­schlag­gebend für ihr Missionsverständnis (ist). Aus der Bibel aber ersehen sie, daß die Ver­kündigung des Wortes vom Kreuz und der Ruf zur Bekehrung der zentrale Auftrag der christ­lichen Gemeinde ist. Daher wird der Predigt auch grundsätzlich der Vorrang vor der Diako­nie zugesprochen“, ohne die sozial-diakonische Tat für überflüssig zu halten (198f). Die Missi­onstheologie ist heilsgeschichtlich geprägt und wartet auf die Vollendung in der Parusie Chri­sti. Umsichtig werden auch die anderen Teile der EB behandelt, ein besonderer Akzent liegt auf der Auseinandersetzung mit der Pfingst- und der Charismatischen Bewegung.

Insgesamt ist Jungs gut dokumentiertes Buch (S.229-351 Anmerkungen, dann Doku­mente, S.380-400 Literaturverzeichnis) eine wichtige Hilfe, um Verständnis für die EB zu wecken. Also weniger ein Buch für „Insider“, das aber nichtsdestoweniger auch von diesen zur Kenntnis genommen werden sollte.

Dr. Johannes Triebel,em 1996-1.

Kaldewey, Jens. Die Starke Hand Gottes. Der fünffältige Dienst. Schweiz: Oberwenigen. Koinonia- Verlag. Deutschland: Emmelsbüll C&P Verlag. 2001.

In der Kirchen- und Missionsgeschichte tauchen immer wieder biblische Prinzipien und Erkenntnisse auf, die während Jahrzehnten oder auch Jahrhunderte nicht mehr beachtet wurden. Das gilt für die Reformation (Schriftver-ständnis), Täuferbewegung (Freie Gemeindegründungen), Pietismus (Persönliche Frömmigkeit), Heilungsbewegung (Heiligkeit, Heiligung), Pfingstbewegung (Bedeutung des Sprachenredens), Evangelikale Missionen (Glau-bensmissionen), Charismatische Bewegung (Bedeutung der Geistesgaben). Diese Liste ist nicht vollständig.

Die Geschichtsschreiber werden sich bald einmal die Frage stellen: Welches sind die Wiederentdeckungen des Dritten Jahrtausends? Meines Erachtens zeichnet sich bereits ein Trend ab, der erfreulicherweise an verschiedenen Orten der Welt gleichzeitig großen Einfluss gewinnt. Während Jahrhunderten wurde der Begriff Missionar einseitig benutzt. In den letzten Jahren erlebte der Begriff eine positive Erweiterung. Wir sprechen heute von Langzeitmissionaren, Kurzzeitmissionaren, spezialisierte Mission  (z.B Sprachwissenschaftler), Zeltmacher (Missionare die in ihrem Erst- oder Nebenberuf unterwegs sind.) usw. Nun gibt es im angelsächsischen Raum eine Vielzahl von neuen Büchern die im Titel den Begriff Apostel verwenden. Viele Missiologen sind sich einig, dass nicht jeder Missionar ein Apostel ist, aber jeder echte Apostel ein Missionar ist. Auch hier wird je nach Affinität unterschieden: paulinischer, petrinischer, johanninischer Apostel ect. Wo aber sind griffige, biblische Beschreibungen über Wesen, Berufung und Dienst eines Apostels und in welchem Zusammenhang wirkt er mit den anderen Diensten?

Der deutsche Theologe und Seelsorger Kaldewey hat in seinem Buch „Die Starke Hand Gottes“ das Thema aufgegriffen. Ich sehe es als einen mutigen Anfang einer thematischen Auseinandersetzung, um welche die Missionswissenschaft nicht herumkommen wird. Der Untertitel „Der fünffältige Dienst“ weist auf die Schlüsselstelle in Eph. 4.11 hin. Kaldewey beschreibt zuerst sehr illustrativ an Hand der fünf Finger den „Fünffachen Dienst“ der Gemeinde (Apostel, Propheten, Lehrer, Hirten und Evangelisten) um dann auf das Zusammenwirken der Dienste einzugehen.

Die Synergie aus der Zusammenarbeit der einzelnen Dienste lässt erahnen wie viel Segen im Laufe der Jahrhunderte in der Missionsarbeit verloren gegangen ist. Die Wiederentdeckung dieser Wahrheit lässt uns den vielfachen Dienst von Jesus Christus neu aufleuchten. Es schärft unser synopitsches Denken. Der Leser der vier Evangelien erkennt in Matthäus den Apostel, in Markus den Evangelisten, in Lukas den Lehrer und Hirten und in Johannes den Propheten. In der Apostelgeschichte kommen aber diese unterschiedlichen Begabungen dynamisch, teammässig zusammen. Die Missionspraxis, die der Autor als „Non-Resident Missionar“ kennt, fliesst in den Text ein. Kaldewey dient seit acht Jahren mit regelmäßigen Teameinsätzen in Indien, wo durch eine schweizerisch-indische Missionspartnerschaft in acht Jahren die beachtliche Zahl von über 8000 neuen Gemeinden (vorwiegend Hausgemeinden) entstanden sind. Damit eine Umsetzung auch in Europa geschieht, finden sind am Ende jedes Kapitel gezielte Fragen zum Weiterdenken, diskutieren und vertiefen. Kaldewey schreibt aus der Sicht eines Lehrers. Er legt eine wertvolle lehrmäßige Grundlage, die nun praktisch und strategisch durch weitere Autoren vertieft werden muss. Darin liegt der Wert, aber auch die Begrenzung dieses Buchs. Ich warte gespannt auf weitere, deutschsprachige Autoren zu diesem Thema.

Dr. Marco Gmür, em 2002-3.

Kalmbach, Karl. Mit Gott von Mensch zu Mensch. Aus der Geschichte der Liebenzel­ler Mission. Verlag der Liebenzeller Mission: Lahr, 1999.

Rechtzeitig zum 100jährigen Jubiläum er­scheint dieser Sammelband mit Beiträgen zu Geschichte und Gegenwart der Liebenzeller Mission (LM). Karl Kalmbach ist selbst Lie­benzeller Missionar und hat den Stoff nicht nur zusammengetragen und geordnet, sondern auch hier und da engagiert kom­mentiert.

Der erste Hauptteil bringt eine Übersicht über die Entstehungsgeschichte des Werks. Die Gründung wird als Deutscher Zweig der China-Inland-Mission in Hamburg beschrieben, so­dann die Geschichte des Missionsberges in Bad Liebenzell und seiner verschiedenen Häuser angefügt, sowie ein Überblick über die Entste­hungsgeschichte der Liebenzeller Gemein­schaften bis zu ihrem Zusammenschluß zur Süd­deutschen Vereinigung für Evangelisation und Gemeinschaftspflege vermittelt. Beigege­ben ist eine ausführlichere Lebensbeschreibung Pfarrer Hein­rich Coerpers, des Gründervaters des Wer­kes.

Der zweite Hauptteil enthält chronologisch ge­ordnet kurze Beschreibungen der Missionsfel­der der LM. Ausführlicher berichtet wird über die Arbeit in China bis zur erzwun­genen Rück­kehr der letzten Missionare im Jahr 1953. Am Schluß des Länderteils findet sich eine Be­schreibung der Entstehung der LM-Internatio­nal, die im Jahr 1987 aus dem Zusammen­schluß der verschiedenen ausländi­schen Zweige des Werkes hervorging.

Unter den verschiedenen Beigaben am Ende des Buchs ist besonders eine ausführliche Zeittafel hervorzuheben, die dem Verständnis der geschichtlichen Zusammenhänge sehr för­derlich ist. Dem an der Geschichte der sog. Glaubensmissionen interessierten Leser wird vor allem der bei der LM deutlich sichtbare Zusammenhang zwischen dem Aufbruch in die Weltmission und der Erweckung im eigenen Land auffallen. Auch die Darstellung des Wi­derstandes nicht nur von kirchlicher, sondern auch von pietistischer Seite gegen das junge Werk, dem das Geschmäcklein, eine engli­sche Mission zu sein, anhaftete, gibt zu den­ken.

Was im Buch leider zu kurz kommt, ist die Darstellung und Begründung der Entwicklung des Zweiges der China-Inland-Mission zum ei­genständigen Missionswerk. Der mit vielen In­formationen gefüllte Sammelband leidet zudem an einigen chronologischen Vorgriffen und Rückblenden, die dem Rezensenten das Ver­ständnis eher erschwert haben.

Martin Till, em 2000-1.

Kamphuis, Martin. Ich war Buddhist - Das Ende einer Pilgerreise. Brunnen: Basel, 2000.

Martin Kamphuis, gebürtiger Niederländer, zählte sich noch vor einigen Jahren zu den Anhängern des Buddhismus. Wie er selbst Buddhist wurde, schließlich aber über einige Umwege den Weg zu Christus fand, beschreibt er in dem vorliegenden Buch. In Kamphuis begegnet einem ein Mensch, der auf der Suche war - auf der Suche nach Sinn im Leben, einer höheren Macht, nach dem Übernatürlichen, aber auch nach scheinbar so unbedeutenden Dingen wie klaren Regeln. Nach seinem Abitur beginnt diese – damals sicher unterbewusste – Suche, die sich schließlich über mehrere Jahre erstrecken sollte. Im Buddhismus scheint er die obigen Dinge gefunden zu haben, aber nach und nach – und ohne dieser Lehre offiziell den Rücken zuzukehren – schließt er sich der New Age-Bewegung an, wo er seine jetzige Frau Elke kennenlernt. Bei einer gemeinsamen Weltreise lernen sie überzeugte Christen kennen. Was sie an diesen Leuten begeistert und neu ins Fragen gebracht hat, sollte einen nachdenklich werden lassen: Es war nicht ein „perfekter“ Gottesdienst o.ä., sondern schlicht und ergreifend deren lebendige Beziehung zu Jesus Christus.

Interessant ist, daß in dem Lebensbericht von Kamphuis deutlich wird, dass vor allem die Mischung von buddhistischer Lehre und westlichem Lebensstil – eine Mischung, die der ursprünglichen buddhistischen Lehre nicht unbedingt gerecht wird – besonders attraktiv für die Menschen des Westens ist, die schnell und relativ einfach – ohne Einbuße westlicher Genuss-Gewohnheiten – zur Erleuchtung gelangen möchten. Sicher ebenso interessant ist der Vergleich zwischen christlichem Glauben und Buddhismus, der im Laufe des Berichts immer wieder zum Ausdruck kommt.

Eine flüssig geschriebene Lektüre, gut geeignet als Einstieg in die Thematik des Buddhismus und des New Age aus der Sicht eines Menschen, der sowohl Buddhismus und New Age als auch den christlichen Glauben kennengelernt hat. Etwas zu vermissen ist jedoch eine stärkere analytisch-kritische Bewertung, bzw. Einschätzung des Ganzen.

Nicole Grau, em 2003-1.

Kasdorf, Hans. Design of my Journey: An Autobiography, Fresno: Center for Mennonite Brethren Studies / Nürnberg: Verlag für Theologie und Religionswissenschaft, 2004.

Der Missionswissenschaftler Hans Kasdorf hat auch im deutschsprachigen Raum durch Veröffentlichungen, Vorträge, Vorlesungen und persönliche Begegnungen der evangelikalen Missionswissenschaft prägende Impulse gegeben. Von 1994 bis 1998 baute er in seinem „Ruhestand“ die Abteilung für Missions-wissenschaft an der Freien Theologischen Akademie in Gießen auf. Die hier vorliegende Autobiographie entsprang vor allem den Bitten der Kinder von Hans und Frieda Kasdorf. Erfreulicherweise liegt sie nun – in englischer Sprache auch einem weiten Leserkreis vor. Zur besonderen Herausforderung dieses literarischen Genres schreibt Kasdorf: „Ich habe keine These zu beweisen, kein Problem zu lösen, keine durchgängige Handlung zu entwickeln und keinen Spannungsbogen aufzubauen. Ich habe nur eine Geschichte zu erzählen von meinem Leben, das sich in Form von Geschehnissen in Zeit und Raum entfaltet“ (S. xvi). Die Geschichte, die erzählt wird, ist allerdings sehr wohl spannend und umspannt dabei weite geographische, kulturelle, zeit-geschichtliche Räume, bedeutungsvolle Themen und tiefgehende Reflexionen.

Die Geschichte beginnt in der Steppe Sibiriens, wo Kasdorf 1928 als jüngstes Kind einer russlanddeutschen Mennonitenfamilie geboren wurde. Der Autor entfaltet seinen Bericht in fünf Teilen. Den ersten Teil überschreibt er mit „Providence and Provision (1928-1930)“ und berichtet, wie sich die elfköpfige Familie 1929 dem großen mennonitisch-deutschen Flücht-lingsstrom anschloss, der durch die stalinis-tischen Verbrechen gegenüber der Landbe-völkerung und den Christen ausgelöst worden war. Die entbehrungsreiche Flucht führte über Moskau, die Ostsee, ein Flüchtlingslager in Mölln/Schleswig-Holstein und den Atlantik schließlich bis in den Urwald Südbrasiliens. Dort in der abgelegenen Hanglandschaft des Oberen Krauelflusses beginnen Kasdorfs eigene Erinnerungen, die er im zweiten Teil, „Formative Years of Childhood and Youth (1930-1949)“, liebevoll und nüchtern schildert. Höhepunkt dieses Teils ist der Bericht über seine persönliche Umkehr zu Jesus Christus im Rah-men einer Erweckungsbewegung in der Siedler-gemeinschaft, die dem jungen Mann im geistlichen wie auch im umfassenden Sinne neue Perspektiven und schließlich auch den Weg zu einer theologischen Ausbildung in Kanada eröffnete.

Im dritten Teil, „Learning the ABC of My Life´s Mission (1949-1962)“, erzählt Kasdorf von den intensiven Jahren der nachgeholten High-School, Bibelschul- und Collegeausbildung in Kanada, der Heirat mit Frieda Reimer und dem missionarisch orientierten Dienst als Pastor einer Mennonitengemeinde im brasilianischen Blumenau. Eine Krebserkrankung Kasdorfs zwingt die junge Familie zur Rückkehr nach Kanada, wo eine erfolgreiche Behandlung zur Heilung führt. Um besser für den Dienst in der Weltmission gerüstet zu sein, entscheidet sich das Ehepaar Kasdorf für eine „Detour in Academia (1962-1978)“, von der Teil IV berich-tet. Unterstützt durch seine Frau Frieda und durch eigene Teilzeit-Jobs und Predigtdienste erwirbt Kasdorf an der University of Oregon einen Magisterabschluß in Sprachwissenschaft (Deutsch, Portugiesisch, Spanisch) und lehrt dann elf Jahre lang bis 1978 als Dozent für Sprachen vollzeitlich am Fresno Pacific College. Parallel entwirft und leitet er seit 1973 das Programm für Aus- und Weiterbildung für Missionare (Church Mission Institut) der Men-noniten-Brüdergemeinden und verfolgt seine eigene Weiterbildung in Theologie und Missio-logie, die er 1976 mit einer Promotion über Gustav Warneck an der School of World Mission in Pasadena abschließt. Diese Mehrfachbelastung stellt für die inzwischen fünfköpfige Familie eine immense Herausforderung dar.

Im letzten Teil, „On the Missiological Service Road (1973-2003)“, der in gewisser Weise den Höhepunkt der bisher geschilderten Lebens- und Glaubensreise darstellt, entfaltet und reflektiert der Autor seinen nun vollzeitlichen Dienst als „Missionar an Missionaren“ (vgl. Kasdorfs Beitrag in der FS L. Käser, 2003): den Wechsel vom College ans Mennonite Brethren Biblical Seminary in Fresno, wo er fünfzehn Jahre als Professor für Missionswissenschaft lehrt, den vielfältigen missiologischen Reise-Dienst in Südamerika und Deutschland, eine weitere Promotion unter D. Bosch in Südafrika, den erwähnten Aufbau der Abteilung Missionswissenschaft an der FTA in Gießen, aber auch das Ringen mit Krankheit und Begrenzung durch zwei Herzoperationen und die Auseinandersetzung mit dem „rite de passage“ der Pensionierung.

Diese Autobiographie ist ein Buch mit großem menschlichen und geistlichen Tiefgang. Beim Lesen wird neben dem theologischen und missiologischen auch der Hintergrund des Autors als Sprach-und Literaturwissenschaftler deutlich. Er erzählt humorvoll und realistisch, bisweilen poetisch verdichtet, beobachtet psychologisch scharf und liebevoll und setzt sich dabei immer wieder mit wichtigen mensch-lichen, geistlichen und missiologischen Fragen auseinander, die unlösbar ineinander verworben sind: Berufung, Bekehrung, Führung, Migration, Kultur, Identität, Sprache, Familie, Beziehungen, Gemeinde, missionarischer Dienst, missiologische Arbeit und Lehre und den Umgang mit den Freuden, Enttäuschungen und Nöten des Lebens im Vertrauen auf Gott. Das Buch wird gut ergänzt durch einen dokumentarischen Foto-Teil, aufschlussreiche Karten, eine Bibliographie, einen Glossar zu deutschen, plattdeutschen, portugiesischen oder russischen Begriffen und einen hilfreichen Index. Diese Autobiographie ist eine inspirierende, ermutigende und zum Nach-denken anregende Lektüre (nicht nur) für Missiologen, Missionare und Pastoren.

Dr. Friedemann Walldorf, em 2007-1.

Kasdorf, Hans. Die Umkehr. Bekehrung in ihren theologischen und kulturellen Zusam­menhängen. Logos: Bielefeld, 1989.

Bekehrung ist nach wie vor ein Reizwort in der missionstheologischen Diskussion. Deshalb ist Kasdorf, Dozent am Seminar der Mennoniten-Brüdergemeinden in Fresno, CA, USA, zu danken, daß er dieses Thema erneut aufgreift. Zunächst zeichnet er den biblischen Befund nach. Bekehrung ist Befreiung von Sünde und Hinkehr zu Jesus Christus. Das Wort „Bekeh­ren“ wird aber in der Regel nicht transitiv ge­braucht. „Daher meint Bekehrung ‚sich bekeh­ren’. Dabei ergreift Gott die Initiative“ (23). Das Verhältnis von Bekehrung als der menschlichen und Wiedergeburt als der göttli­chen Seite desselben Geschehens im Menschen wird erörtert. Beim Problemfeld Taufe und Be­kehrung kann ein lutherischer Rezensent frei­lich dem mennonitischen Autor nicht in allem folgen. (Taufe ist für mich nicht nur Bestäti­gung des Bekenntnisses des Täuflings durch die Gemeinde [180], sondern immer Handeln Gottes am Menschen.) Voll unterstreichen möchte ich dagegen Kasdorfs Grundanliegen: „Eine biblische Bekehrungsbotschaft geht von der Gemeinde aus, ruft zur Entscheidung (für Christus) und Nachfolge (Christi) und führt in die Gemeinde hinein.“ (175) In diesen Kontext gehört auch für Kasdorf die Taufe, so daß die Trias Bekehrung, Taufe und Leben in der Gemeinde eine unlösbare Einheit bildet. Das unterstreichen die Kap.11-13.

Für die missiologischen Aspekte des The­mas sind die „psychologischen Erwägungen“ (Kap.6) und die „Erörterungen zum Kultur­wandel“ von besonderer Bedeutung. Denn die Psychologie hilft, die menschliche Seite des Vorgangs der Bekehrung zu verstehen und ver­schiedene Typen der Bekehrung aufgrund der individuellen Persönlichkeitsstruktur zu unter­scheiden, weshalb es keine einheitlichen Sche­mata geben kann und darf. Auch die kulturelle Prägung des menschlichen Kontexts darf nicht übersehen werden. „Der Mensch bekehrt sich in seinem jeweiligen Kulturmilieu“ (128). Die Kultur wird nicht individuell vererbt, sondern von jedem neu erlernt, damit ist sie wandelbar. Sie ist an sich weder gut noch schlecht, sondern neutral. Dieser Kultur bedient sich Christus (Inkarnation!), um den Menschen zu erreichen.

Da Bekehrung das Wertesystem des Men­schen ändert, ist sie ein Faktor, der zum Kul­turwandel beiträgt, wie Kasdorf anschaulich beschreibt (Kap.8). Unter Berücksichtigung der kulturellen Gegebenheiten kann der ver­meintliche Gegensatz von Einzel- und Mas­senbekehrung aufgehoben werden. Kasdorf spricht hier treffend von multipersonaler Bekehrung. Auch die „Bekehrung im Generati­onswandel“ wird behandelt. Weil jede Genera­tion ihre eigene Bekehrungserfahrung braucht, muß sich die missionarische Verkündigung be­sonders auch der „zweiten Generation“ widmen
und nach ihr gemäßen Formen suchen. Somit gibt Kasdorf wichtige Anregungen für eine missionarische Praxis, die auf Bekehrung im Kontext der Gemeinde als ihrem Ziel nicht verzichten will.

Insgesamt ist Kasdorfs Buch ein anschauli­ches Beispiel dafür, daß missiologische Arbeit neben der Theologie gerade auch psychologi­sche, soziologische und anthropologische Ge­gebenheiten (vgl.110), die die Kultur und damit das Lebensgeflecht des Menschen aus­machen, berücksichtigen muß.

Johannes Triebel, em 1994-1.

Kasdorf, Hans. Die Umkehr: Bekeh­rung in ihren theologischen und kul­turellen Zusammenhängen, Borken: Agape Verlag, 2011.

Dieses Buch gibt Antwort auf viele Fragen, die im Zusammenhang mit dem biblischen Begriff Bekehrung immer wieder gestellt werden. Der Verfasser macht nicht nur deutlich, in welchem Umfeld die Umkehr (Synonym für Bekehrung) sich ereignet, was die Bibel darunter versteht und welche Verän­de­rung beim Bekehrten durch sie ge­schieht. Er gibt auch Einblick in die damit verbundenen psychologischen und kulturhistorischen Zusammenhänge.

Diese biblisch-gründliche und missio­logisch-weitsichtige Arbeit des be­kann­ten mennonitischen Theologen ist aus­gewogen und umfassend zugleich. Gezeigt wird, wie sich Menschen in Russland, in Deutschland, in Brasilien u.a. Ländern dieser Erde bekehren. Im ganzen Werk geht es darum – das wird der Leser bald feststellen –, dass laut Hei­liger Schrift der Mensch sich durch Jesus Christus und dem Wirken des Heiligen Geistes zu Gott von den Abgöttern bekehrt (1Thess 1,9). Das ist Gebot und Angebot unseres großen und gnädigen Gottes.

Der Autor schreibt nicht vom grünen Tisch theologische Lehrsätze zum biblischen Thema Be­kehrung. Für ihn ist die Umkehr der Menschen zu Gott ein Herzensanliegen. Er schreibt 1989 zum Erscheinen der ersten Auflage dieses ekklesiolosch-missiologischen Werkes: „Darum habe ich darüber geschrieben, referiert und es mit Kollegen in ver­schiedenen Ländern im kirchlichen und missionarischen Kontext diskutiert. Da­bei machte ich die Feststellung, dass der Begriff ,Bekehrung’ für manche zu ei­nem fast gesetzlichen Lehrsatz geworden ist, andere verstehen ihn als praktische Erfahrung der Errettung von Sünde, während einige ihn pauschal als ver­altetes theologisches Reizwort ab­werten. Bekehrung steht aber nie allein. Sie wird immer in Zusammenhang mit Buße, Wiedergeburt, Vergebung und Ver­söhnung erlebt.” (S. 13).

Als Erfahrungs­prozess findet sich die Umkehr zwischen Buße und Wieder­geburt, das heißt sie hat eine mensch­liche und eine göttliche Seite. Diese Wahrheit wird biblisch fundiert im 1. und 4. Kapitel belegt (S. 27).

Kasdorf wird dem Untertitel des Buches: „Bekehrung in ihren theologischen und kulturellen Zusammenhängen“ gerecht. Das geschieht indem er in Kapitel 3 und 4 ein gründliches biblisches Wortstudium betreibt. Weiter findet er seine Beispiele von Bekehrung in Menschen, denen er persönlich begegnet ist und die er erzählen lässt, wie sie zum Glauben gekommen sind. Es sind Menschen in unterschiedlichen Kulturen und Berufen: ein Missionsarzt in Paraguay, ein junger Marxist in der Sowjetunion, ein Weber in Brasilien, ein Psychiater in Japan, ein Autor in Deutschland und andere mehr. Sie alle erleben eine Umkehr zu Gott, aber auf verschiedene Weise.

Dem Gedanken von der Beziehung zwischen Bekehrung und Kultur wird viel Raum gewidmet. Was unter Kultur verstanden wird, zeigt er in Kapitel 8. Der Mensch bekehrt sich in seinem jeweiligen Kulturmilieu oder im Milieu seiner Subkultur (S.128). In Bezug auf die ethischen Aspekte der Kultur schreib Kasdorf, dass, obwohl die Kultur grundsätzlich neutral ist, „der Mensch und seine Kultur erlösungsbedürftig” sind (S.129). Deshalb kann der Gläubige sich nicht der Kultur ganz anpassen. Bekehrung hat auch eine anthro­po­logisch-theologische Beziehung zur Kul­tur (S: 119). Die Sünde als Trennungs­ursache des Menschen von Gott wirkt sich beim Menschen, wenn er den Bekehrungsruf hört (und manchmal schon früher), ganz verschieden aus: als Schuldgefühl, als Schamgefühl oder auch als ein Leben in Angst, je nachdem in welchem Kulturmilieu er sich be­findet. Es ist wichtig, dass der Verkün­diger der Frohen Botschaft dafür Verständnis hat und es berücksichtigt, wenn er den Menschen zu einer wirkungsvollen Bekehrung führen will.

Immer wieder unterstreicht der Autor, dass die Sünde von Gott und Mensch trennt. Ebenso betont er, dass die neu­testamentliche Umkehr nach Gottes Ab­sicht die Versöhnung als Ziel hat. Der Bekehrte ist mit Gott versöhnt und ist dadurch in den Stand versetzt, sich mit seinem Nächsten zu versöhnen. Ist die Bekehrung echt, wird der Gläubige versöhnend mit seiner Umwelt leben.

Abschließend ist zu erwähnen, dass der Verfasser seinem Werk mit dem 10. Kapitel „Bekehrung im Generations­wandel“ einen außergewöhnlich wich­ti­gen Beitrag gegeben hat. In der Be­hand­lung der Fragen „Was ist erste Ge­ne­ration? Was ist eine zweite Generation?“ werden hilfreiche Antworten gegeben. Wenn nicht eine dauernde Offenheit für das Wirken des Geistes gewährleistet ist, kommte es zu einer zweiten Generation, in der der wahre Glaube aus persönlicher Bekehrungserfahrung immer seltener wer­den kann. Im schlimmsten Fall kommt es zum Gewohnheitschristentum mit „biologischer Naturgeburt ohne bib­lischer Wiedergeburt“. Deshalb braucht – wie Johannes Triebel sagt – „jede Gene­ration eine eigene Bekeh­rungs­er­fah­rung”. [Johannes Triebel, Bekehrung als Ziel der missionarischen Verkündigung: Die Theologie Walter Freytags und das ökumenische Gespräch. Verlag der Ev.-Luth. Mission (1976), S. 147.]

Hans Kasdorf verstarb am 26. März 2011. Zuvor hatte er seine Zustimmung zur Wiederauflage seines Werkes gegeben – zu unserm Besten.

Dr. John N. Klaasen, em 2013-4.

Kasdorf, Hans. Gustav Warnecks missiologisches Erbe. Eine biographisch-historische Untersuchung. Gießen: Brunnen, 1990.

Einen Brückenschlag zwischen Deutschen und Angelsachsen versucht diese 1976 an der School of World Mission des Fuller Theological Seminary angenommene, für den Druck überarbeitete Dissertation. Der mennonitische Missionswissenschaftler rußlanddeutscher Ab­stammung, Hans Kasdorf, (geb. 1928) unter­sucht als einer, der in den USA ausgebildet wurde und bisher auch dort lehrte, den Begrün­der der Missionswissenschaft, Gustav Warneck (1834-1910). Seit „dem Bruch zwischen Kontinental-Europäern und Angelsachsen“ nach 1910 hat sich, mit Ausnahme einzelner Über­setzungen, „niemand aus angelsächsischer Perspektive“ mit ihm beschäftigt. Deshalb ist es, ganz abgesehen vom inhaltlichen Gewicht des Buches, bedauerlich, daß es bisher nicht auf die ihm gebührende Beachtung gestoßen ist.

Auf den ersten 50 Seiten stellt Kasdorf die Biographie Warnecks und sein literarisches Lebenswerk dar. Der einstige Nadlergeselle, dessen Traum vom Missionarsberuf sich zer­schlagen hatte, beschloß sein Leben als Mis­sionsprofessor und führende Autorität der Mis­sionswissenschaft seiner Zeit, nachdem er die längste Zeit seines Lebens Pfarrer gewesen war. Das verdankt er zum großen Teil seiner 1874 gegründeten monatlichen „Allgemeinen Missions-Zeitschrift“ (AMZ) und der Synthese der missiologischen Erkenntnisse seiner Zeit in einem einheitlichen Entwurf auf biblischer Grundlage, seiner mehrbändigen „Missionsleh­re“ (1892-1903). Kasdorfs Darstellungen regen zum Nachforschen in diesen Fundgruben an.

Weitere 76 Seiten sind der Beziehung War­necks zu 20 Einzelpersonen gewidmet, die als seine Lehrer oder als Missiologen alter Schulen einen Einfluß auf ihn hatten oder unmittelbar mit ihm zusammenarbeiteten (Grundemann, Christlieb, Zahn, Buchner, Richter und War­necks Sohn Johannes). Kasdorfs Leistung in diesem Abschnitt ist ein wesentlicher Beitrag zur Geschichte der Missionswissenschaft (vgl. Gensichens Urteil über die gesamte Untersu­chung, IRM 80[1991],443f). Im Sinne des Brückenschlags besonders interessant ist das Kapitel über den Einfluß angelsächsischer Missionstheorie (Venn/Anderson) auf War­neck, seine Auseinandersetzung mit Mott und die Beeinflussung durch J. Pearsall-Smiths Heiligungstheologie. Der Einfluß der Heili­gungstheologie hielt nur einige Jahre nach Wamecks Teilnehme an der Konferenz von Brighton 1875 an und verhinderte nicht, daß er einer der vehementesten Kritiker der zu seiner Zeit aus der Heiligungsbewegung entstehenden „Glaubensmissionen“ wurde. Dies genauer zu erforschen, überstieg den Rahmen von Kas­dorfs Arbeit.

Die folgenden 151 Seiten über die Missiolo­gie Warnecks bilden den Hauptteil des Buches und befassen sich in sechs Kapiteln mit alt-und neutestamentlichen, sowie ethnotheologi
schen Grundlagen, mit Ekklesiologie, Wesen und Struktur der Mission und der Zentralauf­gabe des Jüngermachens. Hier wird nun am deutlichsten, daß Warneck einer vergangenen Epoche angehörte, was eine direkte Übernahme seiner Erkenntnisse in vielen Einzelheiten und manchen Grundlagen verhindert. Dennoch fin­det Kasdorf viele Übereinstimmungen mit der unabhängig von Warneck entstandenen School of World Mission von McGavran, denen er sein abschließendes Kapitel widmet. Der Rezensent war u.a. vom Festhalten Warnecks an der Dringlichkeit und Gültigkeit des Missionsbe­fehls, sowie von seinem unermüdlichen Erinnern an die Missionspflicht der Kirche beeindruckt. 110 Seiten Fußnoten, 53 Seiten Bibliographie und ein Register dokumentieren die Gründlichkeit der Arbeit. Ein Wunsch an das Verlagslektorat: weniger Druckfehler und Fußnoten tatsächlich am „Fuß“ der Seiten. Dies soll jedoch nicht die inhaltliche Empfehlung des bisher umfassendsten Werkes über Warneck schmälern, an dem keiner, der sich auch nur ein wenig für die Geschichte der Missionswissenschaft interessiert, vorbeigehen kann.

Christof Sauer, em 1993-3.

Kasdorf, Hans; Friedemann Walldorf (Hg.). Werdet meine Zeugen: Welt­mission im Hori­zont von Theologie und Geschichte. Hänssler Theologie. Hänssler: Neuhausen, 1996.

Seit die Missionswissenschaft letztes Jahr­hundert als eigenständiges theologisches Fach entstand, gibt es die Diskussion, ob es nicht besser wäre, auf dieses Fach zu verzichten, da doch die gesamte Theologie der Ausbreitung des Evangeliums dienen solle und das Fach Missiologie ande­ren Disziplinen nur zu leicht als Alibi diene, selbst nicht auf Mission ein­gehen zu müssen. Und tatsächlich fristet die Missiologie an manchen Ausbildungsstätten ein Außenseiterdasein, da Dogmatiker, Neutesta­mentler und Kirchengeschichtler die Bedeutung der weltweiten Ausbrei­tung der Gemeinde Jesu in Geschichte und Gegenwart einfach ignorieren.

Da ist es erfreulich, daß die Freie Theologi­sche Akademie (FTA) in Gie­ßen mit gutem Beispiel vorangeht und ihren ersten Sammel­band mit ver­schiedenen Beiträgen aus der Fe­der ihres Lehrkörpers dem Thema Mis­sion widmet und damit den Beweis erbringt, daß die zwölf mitwirkenden Dozenten alle etwas zur Mission zu sagen haben, natürlich aus dem Blickwinkel ihres jeweiligen eigenen Faches. Dadurch wird auch unterstri­chen, daß die Fä­cheraufteilung nicht zu einer Zersplitterung des Glaubens führen darf, sondern die Fächer am Ende immer wieder ganzheitlich zusammenge­führt werden müssen.

Da finden sich zunächst einige Beiträge der beiden das Buch herausge­benden Missionswis­senschaftler Hans Kasdorf und Friedemann Walldorf, und zwar zum Missionsverständnis überhaupt, zum Missionsverständnis der Täufer im 16. Jh. und zum Aufbruch der evangelikalen Missionsbewe­gung in der 2/3 Welt. Der Altte­stamentler Richard Schultz schreibt über Mis­sion im Alten Testament, besonders bei Jesaja, die Neutestamentler Armin D. Baum und Eck­hard Schnabel über die Bedeutung der Mission bei Jesus und in den Evangelien, besonders bei Lukas. Der Dogmatiker Bernhard Kaiser stellt die Aufgabe des Heiligen Geistes in der Mis­sion dar, sein Kollege Lothar Gassmann be­leuchtet das Verhältnis von Mission und Eschatologie. Der Kirchenhistoriker Lutz E. von Padberg untersucht das Missionsverständ­nis der Germanenmissionare im Frühmittelalter und sein Kollege Stephan Holthaus untersucht, welche Rolle die Bibel und das Bekenntnis zu ihrer Unfehlbarkeit für die im 19. Jahrhundert entstan­denen Missionsgesellschaften hatte. Der praktische Theologe Helge Sta­delmann belegt, daß Gemeindebau das Ziel aller Missionsarbeit ist, sein Kollege James Anderson beschreibt das Verhältnis von Jesus und seinen Jüngern als Muster für jede missionarische Schulung – ein ausge­zeichneter Beitrag, an dessen Forde­rungen (s. bes. S.161: „In christlichen Ausbil­dungsstätten sollte die breitgefächterte Ausbil­dung mit Jünger­schaftsschulung verbunden sein“) sich alle theologische Ausbildung mes­sen sollte.

Es wird deutlich, daß der Band sich insge­samt mehr mit der theoreti­schen Grundlegung der Mission beschäftigt, weniger mit der prak­tischen Umsetzung der Mission im Missions­land und deswegen die überall glei­che lehrmä­ßige Begründung der Mission anspricht, nicht die von Land zu Land, Kultur zu Kultur und Missionsgesellschaft zu Missionsgesellschaft verschiedene Art der Verkündigung des Evan­geliums. Aber kein Band zur Mission kann auch nur annähernd alle wichtigen Themen an­sprechen und in unserer theologischen Land­schaft in Deutschland muß angesichts der libe­ralen Verneinung des Missionsauftrages die Grundsatzdebatte zu­erst geführt werden. Die Bibelkritik ist nicht nur an sich abzulehnen, sondern auch wegen ihrer verheerenden Kon­sequenzen, die sie für Evan­gelisation und Weltmission hat, wie Peter Beyerhaus jüngst im ersten Band seiner Missionstheologie mi­nutiös aufgezeigt hat, wobei sein eigener Lehr­stuhl in Tübingen nach seiner Eremitierung wohl selbst im ‘konservativen’ Tübingen ein­fach wegrationalisiert wird. Oft wird der schleichende Einfluß bibelkritischer Ideen auch in evangelikalen Ausbil­dungsstätten zuerst daran deutlich, daß der missionarische Schwung verloren geht. Die FTA hat mit ihrem Sammelband gezeigt, daß im Um­kehrschluß wirklich bibeltreue Ausbildung automatisch auf Mission hin drängt, denn wer könnte der Bibel ‘treu’ gegenüber sein, der ihr eigentli­ches Zentrum hintanstellt, daß der Messias Jesus Christus am Kreuz zur Vergebung der Sünden starb und diese frohe Botschaft allen Menschen und Völkern verkündigt werden muß?

Dr. Thomas Schirrmacher, em 1998-2.

Käser, Lothar. Animismus. Einführung in die begrifflichen Grundlagen des Welt- und Men­schenbildes traditionaler (ethnischer) Gesell­schaften für Entwicklungshelfer und kirchli­che Mitarbeiter. Bad Liebenzell: Verlag der Liebenzeller Mission & Erlangen: Erlangener Verlag für Mission und Ökumene, 2004.

,idea’ hat kürzlich zu Recht den Mangel an evangelikalen Vordenkern beklagt. Für ganze Wissens­zweige fehlen uns oft diejenigen, die diese Lebens­oder Forschungsbereiche durchdringen, aufarbei­ten und bei der Formulierung Alternativen schaf­fen, an der sich sowohl die evangelikale Welt aus­richten, als auch an denen die säkulare Welt nicht vorbeigehen kann. So freue ich mich, mit diesem Buch einen neuen Wurf eines solchen Vordenkers vorstellen zu können. Schon mit seinem Buch „Fremde Kulturen“, auf dem das vorliegende Buch aufbaut, hatte Lothar Käser unter Beweis gestellt, wie breit sein ethnologisches und menschliches Wissen ist und wie fruchtbar es ist, wenn Christen diese Welt .verstehen’. Dass es daneben rein sprachlich ein Genuss ist, dieses ,Lehrbuch“ (S. 7) zu lesen und der Autor ein langjährig erfahrener Pädagoge ist, von dem man sich geradezu gerne belehren lässt, ist mir bei Lothar Käser fast schon zur Gewohnheit geworden. Was hätte ich in meinem eigenen Studium der Ethnologie und Volkskunde gegeben, wenn es solche Literatur von Christen gegeben hätte, die sowohl einfühlsam und verständlich die Lebens­welt anderer Kulturen beschreibt und einen Über­blick über Berge von Fachwissen verschafft. Als ich etwa 1979 in Indonesien am Vulkan Bromo jetzigen und früheren Riten der Besänftigung des Vulkans nachging und versuchte herauszufinden, ob es dort Menschenopfer gegeben hatte („Der Mythos vom Kannibalismus“) oder 1987 die java­nische Mystik als eigentliche Volksreligion javani­scher Muslime studierte („Javanische Mystik“), hätte mir dieses Buch vorab viel zu geben gehabt, was ich mir mühsam selbst aneignen musste oder nicht aneignen konnte. Meine Untersuchung des Drogengebrauchs der Schamanen bei den Siona 1986 begann mit grenzenlosem Unverständnis und Käsers Buch hat noch im Nachhinein manches Aha-Erlebnis bei mir ausgelöst (,Jdalluzinogenen bei den Westtukanischen Siona in Nordwestamazonien“). Was Käser über ,Das höchste Wesen“ (S.166-171) zusammenfasst, fand ich eindrücklich in Afrika bestätigt (,Afrikanische Urzeitmythen“; alle meine Beiträge in ,Völker - Drogen - Kanni­balismus’, VKW Bonn 1997). Es gibt in der Regel nur ein einziges höchstes Wesen, das gutartig, wei­se und uralt ist, aber auch untätig und im alltägli­chen Leben keine Rolle spielt. Nicht zuletzt gehört aber die Diskussion von „Mana“ (S.71-99) zum Besten, was ich je dazu gelesen habe. Mana ist nicht nur Macht und Kraft, sondern auch Autori­tät, Status, Glück“ (S.73), ja Charisma (S.75). Gebete werden in ihrer Wirkung als Mana verstan­den (S.75), wer Mana hat, ist tabu (S.76). Mana hat „keinen personalen Charakter“ (S.79). Da musste ich doch schnell zu meinem eigenen Arti­kel „Mana“ im Evangelischen Lexikon für Theo­logie und Gemeinde (1993) greifen und mir die Note 2-3 geben. Nicht grundsätzlich falsch, aber doch etwas zu wesüich verstanden. Käser wird wie jeder gute Vordenker auch zum Sprachschöpfer. Zu Recht warnt er davor, im Be­reich des Animismus von „Seele“ oder „Geist“ zu sprechen, weil dabei immer unterschwellig westli­che Bedeutungen Pate stehen. So schlägt er statt­dessen für den Animismus treffend den Ausdruck „geistartiges Doppel“ (S. 109-114) vor und be­merkt, dass gerade hier die bisherige ethnologische Forschung wenig Brauchbares geleistet hat und großer Forschungsbedarf besteht (S.114.118-119). (Interessant wäre eine englische Entsprechung dafür.) Ebenso führt er den Begriff „SEIC“ (S.181-191) aus den Anfangsbuchstaben von „Sitz der Emotionen, des Intellekts und Charakters“ ein, der mit „Gewissen, Über-Ich oder Ich-Ideal“ (S.181) gleichzusetzen ist.

Was aber ist nun Animismus? „Die Fülle der Ein­zelaspekte“ – so Käser – erlaubt eine griffige De­finition von Animismus nicht, ja der Begriff ,Animismus’ bleibt ein Notbehelf, für den es nur keine Alternative gibt. Zentral ist für den Animismus, dass „geistartige Dinge und Wesen im Kosmos in der Oberzahl“ zu sein scheinen und in einer „nahe­zu idealen“ Welt leben (alles S.321), während die materiellen Dinge und Wesen „eine störanfällige und vergängliche Welt“ bilden. Zum Menschen­bild gehört, dass dem materiellen Körper im Die-seits ein geistartiges Doppel im Jenseits entspricht. Auf die jenseitige Welt können nur Spezialisten zugreifen. .Sünde’ hat nur Folgen in Unheil, Krankheit und Tod für die materielle Welt (alles S.322). So sehr dies alles so klingen mag, als lebten Animisten vor allem im und für das Jenseits, ist ihre Weltanschauung gerade „wesentlich Dies­seitsorientierung“ und alles dient der „Sicherung der Existenz im Diesseits“ (S.322-323). So sehr Käser zunächst nur den Animismus aus sich selbst heraus darstellen will, so sehr finden sich für den Missionar doch ganz organisch we-senffiche Hinweise für den Umgang mit Animisten und für die Verkündigung. Das gilt sowohl dort, wo Welt- und Menschenbild des Animisten biblischen Sachverhalten näherkom­men, als das der wesÜichen Welt (etwa beim Rechnen mit einer .unsichtbaren’ Wirklichkeit, bei der Existenz eines höchsten Wesens oder dem Be­wusstsein, dass Gruppen ein gemeinsames Schick­sal haben), als auch dort, wo sich Kluften zwischen Animismus und biblischer Offenbarung auftun (etwa wenn Sünde keine Folgen im Jenseits hat, sondern nur im Diesseits oder bei der Untätigkeit des höchsten Wesens; vgl. dazu Philip Steyne. Machtvolle Götter. Bad Liebenzell: VLM 1993 S.160-161). Es wäre sehr interessant, der Frage nachzugehen, wo Animisten biblischen Sachver­halten näher stehen als aufgeklärte Westler. Allerdings will Käser mit seinem Buch zunächst gerade nicht die missionarische .Brille’ schärfen, sondern fordert deutlich zu Beginn, keine christli­che oder sonstige Bewertung vorzunehmen, son­dern den Animismus zunächst für sich selbst spre­chen zu lassen. Er hat die .Absicht, das Phänomen Animismus aus der Sicht derer zu beschreiben, die animistische Denkformen auch selbst als Strate­gien zur Gestaltung und Bewältigung ihres Daseins benützen“ (Käser, S.11). Deswegen bietet er keine biblische oder theologische Beurteilung, die bes­tenfalls erst danach einsetzen kann (S.12). Beson­ders will Käser den Animismus nicht vorab als dämonisch einstufen. Dies sei ein methodischer Fehler (S.24-26). .Animismus kann nicht mit Ok­kultismus gleichgesetzt werden“ (S.28-30), sonst wären ja ganze Ethnien besessen (S.28). Ani­misten sind aber, das zeigt die Erfahrung, keines­wegs die düsteren Gestalten, als die viele Christen sie zu sehen geneigt sind“ (S.29). Nicht nur die Dämonisierung ist solch ein Fehler, sondern es gilt: „Die mangelnde Trennung von christlicher Lehre einerseits und anirnistischer Theorie andererseits ist ein methodischer Fehler“ (S.25). Der Unterricht über .Naturreligionen’ in christlichen Institutionen – so Käser – verwischt oft den Unterschied zwischen europäisch-westlichem Denken und animistischem Denken (S.25). In Ermangelung formaler und inhaltlicher Fehler, die Rezensenten oft anfuhren können, um ihre Gründlichkeit zu beweisen, möchte ich mich bei aller Wertschätzung etwas mit dieser Frage auseinandersetzen, damit nicht der Verdacht auf­kommt, ich hätte vor lauter Begeisterung das Buch ohne Nachzudenken gelesen. Als Ausgangspunkt möchte ich Käsers Vorgabe für das Verhältnis von Ethnologie und Mission wählen: „Erst wenn der Denkrahmen verstanden ist, sollte man darange­hen, ihn mit Aussagen biblischer, theologischer, psychotherapeutischer und seelsorgerlicher Natur zu vergleichen und zu erweitern, am besten indem man die Einfuhrung von Steyne (1990, deutsch 1993) und Burnett (2000) heranzieht.“ (S.12) (s. Philip Steyne. Machtvolle Götter, s. o., Engl. ,Gods of Power, 1990; David Burnett. World of the Spirits. London: Monarch Books, 2000). Ich möchte – bei aller grundsätzlichen Zustimmung dazu, nicht voreilig andere Kulturen im Lichte eigener Voreingenommenheit zu verwerfen – dennoch einige Rückfragen formulieren. Dabei dürfte wohl kaum etwas auf Käsers Widerspruch stoßen, denn ich nehme an, dass er in seinem Buch bewusst knapp und absolut formuliert hat, könnte man das Folgende doch fälschlich als Beruhigung für jene Missionare missverstehen, die sich ungern der Mühe unterziehen, zunächst ein völlig anderes Weltbild möglichst gründlich zu erforschen und zu verstehen.

Bedeutet ein solches Vorgehen nicht leicht, dass man eine andere Kultur oder Weltsicht ausschließ­lich positiv darstellen kann oder darf, da ja eine Kritik nur aufgrund eines eigenen Standpunktes möglich ist? Gehört zur Erfassung der Weltsicht anderer nicht aber auch, die von ihnen selbst emp­fundenen inneren Unzulänglichkeiten ihrer Welt­sicht zu erfassen? Man bedenke etwa die Diskussi­on, die das Buch des bedeutenden Ethnologen Ro­bert B. Edgerton ,Sick Societies: Challenging the Myth of Primitive Harmony’ (New York: The Free Press, 1992) ausgelöst hat. Edgerton wirft der Eth­nologie (Kulturanthropologie) vor, ein zu positives Bild der ,primitiven Völker’ und des Animismus gezeichnet zu haben und damit der Wissenschaft schwer geschadet zu haben. Edgerton wollte nicht die .Krankheiten’ westlicher Gesellschaften ver­heimlichen, aber darauf hinweisen, wie weit ver­breitet auch in Naturvölkern negative Erscheinun­gen wie Blutrache, grausame Unterdrückung der Frauen, ,Hexenverfolgung’, Vergewaltigungen und durch falsche Behandlung aufgrund animistischer Sichtweisen nicht verhinderte oder gar ausgelöste Krankheiten und geringe Lebenserwartung sind. Käser beweist übrigens in seinen anderen Büchern, dass er sich darüber im Klaren ist. So wichtig es ist, erst einmal zu wissen, warum etwa Animisten in Indien lieber stehendes Wasser trinken, als sich bewegendes Wasser, so sehr kann nur eine Veränderung dieses Denkens dazu fuhren, dass sie gesunderes Wasser dem verseuchten ste­henden Wasser vorziehen. Käser selbst fügt immer wieder ähnliche Beispiele in seinen Text ein, etwa wenn er vom „Machtmissbrauch“ (S.289) von Schamanen und Medien spricht oder über deren Krankheitsbekämpfung schreibt, sie führe „auch bei einfacheren medizinischen Problemen zu Fehlbehandlungen, die verheerende Folgen bei betroffenen Patienten haben … Erkrankungen wie Tuberkulose, Meningitis oder akute Appendizitis lassen sich nicht durch Saugen am Körper des Patienten, durch Beblasen der schmerzenden Stellen oder Massagetechniken heilen“ (S.288). Ich möchte einmal eine Gegenthese formulieren: So wichtig es für westliche Missionare und Ent­wicklungshelfer ist, andere Kulturen zunächst einmal möglichst – eben nur .möglichst’ – unvor­eingenommen zu verstehen, liegt das größere Prob­lem meines Erachtens nicht vor allem darin, dass sie zu schnell andere Kulturen verurteilen, sondern darin, dass sie ihre eigene Kultur – wie wir alle – von solcher Kritik ausnehmen oder nicht sehen, wie oft das, was sie für göttliche Wahrheit halten, in Wirklichkeit nur wesüiches Denken oder die Oberzeugung ihrer eigenen religiösen Richtung ist. Paulus wurde den Juden nur noch „wie ein Jude“, weil er als Christ auch seine eigene Heimatkultur kritisch und die Welt nicht mehr durch die Brille seiner religiösen Erziehung sah. Viele westliche Christen sind letztlich so verliebt in das westliche Denken, dass sie eben den Animismus als dämoni­scher empfinden als etwa den Atheismus, der ja nun mal keine bösen Geister vorzuweisen hat. Dass aber Kommunismus (z.B. der Staat erzieht die Kinder) und Kapitalismus (z.B. Internetpornographie) ebenso ,teuflisch’ sein können wie ein Gespräch mit dem Geistdoppel eines verstorbenen Ahnen, empfinden sie nicht.

Prof.Dr. mult. Thomas Schirrmacher, em 2005-3.

Käser, Lothar. Fremde Kulturen. Eine Ein­führung in die Ethnologie für Entwick­lungshelfer und kirchliche Mitarbeiter in Übersee. Verlag der Evang.-Luth. Mission und Verlag der Liebenzeller Mission: Erlangen und Lahr, 1997.

Auf dieses Buch haben wir, die Mitarbeiter des Seminars für Sprachmethodik, schon lange gewartet. Mit großer Einfühlsamkeit hat der Autor seit seinem ersten Aufenthalt (1969) in einer animistischen Kultur seine Beobachtun­gen und Erfahrungen aufgezeichnet. Sie wur­den zur Grundlage seiner wissenschaftlichen Arbeit als habilitierter Völkerkundler. Zur Vorbereitung von Missionaren und vor allem Bibelübersetzern konnte er seine Erkenntnisse so überzeugend darlegen, daß sich manch einer fragte, ob und wieso er Christ sei.

Animismus ist in allen Teilen der Welt zu finden. In allen Hochreligionen schimmert animistisches Denken durch, auch in Europa. Es nimmt viele Gestalten an. Darum ist es so wichtig, zu wissen, was eigentlich Kultur ist (Kap.5) und wie sich die Kultur eine Volkes, auch des eigenen, in allen Lebensbereichen auswirkt. Informationen jeder Art verändern das Denken der Menschen - nicht etwa nur das religöse. Um Informationen verständlich zu vermitteln, braucht es neben guten Sprach­kenntnissen auch Vorkenntnisse über das, was dem Hörer als Vorwissen selbstverständlich ist, wie er eine Information voraussichtlich inter­pretieren wird.

All diese Fragen werden einfach und doch fachgerecht behandelt. Das Buch wird seinem Anspruch voll gerecht, eine Einführung in die Ethnologie zu sein. Die Kapitel sind übersicht­lich gegliedert und mit einer Zusammenfassung versehen, Wichtiges ist hervorgehoben. Zur Vertiefung des Themas ist am Ende eines jeden Kapitels eine Auswahlbibliographie zu finden.

Zum Verständnis braucht man kein Vorwis­sen. Zudem sind die Informationen spannend darlegt. Als Vorbereitung auf das Leben und Arbeiten in einer anderen Kultur sollte dieses Buch dringend gelesen werden. Außerdem ist zu empfehlen, es trotz seines Umfangs ins Rei­segepäck zu stecken (vielleicht wird es bald mit weiteren grundlegenden oder speziellen Wer­ken auf einer CD landen?) - man wird es in den ersten Jahren mit Gewinn immer wieder zur Hand nehmen. Ich habe mir überall in der Kaingang-Sprache Notizen an den Rand ge­schrieben und will es mit den Mitarbeitern vor Ort durchgehen.

Das ganze Buch enthält Informationen über den Animismus. Das diesem Thema speziell gewidmete Kapitel fällt trozdem viel zu kurz aus. Der letzte Satz sagt, warum: ein eigen­ständiger Band über dieses Thema ist in Pla-nung. Man kann hoffen, daß er bald erscheint!

Prof. Dr. Ursula Wiesemann, em 1998-2.

Käser, Lothar. Licht in der Südsee. Wilhelm und Elisabeth Kärcher. Leben und Werk eines Liebenzeller Missionarsehepaares. Bad Lie­benzell: Verlag der Liebenzeller Mission, 2006.

Den Biographien von Missionaren wird oft nachgesagt, sie gehörten mehr zur Kategorie idealisierender Heldenverehrung als zu echter, wissenschaftlich verantwortbarer Geschichts­schreibung. Auf das vorliegende Werk von Lothar Käser (in Zusammenarbeit mit Klaus W. Müller) über die Südsee-Missionare Wilhelm und Elisabeth Kärcher trifft dieses Vorurteil nicht zu. Das ist bemerkenswert, weil die Erfor­schung der Missionsgeschichte der Liebenzeller Mission von einigen kleineren Versuchen abge­sehen noch darauf wartet, in Angriff genommen zu werden.

Das Buch ist wertvoll, weil es in den Personen Wilhelm und Elisabeth Kärcher zwei Missions­pioniere der zweiten, oft vergessenen Genera­tion porträtiert. Kärchers gehören zu den prä­genden Gestalten der Liebenzeller Missionare, die die werdende Kirche Mikronesiens ent­scheidend mitgestaltet und zur Selbständigkeit geführt haben. Es war die Zeit vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg, in welche ihre Hauptwirksamkeit fiel. Man kann sich die Veränderungen, schockierende und dramatische Umwälzungen, vor denen Mission und Bevöl­kerung auf dem Chuuk Atoll in diesen Jahren standen, nicht groß genug vorstellen. Mikro-nesien war einst vernachlässigter Teil des spa­nischen Kolonialreiches, wurde dann 15 Jahre deutsche Kolonie, nur um nach dem Ersten Weltkrieg von den Japanern beherrscht zu werden. Noch unter den Deutschen begannen die Liebenzeller 1906 mit Missionsarbeit; als das Ehepaar Kärcher ausreiste (1936 und 1939) bauten die Japaner gerade Mikronesien zum wichtigsten Militärposten für ihre Flotte aus. Dann brach der Zweite Weltkrieg los. Das be­deutete, dass die Missionare ohne Mittel, abge­schnitten von der Außenwelt in Chuuk fest­saßen. Von den Japanern misstrauisch beäugt, wurden Kärchers interniert. Unter beständigem Bombenhagel der Amerikaner, in unsäglichen hygienischen Verhältnissen und fast verhungert erlebten sie das Kriegsende. Diese Kapitel des Buches lesen sich spannend wie ein Kriminal­roman. Überhaupt gefällt der Erzählstil des Au­tors, der keine Langeweile aufkommen lässt. Unendliches Leid, aber auch die unbegreifliche Hilfe und Bewahrung Gottes erlebte die wach­sende Missionarsfamilie in diesen Jahren. Das gemeinsame Leiden mit den einheimischen Ge­meinden schuf tiefe Gemeinschaft und echtes gegenseitiges Verstehen. 15 Jahre blieben Kär-chers auf diese Weise ununterbrochen auf den Chuuk Inseln. Erst 1952 sehen sie Deutschland wieder. 1954 kommt es zur Wiederausreise; Kärchers lassen drei ihrer Kinder in Deutschland zurück. In dieser Zeit bauen sie erst eine Mäd chen-, dann eine Jungenschule auf. Diese wurde Keimzelle für die zukünftige Pastorengenera­tion. Literatur, vor allem das Neue Testament und ein Gesangbuch, werden nun in der Chuuk-sprache gedruckt und für die Kirche eingesetzt. Von 1959-1963 bleibt Wilhelm Kärcher allein in Chuuk, seine Familie kehrt endgültig nach Deutschland zurück. In der Phase der Selbständigwerdung der Gemeinden reiste er noch einmal für zwei Jahre nach Mikronesien (1968-­1970), um als allseits anerkannter väterlicher Freund der Gemeinden strittige Fragen zu klären für die Selbständigkeit.

Was an dem Buch gefällt ist die Ehrlichkeit, mit der der Autor auch Schwächen des Missionars und Fehler der Missionsleitung ungeschminkt erwähnt. Auch sind die Hinweise zur Kultur, Religion und Geschichte der Inselwelt Mikro-nesiens von großer Hilfe. Alles in allem ist das Buch ein gelungener Beitrag zur jüngeren Mis­sionsgeschichte Mikronesiens und der Lieben­zeller Mission.

Dr. Bernd Brandl, em 2008-4.

Kasningo Omari, Cuthbert. God and wor­ship in traditional Asu society. A study of the concept of God and the way he was wor­shipped among the Vasu. Erlangen: VELM, 1990.

Diese 1970 fertiggestellte Dissertation befaßt sich mit dem Glaubens- und Lebenssystem der Pare, eines 1967 knapp 150.000 Mitglieder zählenden Bantu-Stammes in Nordost-Tansa­nia. Der Autor bevorzugt ihren traditionellen Namen Vasu („Die Asu-Leute“). Es ist sein Ziel, das Gottesbild und die Anbetungsprakti­ken der Vasu in ihrem religiösen und soziolo­gischen Kontext zu untersuchen. Omari zeigt auf, daß die Vasu schon immer an einen einzi­gen Gott glaubten, dessen Wohnort sie hoch oben weit über dem Himmel vermuteten. In früheren Zeiten habe Gott bei den Menschen gewohnt, aufgrund ihres Ungehorsams verließ er sie jedoch. Der Ungehorsam bestand darin, daß die Menschen Eier aßen, die Gott verboten hatte. Ver Verfasser zeigt, daß die Vasu damit der in Afrika weitverbreiteten Vorstellung ei­nes „Hochgottes“ anhingen, der alle anderen Götter überragt und auch nicht in das hierarchi­sche Ahnensystem eingeordnet ist. Sein Name „Mrungu“ entspricht dem gebräuchlichen Bantuwort für Gott.

Über das Gottesbild der Vasu hinaus be­schreibt Omari ihre Vorstellung von ihren Ah­nen als „living dead“, also als weiterhin existie­rende Geistwesen, die noch Einfluß auf das Geschick der Familie, der Sippe und des Stammes nehmen können. Sie wohnen auf hal­bem Weg zwischen der Erde und dem Wohnort des Hochgottes und werden in manchen Fällen bestimmten Schreinen zugeordnet. Dort sorgt ein besonderes Ritual dafür, daß die „living dead“ den Vasu nicht schaden, sondern nützen. In diesem Zusammenhang wird auch die Praxis der Zauberei (witchcraft) besprochen. Die Ver­ehrung bzw. Behandlung dieser Geister an den Schreinen steht in einer gewissen Spannung zum Glauben der Vasu an Gott, obwohl in be­stimmten Zeremonien sowohl den Ahnengei­stern als auch Gott beispielsweise Bier geopfert wird.

Omari faßt zum Schluß seine Forschungser­gebnisse unter Zuhilfenahme eines soziologi­schen Erklärungsmodelles systematisch zu­sammen: Die Verehrung der Ahnen sowie des Hochgottes hat gruppenstärkende und -definie­rende Funktion. Die Bedeutung dieser Unter­suchung für den Missiologen oder Missionar liegt m. E. nicht in der Besonderheit des darge­stellten Glaubens und Lebens der Vasu, son­dern gerade darin, daß dies so typisch für viele afrikanische Stämme ist. Für den, der sich in­tensiver mit Glauben und Leben der Bewohner Afrikas beschäftigen möchte, ist diese Dar­stellung der Vasu paradigmatisch wertvoll und als Einstieg hilfreich.

Dr. Roland Werner, em 1997-1.

Kelhoffer, James A. Miracle and Mission: The Authentication of Missionaries and Their Message in the Longer Ending of Mark. WUNT II.112, Tübingen: Mohr-Siebeck, 2000.

Der vorliegende Band gehört zu einer erfreulichen, grösseren Anzahl neuerer Studien zur Mission im Neuen Testament, die für eine nach biblischen Begründungen und Mustern fragende Missiologie von grossem Interesse sind. Nach einem einleitenden Forschungsüberblick (1-47) untersucht der Autor im ersten Teil (48-244) Herkunft und Entstehung des sog. unechten (oder sekundären) Markusschlusses (Mk 16,9-20). K. zeigt, dass der Verfasser der Ergänzungsverse, zwischen 120 und 150 n. Chr. entstanden, sich stark am Mk Ev und den anderen kanonischen Evangelien orientiert hat und so dem Mk Ev einen den anderen Evv entsprechenden Schluss geben wollte. Dabei kann von einer literarischen Abhängigkeit von den ntl. Evv. und der Apostelgeschichte ausgegangen werden.

Im zweiten Teil untersucht K. die für die Missiologie relevanten Aussagen des längeren Markusschlusses („… die Zeichen, die denen folgen,die glauben,. … während der Herr mitwirkte und das Wort durch die darauffolgenden Zeichen bestätigte“, V.16 und 20), die aufgrund ihres sekundären Charakters kaum Beachtung finden und bisher nicht detailliert untersucht wurden.

In „Wunder und Mission: Die Erwartung von Zeichen als Authentisierung der Verkündigung“ (245-339) untersucht K. das Verhältnis von Wundern und Mission im Neuen Testament, in apokryphen Apostelgeschichten und weiteren frühchristlichen Schriften des 2. und 3. Jhdts. Mit Ausnahme von Jh 14,12 und 1Kor 12,9f (hier bleibt K. leider oberflächlich und disqualifiziert dieAussage vorschnell als widersprüchlich zu anderen paulinischen Aussagen) gibt es im NT keine analogen Aussagen (nach Lukas-Apg und Paulus dienen Wunder zur Authentisierung der Apostel). Die Erwartung, dass Gläubige ganz allgemein Wunder vollbringen werden, findet sich dagegen häufig bei den frühchristlichen Apologeten.

Während das Aufheben von Schlangen (S. 340-416) einige mögliche biblische Präzedenzfälle hat (Ex 4 und 7; Apg 28,3-6), gibt es für dieses religionsgeschichtlich verbreitete Motiv reichlich Analogien in der spätantiken griechisch-römischen Umwelt, die den Verfasser der Verse mitbestimmt haben dürften. Dabei dient die öffentliche und individuelle Machtausübung über Schlangen der Bestätigung menschlicher Boten und sie „…strengthen the group’s credentials and demonstrate the divine power working with them“ (409).

Ebenso ist das vierte begleitende wunderhafte Zeichen („wenn sie etwas Tödliches trinken, wird es ihnen nicht schaden“), „hardly a unique formulation of antiquity“ (467), sondern weiter verbreitet.

Kelhoffers Studie bestätigt erneut, dass der unechte Markusschluss angesichts dieses literarkritischen und exegetischen Befundes also für ein neutestamentliches Verständnis des Auftrags, der Verheissungen und des Handelns christlicher Missionare nicht herangezogen werden kann, wenn die Kanonizität zurecht am gesicherten apostolischen Ursprung einer Schrift festgemacht wird. Auch in der Diskussion um das Vollbringen von Wundern als Geistesgabe sollte man auf Mk 16,17f verzichten und sich dagegen auf 1Kor 12,9f berufen. Angesichts der handschriftlichen Überlieferung und des Inhaltes müßte Mk 16,9-20 in Bibelausgaben zumindest viel deutlicher vom eigentlichen Text des Mk Ev abgesetzt werden, alleine schon um Christen Konfrontationen seitens ihrer Gegner mit den vermeintlich verheissenen wunderhaften Zeichen zu ersparen, wie sie auch in jüngster Vergangenheit Missionare und Christen in islamischen Ländern erfahren haben. Die Verse und ihre gründliche Untersuchung sind freilich von Interesse für die Geschichte der Ausbreitung des Christentums im zweiten Jahrhundert und für das Verständnis nicht-christlicher Einflüsse auf christl. Selbstverständnis sowie Wesen und Auftrag christl. Mission.

Dr. Christoph Stenschke, em 2002-4.

Kempf, Rolf. …damit der Mensch göttlich werde. Auf ostkirchlichen Wegen zum geistlichen Leben. Metzingen/ Württemberg: Ernst Franz Verlag, 2000.

Der total verweltlichte Mensch leidet unter dem „Gotteskomplex“ (H.E. Richter). Die Logik des Herzens (Pascal) unterliegt der Logik des Kopfes (Descartes, Spinoza). Die Krankheit, nicht leiden zu können, findet ihren vorläufigen Höhepunkt in der gegenwärtigen „Spaßgesellschaft“.

Die Väter der Ostkirche und der Reformator Martin Luther richten den Blickpunkt in eine andere Richtung: Gott wurde in Christus Mensch, damit der Mensch göttlich werde (Athanasius). Wie der Sauerteig soll die göttliche Natur den menschlichen Brotteig durchwirken.

Rolf Kempf zeigt in diesem für die Gegenwart so wichtigen Buch am Leben und Wirken der Väter der Ostkirche, dass die eher kopflastige, gefühlsscheue Theologie des Westens durch die mystische Frömmigkeit des Ostens, die den ganzen Menschen anspricht, Hilfe erfahren kann. Ziel ist die Erneuerung und das Wachstum des Geistes, der Seele und aller Sinne so wie es die Zusammenfassung der Tora und Jesus selbst formuliert. „Vom Kopf ins Herz“ zielt das geistliche Wachstum. Der Weise und Fromme ist der Mensch mit dem denkenden Herzen.

Die orthodoxe Spiritualität kennt die Spiritualität der Ikonen, der Hymne und des Herzens. Kempf beschränkt sich auf den letzte Bereich; er wird mit dem griechischen Begriff philokolia bezeichnet. Liebe ist das höchste Gut. Sie schließt das Schöne (to kalón) ein, das Gute und Wahre, das in Jesus Christus verkörpert wird. Seine „Blütenlese“ schöpft besonders aus russischen Quellen aus elf Jahrhunderten (4.-15. Jh.), zusammengefasst in fünf Bänden, und der „Himmelsleiter“ von Johannes Klimakos.

Die Anleitung zur Vervollkommnung ist ein dynamischer Prozess und beschreibt die Stufen der Himmelsleiter, die der Mensch unter dem Beistand der Gnade Gottes in Gottes neue Welt hinaufsteigt. Das Leitmotiv und Ziel ist die „Geistesruhe“ (hesychia). Sie erfordert körperlich, seelisch und geistiges Training unter Anleitung des Jesusgebets: „Herr Jesus Christus, der Sohn Gottes, sei mir Sünder gnädig“. Mystik verbindet sich bei orthodoxen Christen mit dem „Heiligsein“. Evangelische Christen umschreiben es nach Hebräer. 12,1 mit „Wolke der Zeugen“.

In sechs Kapiteln (S.15-312) beschreibt Kempf den altkirchlichen Weg der Spiritualität des Herzens, beginnend mit der Philokalie der griechischen Väter von Makarios von Ägypten bis Gregor Palamas über die Tugendliebe (Debroatojubie) der russischen Starzen von Seraphim von Sarow bis Johannes von Kronstadt.

Der Sündenfall des Menschen nötigt zur Kehrtwende. Gottes Heilswerk in Christus (sakosis) ist Voraussetzung und Beginn des christlichen Lebens von der Bekehrung und Buße. Über die Rechtfertigung des Sünders führt sie zum neuen Adam. Doch dieser lange Weg ist nicht einfach, denn die Leidenschaften des Körpers, der Seele und des Geistes stehen den Tugenden entgegen.

Der Aufstieg zu Gott führt über die Paradiesleiter (theosis). Höhepunkt ist das Jesusgebet, eine Tat und Gebet für „Laien, für Eheleute, für Ärzte und Psychiater, für Sozialarbeiter und Busfahrer“. Es führt jeden Beter tiefer an seine Arbeit heran und macht ihn zum „Menschen für andere“ (S.219). Der Stufe der Reinigung (kátharsis) folgen die Stufen der Kontemplation und Erleuchtung (theoria, gnósis) hin zur Vereinigung mit Gott (theologie). Von der „Räuberhöhle“ zum „Bethaus“ wird das „Herz“, wenn es durch Gnade im Zusammenwirken mit dem menschlichen Geist durch das Jesusgebet gereinigt worden ist. Der evangelische Mystiker G. Tersteegen formuliert es so: (…) „Im Wort, im Werk und allem Wesen sei Jesus und sonst nichts zu lesen“. Der Jude Martin Buber umschreibt es mit den Worten: „Wohin ich gehe – Du! Wo ich stehe – Du! (…) Nur Du, wieder Du, immer Du!“

So kann der Geist, der Leib und die Seele (hesychia) zur Ruhe kommen. Dabei spielt das Gebet ein wichtige Rolle, denn daraus folgt die Leidenschaftslosigkeit (apátheia), einmündend in die Trias Glaube, Hoffnung, Liebe. Vorbildlich formuliert ist das vom Starzen von Optina mit den Worten: „Lenke meinen Willen und lehre mich zu beten, zu glauben, zu hoffen, zu dulden zu verzeihen und zu lieben“ (S.109). Das „Taborlicht“ leuchtete auch dem Quäker George Fox, wenn er durch die Felder streifte, um „auf den Herrn zu warten“ (S. 279) und dem Quäker John Woolman wurde vor dem Altar der Seele „die Augen geöffnet, und ihm wurde bewußt, daß er den gesellschaftlichen Übeln seiner Zeit, Sklavenhaltung, Geldleihgeschäften und Krieg mit den Indianern, entschlossen den Kampf anzusagen hatte“ (S.280).

Die Stufen der Liebe führen über die animalische oder sexuelle Liebe zur seelisch erotischen und zur geistig personalen Liebe, die die geschlechtlich-personale, Nächstenliebe und Bruderliebe (agápe und philadelphia) einschliesst aber durch Freundesliebe (philia) und Gottesliebe (theophilia) überboten wird.

Die neuere Lutherforschung zeigt, dass die altkirchliche Formel théosis bei Luther öfter vorkommt als theologia crucis. Wie Irenäus kann auch Luther in seiner Weihnachtspredigt 1514 sagen: „Gott wird darum Mensch, damit der Mensch Gott werde“ (S.313). Der Pietismus, besonders in der Ausprägung des Methodismus, übernahm diese Theosis Lehre. In der angloamerikanischen Klosterbewegung in Pennsylvanien kam sie durch Justinian von Welz (1621-1688), dem Brückenbauer der alten und neuen Welt, zum Durchbruch. Er deutete das Einsiedler-Ideal des Mönchtums um. John Wesley (1703- 1791) baute diese Lehre zum Methodismus aus. Zeitübergreifend wurde daraus die Korrektur der rein rechtlichen Auslegung der Rechtfertigungslehre zur Heiligung; wachsen und zunehmen an „Alter, Weisheit und Gnade bei Gott und den Menschen“ wird zum lebenslangen Prozeß, der Heiligung oder Vergöttlichung (theósis oder deification) (S.332). Wir finden diese Gedanken vom „Cherubischen Wandersmann“ (J. Scheffler) bis P. Gerhardt .

Nach Gustavo Gutiérrez, dem lateinamerikanische Schöpfer der Theologie der Befreiung ist Spiritualität ein „Lebensstil, der sein Kennzeichen unserer ganzen Art und Weise aufprägt, wie wir mit der Gabe der Kindschaft als der Grundlage von Brüderlichkeit und Schwesterlichkeit umgehen. Jüngerschaft gründe in der Erfahrung, Jesus Christus begegnet zu sein.“

Im Anschluß an die Barmer Theologische Erklärung betont Karl Hartenstein im Jahre 1935 die „Missionarische Ethik“; wir sollen die Bibel lesen mit „durchschossenem Gebet in der Kraft des Schweigens und der Stille, zu der wir täglich gerufen sind“ (Evangelisches Missions Magazin 1935). Ganz ähnliche Formulierungen finden wir auch bei Dietrich Bonhoeffer in seinem Buch „Gemeinsames Leben“.

Kempf zeigt uns in seinem wichtigen Buch den „ostkirchlichen Weg zum geistlichen Leben“ und damit eine Brücke zwischen ost- und westkichlicher Tradition, die hilfreich sein kann für die Kirche der Zukunft .

Prof. em. Karl Rennstich, em 2003-1.

Kena, Kirsti. Eevat Apostolien Aske­lissa. Lähettinaiset Suomen Lähe­tysseu­ran Työssa 1870-1945 (zu deutsch: Evas im Range der Apostel. Missions­frauen im Dienst der finnischen Missions­gesellschaft 1870-1945), Hel­sinki: Suo­men Lähetysseura, 2000.

Die finnische Missionsgesellschaft ini­tiierte 1989 als eine der ersten die syste­matische Erforschung ihrer weiblichen Missionsarbeit. Kirsti Kena lieferte 1999 eine historische Studie zu den Missio­narinnen aus der Zeit von 1870-1945 (für China bis 1949). Für die Zeit von 1945-1994 liegt die kirchensoziologische Stu­die von Eila Helander vor: „Kutsumus kantaa. Naislähetit suomen lähetysseuran työssä toisen maailmansodan jälkeen“ (2001; zu Deutsch: „Die Berufung trägt. Missionarinnen im Dienst der finnischen Missionsgesellschaft nach dem zweiten Weltkrieg“). Der Titel „Evas im Range der Apostel“ ist provokativ gewählt. Zum Zeitpunkt des Erscheinens der Studie war die Frauenordination in Finn­land kaum älter als 10 Jahre, so dass die Missionsgeschichte auch zum Anwalt einer nicht nach Geschlecht diffe­ren­zierenden Amtstheologie in der Kirche Finnlands wird. In den Berichten der Missionare scheint die Arbeit der weib­lichen Mitarbeiter unsichtbar zu bleiben, obwohl die Frauen insgesamt betrachtet vor Ort und in der Heimat die Majorität der Mitarbeiter stellten (S. 5). Im Regis­ter verzeichnet Kena immerhin mehr als 200 Namen von Missionsfrauen aus die­ser Zeit (S. 381-384). Kenas unge­wöhnlich gründlich gearbeitete Studie basiert auf Quellen im Nationalarchiv und im Archiv der Missionsgesellschaft wie auch auf einer Reihe von Privat­archiven. Die eigentliche Studie be­trach­tet alle Arbeitsfelder dieses Zeitraums im heutigen Namibia, im Amboland, in Kavango und in Angola, die Mission unter Juden und in China; sie legt eine systematische Gliederung zu Grunde, handelt zunächst über die „Missions­bräute“ (S. 22-52), dann die „Missionars­frauen“ (S. 56-107), schließlich über „Missionarinnen ohne Familie“ (S. 110-132), die „Eignung zur Missionarin“ (S. 136-172), die eigentliche Tätigkeit in Af­ri­ka (S. 174-206), „Missionarinnen als Erzieherinnen, Lehrerinnen und Kran­ken­pflegerinnen“ (S. 210-283) sowie über Indi­vidualität und Gemeinschaft (S. 286-323). Nach einem wieder histo­ri­schen Kapitel „Im Licht des Krieges“ (S. 326-341) folgt eine Schlussbetrachtung (S. 342-346).

Kena skizziert mit Tucker und Kirkwood eine Geschichte der unverheirateten Mis­sionarin in der europäischen Neuzeit, die sie mit der Entsendung spanischer Non­nen in die Indianermission im 16. Jahrhundert bzw. französischer Ursu­li­nen-Nonnen im 17. Jahrhundert be­gin­nen lässt. Nach den ersten Mis­sio­nars­frauen 1870 gingen die ersten un­ver­hei­rateten finnischen Missio­na­rinnen 1898 in den Dienst, als bereits Hunderte eu­ro­päische und amerikanische Ge­schlechts­genossinnen tätig waren. M. A. Cooke hatte für die britische und ausländische Schulvereinigung 1822 eine Mäd­chen­schule in Indien gegründet. Schon mit dem Beschluss zur Gründung der Mis­sionsschule 1860 – die ersten fin­ni­schen Missionare Jurwelin und Malm­ström wurden wenig später in Her­mannsburg ausgebildet – meldete sich Helena Mar­gareta Dahl aus Närpiö zum Missions­dienst. Der damalige Missions­direktor K. G. J. Sirelius fragte ange­sichts fehlender eigener Missionsfelder 1862 bei Ludwig Harms in Her­manns­burg um eine Ent­sendung an. Dieser riet allerdings von einer Entsendung älterer Frauen nach dem 30. Lebensjahr wegen des afri­ka­nischen Klimafiebers ab (Der Brief ist inzwischen veröffentlicht in Ludwig Harms: In treuer Liebe und Fürbitte, hg. v. H. O. Harms/ H. F. Harms/ J. Reller, Münster 2004, Bd. 2, S. 174). 1907/8 wird der erste Kurs in die neu begründete „Missionarinnenschule“ aufgenommen, 15 Frauen von 27 Bewer­berinnen! Die Leiterin Lydia Kivivaara war vor der Gründung in Einrichtungen in Däne­mark, in Freienwalde, Lieben­zell, Lon­don und Edinburgh zu Gast ge­wesen. Kena differenziert nicht geo­graphisch. Da China erst ab 1901 ne­ben die schon genannten südwest­afrika­ni­schen Mis­sions­felder tritt, betreffen also alle Be­obachtungen zur Frühzeit das süd­west­liche Afrika, bzw. in den Ab­schnit­ten (1-4) im Wesentlichen die Heimat in Finnland. Mit elf Missio­narinnen ins­ge­samt vor dem ersten Welt­krieg im Am­bo­land stellten diese immer­hin ein Drittel der Mitarbeiterschaft vor Ort, da­runter die erste Ärztin und drei Kran­kenpflegerinnen. Dabei ist das Ver­hältnis zwischen weiblichen und männ­lichen Missionaren zunächst durchaus nicht spannungsfrei, aber zunehmend etwa seitens des Feldleiters Martti Rau­tanen von Vertrauen geprägt. Kena be­tont, dass in Afrika in kürzester Zeit aus so ge­nannten Hilfskräften, die trotz bes­serer beruflicher Vorbildung gerin­gere Löh­ne als ihre männlichen Kollegen be­zogen, vollgültige Missionarinnen wur­den (S. 343). Die Studie umfasst ca. 60 Ab­bil­dungen s/w, 4 Karten, Ver­zeichnis der Missions- und Missions­hilfsleiter 1859-1946, der Missions­frauen 1870-1945 und ein Register der Per­so­nen­namen. Kenas Studie ist ein interessanter Gesprächs­partner für die in der skan­di­na­vischen Forschung wieder­holt aufge­stell­te These des emanzipa­to­rischen Charak­ters weib­lichen Missions­dienstes.

Jobst Reller, em 2012-2.

Kerr David A. and Kenneth R. Ross (eds). Edinburgh 2010. Mission Then and Now, Oxford: Regnum Books In­ter­national, 2009.

Vor hundert Jahren im Juni fand in Edin­burgh/Schottland die bis­her bedeutend­ste Weltmissions­kon­fe­renz statt. 90 Jahre danach forderte John Pobee (Ghana) die Kirchen, Mis­sionen und die Univer­si­tä­ten Schottlands auf, das Jubiläum 2010 gründlich vor­zu­bereiten. Schottland nahm die Heraus­forderung an und 2001 wurde das Scottish Towards 2010 Coun­cil ge­gründet. Unter der Leitung von Pro­fessor Kenneth Ross, meinem hoch­geschätzten Kollegen an der Universität von Malawi und dann der Leiter der Missions­ab­tei­lung der Church of Scot­land, und Pro­fessor David Kerr von der Universität Lund in Schweden fanden dann jährliche Edinburgh 1910 Review Conferences statt.

Edinburgh 1910 hatte seine Arbeit in acht Kommissionen getan, und die Review Conferences nahmen jedes Mal einen der acht Berichte zum Thema. David Kerr gab jeweils eine knappe Ein­führung, und zwei Hauptreferate bemüh­ten sich, (1) den Report in seinem ur­sprüng­lichen Rahmen zu verstehen, (2) die Entwicklungen zum Thema des Be­richtes seitdem zu sehen, und (3) einen Blick in die Zukunft zu werfen. Das vorliegende Buch reflektiert diese Ar­beit. Zu jeder Kommission enthält es eine gute Einführung von David Kerr, und dann meist zwei Artikel zum Thema. Kommission 3 (Ausbildung der Mis­sionare) und Kommission 4 (Hei­mat­basis der Missionen) haben nur einen Artikel; Kommission 8 hat fünf Artikel und prägte die Konferenz. Hierin sehe ich eine Ver­schie­bung des Haupt­an­liegens von Kom­mis­sion 1 (Das Evan­gelium in die ganze nicht-christliche Welt tragen) zu Kom­mis­sion 8 (Zu­sam­menarbeit und För­de­rung der Einheit).

Edinburgh 1910 wurde von den klas­si­schen Missionen organisiert, die auf die Grosse Er­weckung (1734/1792) zurück­gehen. Deswegen ist es angebracht, dass der erste Artikel zur Kommission 8 aus der Sicht des Weltrates der Kirchen ge­schrieben ist. Samuel Kobia schreibt, etwas defensiv, „dass der Weltrat der Kir­chen nicht das Interesse an der Evan­gelisation verloren hat“ (248), ob­wohl es zu Zeiten „unkritische Beja­hun­gen po­li­tischer und sozialer Entwick­lungen ge­ge­ben hat“ (245), nur muss solche Evan­gelisation „eingebettet sein in ganz­heit­liche Mission und verbunden werden mit der Ausstrahlung und Er­leuchtung, die durch lebendige missio­nale Gemein­schaf­ten geschieht“. (248) Ko­bias Arti­kel reflektiert die Schwer­punkt­ver­schie­bung, die Edinburgh 1910 eingeleitet hat, und ist zugleich ein Teil hiervon.

Die Evangelikalen Missionen waren in Edin­burgh nur die kleine Schwester mit we­niger als 5% der Delegierten. Rose Dowsett untersucht Kommission 8 aus evan­gelikaler Perspektive. Sie sieht zu recht die Wurzeln der Konferenz in der Großen Erweckung, die in Groß­bri­tan­nien und Amerika zwei Millionen neue Mit­glieder in die Kirchen brachte und die Kirchen in Deutschland und Um­ge­bung gründlich neu belebte (251). So­dann weist sie auf Edinburghs „fatalen Feh­ler“ (253) hin: In ihrem Bestreben, die (organisatorische) Einheit zu errei­chen, öffnete sich die Konferenz sowohl für den hochkirchlichen (anglo-katholischen) Flügel der An­gli­kanischen Kirche wie auch für ihren liberalen Flü­gel. Die ang­lokatholische Forderung, die Mission im (christlichen) Südamerika aus den Be­ratungen der Konferenz zu ver­bannen, wurde akzeptiert, und es wur­de der Pro­zess eingeleitet, „der immer mehr Kir­chen­führer in die Missions­be­wegung brach­te und ihnen eine immer größere Rolle einräumte“ (254), und da­mit die Ver­antwortung für die Welt­mis­sion von den Gesellschaften auf die Kir­chen ver­schob.

Die Katholiken waren nicht zur Kon­fe­renz eingeladen, trotzdem ist es be­rech­tigt, dass John Radano zur Kon­fe­renz Stel­lung nimmt und die (wach­sen­de) Über­einstimmung zwischen Pro­tes­tanten und Katholiken betont. Er hofft so­gar, dass das 500jährige Jubiläum der Refor­ma­tion 2017 von Katholiken und Pro­tes­tanten gemeinsam gefeiert werden kann. Die Orthodoxen waren ebenfalls nicht da­bei, zum einem weil sie keine Mis­sions­ge­sell­schaften hatten, und zum an­deren weil, wie Viorel Ionita betont, Mis­sion „ausschließlich die Aufgabe der Kirche ist“ (266).

Cecil Robeck, der für die Pfingst­be­we­gung spricht, weist darauf hin, dass die Mis­sionen und Kirchen, die in Edin­burgh vertreten waren, schon damals (und heute noch viel mehr) nur eine Min­derheit der Weltchristenheit dar­stell­ten (292). Er weist auf die tiefen Diffe­renzen hin, die bei der Konferenz der ame­ri­ka­ni­schen Missionen im Jahre 1925 zu Ta­ge traten, die ebenfalls von John Mott ge­leitet wurde (294) und führt weiter aus, dass die Pfingstbewegung, die in Edin­burgh 1910 überhaupt nicht wahr­ge­nom­men wurde, die Führung in der Welt­mission übernahm, während die Main Line Churches, die hinter Edin­burgh 1910 standen, zunehmend ab­nah­men.

Zurück zur ersten Kommission: Andrew Walls sieht die Konferenz und was auf sie folgte, aus der Perspektive der Süd­ver­schiebung des Zentrums der Welt­christenheit. Während Edinburgh 1910 den Durchbruch der christlichen Bot­schaft in Ostasien erwartete (der dann sehr lange auf sich warten ließ), übersah die Konferenz, dass genau solch ein Durch­bruch in Afrika schon im Gange war (35). Walls beobachtet auch den Nie­dergang des christlichen Westen und betont dass „die gegenwärtige Theologie des Westens im Moment in keiner Weise für eine führende Rolle geeignet ist“ (38) in einer Welt, in der die große euro­pä­ische Wanderungsbewegung zum Ende kommt und in der die Nationen Asiens darauf warten, die Nachfolge Europas anzutreten (39). Die Stellungnahmen zu den acht Kommissionen werden ein­ge­rahmt von einer gründlichen Einleitung und einer Schlussbetrachtung von David Kerr und Kenneth Ross.

Viele Teile des Buches habe ich mit Ge­winn mehr­mals gelesen und kann das gan­ze Buch empfehlen! Es gibt einen hervorragenden Einblick in die Kon­fe­renz und in die Entwicklungen der 100 Jahre nach Edinburgh 1910. Inhalt und Produktion sind von hoher Qualität. Es gibt evangelikalen Gesichtspunkten ei­nen guten Raum und ermöglicht, die Konferenz und die auf sie folgenden Entwicklungen zu ver­stehen.

Prof. Dr. Klaus Fiedler, em 2010-4.

Kessler, Volker und Martina Kessler. Die Machtfalle - Machtmenschen in der Gemeinde. Edition AcF. Gießen: Brunnen, 2001.

Die Machfalle ist ein hervorragendes Buch, was mir durch seine klare und verständliche Gliederung und vor allem durch den faszinierenden Inhalt sehr gut gefiel. Machtmenschen in der Gemeinde sind eine Unmöglichkeit und deshalb bietet die Gemeinde einen ganz geeigneten Rahmen um es doch möglich zu machen. Im ersten Kapitel wird anhand des 3.Johannesbriefes aufgezeigt, wie Machtmenschen vorgehen können. Wir erwarten immer wieder die Angriffe auf Gottes Gemeinde von außen, aber manch eine Gemeinde, wurde auch durch die, die drinnen sind und das sagen haben, auf falsche Wege geführt und somit verführt. Die Autoren zeigen am Beispiel von Diotrephes auf, wie Machtmenschen vorgehen können.

Im zweiten Kapitel geht es um die Taktiken der Machtmenschen und einen Bericht von einer Machtfrau. Diese Frau hatte, nachdem sie für sich erkannt hatte, dass sie ein Machtmensch ist, große Probleme Verständnis zu finden für ihre Situation. Warum? Weil es in der Gemeinde immer wieder ein perfektes Umfeld für Machtmenschen gibt. Im dritten Kapitel werden unter anderem acht Punkte angeführt, warum es gerade in der Gemeinde Gottes zu Machtmissbrauch kommen kann. Harmoniebedürfnis der Christen, Demut als allgemeine Haltung, unklare Leitungsstrukturen, göttliche Leiterautorität sind nur einige der wichtigen Punkte. Was hilft das ganze wissen und glauben, wenn man nicht weis, was man in solchen Situationen tun soll? Dafür werden im vierten Kapitel einige Tipps für den Umgang mit Machmenschen gegeben.

Besonders interessant für Missionare ist das letzte Kapitel von Klaus W. Müller, der das Thema aus Sicht des Missionars beleuchtet und die besonderen Gefahren von Machtmenschen im Umfeld von Mission darstellt.

Insgesamt ist die Machfalle ein gelungenes Buch zu einem Thema, wo so manchem beim Lesen einige Kronleuchter aufgehen werden und ganze Bände gefüllt werden könnten. Aber die Autoren verfolgen nicht das Ziel, dass Machtmenschen öffentlich bloßgestellt werden, sondern sie wollen ein real existierendes Problem ins Blickfeld rücken, damit Gemeinden lernen mit diesen „reißenden Wölfen“ umzugehen. Gefahren sollen erkannt und benannt werden, damit Wege gefunden werden können, mit diesen Gefahren umzugehen.

Torsten Cichon, em 2001-3.

Kiel, Christa. Christen in der Steppe. Die Maasai Mission der Nord-Ost-Diözese in der Lutherischen Kirche Tansanias. Erlangen: VELM, 1996.

Christa Kiel war gemeinsam mit ihrem Mann Arnold von 1986-1992 als Pastorin der Lutherischen Kirche unter den Maasai in Tan­sania tätig. Mit der vorliegenden Dissertation will sie zeigen, daß es möglich ist, die Kultur der Maasai „mit einem lebendigen Christentum zu verbinden“ (274). Isaia Ole Ndokote, Maasai und Evangelist evangelikaler Prägung, „der von allen als Prophet angesehen wird, ist der Ansicht, daß die Maasai-Tradition in ihrer alten Form nicht bestehen kann. Er ruft sein Volk deshalb auf, sich taufen zu lassen, weil er im Christentum eine Überlebenschance sieht“ (353). Die Autorin begründet, warum auch sie diese Ansicht teilt.

Mit viel Einfühlungsvermögen stellt sie im ersten Teil (11-114) die Lebensweise und den Glauben der Maasai dar. Erstaunlich ist ihre positive Einstellung zur Mädchenbeschnei­dung, mit der sie sich gründlich auseinanderge­setzt hat und die sie keineswegs verharmlost. Im zweiten, umfangreicheren Teil (115-304) berichtet die Autorin – aufgrund sehr gründli­cher Recherche – von Leben und Dienst, von Erfolgen und vom Scheitern derer, die als Mit­arbeiter der Lutherischen Kirche in den ver­gangenen 100 Jahren das Evangelium unter den Maasai der Nord-Ost-Diözese verkündigt ha­ben. Auffallend ist die Ausgewogenheit, mit der deutsche und einheimische Missionare mit ihren verschiedenen Missionskonzepten darge­stellt werden, auffallend auch die Hochach­tung, die die Autorin allen gegenüber bezeugt. Breiten Raum nimmt die Darstellung der Pepo-Epidemien (Geistbesessenheit) ein, die in den 70/80er Jahren unter den Maasai-Frauen auftrat und dem Evangelium Bahn brach, indem sie die Pfarrerinnen und Pfarrer der Lutherischen Kirche – ungesucht und zunächst ungewollt – zu Heilern machte. In „Enkai“ (dies ist der weibliche Begriff für die traditionelle Gottes­vorstellung), wurde nun in weiten Kreisen die­jenige erkannt, die ihren Sohn zum Heil der Menschen in die Welt schickte.

Im dritten Teil werden Missionskonzepte der Maasai Mission im Hinblick darauf ausge­wertet, inwieweit sie das Evangelium in der Maasai-Kultur heimisch werden ließen. Ein Schwerpunkt liegt auf der Darstellung des er­sten Maasai-Theologen, Dr. Naaman Laiser, eines bekennenden Lutheraners, „der afrikani­sche Theologie betreibt, ohne etwas von ‘afrikanischer Theologie’ zu halten“ (369). Ein wichtiges Buch für alle, die sich mit Mission im afrikanischen Kontext auseinandersetzen. Geschmälert wird der Wert des Buches nur durch den fehlenden Index.

Christa Conrad, em 1997-4.

Kieser, Hans-Lukas. Der verpasste Friede: Mission, Ethnie und Staat in den Ostprovinzen der Türkei 1839-1938. Zürich: Chronos, 2000.

In dieser Dissertation untersucht der Historiker Hans-Lukas Kieser die Wechselbeziehungen zwischen den Volksgruppen der Osttürkei, den Missionsgesellschaften, die in diesem Raum arbeiteten, und den in dieser Zeit an den Entwicklungen in der Osttürkei involvierten Staaten. Der Zeitraum der Untersuchung erstreckt sich über ein ganzes Jahrhundert, von den Anfängen der sogenannten Tanzimat-Ära bis zum Tode Atatürks, des „Vaters der modernen Türkei“. Kieser beschränkt sich nicht auf eine konkrete Fragestellung, sondern stellt zu Beginn sieben Thesen zu dem Beziehungsgeflecht von Mission, Ethnie und Staat auf, die er im folgenden dann detailliert untersucht. Dabei stützt er seine Arbeit sowohl auf Quellen aus Missionsarchiven als auch auf Dokumente der involvierten Staaten und der ethnischen Minderheiten. Nach seinen eigenen Worten will er dadurch „eine differenzierte Wahrnehmung und Beurteilung der politischen, sozialen, ethnischen und religiösen Verhältnisse, Begebenheiten und Ansprüche im abgesteckten Raum“ fördern. Kieser beschränkt sich nicht darauf, allgemeine Entwicklungen darzustellen, sondern er untersucht immer wieder auch die konkrete Situation in einigen der Städte (Harput, Van und Urfa), in denen die verschiedenen Missionsgesellschaften arbeiteten. Mit seiner Arbeit stellt sich Kieser einem anspruchsvollen historischen Thema, das nicht ohne aktuelle Brisanz ist: Gerade im Zusammenhang mit der Frage nach einer eventuellen EU-Mitgliedschaft der Türkei ist das Thema des armenischen Genozids und allgemein des Umgangs des türkischen Staates mit Minderheiten ein äußerst heißes Eisen. Auf diesem Hintergrund ist die umfangreiche Forschungsarbeit Kiesers sehr zu begrüßen. Kieser gelingt es, das Thema in differenzierter Art und Weise zu bearbeiten (Welche Ära? Welche Region? Welche involvierte Missionsgesellschaft? Welche Umstände? …). Dadurch kommt es zu einer enormen Fülle von Einzelinformationen, die der Leser zu verarbeiten hat. Hier wäre es sicher einfacher gewesen, wenn sich die Arbeit auf eine konkrete Fragestellung beschränkt hätte und nicht so umfassend die verschiedenen Aspekte der Beziehung von Mission, Ethnie und Staat untersucht worden wären.

Für missiologisch interessierte Leser erscheinen mir vor allem folgende Aspekte von Kiesers Arbeit beachtenswert: 1. Kiesers Studie macht deutlich, welch enormen Wert Missionsquellen für die geschichtliche Forschung haben können. Kieser wählt mit Absicht die Missionen als Ausgangspunkt für seine historische Untersuchung, weil er diese Quellen im konkreten Fall für die brauchbarsten hält. Die Missionare waren vor Ort des Geschehens (ge-legentlich sogar Augenzeugen wichtiger Ereignisse). Zudem hatten sie weitreichende Verbindungen und somit Zugang zu vielen unterschiedlichen Informationsquellen. Außerdem standen sie einerseits den betroffenen Menschen nahe, hatten aber andererseits eine eigenständige, von den beteiligten Parteien unabhängige, Stellung zu den Ereignissen. Zwar sind die Missionsquellen – wie letztlich alle anderen Quellen – subjektive Quellen. Aber sie sind es nach Kiesers Überzeugung doch in einer „transparenten, in ihren Prämissen entschlüsselbaren Weise“. 2. Durch seine differenzierte Betrachtungsweise widerlegt Kieser die pauschalierende These, die Missionsbewegung des ausgehenden 19. und des frühen 20. Jahrhunderts sei letztlich nur ein Instrument des Imperialismus der westlichen Staaten gewesen. Zwar gab es durchaus die Instrumentalisierung von Missionen für politische Interessen ihrer Heimatstaaten (vor allem bei der französischen katholischen Mission), genauso aber gab es auch Missionsbemühungen als eindeutig „private“ – also vom Staat völlig unabhängige – Unternehmung (was vor allem auf die Bildungsarbeit des American Board zutraf). Die deutschen Missionen (Deutscher Hilfsbund und Deutsche Orient Mission) nahmen ihre Arbeit anfangs sogar entgegen der ausdrücklichen außenpolitischen Interessen des Deutschen Reiches auf. 3. Kiesers Untersuchung zeigt deutlich, dass Mission Einfluss auf gesellschaftliche Entwicklungen hat und somit - ob sie es will oder nicht - auch ein „politischer Akteur“ ist. So war die umfangreiche Schularbeit des American Board von enormen Einfluss auf die Entwicklung der Minderheiten (vor allem der christlichen) und ihres Selbstverständnisses im osmanischen Gefüge. Die Bildungsarbeit auf Grundlage eines biblischen Menschenbildes schaffte z.B. dem Gedanken der Würde jedes Menschen und dem Gedanken der Gleichberechtigung der verschiedenen Ethnien unter den (oft benachteiligten) Minderheiten Raum. Außerdem wurden die Missionare unweigerlich zu politischen Akteuren, weil ihre Berichte es waren, die die Weltöffentlichkeit über die Gräueltaten an den Armeniern informierten. 4. Kiesers Thema sind nicht die Missionsgesellschaften und ihre Arbeit an sich, sondern es geht ihm ganz speziell um ihre Beziehung zu den Ethnien und den in die Entwicklungen involvierten Staaten. Trotzdem finden sich für missionsgeschichtlich Interessierte einige interessante Details über die Missionsarbeit in der Osttürkei. Dazu tragen ein umfangreicher Anhang (mehr als 100 Seiten) und zahlreiche Statistiken und Photographien aus Missionsarchiven Wesentliches bei.

Andreas Baumann, em 2003-2.

Kießig, M.; L. Stempin, H. Echternach und H. Jetter (Hg.). Evangelischer Erwachsenenkatechismus – glau­ben – erkennen – leben. Hg. von der Katechismuskommision der VELKD unter Mitarbeit von G. Herold. 7. Auflage, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2001.

Die missionarische Dimension eines Katechismus sollte man nicht unterschätzen. Der Evangelische Erwachsenenkatechismus hat eine lange Tradition. Erstmals wurde er 1975 von der Vereinigten Evan­gelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) herausgegeben und hat als Buch eine eigene Tradition evangelischer Unterweisung be­gründet. 25 Jahre nach der erstmaligen Herausgabe präsentiert sich das Buch in seiner 6. Auflage in Gestalt und Inhalt völlig neu (mit einer aktualisier­ten 7. Auflage im Jahr 2001). Ziel des Ev. Erwach­senenkatechismus (=EEK) ist es, verständlich und lebensnah in theologischen und religiösen Fragen zu orientieren, den Zugang zum christlichen Glau­ben zu erschließen und einen Weg zu eigenen Po­sitionen zu zeigen. Er möchte helfen, am Beginn des 21. Jahrhunderts zu glauben, zu erkennen und zu leben - drei aufeinander bezogene Stichworte, die auch den Untertitel markieren. Der inhaltliche Aufbau des EEK orientiert sich an den großen Themen des christlichen Glaubens: Gott (S.21-­143), Mensch (S.145-187), Jesus Christus (S.189-­256), Leben in der Welt: die Ethik (S.257-496), Leben in der Kirche: Heiliger Geist (S.497-775), Ziel aller Wege: Ewiges Leben (S.777-825). Den Hauptkapiteln vorangestellt ist ein einführender Abschnitt zum Thema „Glauben wagen“ (S.11-­19). Jedes Kapitel ist überschaubar gestaltet und gliedert sich in mehrere Unterpunkte, das Kapitel zur Ethik beispielsweise in folgende: Grundlegung der Ethik – Person und Gemeinschaft – Gesell­schaft und Staat – Globale Verantwortung. Diese Unterpunkte sind wiederum in einzelne Abschnitte aufgeteilt, was einen schnellen und gezielten Zugriff ermöglicht. Im Kapitel „Gott“ findet sich u.a. ein längerer und interessanter Abschnitt zum Thema „Schöpfungsglaube und Naturwissenschaf­ten“ (S.45-65), im Kapitel „Leben in der Kirche: Heiliger Geist“ ein Abschnitt zur „Praxis des Glaubens“ (S.739-777), der auch auf die gegen­wärtige „Konjunktur des Spirituellen“ Bezug nimmt. Am Schluss des EEK gibt es ein „Kleines Lexikon theologischer Begriffe“ (S.827-840) und ein ausführliches Register. In der Mitte des Buches sind – auf grauem Papier – kirchliche Bekenntnisse und Lehrzeugnisse abgedruckt. Formal sind die einzelnen Kapitel jeweils so auf­gebaut, dass zunächst Informationen zum neuesten Stand der wissenschaftlichen Theologie und der kirchlichen Oberzeugung gegeben werden, sodann Hintergründe zur Botschaft der Bibel und zur theo­logiegeschichtlichen Entwicklung dargestellt wer­den, und schließlich Erfahrungen mit der christli chen Gestaltung von Gesellschaft, Gemeinde und Lebenswelt zur Sprache kommen. Alles in allem kann man m. E. sagen, dass der EEK in seiner neu­en Bearbeitung dem Anspruch durchaus gerecht wird, ein Kompendium zu sein, „das der heutigen Wirklichkeit nicht ausweicht und dennoch bei den Wurzeln des Glaubens bleibt“ (so auf dem Rück­umschlag zu lesen). Es gelingt an vielen, wenn auch nicht allen Stellen, theologische Sachverhalte und Zusammenhänge in einer frischen und unver­brauchten Sprache zu präsentieren, Fragen und Probleme der Gegenwart aufzugreifen und mit den Antworten des Glaubens ins Gespräch zu bringen. Auch wenn das lutherische Profil der EEK erkenn­bar ist, so ist doch die Vielfalt der ev. Kirchen berücksichtigt, ebenso wie der Dialog mit der weltweiten Christenheit. Die Verwendbarkeit des EEK ist vielfältig. Er ist gut geeignet, um sich al­lein oder in einer Gruppe über einzelne, ausge­wählte Themen und Fragestellungen im Umfeld des Glaubens zu orientieren. In der Gemeindearbeit lässt er sich einsetzen, um für glaubende Menschen das Verständnis ihres christlichen Glaubens u vertiefen oder aber mit interessiert-kritischen Zeitgenossen über die Aussagen des Glaubens und eine Lebensbedeutung ins Gespräch zu kommen. Gut verwenden lässt er sich auch im Oberstufenunterricht im Fach Evangelische Religion, angesichts der Tatsache, dass im Bereich der e­vangelischen Landeskirchen zur Zeit Glaubenskur­se eines der am häufigsten genutzten Mittel der Glaubensverkündigung sind, erscheint auch der EEK – obwohl kein Glaubenskurs im engeren Sin­ne – voll am Platze zu sein: er lädt ein, das Ge­spräch über den Glauben zu führen – mit klaren, gehaltvollen Informationen, biblischer Verwurze­lung, argumentativ und zeitnah.

Dr. Jochen Walldorf, em 2005-1.

Kim, Young-Dong. Der Schamanismus und das Christentum in Korea. Verlag an der Lottbek: Ammersbek bei Hamburg, 1993.

Neben seinem Studium und der Promotion an der Kirchlichen Hochschule in Berlin war der Verfasser Prediger der dortigen koreanischem Gemeinde. In diesem Buch geht es um das Verhältnis des koreanischen Christentums zu seinem vorchristlichem Erbe. Untersucht wurde, was Schamanismus ist, wie er in Korea geschichtlich und kulturanthropologisch ver­wurzelt ist und wie er sich zu den in Korea vorhandenen Religionen, vom Buddhismus bis hin zum Christentum verhält. Besonders wird die Akkulturationsproblematik unter folgen­dem Hauptgesichtspunkt erörtert: Was ist theologisch verantwortlich, und welche theolo­gischen Urteile wurden bisher hierzu gefällt?

Für Young-Dong Kim ist diese missionswis­senschaftliche Untersuchung über die koreani­sche Volksreligion deshalb wichtig, weil Korea nach den Philippinen das christlichste Land in Asien ist. Von den vielfältigen Ursachen dafür hält der Verfasser die schamanistische Religio­sität für den neuen christlichen Glauben am wichtigsten.

Dipl. Ing. Fritz Lamparter, em 1998-3.

Kimura-Andres, Hannelore. Mukyokai: Fort­setzung der Evangeliumsgeschichte. Verlag der Evangelisch-lutherischen Mission, Er­langen, 1984.

Zwei ,JJ’: Japan und Jesus prägten und be­stimmten das Leben von Kanzo Uchimura. Diese zwei J beinhalten höchste Vaterlands­liebe und alleinige Abhängigkeit von und Anhänglichkeit an den himmlischen Herrn Jesus Christus.

Innerhalb der ausführlichen Biographie von Uchimura Kanzo finden wir eine Ausein­andersetzung zwischen Japan und Jesus. Bis zu seiner Bekehrung in den USA stand Japan an erster Stelle. Dann gab es eine Wertverschiebung. Das Kreuz Jesu Christi wurde zum Fundament des Lebens und zu­gleich auch zum Fundament der Mukyokai.

Wir werden in ein sehr bewegtes Leben eingeführt: Krankenpfleger - Lehrer an einer Missionsschule ­- Angestellter an der Staatsschule in Tokyo. Dann fristlose Ent­lassung aus dem Staatsdienst wegen Maje
stätsbeleidigung. Anschließend Schriftsteller und Journalist. Mit 31 Jahren bereits die dritte Ehe. Durch den Friedensschluß und den Vertrag von Shimonoseki entschiedener Kriegsgegner geworden.

Gerade diese doppelte Berufserfahrung als Lehrer und Prediger einerseits und als Jour­nalist andererseits half Uchimura Kanzo, seine Gedanken im Blick auf die Mukyokai-Bewegung klar zu definieren.

Das Gesetz ist die Bibel, der Bischof ist Christus, und die Mitglieder sind die Brüder und Schwestern in aller Welt. Uchimura wollte sich wirklich ganz an der Bibel orien­tieren. Deshalb blieb das Fundament das Kreuz. Studierzimmer, Büro, Acker, Ge­schäft, die tägliche Arbeit sah er als Gottes­dienst. Die Mukyokai sollte die zweite Re­formation gegen die Verweltlichung des Christentums einleiten.

In dem Buch wird auch ausführlich und interessant geschildert, wie die Nachfolger bzw. Schüler von Uchimura seine Ansicht über Mukyokai weitergeführt haben. Tsu-kamoto war Jurist. Ihm ist es gelungen, die Gedanken Uchimuras in logischer Weise zusammenzustellen. In der dritten Genera­tion unter Fujita wurde Mukyokai aus der privaten Sphäre in die öffentliche Verant­wortung gestellt, bis hin zum Kampf gegen den Kapitalismus.

Das „sola fide“ bringt einerseits die Tren­nung zur Kirche – in diesem Punkt kann Mukyokai der Kirche gegenüber nicht nach­geben –, anderseits aber auch die Einheit mit allen, die an die Versöhnung durch das Kreuz glauben.

Die Reformation von Mukyokai ist nicht die Weglassung der Sakramente oder einer kirchlichen Form, sondern die Freilegung des Fundamentes: „Jesus Christus am Kreuz auf Golgatha für die Sünden der ganzen Menschheit gestorben.“ In diesem Funda­ment ist auch das Verbindende mit der Kirche enthalten. Hierin liegt auch ein wichtiger Grund, weshalb Uchimura-Lektüre auch für Pfarrer lesenswert geworden ist und Bereicherung bietet.

Ursprung, Wesen und Richtung von Mukyo­kai ist die Fortsetzung der Evangeliumsge­schichte. Uns, die wir heute um eine Neu­belebung in Kirche und Gemeinschaft rin­gen, kann die Darstellung der zweiten Re­formation, die von Uchimura Kanzo ange­stoßen und von den Schülern und Mitglie­dern bis zur vierten Generation weiterge­führt worden ist, eine echte Hilfe sein.

Auch werden hier die Vor- und Nachteile der sogenannten Hauskreise deutlich dar­gestellt. Diese Seite kann mit zu einem rechten biblischen Verständnis im Blick auf die Kirche Jesu Christi der heutigen Zeit beitragen, damit wieder neu das „sola fide“ der Reformation für uns wegweisend wird.

Albert Rechkemmer, em 1986-2.

Kirn, Hans-Martin. Ludwig Hofacker (1798-1828). Reformatorische Predigt und Erwec­kungsbewegung. Ernst Franz Verlag: Metzin­gen, 1999.

Hans-Martin Kirn versteht es meisterhaft, in kurzen Abschnitten die wichtigsten Lebensda­ten und Gedanken des früh verstorbenen schwäbischen pietistischen Pfarrers Ludwig Hofacker zu beschreiben. „Unbestrittten ist, dass Ludwig Hofacker die zentrale Gestalt der württembergischen Erweckungsbewegung in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts war“ (7). „Er füllte die Leonhardkirche durch seine Gottesdienste. Die Menschen kamen von weither“. Im Hintergrund seines Wirkens stan­den die Befreiungskriege und die wirtschaftli­che Not der Menschen, die viele nach Amerika und Rußland trieb. Im Gegensatz zu anderen Erweckungsbewegungen wurde die württem­bergische von einem Freundeskreis von Geist­lichen im Kirchendienst und weniger von Laien getragen.

Zu diesem Freundeskreis gehörten die Lieder­dichter Albert Knapp (1798-1864) und Chri­stian Gottlob Barth (1799-1862). Wie für den älteren Pietismus galt auch für die Erwec­kungsbewegung die Überzeugung Hofackers: „Wer … kein Christ ist hinter dem Pfluge, der ist auch kein Christ in der Kirche, denn das Christentum ist nicht ein Rock, den man nach Belieben aus- und anziehen kann“ (10).

Nach der Beschreibung des Wirkungskreises des Vikars und Pfarrers in Württemberg und den „prägenden Erfahrungen“ durch die frühe Bekehrung und schwere Krankheit konzentriert sich Kirn auf den Prediger Hofacker. Hofacker möchte seine Hörer durch die „Kreuzesmedi­ta­tion“ zur Versöhnunglehre füh­ren, die sich im Opfer Jesu am klarsten zeige. Glaube und Ge­fühl werden dieser Überzeu­gung untergeord­net. „Die Frage nach den Früchten des Glau­bens“ zwinge zur Selbstprü­fung, weshalb Hofacker die „Selbstanalyse“ zur „heiligen Aufgabe eines jeden Menschen er­klärt“ (40). „Sterben und Tod“ sind die zentra­len Themen seiner Predigten.

Die versammelte Gemeinde sind die, die das fromme Selbstbewußtsein bestimmt. Die Volkskirche wird zum Missionsfeld, denn Hofacker leidet an der Sattheit der „Beamtenkirche“. Der Prediger wird zum Mis­sionar, denn die schleichende Entchristlichung sei vorherrschend. Den Optimismus des Fort­schrittsglaubens und die Hoffnung auf eine sittliche Perfektionierung des Menschen be­trachtet er kritisch und mahnt die tugendhaften Leute, „ihr seid der Hölle viel näher, als ihr meint“ (48).

Sozialkritische Töne hören wir nicht in Hofac­kers Predigten. Es geht ihm um „Erweckung des Herzens“. Sein betonter Antiintellektualis­mus unterscheidet ihn von den meisten anderen Mitgliedern der jungen Erweckungsbewegung. Hofacker war ein „Krisentheologe“, der ein­dringlich „auf das Geschehen am Kreuz als Zentrum christlichen Glaubens und Hoffens gegen die Daseinsangst des dem Tod geweih­ten Menschen“ hinweist (57).

Ludwig Hofackers Gedanken sind trotz aller zeitbedingten Züge eine Herausforderung für die Kirche am Beginn des neuen Jahrtausends. Die Kirche braucht heute nicht nur ein neues Nachdenken über wirtschaftliches Handeln, sondern eine aktive Ludwig Hofacker-Bewe­gung, die das Kreuzesgeschehen als Zentrum christlichen Glaubens und Hoffens dem mo­dernistischen Fundamentalismus namens Re­lativismus gegenüber im Alltag der Welt lebt.

Prof. Dr. Karl Rennstich, em 2001-2.

Klammt, Thomas. „Ist die Heidenmission zu empfehlen?“ – Die Deutschen Baptisten und die Mission in der Ferne (1848-1913). edi­tion afem - mission Scripts 1. Bonn: VKW, 1994.

Bei dem von Klammt vorgelegten Buch han­delt es sich um seine Magisterarbeit, die von der Universität Heidelberg angenommen wurde. Er unternimmt darin den Versuch, Entstehung, Werdegang und Ausbreitung der deutschen baptistischen Heidenmission in den Jahren 1848-1913 zu beschreiben.

Anhand eines fleissigen Studiums der Quel­len (Klammt beschränkt sich dabei größtenteils auf die in diesem Zeitraum erschienen öffentli­chen Verlautbarungen des Baptistenbundes) weist der Verfasser nach, daß schon auf der Gründungskonferenz des Bundes der deutschen Baptisten im Jahr 1849 das Thema „Mission in der Ferne“ heiß diskutiert wurde. Durch zahl­reiche Zitate belegt Klammt, dass „die starke finanzielle Begrenztheit der deutschen Bapti­sten“ der wesentliche Faktor war, der die Aus­sendung deutscher Missionare verhinderte. Erst 1890 (immerhin fast 100 Jahre nach Careys Gründung der ersten baptistischen Missionsge-sellschaft in England!) fanden die deutschen Baptisten ihren Platz in der Weltmission, als sie mit ihrer Kamerunmission begannen.

Klammts Studie ist ein wertvoller For­schungsbeitrag, der das Ringen des deutschen Baptismus um die Heidenmission beschreibt. Das Buch ist klar gegliedert und zeichnet sich für den Schneileser durch kurze Zusammenfas­sungen am Ende jedes Kapitels sowie durch eine englische Zusammenfassung aus. Das Register rundet das gelungene Werk ab.

Ich wünsche diesem Buch nicht nur in bap­tistischen Kreisen eine weite Verbreitung.

Hartmut Burghoff, em 1995-2.

Kleiner, Paul. Bestechung. Eine theologisch­ethische Untersuchung. Bern, Frankfurt/M.: Lang, 1992.

Paul Kleiner, der heute in Afrika als theologi­scher Lehrer unterrichtet, untersucht in seiner Züricher Dissertation das Problem der Beste­chung. Seine Arbeit gliedert er in drei Haupt­teile: 1. Die Charakterisierung der Bestechung in Ökonomie, Recht, Politologie und anderen gesellschaftsrelevanten Bereichen. 2. Gerech­tigkeit und Vertrauen als theologische und philosophisch-ethische Kriterien. 3. Perspekti­ven für ethisch vertretbares Handeln im politi­schen und wirtschaftlichen System, als Unter­nehmen und einzelner.

Die sorgsam gearbeitete Untersuchung ist ein wichtiger Beitrag zum Thema der Wirt­schaftsethik. Man kann nur hoffen und wün­schen, daß auch viele Missionare das Buch lesen, damit sie sich nicht als „nützliche Idio­ten“ mißbrauchen lassen.

Karl Rennstich, em 1994-2.

Knox, Elisabeth. Signal on the Mountain. The Gospel in Africa’s Uplands Before the First World War. Acorn Press [POB 282, Brunswick East, Vic 3057, Australia], 1991.

Endlich ein Buch über die Anfänge evangeli­kaler Mission in Zentraltansania! Nachdem der Anthropologe T. 0. Beidelman 1982 in seinem Werk ‚Colonial Evangelism’ die – aus seiner Sicht negativen – Auswirkungen der Missions­bemühungen früherer Generationen am Bei­spiel der Wakaguru Ostafrikas beschrieb, mußte man auf eine Darstellung seitens der Mission gespannt sein. Knox’ Buch ist keine Antwort geworden, aber eine historische For­schungsarbeit mit zwölf An­hängen, einer aus­führlichen Bibliografie (weitere Quellen ent­nehme man Beidelmans Buch) und einem gutem Index. Sie verfolgt das Wachstum der ur­sprünglich nur als Raststationen vorgese­henen Plätze auf dem Weg nach Uganda. Will man mit der Beschreibung schritthalten, sieht man sich gezwungen, vom Anhang A der be­teiligten 77 Missionare Gebrauch zu ma­chen, da sonst der Überblick rasch verloren­geht. Lei­der wurde diese wichtige Liste nach zeitlichem Eintritt und nicht alphabetisch ge­ordnet.

Wie schwer war die Safari von Sansibar zum Victoriasee! Als A. Mackay sich gezwun­gen sieht, sein Gewehr auf die eigenen, flie­henden Träger abzufeuern, damit nicht alle Habe herrenlos zurückbleibt, reagiert die Mis­sion mit einem Rückruf, den der Missionar nicht befolgt. Die Autorin erhellt hier und bei folgenden kritischen Ereignissen die Motive anhand zahlreich eingesehener Briefe und kri­tisiert dabei u. a. die Weltfremdheit der Missi­onsleitung. Heute übrigens ehrt die einheimi­sche Kirche Mackay, der bis zu seinem frühen Lebensende in Afrika verblieb, indem sie ihr Service-Haus in der Hauptstadt Dodoma nach ihm benennt.

Die Gründung der Kolonie Deutsch-Ostafrika (DOA) wirft die Bemühungen der Missionare zurück, da nun London nicht genug Nachfolger auf das Feld entsendet. Eine Kon­zentration auf Uganda wegen der dortigen Er­weckung und der englischen Kolonialherr­schaft wird an­gestrebt. So müssen die Missio­nare in DOA mit ihrer Missionszentrale um den Erhalt ihrer Stationen kämpfen. [Im Welt­krieg geraten die englischen Missionare alle­samt in Gefangen­schaft, in der ihnen der Miß­brauch von Ta­schenspiegeln zum Übersenden von Nachrich­ten vorgeworfen wird - daher der Titel des Buches.] Doch die Entbehrungen ha­ben ihren Lohn. Im Gebiet der Wagogo und der Wakaguru hat das Evangelium Fuß gefaßt.

Ein Fortsetzungsband über die weitere Ent­wicklung nach dem 1. Weltkrieg wäre wün­schenswert, besonders deshalb, weil die Ver­antwortlichkeit für das Feld nach der Weltwirt­schaftskrise von London auf Sydney überging.

Winfried Schwatlo, em 1996-3.

Kommerau, Horst. Licht über Afrika. Hänssler-Verlag: Neuhausen, 1990 und 1997.

Der Mitbegründer der DIGUNA (Die Gute Nachricht für Afrika) nimmt den Leser von der ersten Seite an mit in die sehr abwechslungs- und erlebnisreiche Entwicklung dieses Missi­onswerkes anhand seiner persönlichen Lebens­geschichte. Jeder Afrikareisende findet sich in vielen dieser Schilderungen wieder, die an ver­schiedenen Stellen auch das Thema „Zerstört Mission Kultur?“ auf eindrückliche Art und Weise einfließen lassen.

Das Buch bietet einen guten Einblick in die Hintergrundsarbeit der DIGUNA und hebt Gottes Wirken in vielen „unmöglichen“ Situa­tionen hervor. Wünschen würde man sich vielleicht noch einen etwas tieferen Einblick in die geistliche Arbeit an sich: Welche Hürden mußten überwunden werden, um das Evange­lium in die verschiedenen Kulturen zu tragen, wie sieht die Nacharbeit bei den verschiedenen Evangelisationsfeldzügen aus? Das Buch spricht vielleicht vor allem junge, mutige Praktiker an. Zu empfehlen ist es aber auch für Menschen, die für die Missionsarbeit in Afrika beten wollen und sich oft nicht vorstellen kön­nen, mit wieviel Schwierigkeiten, Kraft und Einsatz solch eine Aufgabe verbunden ist.

Michael Wimmer, em 1998-4.

Koop, Allen V. American Evangelical Missionaries in France 1945-1975. University Press of America, Landam/London 1986.

Die vorliegende Dissertation über die Arbeit evangelikaler Amerikaner in Frankreich ist wahrhaftig kein Kompliment für die betei­ligten amerikanischen Missionen, da Koop nicht nur eine gute und detaillierte Ge­schichte gemäß Titel liefert, die hier natür­lich schlecht wiedergegeben werden kann, sondern von Anfang an auch die Gründe für die großen Probleme der meisten amerika­nischen Missionsarbeiten in Frankreich ana­lysiert. Dabei schreibt Koop fair und ruhig und kann manches aus dem Mund der Mis­sionare selbst belegen.

Die meisten Missionare kamen völlig un­vorbereitet nach Frankreich. Sie kannten die Sprache kaum und ihr Wissen stammte vorwiegend aus dem National Geographic Magazine (S.11). Selbst Missionare, die schon länger in Frankreich arbeiteten, konn­ten oft nur schlecht Französisch (S.137). Die ersten Missionare waren dann schockiert, als sie sahen, wie schwierig die Arbeit sich gestaltete (S.67). Frankreich wurde als Missionarsfriedhof bekannt (S.94). Was man in Amerika unter gesunder Lehre ver­stand, wurde nach Frankreich übertragen, ohne zu fragen, ob es in Wirklichkeit viel
leicht eher amerikanische Kultur wieder­spiegelt (S.123). So blieb Alkohol etwa für die entstehenden Gemeinden verboten (S.140), strikter Antikommunismus war Ge­setz (S.156), ja, die Bewahrung Europas vor dem Kommunismus wurde zum immer wieder wiederholten Missionsmotiv (S.156-157). Überhaupt wurden kulturelle Unter­schiede allzuschnell als lehrmäßige Unter­schiede angesehen. Es wird insgesamt deut­lich, welche verheerenden Folgen es hat, wenn Missionare schlecht vorbereitet sind und ihre lehrmäßige Klarheit allein aus­schlaggebend ist. Man wurde eben trotz biblischer Pflicht den Franzosen kein Fran­zose.

Nun wäre es sicher zu einfach, je nachdem traurig oder schadenfroh auf die Amerika­ner zu schauen. Sicher wird man beim Le­sen als Europäer häufig genug eher die Franzosen verstehen als die Amerikaner. Sicher haben es Europäer einfacher, die in einer Welt von Kleinstaaten aufwachsen, während viele Amerikaner, bevor sie Mis­sionare werden, nie eine Sprache erlernt haben oder ihr riesiges Land verlassen muß­ten. Solche Gedanken allein wären jedoch letztlich dieselbe kulturelle Überheblichkeit wie die der Amerikaner, nur mit umgekehr­ten Vorzeichen. Wenn aber das Lesen des Buches nicht zu der Frage führt, wie wir uns besser vorbereiten können und wie wir besser unsere deutsche Kultur und das Evangelium auseinanderhalten, dürfte das Buch zum zwar guten, aber unfruchtbaren Geschichtsbuch degradiert werden.

Thomas Schirrmacher, em 1988-2.

Kopfermann, Wolfram. Macht ohne Auf­trag. Warum ich mich nicht an der „geist­li­chen Kriegsführung“ beteilige. Em­mels­büll: C & P Verlag, 1994.

Wolfram Kopfermann, 12 Jahre Vorsitzender der Geistlichen Gemeindeerneuerung und Gründer der charismatischen Anskarkirche, setzt sich hier mit einer Praxis auseinander, die er lange Zeit selber vertreten hat. Dabei stehen die The­sen von C.P.Wagner aus „Das offensive Gebet. Strategien zur geistlichen Kampffüh­rung“ (GK) im Vordergrund. Es gelingt Kopfermann, die Anliegen der GK gut darzu­stellen und auch deren positives Anliegen der Weltevangelisa­tion zu betonen. Am stärksten kritisiert er, daß Wagner und andere Autoren mit Erfahrungen argumentieren, die im Nach­hinein mit exege­tisch zweifelhaften Auslegun­gen belegt wer­den. Kopfermann überzeugt mit klarer Ex­egese. Ohne die Tatsache des Kampfes zwi­schen dem Reich Gottes und Satans zu überse­hen, wehrt er sich gegen die These, daß Chri­sten den Auftrag hätten, einen „offensiven Ge­betskampf“ gegen die geistli­chen Mächte zu führen. Wagner behauptet z.B., daß eine effek­tive Evangelisation erst nach ei­nem Gebetssieg über die geistlichen territoria­len Mächte mög­lich ist.

Dieses Buch kann durch seine klare Struktur und gute Lesbarkeit eine Orientierungshilfe in der Auseinandersetzung mit der GK sein. Für eine Neuauflage wäre eine Bibliographie und ein Bibelstellenregister wünschenswert.

Kai Kreienbring, em 1996-2.

Körner, Felix. Kirche im Angesicht des Islam: Theologie des inter­re­li­giösen Zeug­nisses, Stuttgart: Kohl­hammer, 2008.

„Wie kann man einem Muslim das Chris­tentum erklären?“ lautet die Kern­frage, der Felix Körner in diesem Buch nachgeht. Der jesuitische Theo­loge hat ein halbes Jahrzehnt in An­kara gelebt und lehrt inzwischen Dog­matik an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom sowie an der Phi­lo­sophisch-Theo­logischen Hoch­schule Sankt Georgen. Aus­gangspunkt der Er­örterungen ist ein islamisches Trak­tat mit dem Titel „Ein­ladung an die Christen zur Recht­leitung und wah­ren Erlösung“, das 2005 in der Türkei und in Deutschland verbreitet wurde. (Der Text ist – mit islam­wissen­schaft­li­chem Kommentar – auf Deutsch im An­hang des Buches abgedruckt). Das Traktat mache eine alltagsnahe „Lai­en­dis­kussion“ um re­li­giöse Wahrheit sicht­bar, die in der bisherigen kirch­lichen Dia­log-Li­te­ratur nicht aus­rei­chend wahr­ge­nom­men worden sei: „Wer sich – ge­rade vor weniger ge­bil­deten – Muslimen als Nichtmuslim zu erkennen gibt, fin­det sich unversehens auf dieser Ebene des Dialogs wieder“ (S. 23). An dieser Stelle will Körner weiterhelfen mit einer theologischen Reflexion des christlichen Zeugnisses. Er tut dies in acht alliterativ über­schrie­benen Ka­piteln.

Unter der Überschrift „Anstoß“ (S. 19–50) reflektiert der Autor die dem dia­logischen Zeugnis implizite theo­lo­gische Aus­einandersetzung, die üb­li­cher­weise in einer Pattsituation ende. Um diese zu überwinden, schlägt er eine „gegen­über­stel­lende Darlegung“ vor, in der „zwei sich ausschließende Lehren“ möglichst ge­nau beschrieben und in ihrer Gegen­sätz­lichkeit stehen gelassen werden (S. 42). Weiter­füh­rend gibt es den Weg „der Wider­le­gung“, der allerdings wenig er­folg­ver­sprechend sei, da er „beim Ge­sprächs­partner eine Bereitschaft zum Über­zeugt werden und damit eine Frei­heit voraus[setzt], die kaum einer hat“ (S. 43). Besser sei der Versuch einer „neu­en Grundlegung“. Muslim und Christ könnten sich darauf einigen, Of­fen­barungsansprüche auf einer ge­mein­samen Grundlage der Historie und An­thro­pologie zu prüfen. „Was sich als nicht tatsächlich erweist, kann deshalb nicht zum Zeugnis gehören“ (S. 44). Da­bei geht es nicht um rationalistische Bibel- oder Koran­kri­tik, sondern um das Interesse an his­torischer Tatsächlichkeit, die für jeden Glaubenden bedeutsam sein müsse (S. 45), z.B. im Blick auf die Kon­troverse um Jesu tatsächliche Kreu­zi­gung. Als weiteren möglichen „Test“ gegen­sätz­licher religiöser Wahrheits­an­sprüche wird die anthropologische Re­le­vanz und Deutungskraft von Offen­ba­rungs­aussagen (inwieweit bewältigen sie ge­meinsame Welt- und Alltags­er­fah­rung?) reflektiert. Doch alle diese For­men des Argumentierens stoßen an Gren­zen.

Zur weiteren Erkundung des christ­lichen Zeugnisses nimmt der Autor im Kapitel „Ankara“ (S. 51-116) eine konkrete kontextuelle Situation „ge­nauer in den Blick“ (S. 49). Er zeigt öffentliche „tür­kische Gesichts-Punk­te“ in Presse, Schu­le, Moschee, Politik und Universität auf. Beispiele: Davut Aydüz, Professor für Koranexegese, spricht von einer zu­künf­tigen Rei­ni­gung des Christentums durch den Is­lam, einer „Vereinigung der beiden Religionen unter islamischem Vor­zei­chen (S. 71). Oder: In Predigt­hil­fen, die von der türkischen Re­ligions­be­hörde (Diyanet) für die Freitags­ge­bete heraus­ge­geben werden, wird christ­li­che Mis­sion als Be­dro­hung der tür­ki­schen Na­tion dargestellt und als „schäd­liche Strö­mung“ mit „Sa­ta­nis­mus“ (S. 89) und dem Kampf um poli­ti­sche Vorherrschaft in Zu­sam­men­hang gebracht (S. 90). Kör­ner kri­ti­siert die Ambivalenz, mit der die Be­hör­de zwar die Morde an christ­lichen Mit­arbeitern in Malatya im April 2007 scharf verurteilt hat, aber gleichzeitig durch derartige Predigt­hilfen „eine öf­fen­tliche Verfolgungs­stimmung“ er­zeu­ge (S. 92). Das christ­liche Zeugnis könne an­gesichts dieses Kontextes nur „be­hut­sam bis langsam“ erfolgen, um „Men­schen die Freiheit zu geben, ein ei­genständiges, reflektiertes Urteil zu fäl­len und zu integrieren.“

Im dritten Kapitel werden unter der Über­schrift „Anfänger“ (S. 117-158) westlich-christliche Perspektiven auf die denkerischen Rahmenbedingungen des christlich-islamischen Gesprächs darge­stellt. Dabei wird von Petrus Ve­ne­rabilis, Thomas von Aquin, Rai­mun­dus Lullus über Pius II. bis zur Gegenwart deutlich, dass große Hoff­nungen auf die säkulare Vernunft ge­setzt, diese Hoffnungen je­doch als ge­scheitert angesehen werden müssen. Vielmehr macht Körner die Be­ob­ach­tung: „Je mehr die genannten christ­lichen Denker aufs Ganze gehen, je ra­dikaler nämlich ihre Bekeh­rungs­ab­sicht … ist, desto treffender gelingt ihnen auch die theologische Fassung des Christlichen. Die Wahrnehmung des an­de­ren als anderen erweist sich so als Erkenntnisquelle“ (S. 340). Der Autor schlägt darum vor, religiöse und mensch­liche Erfahrungen als inte­grativen Teil der Vernunft zu fassen. Dies wird im Kapitel „Andersheit“ (S. 159-180) vertieft. Da die „Rhe­to­rik“ einer sä­ku­laren „reinen Ra­tio­na­li­tät“ an der Rea­lität des Dialogs „zer­platzt“ (S. 156), öff­nen sich neue her­meneutische Wege, auf de­nen so­wohl die eigene als auch die frem­de (Glau­bens-) Erfahrung als wirk­lich­keits­er­schlie­ßend verstanden werden kann. Hier macht Körner die aris­to­te­li­sche To­pik (in ihrer Rezeption bei Karl Leh­mann) fruchtbar. Der topische An­satz bezieht den Ort/Kontext in die Theo­logie ein, rechnet mit der Un­be­rechenbarkeit der Wirk­lichkeit als ei­nem Gebiet, das „noch unabgesteckt ist“ – immer in der Erwartung gerade im Widerspruch des anderen auf Neu­es zu stoßen (S. 160). Ein bereits vor dem Dia­log behaup­teter Konsens („Muslime und Christen glauben an den gleichen Gott“) sei darum „eine Ver­weigerung des Dia­logs“ (S. 174).

Doch was bedeutet „Zeugnis“ eigent­lich theologisch? Auf der Suche nach einem begründeten theo­lo­gischen „An­satz“ (S. 181-235) unter­sucht Kör­ner ver­schie­de­ne Zeugnis-Theo­lo­gien (Rahner, Hü­ner­mann u.a.) und fin­det sechs notae theo­logiae, die er auf das christliche Zeug­nis gegen­über Mus­limen anwendet: Es sollte be­zeu­gend, bekennend, be­grün­dend, be­frei­end, bekehrungsfähig (im re­flexiven und transitiven Sinn) und be­zie­hungs­stiftend sein. Dass diese notae nicht sta­tisch, sondern dyna­misch zu ver­ste­hen sind, zeigt sich auch an den „Ant­wor­ten“ (S. 237 – 331), die unter Mus­li­men lebende Christen geben. Hier be­trachtet Kör­ner christliche Zeug­nis- und Ka­te­chese­literatur für den islamischen Kon­text. Die aus­ge­wähl­ten Texte decken erfreu­li­cher­weise ein breites konfessio­nel­les Spek­trum ab, gehören aber recht un­ter­schiedlichen Kate­gorien und Kon­texten an, was den Vergleich schwie­rig macht und in Körners kritischen Be­wer­tungen nicht immer ausreichend berück­sichtigt wird. Die Auswahl um­fasst Klas­siker wie Johannes von Da­mas­kus, zeit­ge­nös­sische pro­tes­tan­ti­sche und evan­ge­likale Texte, die im tür­kischen Kon­text relevant sind (J. McDowell, Da­niel Wick­wire, L. Le­vo­nian) und die für den afri­ka­ni­schen Kontext ge­schrie­bene Bro­schüre Christ­ian Wit­ness among Mus­lims, zwei Vorträge des angli­ka­nischen Erz­bischofs Row­an Williams in Ägypten und Pakistan sowie Texte ver­schie­dener katho­li­scher Theologen im is­la­mischen Kon­text (Körner, Mi­chel, Aboujaoudé, Troll, Claverie). Körner sieht sowohl die apolo­ge­ti­schen (z.B. McDowell) als auch die sich an is­la­mische Vor­stellungen an­pas­senden As­pekte (z.B. Williams) kri­tisch; letz­tere, weil sie kei­ne Ver­än­de­rung her­aus­fordern. Apo­logetische An­sätze be­gründeten zwar die fak­tisch-his­to­rische Basis des Glaubens, aber es feh­le das theo­lo­gische Ernst­nehmen des mensch­lichen Zweifels und der letz­ten Un­be­weis­barkeit des Glau­bens. Ob die­ses Urteil der Inten­tion der Texte gerecht wird, bleibt dahin­ge­stellt, es übersieht aller­dings die Be­deutung solcher Li­teratur für Mus­lime, die sich kritisch mit ih­rer Re­li­gion auseinandersetzen möch­ten. Zu pauschal klingt jedenfalls Kör­ners Be­hauptung, in der Broschüre Christ­ian Witness among Muslims werde „die Islamkenntnis … als Herr­schafts­wis­sen genutzt, um den mus­limischen Be­kannten von der Wahr­heit des Chris­tentums zu überzeugen“ (S. 271). Als weiterführend sieht Kör­ner hingegen den Ansatz der katho­li­schen Bischöfe des Maghreb (Clave­rie), die sich in ihrem „Glaubensbuch“ an Chris­ten wen­den, aber auch die Mus­lime als Mit-Leser wissen. Sie tragen ihr Glau­bens­zeugnis als bib­lisches Zeug­nis in ruhiger Ge­wissheit vor, sie wollen nicht Christus be­weisen, son­dern im Zeug­nis anderer – auch in den of­fen­ge­lassenen Fragen – Christus sicht­bar werden lassen.

Wie er dies konkret versteht, zeigt Kör­ner am Beispiel einiger Gespräche über Maria aus seiner eigenen kirch­li­chen Pra­xis in Ankara unter der Über­schrift „Ancilla“ (S. 331-336). In Ma­ria, der Mutter Jesu, sieht er Vorbild und Deu­tungsmuster des christlichen Zeug­nisses. Ihr habe sich Gott als Kind in Schwach­heit anvertraut. Sie wur­de in ihrer Schwach­heit eine „Zeu­gin der Geheim­nisse des Lebens Jesu“ (S. 335). So müs­se sich auch das Zeugnis unter Muslimen oft sehr be­scheiden geben und trage den­noch das Leben Jesu mit sich. Etwas be­fremd­lich wirkt es jedoch, wenn der Au­tor die „Verehrung Mariens“ als „Test­fall“ für die Bereitschaft, „Gottes Groß­mut zu akzeptieren“ nennt und auf einen freikirchlichen türkischen Kon­vertiten an­gewandt formuliert: „Jesus als Herrn zu verehren fällt ihm leicht. Aber eine Herrin will er nicht zulassen“ (S. 332).

Im Fazit „Anakephalaiosis“ (S. 337–348) macht Körner deutlich, dass In­halt und Form des christlichen Zeug­nisses un­ter Muslimen untrenn­bar zu­sam­men­hängen und zentral von dem ge­prägt sind, was den christ­lichen Glau­ben vom Islam unter­scheidet: (S. 345f): 1. Die his­torische Erfahrung: „Gott riskiert sei­ne Gott­heit in der Geschichte“, darum wird die Ge­schich­te von Jesus Christus er­zählt, bezeugt und auch historisch be­grün­det; 2. Die menschliche Er­fah­rung: „Der Mensch hat eine Bestim­mung, der er nicht aus eigener Kraft gerecht werden kann“. Darum braucht der Mensch das er­lösende Eingreifen Got­tes in Christus, dem er sich anver­traut und somit Ver­trauen auch für die Be­gegnung mit an­deren gewinnt; 3. Die Niederlage-Er­fahrung als „das Ab­le­gen des Zeug­nisses“ in seiner Schwä­che: „Der christ­liche Glaube will gar nicht in schla­gen­der Über­zeugung be­zeugt werden, son­dern in seiner Ge­stalt als Skandalon. Nur wo er sich in seiner Schwäche zeigt, die dem Men­schen zumutet, die eigene Schwä­che anzuerkennen, entfaltet er wan­delnde Kraft.“ (S. 345).

Körners Buch bietet einen Entwurf des christ­lichen Zeugnisses unter Mus­limen, den man als kontroverse Theologie der Schwachheit zu­sam­men­fassen könnte. Diese Zeugnis-Theo­logie wurzelt sowohl im bib­li­schen Zeugnis und dem Be­kenntnis der communio sanctorum als auch in der kontextuell-lebensweltlichen („to­po­logischen“) Begegnungs-Erfah­rung vor Ort. Der jesuitische Autor hat die „mis­sionarische Überzeugung, dass die christliche Heilsbotschaft uni­ver­sal relevant ist“ und somit bekennend, be­grün­dend, beziehungsstiftend und befrei­end bezeugt werden muss. Inso­fern finde „die Bekehrungs­be­geis­te­rung des ame­ri­kanischen Freikirch­lers beim Jesuiten Resonanz“ (S. 338). Das Zeugnis ge­schieht in einem Dia­log, der theo­lo­gi­sche Unterschiede und Kontroversen als Chance zur Ver­än­derung auf beiden Sei­ten zur Spra­che bringt und Neues er­wartet (be­keh­rungsfähig). Angesichts der Erfahrung des Nichtverstanden- und Miss­ver­stan­den­werdens, des Wider­spruchs, der Vereinnahmung und der Ab­leh­nung im islamischen Kontext voll­zieht sich das Zeugnis in Schwachheit, die nicht auf Argumentation und Erfolg setzt, sondern Gottes Wirken in jeder in­dividuellen Begegnung neu vertraut. Wer in diesem Buch praxisnahe und leicht verständliche Ausführungen zum christ­lichen Zeugnis unter Mus­li­men erwartet, wird eher enttäuscht wer­den. Sprache und Struktur des Buchs sind ästhetisch und vielseitig, aber nicht leicht zu­gänglich. Insofern kann man fragen, ob der Autor seinen ein­gangs angedeuteten Anspruch (S. 24; 345), einen Beitrag zur alltags­na­hen Laiendiskussion zu leisten, ein­lö­sen konnte. Wer jedoch bereit ist, sich auf die komplexen theologischen und in­terreligiösen Implikationen die­ser Dis­kussion einzulassen, wird in die­sem Buch weitgespannte Hinter­grün­de, tief­grei­fende Argumenta­tio­nen und hilf­reiche Anregungen finden.

Friedemann Walldorf, em 2010-3.

Körner, Felix. Revisionist Koran Hermeneutics in Contemporary Turkish University Theology. Rethinking Islam. Mitteilungen zur Sozial- und Kulturgeschichte der islamischen Welt 15. Würzburg: Ergon, 2005.

Wer die Dissertation von Felix Körner, SJ, katholischer Theologe, Turkologe und Islam­wissenschaftler, in die Hand nimmt, versucht zu verstehen, wie einer sich um das Verstehen von Verstehen einer fremden Kultur und Religion und den entsprechenden Voraussetzungen be­müht, ohne sein eigenes Verstehen auszuklam mern. Körner verfolgt aufmerksam, wie vier türkische Islamtheologen, Vertreter der Ankara­ner Schule, koranhermeneutische Fragen disku­tieren. Er beschreibt dieses Bemühen als „revisionist“ und weist damit auf ihr Ringen um Fragen historischer Relativität und universaler Bedeutung. Körner bringt sie mit Fazlur Rahman (einem islamischen Reformtheologen) und mit Hans-Georg Gadamer mit einer kontinentalen Perspektive von Hermeneutik ins Gespräch, welche von den türkischen Theologen teilweise selbst rezipiert werden. Mehmet Pacaci wird unter der Überschrift „The Koran is Universally Historical“ (S.65-108) vorgestellt; Adil Ciftci mit „The Koran as Ethical Order“ (S.109-133), Omar Özsoy „The Koran is What God Wants to Do“ (S.135-164) sowie ilhami Güler mit „Contigent Koran, Absolute Contents“ (S.165-192). Die abschließende Re­flexion fasst die Ergebnisse der Fallstudien zu­sammen (S.193-203) und gibt einen Ausblick auf offene Fragen und Möglichkeiten dieser koranhermeneutischen Ansätze in der Türkei (S.204-205).

Körner hält sich mit kritischen Fragen in der Reflexion nicht zurück. Dabei entwickelt sich bisweilen eine dialogische Dynamik, die auch auf Körners hermeneutische Überzeugung weist. Körners Vorgehensweise ist hilfreich, wenn auch ungewöhnlich für Leser, die eine stringente Argumentation vorziehen. Die Darstellung der Islamtheologen wird um Anfragen ergänzt, ohne diese im Laufe der Darstellung zu diskutieren. Vielmehr folgt die Diskussion in oft unabhängigen und thematisch geordneten Ein­heiten. Man könnte Körners hermeneutische Grundlagenlegung in Anlehnung an Gadamer eingehend diskutieren, aber ich beherzige Körners berechtigte Warnung: „one cannot develop one‘s method before starting to work. This warning against a methodological obsession should keep us alert“ (S.31). Die Beschäftigung mit Werken über das Verstehen soll also nicht nur die theoretischen Grundlagen betrachten, sondern ebenso deren Umsetzung. Deswegen richtet sich mein Blick auf die Durchführung. Dabei bleiben wenigstens drei Fragen offen:

1) In seinem Ausblick stellt Körner fest, dass „Turkish academic theology is producing high quality studies which are of great relevance for Turkey“ (S.204). Seine Hoffnung richtet sich auf die Entwicklung eines neuen Denkens im Raum des Islams, welches mit westlichen Werten kompatibel ist. Sehen Landsleute dieser Vertreter das ebenso? Welche Auswirkungen haben diese Studien in der Türkei und in anderen islamisch-geprägten Ländern? Der theologische Diskurs an der Universität reflektiert jedenfalls nicht die Mehrheit der türkischen Muslime. Imame werden vielfach in religiösen Imam-Hatip-Schulen ausgebildet. In den vergangenen Jahren fanden sogar immer mehr Absolventen dieser Schulen Arbeitsplätze in der Verwaltung oder in Regierungsstellen Es ist kaum anzunehmen, dass solche Absolventen eine Universitätstheologie, die sich für den Westen aufgeschlossen zeigt, herzlich will­kommen heißen. 2) Körner hält fest, dass bei allem intellektuell hochstehenden Diskurs die kultische Praxis weder überdacht noch geändert wird (S.57). Sollte die kultische Kontinuität die (noch bestehende) Irrelevanz dieses Univer­sitätsdiskurses belegen? Außerdem arbeitet Körner mehrfach den Fokus auf ethische Frage­stellungen heraus und beklagt diese einge­schränkte Perspektive. Könnte dieser Fokus allerdings der Schwerpunktbildung des Korans entsprechen und eben nicht nur ein Zugeständnis an das Verständnis türkischer Zeitgenossen sein? 3) Manche mögen auf die Entwicklung im Westen nach der Aufklärung verweisen: die Türkei (und andere islamische Länder) müssen eben noch eine gewisse Wegstrecke zurück­legen. Wenn der intellektuelle Diskurs einmal Auswirkungen auf die kultische Praxis hat, dann aber ist es angemessen, westliche Denk­muster und geschichtliche Entwicklungen als Maßstab an die islamische Welt anzulegen? Sollte westliche Theologie und Philosophie insbesondere in seiner kontinentalen Prägung überhaupt das non plus ultra für Denken und Leben darstellen? Trotz dieser Anfragen bleibt Körners Buch ein wertvoller und gewinn­bringender Beitrag zur Beschreibung des intellektuellen Diskurses in Teilen der islamischen Welt.

Heiko Wenzel, em 2007-2.

Koschorke, Klaus. Falling walls – the year 1989/90 as a turning point in the history of world Christianity / Ein­stür­zende Mauern - das Jahr 1989/90 als Epo­chenjahr in der Geschichte des Welt­christentums (Studien zur außer­europäischen Christentumsgeschichte 15) Wiesbaden: Harrassowitz Verlag, 2009.

Dass ‚die Wende’ 1989/90, also der Fall der Berliner Mauer, die Auflösung des Sow­jetimperiums, das Ende der bipola­ren Weltordnung und das Ende der Apart­heid in Südafrika auf allen Kon­ti­nenten tief greifende politische oder wirt­schaftliche Folgen hatte, ist unbe­stritten. Doch wie sah die Rolle der Chris­tenheit dabei aus und welche Folgen hatte sie für die Weltchristenheit? Dass Christen und Kirchen in der Vor­bereitung der Wende in Deutschland in­volviert waren, ist gründ­lich unter­sucht. Bei der Welle der Demo­kra­tisierungen 1989-1993 spielten Kirchen eine füh­rende Rolle (in Ru­mä­nien etwa begann die Revolution mit dem Wi­derstand gegen die politisch mo­tivierte Zwangs­versetzung des refor­mier­ten Pfar­rers Lászlo Tökes in Timi­soara, S. 64), die Zahl der führenden christ­li­chen Per­sönlichkeiten in der Politik nahm stark zu. Zur Frage nach der Welt­christenheit gehört in diesem Zu­sam­men­hang aber auch die Darstellung der neuen Reli­gionsfreiheit in vielen Län­dern, die Ab­lösung des Kommunismus als Haupt­beschränker der Reli­gions­frei­heit durch den Islam, wobei es in is­la­mischen ebenso wie in anderen Ländern häufig zu einer neuen gefährlichen Al­lianz von Religion und Nationalismus kam.

Die 4. Internationale München-Freising-Konferenz 2008 führte dazu Forscher aus vier Kontinenten, zahlreichen Fach­rich­tungen und Konfessionen zusammen. Die 23 deutschen oder englischen For­schungsbeiträge (plus Einführung durch den Herausgeber und Zusammenfassung durch einen Konferenzbeobachter), die fast ausnahmslos regionale, nationale und dabei oft konfessionelle Schwer­punkte setzen, stellen derzeit die um­fassendste Darstellung zum Thema dar. Ihr Niveau ist überwiegend sehr hoch, meist mit einer Fülle von in deutschen Bib­liotheken schwer zugänglichen Quel­len belegt. Es gibt Ausnahmen, so ist aus­gerechnet der Beitrag zu Südafrika nur eine vierseitige Zusammenfassung (S. 89ff). Etliche Beiträge leiden in ihrer Wissenschaftlichkeit unter der konfes­sio­nellen Einseitigkeit der Autoren. Es ist na­türlich unmöglich, hier zu jedem der Beiträge einige Sätze zu schreiben. Für den Leser, der wissen will, ob seine Re­gion oder Thematik behandelt wird, seien grob die Themen aufgelistet: DDR, Polen, Rumänien, Osteuropa, Südafrika, Äthiopien, Afrika, Südkorea, China, Viet­nam, Kuba, Zentralamerika, Ar­gen­tinien/Ururuguay/Chile, Brasilien, La­tein­amerika, USA; sowie allgemein: Fun­da­men­talismus, Befreiungstheologie, Pfingst­bewegung, Lutherische Kirchen.

Bedauerlich ist, dass nicht alle Autoren das gesamte konfessionelle Spektrum ab­decken. So mag man ja noch verstehen, dass zu Polen der Protestantismus nicht dargestellt wird, dass er zu China fehlt, ist unverständlich, so lesenswert der Bei­trag von Roman Malek ist. Überhaupt lassen die meisten katholischen Autoren andere Konfessionen überwiegend links liegen, während die protestantischen Autoren die nichtprotestantischen Kir­chen wenigstens mit darstellen, wenn auch selten angemessen. Angesichts der Gesamtthematik des Buches ist die kon­fessionelle und theologische Ein­sei­tig­keit etlicher Einzelbeiträge erstaun­lich. Evangelikale und Pfingstler, immerhin ein Drittel der Weltchristenheit, er­schei­nen überwiegend als negative Klischees, auch wenn die Spannbreite der Dar­stellungen von billiger Polemik bis hin zu gut belegten Fehlentwicklungen reicht. Manche Kritik ist berechtigt – wenn auch oft weniger Ergebnis belegter Forschung als einfach Meinung des jeweiligen Autors: etwa dass in den charismatischen Bewegungen „Christi­anity as a Shopping Mall“ etabliert wurde (James R. Cochrane S. 109-110) oder pfingstliche Politiker in Brasilien sich „nicht als kompetenter oder ethisch verlässlicher erwiesen als andere“ (Ru­dolf von Sinner, S. 330). Wenn auch nichtamerikanische Evangelikale vieles kritisch sehen, was im evangelikalen Bereich in den USA geschieht, so helfen Sammeltöpfe wie die „Rechts­evan­ge­li­kalen, Neofundamentalisten und Pfingst­sekten“ (S. 21) bei der Aufarbeitung sicher nicht.

Manchmal schlägt eine westliche, theo­logisch liberale Sichtweise ver­zer­rend durch, etwa wenn es heißt, dass kon­ser­vative Anglikaner versuchten die afri­ka­nischen Kirchen für ihre Zwecke ein­zu­spannen (S. 17). Den Neuaufbruch gro­ßer anglikanischer Kirchen in Afrika als amerikanisch zu erklären ist schlicht falsch, offenbart aber auch einen Pa­tri­archalismus, der der Realität nicht ge­recht wird. Es sind umgekehrt stark wach­sende afrikanische anglikanische Nationalkirchen wie in Uganda, die den kleinen konservativen Flügel der Angli­ka­ner in den USA zum Widerstand anstiften.

Anselm K. Min (S. 195-214) schreibt den koreanischen Kirchen aller Kon­fessionen zwar berechtigte und ge­wichtige Anfragen ins Stammbuch – wenn auch aus den USA, seine Leistung als Historiker ist aber schwach, seine Kritik an allem, was rechts von ihm steht, ist heftig, aber nicht belegt. Er wird der Diversität des konservativen Protestantismus und der evangelikalen Bewegung nicht gerecht und spiegelt eher seine eigene theologische Position als eine wissenschaftliche Erforschung der Kirchengeschichte wider. Die sta­bi­lisierende Rolle nicht aller, aber vieler evangelikaler Gruppen für die korea­ni­sche Demokratie und die vergleichs­weise positive Rolle eines evangelikalen Präsidenten wird gar nicht erwähnt. Typisch klischeehaft wird der Fun­da­mentalismus mit Anti-Intellektualismus und dogmatischer Intoleranz gleich­gesetzt (S. 210) – das haben die großen reformierten Hochschulen Koreas sicher nicht alle verdient. Und wer im wissen­schaftlichen Kontext von „Fun­da­men­ta­lismus“ spricht, möge bitte angesichts der ungezählten Definitionen und den meist emotionalen oder gar ver­nich­tenden Bedeutungen erst einmal sagen, was er eigentlich darunter versteht. Das überschwängliche Lob des koreanischen Katholizismus im Gegensatz zum Pro­testantismus, der korrupt, materialistisch, individualistisch und der koreanischen Kultur nicht angepasst sei (S. 212), wirkt in seiner schwarz-weißen Pau­scha­li­sie­rung trotz des gewissen Wahrheitskerns fast schon komisch.

Die große Ausnahme ist hier – wie nicht anders aufgrund seiner Bücher zu er­warten – der unbedingt lesenswerte Bei­trag von Michael Hochgeschwender zu den USA (S. 351-371), eigentlich für das Thema „Evangelikale“ ja das schwie­rigste Land. Doch Hoch­ge­schwender schreibt informiert, belegt, differenziert, bei allen Vor- und Nach­teile sehend, über alle Konfessionen und Richtungen gleichermaßen fair. Hoch­ge­schwender sieht generell den Schwer­punkt der enormen Religiosität und Spi­ritualität in den USA darin, dass sie „mit einer radikalen Konsequenz, die weltweit Ihresgleichen sucht, zur Ware um­funk­tioniert“ (S. 368) wurde und wird.

Am anderen Ende des Spektrums zu Hochgeschwender steht der britische Theologe Kevin Ward, der eigentlich „Pluralism and fundamentalism as challenges for the African Churches“ (S. 157-176), aber überwiegend nur die Spaltung der anglikanischen Welt­ge­meinschaft darstellt, das Thema seiner Überschrift also verfehlt hat, nicht nur weil er nirgends definiert, was die beiden Begriffe seines Themas eigentlich be­deuten, sondern eigentlich immer nur zwei Lager beschreibt, die man dann wohl den beiden Themen zuordnen soll, was der enormen Vielfalt der afri­ka­nischen Christenheit kaum gerecht wird. Auf welcher Seite Ward selbst steht, zeigt seine Verteidigung der Forderung von Erzbischof Williams, die Scharia in Teilen in Großbritannien zuzulassen. Kommt die Kritik daran wirklich nur von Konservativen, die sich nicht mit der Rea­lität der multikulturellen Gesellschaft abfinden wollen (S. 173)? Wards Kritik an der Kritik der nigerianischen Bischöfe an Williams geht völlig daran vorbei, dass die Frage der Gültigkeit der Scharia für die anglikanische Kirche in Nigeria keine akademische, sondern eine exis­ten­tielle Frage ist, kein den theologischen Strömungen rechts oder links zuzu­ordnendes Thema.

Sehr interessant sind die Beiträge, die die Folgen der „Wende“ für die Befreiungs­theologie und den Weltkirchenrat dis­kutieren. Sergo Silva (S. 335-350) hält die These, die Befreiungstheologie habe ohne real existierende sozialistische Län­der stark an Bedeutung verloren für grundfalsch. Seine Argumente sind aber fast ausschließlich theologisch (sie ist weiter berechtigt und nötig) nicht his­torisch oder soziologisch. (Auch hier ist übrigens bedauerlich, dass Evangelikale wie Rene Padilla oder Samuel Escobar und ihre jüngeren Nachfolger überhaupt nicht in den Blick kommen.) Die Baseler Missionswissenschaftlerin Christine Lie­ne­mann-Perrin (S. 373-392) vertritt die entgegengesetzte These – und dies gut belegt vor allem am Beispiel Koreas, Südafrikas und Lateinamerikas. Sie geht davon aus, dass die großen be­frei­ungs­theologischen Entwürfe durch kon­tex­tuelle, lokale Entwürfe abgelöst wurden. Viggo Mortensen (S. 429-441) be­schreibt ausgehend von den lutherischen Kirchen die tief greifende Veränderung innerhalb der ökumenischen Bewegung nach 1989. Denn „innerhalb der öku­me­nischen Bewegung hingen viele am so­zia­listischen Traum“ (S. 440). Dieser sei längst ausgeträumt (ähnlich Hartmut Leh­mann S. 446). Die Entwicklung gin­ge von der Betonung der sichtbaren Ein­heit hin zur versöhnten Vielfalt, vom Kon­sens (fast um jeden Preis) hin zum sichtbaren Profil und Bekenntnis. Dass die Veränderungen auch den Dauerstreit zwischen Evangelikalen und Welt­kir­chen­rat beendet haben und es heute eine gute Zusammenarbeit mit der weltweiten Evangelischen Allianz in vielen Fragen gibt, wird nicht erwähnt, auch wenn dies genau die These des Autors unterstreicht.

Kritisch angemerkt sei noch, dass die in der Einführung gut angesprochene Frage der Religionsfreiheit, die durch die ‚Wen­de’ eine ganz neues Thema wurde, aber sich auch international ganz anders ohne den kommunistischen Block dar­stellt (etwa durch die zunehmende Ver­quickung von Religion und Na­tio­na­lismus – darunter auch Beispiele eines christlichen Nationalismus!) im Buch fast völlig fehlt. Dabei hätte das Thema mindestens einen eigenen Beitrag ver­dient gehabt und hätte alle anderen Bei­träge durchziehen müssen. Denn die prak­tische Lage der Religionsfreiheit welt­weit als auch der internationale theo­retische Diskurs zum Thema hat sich in den letzten drei Jahrzehnten von der ‚Wen­de’ ausgehend grundlegend ge­wan­delt und christliche Kirchen sind unmit­telbar von beidem überall be­troffen.

Prof. Dr. mult. Thomas Schirrmacher, em 2011-2.

Koschorke, Klaus; Frieder Ludwig; Mariano Delgado (Hg.). Außereuropäische Christen­tumsgeschichte (Kirchen- und Theologiege­schichte in Quellen, Bd. VI), Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag [2004], 2. durch­gesehene Auflage, 344 S., 2006.

Klaus Koschorke, /Frieder Ludwig/ Mariano Delgado (Ed), A History of Christianity in Asia, Africa, and Latinamerica, 1450-1990. A Documentary Sourcebook, Grand Rapids: Eerdmans, 2007, 426 S., US $35. Die traditionelle eurozentrische und konfessio­nelle Missionsgeschichtsschreibung ist bereits seit längerem übergegangen in die Schreibung regionaler und ökumenischer Christentumsge­schichte aus globaler oder kontextueller Per­spektive. Dabei ist deutlich geworden, dass fünf­hundert Jahre christlicher Missionsgeschichte im Rahmen der europäischen Expansion von Bartholomä de Las Casas über William Carey bis hin zur Befreiungstheologie interessante Per­spektiven und wichtige Quellen zum Erschlie­ßen der Kirchen- und Profangeschichte Asiens, Afrikas und Lateinamerikas bieten. Der vorliegende Quellenband enthält 317 Quel­lentexte der Kolonial-, Missions- und Kirchen­geschichte von 1450 bis 1990. Die Texte sind durchgehend nummeriert und nach den geogra­phischen Regionen Asien (Teil I), Afrika (II) und Lateinamerika (III) angeordnet. Jede Region wird dann noch in verschiedene Zeitepochen un­tergliedert. Am Ende des Buches findet sich ein ausführliches Inhaltsverzeichnis, in dem jeder einzelne Text verzeichnet ist. Darüber hinaus gibt es ein Orts-, Personen- und Sachregister so­wie ein kurzes Verzeichnis wichtiger Standard­werke und Quellenausgaben zu nichtwestlicher Kirchen- und Missionsgeschichte. In der zwei­ten, durchgesehenen Auflage von 2006 sind ur­sprünglich fehlerhafte Jahreszahlen im Inhalts­verzeichnis korrigiert sowie die Literaturanga­ben aktualisiert worden. Leider wurden auch Klaus Wetzels Kirchengeschichte Asiens und S. Neills Geschichte der christlichen Missionen aus der Liste der Standardwerke (S.335f) ge­strichen.

Parallel zur 2. Auflage in Deutschland ist eine amerikanische Ausgabe erschienen, die von Frieder Ludwig (Luther Seminary, St. Paul, Minnesota, USA), koordiniert wurde. Sie bietet die entsprechenden 317 Texte in Englisch, wo­bei die Quellenangaben und Literaturhinweise dem englischen Sprach- und Forschungsraum angepasst und z.T. auf englischsprachige Literatur bezogen sind. Eine der deutschen Ausgabe entsprechende Liste von englischsprachigen Standardwerken und Quellenausgaben fehlt in der englischen Ausgabe. Im Index der engli­schen Ausgabe fehlt die Rubrik „Sachen/The­men“.

Die Quellentexte dokumentieren u.a. die ersten Begegnungen zwischen europäischen Entde­ckern, Händlern und Missionaren und den Men­schen und Gesellschaften nichtwestlicher Regio­nen und Kulturen. Sie spiegeln z.B. die Erwar­tungen der Portugiesen, die mit Vasco da Gama 1498 Indien erreichten, und zeigen andererseits die Sicht der indischen Thomaschristen über die ankommenden Portugiesen aus einem Brief an das nestorianische geistliche Oberhaupt. Weitere Quellen berichten von missionarischen Begeg­nungen und Dialogen wie den Gesprächen des ersten Dänisch-Halleschen Missionars B. Zie­genbalg mit drawidischen Brahmanen aus dem Jahr 1714. Weitere Texte dokumentieren z.B. die Akkomodationsmethode der jesuitischen Missionare Matteo Ricci (China) und R. De No-bili (Indien), den Aufbau lokaler Kirchenstruk­turen, Auseinandersetzungen zwischen Missio­naren, Kirchen, Kolonialregierungen und Han­delsgesellschaften, die Begegnung westlicher und asiatischer Kultur und Wissenschaft bis hin zum Aufbruch der nichtwestlichen Nationen in die Unabhängigkeit seit Ende des 19. und in der Mitte des 20. Jahrhunderts und die damit ver­bundenen Entwicklungen in Mission, Kirche und Theologie. Es finden sich Texte aus der Per­spektive nicht-westlicher Kirchenführer, von (Befreiungs)-Theologen und Dokumente unter­schiedlicher nichtwestlicher Kirchenbewegun­gen, z.B. im Feld der charismatischen Bewegun­gen.

Die Auswahl deckt ein relevantes und breites Spektrum ab. Leider ist der Beitrag der Glau­bensmissionen, den Vorläufern der heutigen evangelikalen Bewegung, die in vielen Ländern der nichtwestlichen Welt eine wichtige Rolle spielt (vgl. z.B. Philip Jenkins, The New Faces of Christianity: Believing the Bible in the Global South, Oxford, 2006) unterrepräsentiert. So kommen etwa Hudson Taylor und die von ihm 1865 gegründete China Inland Mission (CIM) trotz ihres bedeutenden Beitrags zur chinesi­schen und globalen Kirchengeschichte nicht vor (vgl. dagegen Alvyn Austin, The China Inland Mission and Late Qing Society, 1982-1905. Stu­dies in the History of Christian Missions, hg. v. R.E. Frykenberg and Brian Stanley, Grand Rapids: Eerdmans, 2006). Neben den pentekos talen Kirchen zu wenig berücksichtigt ist m.E. die Rolle der evangelikalen Kirchen und Theo­logien z.B. in Lateinamerika nach 1945 sowie der Aufbruch der Weltmissionsbewegung aus den nichtwestlichen Kirchen als Thema außer­europäischer Kirchengeschichte in der jüngeren Vergangenheit.

Trotz dieser Defizite ist dieser Band ein wich­tiges Hilfsmittel für Studium und Lehre der Kir­chen- und Missionsgeschichte heute. Für die Ar­beit in internationalen Kontexten stellt die ame­rikanische Ausgabe auch für deutschsprachige Leser eine sinnvolle Ergänzung dar.

Dr. Friedemann Walldorf, em 2008-2.

Kosic, Zuzana. Frühlingsstürme über Bra­tislava. Eine Frau entrinnt dem Dunkel des Systems. Basel & Gießen: Brunnen Verlag, 1995.

Die Autorin ist Slowakin, die in der Zeit der kommunistischen Diktatur Christin wurde. Das Buch ist ein persönliches, authentisches Zeug­nis ihres sehr abenteuerlichen Schicksals. Es schildert ihre Bekehrung und vermittelt Ein­blicke in den Alltag einer evangelikalen Ge­meinde. Es wird jeden fesseln, der sich für eine unverfälschte, unretuschierte Erzählung inter­essiert, in der auch weniger schöne Seiten mit ungewöhnlicher Offenheit dargestellt werden.

Der Leser hat ein außergewöhnliches Buch einer Auslandsautorin in deutscher Sprache in den Händen, die in der derselben Stadt wohnt wie die (auch deutschen Lesern) bekannte slo­wakische Autorin Kristina Roy. Die verwen­deten Namen der Personen sind authentisch. Möglicherweise hätten sie manche der berich­teten Ereignisse anders gewertet. In einer wei­teren Auflage sollte man die Autorin richtig mit KOZIC angeben.

Ondrej Garaj, em 1996-3.

Köstenberger, Andreas J. The Missions of Jesus and the Disciples according to the Fourth Gospel. With Implications for the Fourth Gospel’s Purpose and the Mission of the Contemporary Church. Wm. B. Eerdmans Publ.: Grand Rapids, Michigan und Cambridge, U.K., 1998.

In der christlichen Welt kursieren unterschied­lichste Vorstellungen von Wesen, Inhalt und Ziel von Mission, so daß viele Christen nicht mehr wissen, was Mission im biblischen Sinn eigentlich ist. Andreas J. Köstenberger geht es in seinem neuen Buch um eine Klarstellung dieser Punkte im herrschenden nahezu un­durchdringlichen Meinungsdschungel. Er zeigt anhand des Johannesevangeliums auf, wo die Wurzeln für Mission liegen: bei Jesus selbst, sowohl seiner Mission, mit der er in die Welt kommt, als auch der Mission, zu der er die Jünger auserwählt und zurüstet.

Christen, die an der Autorität der Bibel ge­rade auch bezüglich der Mission festhalten, werden jetzt denken: Warum soll ich das Buch denn le­sen, das ist mir doch ohnehin klar? Ih­nen ist zu raten, gerade deshalb dieses Buch zu lesen: So vieles, was einem „klar“ erscheint, wurde von anderen übernommen, ohne selbst gründlich exegetisch zu arbeiten. Genau dies tut Kösten­berger, indem er das Johannesevan­gelium gründlich untersucht bezüglich seiner Aussa­gen über die Mission Jesu, die er in die­ser Welt erfüllte, und der Mission seiner Jün­ger.

Christen dagegen, die Mission weniger in Zu­sammenhang mit der Bibel sehen, ist dieses Buch besonders deshalb zu empfehlen, weil Köstenberger aufzeigt, wie alle Missionstätig­keit heute in der Mission Jesu und seiner Jün­ger begründet liegt. Auch heute betreibt Jesus selbst Mission als der erhöhte Herr, so daß Mission kein menschliches Werk ist, das wir ohne ihn tun könnten. Wer weder das biblische Zeugnis bezüglich Mission beachtet noch den Inhalt und die Art seiner Missionstätigkeit von Jesus selbst hat, wird keine Mission im Sinne Jesu betreiben.

Dieses Buch ist eine gründliche Arbeit am Bi­beltext selbst. Es geht in die Tiefe, faßt aber am Ende seine Ergebnisse immer wieder zusam­men. Der Schwerpunkt liegt dabei ein­deutig auf der Mission Jesu, aber auch die Mis­sion seiner Jünger wird ausgeführt. Dabei wer­den sowohl die Gemeinsamkeiten zwischen Jesu Mission und der seiner Jünger (und uns heute) deutlich herausgestellt als auch die Einzigar­tigkeit der Person und der Mission Jesu betont. Hier liegt für mich die besondere Note des Bu­ches: Es betont die Einzigartigkeit Jesu Christi. Ferner wird in feiner Art und Weise immer wieder die Brücke zu uns heute geschlagen, in­dem aus dem biblischen Bericht heraus gezeigt wird, wie die Grundlagen von Mission heute aussehen. Da der Schwerpunkt aber auf dem biblischen Befund bezüglich Mission liegt, bleibt es bei einer Grundlagen­beschreibung von Mission heute - man wünscht sich, daß der Autor noch genauer aus­führt, wie die erarbei­teten Grundsätze in der Praxis aussehen (vielleicht im nächsten Buch?)

Somit ist dieses Buch allen zu empfehlen, die sich ernsthaft mit der Begründung heutiger Missionsarbeit aus der Bibel – hier dem Johan­nesevangelium – heraus beschäftigen möchten. Griechischkenntnisse sind empfehlenswert (aber nicht absolut erforderlich).

Thomas Kinker, em 1999-3.

Köstenberger, Andreas O., P.T. O’Brien. Salvation to the Ends of the Earth: A Biblical Theology of Mission. Leicester: IVP, 2001.

A. Köstenberger (North Carolina, USA) und P. T. O’Brien (Sydney, Australien) legen mit diesem gemeinsam verfassten (!) Buch einen beachtens­werten evangelikalen Gesamtentwurf zu einer bib­lischen Theologie der Mission vor. Beide haben sich schon als Experten im Überschneidungsfeld von Bibelwissenschaft und Mission ausgewiesen (O’Brien, Gospel and Mission in the Writings of Paul, Baker, 1995; Köstenberger, The Missions of Jesus and the Disciples in the Fourth Gospel, Eerdmans, 1998).

Obwohl der Schwerpunkt des Buches gemäß der Fachrichtung der Autoren auf dem NT liegt (177 S.), werden auch AT und intertestamentarische Periode angemessen einbezogen (46 S.). Die Grundfrage der Untersuchung lautet: Was bedeu­tet „Mission“ in der Bibel? Im Sinne einer indukti­ven Vorgehensweise soll keine abstrakte Definition vorausgesetzt werden, weil die Bibel selbst Missi­on nicht definiere. Ausgehend von einer vorsichti­gen Arbeitsdefinition, wollen die Autoren alle Tex­te untersuchen, die „in bedeutsamer Weise einen Bezug haben zur Verkündigung des Namens Gottes und seiner Heilsabsichten in Christus gegenüber einer ungläubigen Welt“ (S.21/22). Dieser Ansatz ist sinnvoll, da er die verfrühte Einengung auf „spezielle Missionstexte“ vermeidet, andererseits aber von einem angemessenen und offengelegten Vorverständnis ausgeht. Vor allem in der Spur von D. Carson entwerfen Köstenberger/O’Brien eine biblische Theologie der Mission, die von heilsge­schichtlicher Entwicklung und Vielfalt einerseits und theologischer Einheit in ihrer Verankerung im Herzen des dreieinigen Gottes andererseits geprägt ist (S.251).

Die Urgeschichte wird als Voraussetzung (Notwenigkeit der Mission aufgrund der Sünde und Möglichkeit der Mission aufgrund der Initiative Gottes) interpretiert. Israel habe (gegen W. Kaiser, Mission in the OT, Baker, 2000) keinen kulturüber­schreitenden Missionsauftrag im heutigen Sinne gehabt, sondern allein den Auftrag, Gott zu ver­herrlichen, um Einzelne aus den Nationen anzuzie­hen. Das bewusste Hinausgehen und Hereinrufen der Völker sei erst im Eschaton (seit der Auferste­hung Jesu) intendiert. (Hier gehen die Autoren m.E. zu stark von einem neutestamentlichen Missi­onsverständnis aus. Sollte nicht die zentripetal­attraktive Heilsverkündigung durch Israel als heili­ges Priestervolk als ein wirkliches „Missions­modell“ und somit als Teil der vielfältigen gesamt­biblischen Missio Dei interpretiert werden? Und würde nicht auch die „Mission“ der alttestamentlichen Propheten an Gottes Volk zu einer bibli­schen Theologie der Mission gehören? Gerade in diesem Zusammenhang spielt der hebräische Sen­dungsbegriff ,Schalach“ eine wesentliche Rolle, z. B. Exodus 2-3, schalach 5 mal). Im Hauptteil des Buches (Kap. 4-9) wird der missi­onarische Gedanke in den Schriften des Neuen Testament entfaltet (hier leistet das Buch weiter­führend ähnliches wie schon Kertelge, Mission im Neuen Testament Herder, 1982 und Larkin, Willi­am & Williams, Mission in the New Testament: An evangelical approach, Orbis, 1997). Auf das We­sentliche konzentriert werden die missionstheologi­schen Grundlinien bei Markus, Matthäus, Lukas, Paulus, Johannes, in den allgemeinen Briefen und der Offenbarung ausgeführt. Dabei nimmt auch die Diskussion der neueren Forschung einen angemes­senen Raum ein.

Einen guten Überblick über die Einzelergebnisse bietet die „concluding synthesis“ am Ende des Bu­ches (vgl. Köstenbergers Artikel zu „Mission“ im New Dictionary of Biblical Theology, IVP). Drei Indizes (Sach-, Personen- und Bibelstel­lenregister) und eine Bibliographie im Appendix bieten einen guten Zugang zum Text. Fazit: ein wichtiges und hilfreiches Buch, in dem die evange-likalen Autoren die Ergebnisse ihrer exegetischen und biblisch-theologischen Arbeit zum Thema „ Mission“ vorlegen und damit einen wichtigen und mutigen Behrag zu einer gesamtbiblischen Sicht von „Mission“ liefern. Ein hervorragender Aus­gangspunkt für die vertiefte Beschäftigung mit die­sem grundlegenden Thema für missiologisch und biblisch-theologisch Interessierte.

Dr. Friedemann Walldorf, em 2003-3.

Krapf, J. L. Reisen in Ostafrika. Unverän­derter Nachdruck des 1858 erschienenen Bu­ches, mit einer Einführung von Werner Raupp. Mün­ster/Hamburg: Lit Verlag, 1994.

Mit der Vorlage dieses Buches wird erneut eine Originalquelle über Entdeckungen und Missi­onsarbeit des 19. Jahrhunderts im ostafrikani­schen Raum zugänglich gemacht. W. Raupp gibt eine hilfreiche Einführung, so daß man sich an die Lektüre dieses umfangreichen Bu­ches wagen kann. Der Band besteht aus zwei Teilen mit je ca. 500 Seiten im Postkartenfor­mat und umfaßt die Jahre 1837 bis 1855. Der 1. Teil enthält eine kurze Selbstbiographie des Missionars und Gelehrten Krapf, seine Reise nach Abessinien (Äthiopien), seinen Aufenthalt im kenianischen Mombasa und seine Missi­onstätigkeit auf der ersten Missionstation Rab­bai. Der 2. Teil beschreibt Johannes Rebmanns Reisen im Land der Dschagga am Berg Kili­manjaro, den er als erster Europäer entdeckte, seine eigenen Reisen in Tanganyika und Kenia (dabei entdeckte er den Mount Kenia), erneute Reise nach Abessinien, eine 100seitige Ge­schichte Ostafrikas und „Ermahnungen an Mis­sionarien“.

J. L. Krapf war Missionar und Forscher – be­wußt in dieser Reihenfolge! – und ist damit bis heute ein Vorbild geblieben. Sein sprachliches, literarisches, geographisches und ethnologi­sches Interessse verschaffte ihm ein umfang­reiches Wissen, das in diese Reisebeschreibun­gen hineingeflossen ist. Auffallend bei der Lektüre ist seine äußerst genaue Beobach­tungsgabe und die Akribie bei der Beschrei­bung seiner Umwelt. Krapf mußte Vertreibung, Beraubung und Lebensgefahr, Entbehrungen und Gefangenschaft erdulden. Dennoch setzte er alles daran, die ins Auge gefaßten Volks­gruppen zu missionieren.

Krapf schrieb natürlich nicht für Schnell-Leser von Taschenbüchern, sondern stellte Reisebe­richte mit allen Erstinformationen über die Geographie, die Kultur und Religion, über Handel, Preise und Namen von Leuten und Dingen und viele andere Einzelheiten zusam­men. Das mag hin und wieder ermüden, aber der Reichtum der Informationen, Krapfs prak­tisches Vertrauen auf Gott und auch sein Hu­mor bei mancher Jagdbeschreibung machen dieses Buch lesenswert.

Krapf war natürlich ein Mann seiner Zeit. Dies zeigt sich bei seiner Bewertung des mög­lichen Baus des Suezkanals, sowie seiner Sicht von der Ausdehnung der europäischen Politik, der Besiegung des Heidentums durch das Chri­stentum und der Öffnung für Tausende euro­päische Auswanderer. Aber daneben steht auch Kritik am Kolonialismus und die Achtung vor den Einheimischen. Als Pietist des 19. Jahr­hunderts dachte und empfand Krapf heilsge­schichtlich. Das Evangelium mußte in der „Hölle des Heidentums“ verkündigt werden, bevor das Ende käme.

Krapf und Rebmann haben mit ihren wissen­schaftlichen Arbeiten und ihrer missionari­schen Motivation den Grund für die dann fol­gende erfolgreiche Missionierung Ostafrikas gelegt. Davon gibt dieses Buch Zeugnis.

Klaus Brinkmann, em 1997-4.

Krimmer, Heiko; Reinhold Rückle. Nethanja. Gott hat gegeben. Jesu Wirken heute in Indien. Bad Liebenzell: VLM, 1993.

Kurze Begegnungen mit frohen, hoffnungs­vollen Indern wurden hier als Reisebericht zu­sammengestellt. Sie verdeutlichen das treue Wirken Gottes in Indien. Die Hintergründe für den Aufbau des ersten Kinderheims der Indien-Inland-Mission im Jahr 1970 werden aufge­zeigt. Bis 1993 entwic­kelte sich daraus ein ei­gener christlicher Gemeindeverband mit 300 Ge­meinden. Das Buch stützt sich auf Heiko Krimmers eigenen Besuch der Arbeit.

Theo Wüst, em 1996-4.

Kritzinger, J. N. J.; Nonnie Fouche (Eds.). Ex­ploring Theology. An introductory dictionary. Research Institute for Theology and Religion, Unisa: Pretoria, 2nd revised edition, 2004.

Das einzigartige südafrikanische theologische Wörterbuch enthält 1.800 Einträge auf 87 Seiten und bildet den Hauptteil dieses Paperbacks. Konzipiert ist es für Anfänger im Theologiestu­dium und bietet kurze Erläuterungen zu unbe­kannten Begriffen und Namen. Die Stichworte wurden aus den Studienbriefen der Bachelor of Theology-Kurse an der University of South Africa gewonnen. Dadurch unterscheidet sich das Wörterbuch von vergleichbaren anglo-amerikanischen Werken: Es berücksichtigt stär­ker (süd-)afrikanische Kirchen und deren Leiter und schließt alle christlichen Strömungen in Südafrika mit ein. Gerade deshalb könnte es auch für Benutzer außerhalb des Kontinents mit Interesse an Afrika nützlich sein. Die Stichworte werden jeweils auch in Afri­kaans und Sesotho angegeben, während die Er­Eingesandte Bücher läuterungen fast ausschließlich auf Englisch verfasst sind. Die Einträge sind sehr prägnant und meist überzeugend. Durch das Hinzuziehen vieler Mitarbeiter sind allerdings ab und zu auch einander widersprechende Aussagen entstanden. Die Einträge zu „Missio…“ sind aus einer dis­tanzierten religionswissenschaftlichen Perspek­tive verfasst und betonen den subjektiven menschlichen Aspekt: „Mission means to have a sense of purpose or to be sent.“ A „missionary … is one who has a profound sense of being an instrument of God’s mission in the world. Mis­sionaries experience being sent by the power of the Holy Spirit to give witness to God to other people.“ Weitere nützliche Abschnitte des Nach­schlagewerks beinhalten: 1) Lateinische Begriffe und andere Abkürzungen; 2) Abkür­zungen biblischer Bücher; 3) Bekenntnisse und zentrale Texte aus der südafrikanischen Kir­chengeschichte; 4) Historische Tabellen bis 2000; 5) Karten; 6) eine Liste weiterer Nach­schlagewerke.

Dr. Christof Sauer, em 2005-2.

Krug, Angelika. Der Umbruch begann - Mis­sionsarbeit einer Ärztin in Süd­afrika. Reihe Paráklesis - Schriften zum geistlichen Leben der Kirche. Hermannsburg: Verlag Missions­handlung Hermannsburg, Communi­tät Koino­nia, 1995.

Wer sich die Mühe macht, die etwa 160 Seiten in unverfälschtem Tage­buchstil gründlich zu lesen und sich auch vor den manchmal verwir­rend vielen Details und Wiederholungen nicht scheut – es gibt nur wenige in­terpretierende Zwischenbemerkungen – der wird belohnt. Die Belohnung ist die Entdeckung allgemein geist­licher wie auch speziell missiologischer Prin­zipien, wie sie sich im tatsächlichen Leben dar­stellen: Zusammenarbeit trotz Kulturunter­schieden, Dienst in der Herzenshaltung des Dienenden und die Auseinandersetzung mit und hoffnungsvolles Hineinwirken in einen Kontext mit schier unlösbaren sozialen Pro­blemen. All das finden wir in die­sem Buch, eingebettet in das Leben einer Ärztin, die ‘nebenberuflich’ zu­sammen mit einheimischen Christen erfolgreich Gemeindearbeit betreibt. Dr. Angelika Krug, die seit 1985 als Ärztin in Südafrika tätig ist, veröffent­licht hier ihr Tage­buch der Jahre 1987-1989. Daraus wird auch deut­lich, daß sich die Spannungen in der Si­tuation in Südafrika auf einen Höhe- und Wen­depunkt zubewegen und das Leben in diesen Jahren besonders viele Herausforderungen brachte. Diese Dimension - oft nur angedeutet - gibt dem Buch seinen Titel.

Das Buch wird besonders eine Leser­schaft ansprechen, die mit den Pro­blemen Südafrikas vertraut ist. Dar­überhinaus aber wird es auch für die­jenigen Leser wertvoll sein, die bei Textbüchern über Mission den häufi­gen Man­gel an Brückenschlag von der Theorie zur Pra­xis empfinden. Hier werden Prinzipien und Konzepte erfri­schend lebensnah geboten. Da­bei sind die zusätzlichen vier Seiten des stark interpretierenden Nachwortes von Wolfgang Kubik als Anleitung für Gruppenarbeit sicher hilfreich und wohl auch für diesen Zweck entwor­fen. Nach dem unverfälschten Tage­buchstil des eigentlichen Buches wir­ken sie allerdings etwas bevormun­dend. Hilfreich sind dagegen die im Anhang gegebenen Erklärun­gen und Namensregister, da sie es dem Leser ermöglichen, den Faden in der Fülle der Ein­zelheiten, wie sie einem Tage­buch nun einmal eigen sind, wieder­zufinden.

Ursula Pasut, em 1997-4.

Kühlwein, Annette. Geheime Wege in Lima. Wuppertal/Zürich: Brockhaus, 1994.

Annette Kühlwein lebte mehrere Jahre als Wy­cliff-Bibelübersetzerin in Lima und hat hier eine zweite spannende Erzählung von Pancho, dem 13jährigen Straßenjungen in Lima/Peru verfaßt. Der Leser ist vom Elend der Slums betroffen. Durch die Liebe der Pflegeeltern des Pancho und durch den aufopfernden Einsatz zweier christlicher Frauen wird deutlich, wie mit Jesus Christus über die geistliche Rettung hinaus auch soziale Not gelindert werden kann. In modernem, manchmal recht flottem, für Kinder gut verständlichem Deutsch verfaßt, eignet sich das Buch besonders gut zum Vorle­sen.

Christof Sauer, em 1997-2.

Lamparter, Fritz (Hg.). Karl Hartenstein – Leben im weltweiten Horizont. Beiträge zu seinem 100. Geburtstag. edition afem. Bonn: Verlag für Kultur und Wissenschaft, 1995.

„Die Zeit ist nahe, unser Herr kommt.“ Das bleibt Hartensteins (1894-1952) dringlichster Aufruf an die Christusgemeinde zwischen de­m ersten und zweiten Kommen des Herrn, ihr ganzes Leben, bis hin zum Martyrium, für die Weltmission einzusetzen. Wer seine Schriften liest oder die Bücher von Wolfgang Metzger (1953), Gerold Schwarz (1980) und Christof Sauer (1994) über sein Leben und Wirken er­forscht, der weiß, mit welcher Leidenschaft dieser Mann der Kirche und Mission im Dienste des Reichs Gottes die zentrale Wahr­heit vom wiederkommenden Herrn zu verkün­digen wußte.

Was mich beim Lesen besonders beein­druckt hat, ist die vom Herausgeber bedacht­sam vorgenommene Kombination von wissen­schaftlichen und erbaulichen Beiträgen. Die Sammlung besteht sowohl aus Referaten des Karl-Hartenstein-Symposiums, das vom 3.-4. 6. 1994 von der Freien Hochschule für Mission in Korntal veranstaltet wurde, als auch aus Vorträgen, Predigten und schriftlichen Zeug­nissen zum 100. Geburtstag von Karl Harten­stein. Hier werden Leserinnen und Leser von heute nicht nur mit Hartensteins großem An­liegen von der Dringlichkeit und Notwendig­keit der Mission unter den Völkern der Welt konfrontiert; hier werden sie auch informiert, inspiriert und motiviert, diesen Auftrag im Blick auf die Endzeit ernstzuneh­men.

So wie dieses Buch in keiner Gemeinde-, Missions- und Bibelschulbibliothek fehlen sollte, so ist es auch jedem Gläubigen als Mis­sionslektüre zu empfehlen.

Prof. Dr. Dr. Hans Kasdorf, em 1996-3.

Langley, Myrtle. Von Abraham bis Zarathu­stra. Kleiner Führer durch die Weltreligio­nen. Wuppertal/Zürich: Brockhaus-Verlag, 1995.

Versuche, die eigene und/oder fremde Religio­nen darzustellen, gab und gibt es viele. Die Entwicklungen dieses Jahrhunderts (Internatio­nalisierung, Globalisierung und Plu­ralisierung, inklusive Synkretismus) machen solche Unter­fangen nötiger denn je. Die Irin M. Langley tut dies auf eine sehr ansprechende Art und Weise. Ihren persönlichen Christusglauben bekennt sie am Schluß; ansonsten ist sie weder auf eine wertende noch eine vergleichende Darstellung der großen Religionen der Welt bedacht. Auf jeweils 5-10 S. werden eingangs die Stammes­religionen, der Hinduismus, Buddhismus, die Religionen Chinas (Konfuzianismus und Tao­ismus) und Japans (Shintoismus), der Jainis­mus, Sikhismus, Par­sismus und zum Schluß das Judentum, das Christentum und der Islam vorgestellt. Fast jede der 96 Seiten ist bebildert oder mit einer Graphik versehen. Das ur­sprünglich in Groß­britannien erschienene Buch hat K. Fiedler unter der fachlichen Beratung von Prof. N.-P. Moritzen deutschen Lesern zu­gänglich ge­macht. Bis auf kleine Fehler (z. B. S.82f.) kann dieser kleine Führer durch die Weltreli­gionen vorbehaltlos empfohlen wer­den.

Dr. Gerhard Maier, em 1997-1.

Larentzakis, Grigorios. Die Orthodoxe Kir­che: Ihr Leben und ihr Glaube. Styria: Graz, Wien, Köln, 2000.

Der Autor, der in ‘Konstantinopel’ orthodoxe und in Innsbruck katholi­sche Theologie stu­dierte, lehrt als orthodoxer Theologe Ostkir­chenkunde an der Universität Graz und legt hier eine übersichtlich gegliederte und gut zu lesende Einführung in die orthodoxe Konfessi­onsfamilie vor. Auch wenn der Autor immer wieder und zurecht deutlich macht, dass man die orthodoxen Kirchen nicht verstehen kann, wenn man sie mit westkirchli­chen Methoden einfach nach ihrer Lehre oder Theologie be­fragt, wirkt die Darstellung am Ende doch ka­tholischer und westkirchlicher/westlicher als die Ostkirchen tatsächlich sind. Das bewirkt einerseits, dass Christen aus dem Bereich der Westkirchen (Katholiken, Protestanten) man­ches leichter verständlich wird, andererseits aber auch, dass manches, was dem Westkirch­ler kulturell und theologisch fremd scheint, zu we­nig zum Tra­gen kommt. So wird nirgends der genaue Ablauf der heiligen Liturgie be­schrieben, ohne dessen Symbolik man die or­thodoxe Kirche kaum verste­hen kann. Der Ver­fasser ist außerdem stark im orthodox-katholi­schen Dialog engagiert und versucht mehrfach, bestimmte Unterschiede zwi­schen die­sen bei­den Konfessionen zu minimieren oder als nicht von Ge­wicht zu er­läutern. Das führt aber dazu, dass die orthodoxe Kirche für Protestanten oft ‘katholischer’ erscheint (z. B. Marienverehrung, Heiligen­verehrung, Tradition, Scheidung), als sie tatsächlich ist. Aber trotz dieser Einschrän­kungen, die kaum ins Gewicht fallen, wenn man sich ihrer be­wußt ist, halte ich das Buch für die derzeit beste Darstellung der orthodo­xen Kirche in Lehre und Praxis in deutscher Sprache. Wie Bernhard Knieß in em 4/2000 deutlich gemacht hat, werden mehr und mehr Länder mit ortho­doxen Kirchen in die Europäi­sche Union aufgenommen, so dass eine Begeg­nung mit orthodoxen Kirchen auch für Mitar­beiter von Missionswer­ken immer normaler werden wird.

Dr. Thomas Schirrmacher, em 2001-2.

Laubach, Fritz (Hrsg.). Justinian von Welz. Sämtliche Schriften. Ein Österreicher als Vordenker und Pionier der Weltmission. R. Brockhaus, Wuppertal und Zürich (TVG Band 348), 1989.

Wenn auch inzwischen nicht mehr strittig ist, daß Luther über die Mission zumindest positiv dachte, so ist doch weiterhin un­strittig, daß die Orthodoxie, die sich auf ihn berief, Mission weitgehend ablehnte. Einer der ersten Lutheraner, der diese Ab­lehnung der Mission zurückwies, war Ju­stinian von Welz (1621-ca. 1668), der so einer der wesentlichen Denker der vorklas­sischen Missionen wurde.

Er entwarf den Plan einer Missionsgesell­schaft in enger Anlehnung an die „christ­lichen Herrscher“, traf aber am Rande des Reichstages 1664 in Regensburg nur auf deren Ablehnung, die ihrerseits unterstützt war von einem negativen Gutachten von Johann Heinrich Ursinus, dem damals füh­renden Theologen der lutherischen Orthodo­xie. Zudem fand Welz nur Anhänger (be­sonders Johann Georg Gichtel), die durch ihre Theologie und die Art ihrer Polemik Welz eher schadeten als nutzten.

Die Gründung einer Missionsgesellschaft gelang Welz nicht, allerdings übten seine Ideen Einfluß auf die Gründung der Society for the Propagation of the Gospel (1701) aus. 1666 legte Justinian von Welz seinen Adelstitel ab und reiste selbst als Missionar nach Surinam, wo sich seine Spuren ver­lieren. Vermutlich wurde er, so Spener, 1668 von wilden Tieren zerrissen.

Für den heutigen Leser macht Fritz Laubach das Werk Justinians erneut zugänglich. Das Buch zeichnet sich dadurch aus, daß es sämtliche Schriften umfaßt (auf geringe Auslassungen weist Hans Werner Gensichen in ZfM 2/1990, 123 hin), auch die „Abhand­lung über die Gewaltherrschaft“, die Justi­nian vor seiner Bekehrung geschrieben hat. Das missiologische Denken Justinians und sein Leben werden zusammengehalten durch seine Schrift „De Vita Solitaria – Vom Einsiedlerleben“.


Justinian, kirchengeschichtlich gebildet, knüpft an die Einsiedler der alten Kirche an, versteht aber Einsiedlerleben nicht als (räumliche) Trennung von der Welt, sondern als eine innere Trennung von ihr, die die Kräfte freisetzt zum Dienst Jesu. Der vor­nehmste Dienst für Jesus ist die Mission, denn: Könnte es eine größere Nächstenliebe geben als die, die Besitz nicht für sich selbst verbraucht, sondern um anderen zum kost­barsten Besitz, dem ewigen Leben zu ver­helfen? Auch daß er seinen Adelstitel ab­legte, war für ihn „Einsiedlerleben“ (dar­gestellt in der kleinen Schrift, wohl sei­ne überarbeitete Abschiedspredigt: „Seine Selbstverleugnung, Amsterdam 1664“). Sei­ne Missionspläne entwarf er 1664 in der Schrift „Eine christliche und treuherzige Ermahnung zur Gründung einer besonderen Gesellschaft“.

Es ist Laubach zu danken, daß er Justinians Schriften in heutiges Deutsch übertragen und sie uns so zugänglich gemacht hat. Trotzdem schimmert der barocke Stil noch genügend durch, vom Brief an Herzog Ernst von Sachsen-Gotha ist auch ein Faksimile beigefügt. Zusätzlich zu den Schriften Ju­stinians enthält das Buch auf S.7-32 eine Lebensbeschreibung und auf S.310-317 ein Verzeichnis aller Schriften (mit ihren vollen – sehr barocken – Titeln) und deren Fund­orte.

Das Buch vermittelt Zugang zu allerersten Plänen einer Missionsgesellschaft, zugleich gewährt es interessante Einblicke in das Verhältnis von Bekehrung, Heiligung und Mission im Leben und Denken eines der ersten protestantischen Missionstheologen, die auch für heutiges missiologisches Den­ken bedeutsam sein können.

Klaus Fiedler, em 1990-4.

Laurie, Munro. Die offene Tür. Erzählung aus Karl Studds Arbeit in China. Wupper­tal/Zürich: Brockhaus, Sonderaufl. 1994.

Trotz Familienbanden, Gebundenheit an Götter und Geister und trotz einer ganz fremden Kul­tur haben Karl Studd und seine Frau vor gut einhundert Jahren in China die Herzen einiger weniger Chinesen erreicht. Dieses Buch schil­dert, wie durch soziale Ächtung und physische Verfolgung Mitglieder einer Familie zum Glauben gekommen sind und allen Widerstän­den getrotzt haben. Aus Krankheitsgründen mußte die Familie Studd nach England zurück­kehren, aber die Gemeinde in China lebte wei­ter. Ausgezeichnet aus dem Englischen über­setzt von Verena Peyer-Binder eignet sich die Erzählung zum Vorlesen für Kinder ab etwa sieben Jahren.

Christof Sauer, em 1997-3.

Lawson, Mary (Hg). Christliches Handbuch für Österreich. Kir­chen und Missionen. London: MARC-Europe 1991.

Wer sich endlich einmal einen Überblick über Missionsgesellschaften gewünscht hat, die in Österreich beheimatet sind, wird enttäuscht. Auf S.61f finden sich ganze drei Beschrei­bungen. Auf den Begriff „Missionen“ hätte man deshalb im Titel besser verzichtet, wie bei manch anderem Land in dieser ansonsten äußerst nützlichen Serie. So bleibt man wei­terhin auf die deutschsprachige christliche Adressammlung „Die Guten Seiten“ (PJ 1991) und verstreute Beschreibungen in I. Reimers Handbuch evangelistisch-missionarischer Wer­ke (CVH 1991, vgl. Buchliste in em 92-3) angewiesen. Wer dagegen in Österreich arbeitet, findet nützliche Information: einem
aufschlußreichen Artikel über kirchliches Leben folgen die zugrundeliegenden ausführlichen Statistiken sowie die Anschrif­ten der Kirchenleitungen und -bünde und Be­schreibungen kirchlicher und freier Werke, Ausbildungsstätten und Medien. Die Broschü­re ist zweisprachig deutsch-englisch abgefaßt. Beim deutschen Text stört eine Fülle von Rechtschreibfehlern, während der englische Text überhaupt prägnanter und verständlicher gefaßt ist.

Christof Sauer, em 1992-4.

Lewis, Gordon R.; Bruce A. Demarest. Inte­grative Theology: Historical - Biblical - Sy­stematic - Practical. Zondervan: Grand Ra­pids (MI), 1997.

Die beiden Professoren für Syste­matische Theologie am baptistischen Denver Seminary legen hiermit ihre 1987-1994 in drei Bänden erschienene ungewöhnliche Dar­stellung der christlichen Lehre (Dogmatik) in einem Band vor. Sie wollen die ver­schiedenen Aspekte der theologischen Arbeit ineinander integrieren, indem sie in je­dem der gleich auf­gebauten 24 Kapitel 1) zunächst die klassi­schen Posi­tionen aus der Geschichte vor­stellen, 2) sodann den biblischen Befund nach bibli­schen Schrift­gruppen (z. B. Propheten, Evan­gelien) disku­tieren, 3) daraus eine syste­matische Darstel­lung biblischer Lehre ableiten, 4) diese apolo­getisch gegen andere Auffassung verteidigen und schließlich 5) nach der Be­deutung dieser Lehre für den praktischen Dienst fragen. In Kapitel 4 zur Inspiration der Heiligen Schrift werden beispielsweise zunächst die Sichtwei­sen der römisch-katholi­schen Schola­stik, des protestantischen Libera­lismus, der neoor­thodoxen Theologie, des 2. Vatikanischen Konzils, der gemäßigt-kriti­schen Evangelika­len, der Anhänger der Dik­tattheorie und schließlich die Sicht „der mei­sten Väter, Re­formatoren und Evangelikalen“ beschrieben, wie sie etwa in der Chicagoerklä­rung zum Ausdruck kommt. Letztere Sicht wird dann aus dem Pentateuch, den histori­schen Büchern, den Propheten, den synopti­schen Evangelien, der Apostelgeschichte, der Paulusbriefe, der jo­hannäischen Literatur und der restlichen Schriften des NT belegt. An­schließend wird diese Sicht gegen die eingangs beschriebenen anderen Sichtweisen verteidigt und schließlich dargestellt, welche Bedeutung die Inspiration und Irrtumslosigkeit der Heili­gen Schrift für das persönliche Glaubensleben und für die Motivation zum Dienst in der Ge­meinde hat. Ich kenne Dogmatiken, mit denen ich in ein­zelnen Detailfragen eher über­einstimmen würde, aber keine, die eine derar­tige groß bi­blisch-exegetische und historische Material­fülle so praktisch nachvollziehbar und verwert­bar macht – auch und gerade auch in der Missi­onsarbeit und in anderen Kulturen. Lewis und Demarest zeigen, wieviel der Theologie verlo­ren geht, wenn die einzel­nen theologischen Disziplinen auseinander­driften und ihr Eigen­leben entfalten und wie­viel theo­logisch und praktisch zu gewinnen ist, wenn man sie im Interesse der biblischen Lehre wie­der zusammen­führt, um eine ‘integrative’ Theolo­gie zu erhalten.

Dr. Thomas Schirrmacher, em 1998-2.

Lingel, Joshua, Jeff Morton, Bill Nikides (eds.), Chrislam: How Missio­naries Are Promoting an Islamized Gospel, Biola: i2 Ministries Publi­ca­tions, 2011.

Das vorliegende Werk versteht sich als kritische Antwort auf eine in kirchlichen und missiologischen Kreisen in den USA intensiv geführte Diskussion über An­sätze der Kontextualisierung im isla­mi­schen Raum. Dabei geht es unter ande­rem um theologische, missiologische und übersetzungswissenschaftliche (Bibel­über­setzungen) Fragen. Im Bereich der Kirchengründung wird gefragt wo die Grenzen einer Annäherung zum is­la­mischen Glaubensleben liegen. Die be­sondere Herausforderung hierbei ist, inwieweit Bibelübersetzungen als Fun­da­ment einer lokalen Kirche sich in ihrem Sprachgebrauch auf die islamische Welt einstellen dürfen. Die ganze Bewe­gung entwickelte sich aus sogenannten Insider Movements (IM) heraus.

In der gesamten Diskussion um die Annäherung des Christentums an isla­mi­sche Inhalte (siehe den Begriff „ Chris­lam“ im Titel) wird die Frage aufge­worfen, was im Rahmen einer Kon­tex­tua­lisierung noch als „christlich“ ange­sehen werden kann, beziehungsweise was als „synkretistisch“ verworfen wer­den muss. Dabei geht es z.B. darum, ob ein Festhalten am Besuch der Moschee, dem Bekenntnis zur umma (islamische Gemeinschaft), der Ehrung des Pro­pheten Mohammed oder auch die Para­phrasierung der Bibel zur Um­for­mu­lierung islamkritischer Textstellen (Be­griffe der Kernfamilie als Gottes­be­zeichnungen) für einen Menschen aus islamischem Hintergrund, der sein Leben unter die Obhut von Jesus Christus stellt möglich oder sogar aus kulturellen Grün­den nötig ist (insbesondere angesichts des sogenannten „Konversions­dilem­mas“, welches zum Ausschluss aus Fa­milie und umma führt).

Kritische Stellungnahmen kamen vor allem aus den amerikanischen Kirchen­verbänden der Presbyterianer (PCA), der Assemblies of God (AAG) sowie von der evangelikalen und in Südkalifornien angesiedelten theologischen Fakultät der BIOLA University, aus deren Umfeld auch die Herausgeber dieser Publikation kommen. Auf dem Einband findet sich das für dieses Werk vielsagende Zitat von Moses Gbenu (Präsident des Außen­ministeriums, Nigeria): „The insider move­ment produces spiritual schizo­phrenics … is more an Islamic move­ment than Christian … is a perversion and disservice to Christ.“

Die hier vorliegenden Aufsätze bilden eine detaillierte Zusammenfassung der Forschung und Diskussion aus kritischer Sicht. Es kommen neben den kritischen Herausgebern auch die ebenfalls kriti­schen Autoren Georges Houssney, John Span, Roger Dixon, David Talley, Emir Caner, David Abernathy, Adam Simno­witz, Abdul Qurban, Edward Ayub, Elijah Abraham, Bassam Madany, Sasan Tavassolie und alte Quellen (Zwemer, Cook; letztere in Kapitel 6) zu Wort. Die Autoren haben selbst im oder über den islamischen Raum missiologisch und soziologisch gearbeitet. Die Artikel sind teilweise dialektisch aufgebaut, sodass ein guter – oft mit Zitaten belegter – Fun­dus an Argumenten von Befür­wortern angeführt wird um die eigene ablehnende Position zu begründen.

Die Herausgeber gliedern die Pro­blematik in die drei Themengebiete Missiologie, Theologie und Überset­zungs­wissenschaft. Beginnend mit Per­spektiven aus den Insider-Bewegungen durch die Herausgeber (Kapitel 1; Lin­gel, Morton, Nikides: The Inside Story) wird bereits in diesem Kapitel die nachfolgende Drei-Gliederung in die theo­logische, missiologische und über­set­zungswissenschaftliche Argumenta­tions­kette deutlich. Dabei bilden die Kapitel zur Hermeneutik (Kapitel 2 IM and Hermeneutic Problems), zur Mis­siologie (Kapitel 3 Missiology of IM) und den Insidern aus ablehnender Perspektive (Kapitel 5 IM Inside Out), einen reichen Fundus an kritischen Argumenten zu ethischen, herme­neu­tischen, soziologischen und psycho­logischen Fragen dieser Art der Kon­textualisierung. Die missiologischen Arti­kel (Kapitel 3) umfassen Artikel wie Moving on from the C1-C6 Spectrum (Dixon; 88-99), Pagan Religious Prac­tices and Heretical Teaching (Talley; 100-115), Dhimmitude, Muslim Replace­ment Theology, the Stockholm Syndrom and the IM (Dixon; 126-132), oder Kapitel 5: Flirting with Frankenstein (Qurban; 238-249), Islamization of the Gospel (Abraham; 262-266), IM: A Critique by an Iranian Convert (Tavas­soli; 274-277). Der in diesem Werk zu Recht betonte einflussreiche Bereich der Wissenschaft zur Bibelübersetzung führt kontextualisierte Bibelübersetzungen und ihre Bedeutung für die Kir­chen­geschichte an und wird in den Kapiteln 2 und 4 beschrieben. Der gute Überblick über die theologisch-missiologische Kri­tik umfasst Artikel wie Lost in Trans­lation (Nikides; 43) oder IM and Trans­lation Problems (in Kapitel 4), Islamiz­ing the Bible (Lingel; 155-156), Jesus the Eternal Son of God (Abernathy; 173-180), How IM affect Ministry (Aber­nathy; 199). Kapitel 6 rundet die Dar­stellung ab, indem auf einige historische, wie auch prognostizierte Entwicklungen zur Thematik eingegangen wird. Hierin spiegeln die folgenden Artikel die ge­schichtlich zum Teil weit zurückgehende Beschäftigung mit dem Thema wider: An Assessment of IM’s Principle Paradigms (Smith 278-296), Can Christians be Muslims? (Cook; 297-305) und A Word to Secret Believers (Zwemer; 306-308).

Die Bereiche der Kirchengründung (church planting) und der Übersetzung der christlichen Heiligen Schrift bilden den größeren Rahmen der hier vor­ge­brachten Argumentationen. Die kriti­schen Hauptargumente umfassen die An­biederung an den Islam, die Verwerfung oder Aufweichung der Trinitätslehre und den Verrat an Christen aus islamischem Hintergrund. Letztere seien doppelt be­trogen weil gerade sie die für das Ver­hältnis der Dreieinigkeit genutzten Fa­mi­lienbezeichnungen für die Personen des christlichen Gottes zur Abgrenzung vom Islam benutzen und deswegen verfolgt würden.

Exemplarisch steht George Houssneys Beitrag „Würde Paulus den Muslimen ein Muslim werden?“ (S. 62-76). Er benutzt das Spannungsfeld der jüdischen Abstammung des Paulus und dessen Hin­kehr zum „christlichen“ Glauben als Beispiel dafür, dass ein Muslim sich völlig aus dem islamischen Kontext zu verabschieden hat um als „Christ“ zu gelten. Eine Zwischenstufe sei nicht mög­lich. Eine Differenzierung der da­ma­ligen paulinischen Situation zu der eines Muslimen, welcher zu Jesus aufschaut und sich trotzdem weiterhin in seinem Umfeld bewegen möchte, findet nicht statt. Ein weiterer Beitrag von Joshua Lingel Islamizing the Bible: Movements and Scripture Translation (S. 156-172) geht auf die enge Verflechtung von Bibelübersetzung und Kirchen­grün­dun­gen ein. Lingel subsumiert eine „Krise in der gegenwärtigen Bibelübersetzung“, da die postmoderne Entwicklung dem Leser den Vorrang in der Übersetzung gibt. Er vermutet dies, da bei wörtlichen Über­setzungen der Autor oder der Text selbst im Mittelpunkt steht (S. 156). Er fordert den Text in seiner Fremdheit zu belassen und ihn selbst sprechen zu lassen, da das Evangelium provozieren möchte. Be­kehrung ist für ihn ein radikaler Neu­anfang, also völliger Bruch mit dem Is­lam, ansonsten ist es Synkretismus (S. 158). Im Weiteren spricht er von Ver­fälschung der biblischen Botschaft und vergleicht mit Hilfe von parallelen Listen die NIV (New International Version) mit einer kontextualisierten bengalischen Über­setzung im Hinblick auf zahlreiche Bibelstellen (S. 163-172). Ein dritter Ar­tikel sei hier erwähnt in dem Cook die Frage stellt: Can Christians Be Muslims? (S. 297-305). Cook beschreibt die Ent­wicklungen seit 2007, in denen eine christ­lich-islamische Initiative auf Grund­lage des Koranverses 3:64 den Monotheismus beider Religionen hervor­heben möchten. Cook beleuchtet die Entwicklungen rund um Common Word (so das Gründungspapier der Initiative). In der Summe kommt er zum Schluss, dass es keine Annäherung der isla­mi­schen und christlichen Offenbarung ge­ben kann, da die jeweils dahinter ste­hen­den Konzepte grundverschieden seien.

Die Herausgeber gehen völlig zu Recht davon aus, dass sich die „Problematik“ der Kontextualisierung von islamischen Inhalten und Bibelübersetzungen im is­lamischen Raum in enger Verbindung zu den „Insider Movement“-Entwicklungen beantworten lässt (dies ist nicht absolut zu sehen, siehe unten). Sie entwickeln deshalb folgerichtig und zum Vorteil des Lesers ihre kritische Argumentation auf der Basis zahlreicher Perspektiven von Insidern und Outsidern. Es sind vor allem die Insiderdarstellungen, die die Debatte bereichern.

Die gesamte Darstellung basiert auf zwei Argumenten. Zum Einen wird die In­sider-Bewegung und das von Travis ent­wickelte Spektrum der Kontextua­lisie­rung im Islam (C1-C6-Spektrum) kriti­siert und damit die Option einer „dua­listischen Präsenz“ als „muslimischer“ Christ abgelehnt. Dieser bliebe mit gu­tem Gewissen dem islamischen Hinter­grund auf soziologischer Ebene verhaftet und würde einen synkretistischen „Chris­lam“ leben. Das Travis selbst von seinem Modell inzwischen Abstand genommen hat, wird nicht erwähnt, genau so wenig, dass es sich um ein beschreibendes und kein strategisches Modell handelte. Zum Zweiten werden alle Ansätze zu einer sprachlich-kulturellen Kontextua­lisie­rung im islamischen Raum in den Be­reich des Synkretismus gerückt. Eine anschauliche Anekdote in der Einleitung (S. 8-10) beschreibt die Spannung dieser Problematik. Ein westlicher Christ „Jim“ und ein einheimischer Christ aus is­lamischem Hintergrund „Tahwil“ führen einen Dialog in dem klar wird, dass Tahwil von Jim betreut wird, dieser aber so vieles vom Islam aufgreift, dass Tah­wil nicht mehr weiß ob er nun eigentlich Christ oder Moslem ist und so einem synkretistischen „Chrislam“ folgt. Eine selbstkritische Reflexion eigener west­licher und trotzdem als „christlich“ be­wer­teter Praktiken findet nicht statt.

Dieses Buch ist ein Fundus zur Dis­kussion. Dem interessierten Leser liefert es eine Zusammenfassung und eine Ka­te­gorisierung der vielerlei Themen­ge­biete zur Kontextualisierung der Kir­chen­gründung und der Bibelüber­setzung im islamischen Raum. Zudem gibt es einen Einblick über „mögliche“ theo­logische Schwachstellen der Insider Movement Bewegungen sowie eine um­fangreiche Übersicht über die Haupt­argumente aus kritischer Sicht. Leider, so ein Wermutstropfen dieser Arbeit, wer­den die Befürworter und Unterstützer einer Kontextualisierung in der Kirchen­gründung und Bibelübersetzung (Brown, Higgins etc.) zwar zitiert, jedoch immer aus kritischer Sicht beschrieben. Da­durch kommen deren Argumente nicht in vollem Umfang zur Geltung. Eine aus sachlichen Gründen nötige Trennung von kontextualisierten Strategien zum Gemeindebau , der Bibelübersetzung und der Insider Bewegungen finden sich nicht. Auch wird nicht deutlich gemacht, dass die Insider Bewegungen zwar von außen beurteilt werden können, jedoch nicht dem Zugriff der Außen­stehenden zur Verfügung stehen, sodass deren Ver­werfung nichts an ihrer Existenz ändert. Gerade deren Existenz ist aber Anlass über Formen der Kontextualisierung im islamischen Raum nachzudenken. Für mit der Diskussion nicht vertraute Leser überwiegt in diesem Buch die Kritik so stark, dass es nicht möglich ist, nur mit Hilfe des Buches einen objektiven Eindruck zur Thematik zu bekommen.

Dr. Eberhard Werner, em 2013-2.

Lingenfelter, Sherwood G. & Marvin K. Mayers. Kulturübergreifender Dienst - Ein Modell zum besseren Verstehen zwischen­menschlicher Beziehungen. Lahr: Edition VLM im Verlag SJD, 1991.

Nach welcher Zeitspanne beginnen Sie, sich ernsthaft aufzuregen, wenn sich Ihr Besucher verspätet? Wenn Ihre „Verspätungs-Toleranz“ sich wesentlich über 1/2 Std. hin ausdehnt, sind Sie wohl kein typischer zeitorientierter Nord­amerikaner oder Deutscher. Für den Latein­amerikaner ist dagegen eine Wartezeit von einer Stunde noch kein Grund zur Unruhe, während die Yapesen, ein Inselvolk im pazifischen Mikronesien, ohne weiteres 3 Stunden verkraften.

Für den Umgang mit solchen Diskrepanzen im „kulturübergreifenden Dienst“ wollen Lin­genfelter und Mayers (beide lehren „Interkul­turelle Studien und Weltmission“ an der Biola-Universität in Kalifornien) anleiten. Lingenfel­ter, jahrelang als Kulturanthropologe auf den pazifischen Inseln tätig, ist der eigentliche Autor des Buches. Von Mayers übernahm er dessen „Grundwerte-Modell“.

Lingenfelter listet sechs Gegensatzpaare von Grundwerten auf (zB Zeit- oder Erlebnisorien­tierung, Ziel- oder Personenorientierung). Anhand des extremen Gegensatzes von mikro-nesischer Yap-Kultur und nordamerikanischen Werten zeigt er mit anschaulichen Beispielen die ganze Bandbreite möglicher kultureller Prägungen auf. Interessant ist dabei der jewei­lige Vergleich mit dem Verhalten Jesu, bei dem unsere westliche Kultur durchaus nicht immer am besten wegkommt.

Vor allem will das Buch jedoch helfen, durch Einsicht in andere Wertmaßstäbe Span­nungen in der interkulturellen Begegnung abzubauen. Für den Christen im kulturüber­greifenden Dienst stellt dabei laut Lingenfelter die Inkarnation Jesu das vollkommene Beispiel dar. Er identifizierte sich ganz mit den Men­schen, zu denen er gesandt war.

Das prägnante und gleichzeitig anschauliche
Buch kann Missionaren in anderen Kulturbe­reichen ebenso dienen wie Christen, die in Deutschland Ausländern Gottes Liebe zeigen wollen.

Wolfgang Häde, em 1994-1.

Literaturschau zu Fragen der Weltmission Nr. 20 [für das Jahr 1993]. Beiheft zur Zeit­schrift für Mission 2/1994. Herausgegeben im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Mis­sionswissenschaft von Friedrich Huber. Ev. Missionsverlag im Christlichen Verlagshaus: Stuttgart, 1994.

Der neue zeichnende und schon lange beteiligte Bearbeiter, Prof. Dr. Friedrich Huber an der Kirchlichen Hochschule in Wuppertal, hat zu Beginn des dritten Jahrzehnts der Literatur­schau deren Systematik an einigen Punkten geändert. Die Durchsicht der 1364 Einträge (Bücher und Artikel) bestätigt einen Eindruck, der sich dem Beobachter seit Jahren aufdrängt: Mission und Missiologie im engeren Sinn – ganz zu schweigen von einer Konzentration auf die Unerreichten – bildet in der Fülle der ver­zeichneten Veröffentlichungen nur noch eine kleine Insel. So hätte dieses an sich durchaus verdienstvolle bibliographische Hilfsmittel eigentlich einen neuen Namen verdient; in der
Reihenfolge der Prioritäten und etwas über­spitzt ausgedrückt: „Deutschsprachige Litera­turschau für christliche (Dritte-)Welt-Kunde und Religionen, Ökumene, Mission und Judentum“. Eine formale Verbesserung und Platzersparnis wäre Proportionalschrift in zwei Spalten. Die Angabe des Erscheinungsjahres, bzw. einer Kopf- oder Fußzeile mit der Jahres­zahl der Literaturschau würde die Recherche durch mehrere Jahrgänge und in gebundenen Exemplaren wesentlich erleichtern. Angesichts der bei der Erfassung verwendeten Computer müßte auch eine Diskettenversion (und sei es nur als Liste) kein ferner Wunschtraum mehr sein.

Christof Sauer, em 1995-4.

Little, Christopher R. Mission in the Way of Paul: Biblical Mission for the Church in the Twenty-First Century. Studies in Biblical Literature 80, New York, etc.: Peter Lang, 2005.

Der vorliegende Band geht auf eine Doktoraldissertation an der Fuller Seminary School of World Missions zurück. Little gibt keinen detaillierten Überblick über die paulinische Mission, sondern konzentriert sich auf die finanzielle Situation des Paulus und welche Rolle Geld in seinem Missionswerk spielte. Von diesem Befund her kritisiert Little engagiert die gegenwärtig vielfach praktizierte partnerschaftliche Zu-sammenarbeit durch finanzielle Transferleistungen zwischen westlichen Missionen und Partnerorganisationen und -kirchen in anderen Teilen der Welt.

Little beginnt mit dem sozio-ökonomischen Status des Paulus in der antiken Welt. Ziel ist dabei „to present his perspectives on the proper use of finances in his personal life and in the lives of others in the context of the first-century church“ (4). Little schließt „Any attempt to use Paul as a modell to financially support cross-cultural workers is groundless … there is no precedent in Paul for the provision of a regularly salaried part-time or full-time local church leaders, even though he permitted remuneration on an occasional basis“ (46). Spannend ist der Überblick über „Resource Sharing among the Churches of the First-Century World of Paul“ (131-70). Ausführlich behandelt Little die Gütergemeinschaft der Jerusalemer Gemeinde, die Gabe der antiochenischen Gemeinde in Apg 11,27-31 und die paulinische Kollektenaktion (wobei eigentlich nur letztere für die paulinische Praxis herangezogen werden kann!). Ziel ist es, „to discuss the various purposes for which Christian communities in the first century shared resources both within and among themselves; and delineate how the latter point applies to the church in the twenty-first century“ (131). Little zeigt zurecht, dass diese Fälle finanzieller Transferleistungen nicht zur Rechtfertigung der gegenwärtigen Praxis angeführt werden könnnen.

Abschließend stellt Little das paulinische Modell dem modernen Konzept internationaler Partnerschaft gegenüber (171-231, „… the associations between Western and non-Western organizations, that is, between north/south and/or west/east cooperations between Western churches and/or mission agencies within the global church“, 171). Nach einer Beschreibung der wesentlichen Merkmale dieser Bewegung (mit starker Konzentration auf den US-amerikanischen Kontext) präsentiert Little eine gute Analyse und größtenteils überzeugende Kritik dieser Praxis („dependency“; z. B. „Foreign funding of national workers … thwarts church growth“, 226). Die Darstellung bietet einen guten Überblick über die gegenwärtige Praxis, ihre Ursachen, Gründe und ihre Folgen, führt in die gegenwärtige missiologische Diskussion ein (Positionen beider Seiten) und greift auf mehrere Fallstudien/bzw. Stimmen aus den Empfängerländern (China, Indien, Russland, Kenia) zurück.

Der exegetisch Teil bleibt oft auf englischsprachige missiologische Literatur beschränkt. Insgesamt handelt es sich um eine anregende Studie zu einem Teilaspekt der paulinischen Mission und um eine wichtige Kritik gegenwärtiger Praxis. Doch spricht sie weder zur paulinischen Missionspraxis noch zur gegenwärtigen internationalen Zusammenarbeit das letzte Wort. In beiden Teilen bleiben wichtige Fragen offen, u. a. nach der Übertragbarkeit des paulinischen Modells.

Prof.Dr. Christoph Stenschke, em 2006-3.

Livingstone, Greg. Planting Churches in Muslim Cities. A Team Approach. Grand Rapids: Baker Book House, 1993.

Eine Hauptthese zieht sich durch dieses bemer­kenswerte Buch des Gründers und Direktors von Frontiers: Es ist nicht hoffnungslos, in muslimischen Städten christliche Gemeinden gründen zu wollen. Entmutigten Missionaren sei diese Studie darum besonders empfohlen. Nach einigen theoretischen Vorüberlegungen zu Möglichkeiten und Grenzen des Gemeinde­baus analysiert Livingstone, der selbst viele Jahre als Missionar in Indien und im Nahen Osten gearbeitet hat und daher die Situation vor Ort kennt, die besonderen Bedingungen und Schwierigkeiten, mit denen sich der westliche Missionar in einem islamischen Land konfron­tiert sieht. Der Schwerpunkt des Buches liegt dabei weniger auf der Erläuterung theologi­scher Lehrunterschiede zwischen Islam und Christentum, die an anderer Stelle vielfach nachgelesen werden können. Vielmehr beschäftigt sich Livingstone vorwiegend mit den zahlreichen Kulturschranken, die er als eine der Hauptursachen für das Scheitern christlicher Mitarbeiter in der islamischen Welt ansieht. Viele praktische Beispiele machen das


Gesagte anschaulich und vermitteln wertvolle Hilfen, ohne zum einfachen „Patentrezept“ zu geraten. Nicht nur Missionaren im Ausland dürfte das Buch dazu verhelfen, dem erklärten Ziel de Jüngermachens aller Völker auch in Bezug auf die muslimische Welt ein Stückchen näher zu kommen.

Dr. Christine Schirrmacher, em 1995-4.

Löwen, Heinrich. In Vergessenheit geratene Beziehungen. Frühe Begegnungen der Men-noniten-Brüdergemeinde mit dem Baptismus in Rußland ‑ ein Überblick (Beiträge zur ost­europäischen Kirchengeschichte 1), Logos, Bielefeld 1989.

Löwen legt kein Missionsbuch im engeren Sinn vor, aber sein Buch gibt dem Missionsin­teressierten viele nützliche Informationen über sehr verschiedene Aspekte der Mission: Zum einen über die Missionsarbeit der frühen deut­schen Baptisten im Zarenreich, zum anderen über die Missionsarbeit der Mennonitenbrü-dergemeinde (MBG) unter den Deutschen im Russischen Reich. Wenn auch beide Missions­bewegungen sich besonders an Deutsche wandten, so haben doch auch die Baptisten und die MBG von Anfang an unter Russen und Ukrainern gearbeitet, wobei interessant ist, daß Missionare der MBG unter Slawen Baptistengemeinden gründeten. Das Buch be­richtet aber auch von sehr frühem Engagement der MBG für die Weltmission (zT in Zusam­menarbeit mit Baptisten) und für die Mission unter nichtchristlichen Völkern des Russischen Reiches. Heinrich Löwens Buch kann helfen, im Umbruch der ehemaligen Sowjetunion bes­ser informiert zu sein. Zudem bilden die MBG der Rückwanderer hier eine wachsende Kraft in der missionarischen Sendung.

Klaus Fiedler, em 1992-3.

Ludwig, Frieder. Zwischen Kolonialismuskritik und Kirchenkampf. Interaktionen afrikanischer, indischer und europäischer Christen während der Weltmissionskonferenz Tambaram 1938. Studien zur Außereuropäischen Christentumsgeschichte Bd. 5 Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2000.

In der Literatur zu den Weltmissionskonferenzen untersuchte man meist einzelne theologische The­men, indem man beispielsweise nach dem Kir­chenverständnis (W. Günther, 1970), dem Bibelverständtis (A. Johnston, 3978), dem Evangelisa­tions- und Missionsverständnis (T. Shivute, 1980) oder nach dem Verständnis von Heilsgeschichte (G. Sautter, 1985) der einzelnen Konferenzen frag­te. Das Vorgehen des vorliegenden Buches, das eine 1999 von der Evangelischen-Theologischen Fakultät der LMU München angenommene Habili­tationsschrift ist, geht methodisch den umgekehr­ten Weg. Ludwig fragt nicht, er hört zu, nämlich auf das, was die eigentlichen Konferenzthemen waren. Dabei beschränkt er sich auf die Weltmissionskonferenz von Tambaram 1938, wählt drei geographische Gebiete (nämlich Westafrika, Süd­indien und Westeuropa) aus und beschreibt die beherrschenden Fragen und Lebenswelten ihm wichtig erscheinender Konferenzteilnehmer dieser Gebiete. Diese Methode überzeugt, denn der Leser bekommt auf diese Weise einen tiefen Einblick in das Konferenzleben. Das Buch gliedert sich in drei Hauptteile, die durch die geographischen Gebiete vorgegeben sind. Für die westafrikanischen Konfe­renzteilnehmer waren die Fragen nach der Beurtei­lung der Polygamie sowie der unabhängigen Kir­chen beherrschend. Den südindischen Teilnehmern ging es vor allem um die Frage nach der Verhält­nisbestimmung von Christentum und Hinduismus, zumal sie die in Tambaram so wichtige Debatte um Hendrick Kraemers Buch: The Christian Mes­sage in a Non-Christian World betraf. Das Kapitel über die westeuropäischen Teilnehmer ist zweige­teilt. Im ersten Teil gelingt es Ludwig in geradezu spannender Weise das Zustandekommen der deut­schen Delegation in den Irrungen und Wirrungen des NS-Staates darzustellen. Dabei wird deutlich, dass die deutschen Teilnehmer zu Konzessionen der nationalsozialistischen Ideologie gegenüber bereit waren, was sich deutlich in der sog. deut­schen Sondererklärung niederschlug. Hier gilt es in der Tambaramforschung, besonders in der evange-likalen Tambaram-Rezeption umzudenken. Denn bisher wurde der Fokus hauptsächlich auf die e-schatologische Dimension gerichtet. Die (pseu-do)schöpfungs- und ordnungstheologischen Aus­sagen der Sondererklärung, die in ihrer Betonung von Volk und Rasse nationalsozialistischen Idealen nahe standen, wurden dagegen kaum beachtet. Im zweiten Teil dieses Kapitels steht William Paton, als sympathischer Christ und Organisator der Tambaramkonferenz im Mittelpunkt. Alles in al­lem ist dieses Buch eine Lektüre, die von dem Leser einige Lesearbeit abverlangt, denn es werden eine Fülle von biographischen Einzelheiten be­schrieben, sowie unzählige kirchengeschichtliche Details und politische Zusammenhänge dargestellt, die weit über die im Untertitel des Buches vorge­gebene Zielrichtung hinausgehen. Dies ist einer­seits sehr interessant, insbesondere für die Kir­chengeschichtsforschung Westafrikas und Südin­diens. Andererseits jedoch verhindert diese Breite der Darstellung ein schnelles, zielgerichtetes Le­sen, was sich mitunter auf den Leser ermüdend auswirken kann.

Elmar Spohn, em 2005-1.

Lukens-Bull, Ronald. A Peaceful Jihad. Negotiating Identity and Modernity in Muslim Java, New York: Palgrave Macmillan, 2005.

Der Islam Indonesiens, Gegenstand dieser Studie bildet Java, bewegt sich in einer bunten Mischung aus Religionen, Volksgruppen und verschiedensten Interessen. Die von einem Außenstehenden (etisch) verfasste anthropologische Untersuchung beschreibt das Leben eines islamisch-geführten Internats (indonesisch pesantren) mit Namen Al-Hikam. Die Studenten der pesantren studieren an Colleges oder in säkularen Fächern an außenstehenden Institutionen und leben im Internat nach traditionellem indonesisch-islamischen Verständnis. Religiöse Erziehung wird in dieser pesantren vom Dekan und seinen engsten Vertrauten selbst gegeben. Zusätzlich kön-nen sich die Studenten für Arabisch, Englisch oder einige andere Fächer am Internat einschreiben. Der Dekan wird als Segensspender und religiöses Vorbild betrachtet.

Die Untersuchung besticht durch ihre ethnographischen Studien an Einzelthemen. Der Leser wird in das Umfeld eines islamischen Internats transportiert, zu dem ein Westler nur bedingt Zugang hat. Nicht nur die pesantren, sondern auch die mit ihr verknüpften Einrichtungen werden beschrieben. Hierzu zählen Friedhöfe, Pilgerstätten (Tebu Ireng, S. 28-29), Freizeiteinrichtungen und religiöse Zentren. Der historische Rückblick gibt Einblick in die Gründungszeit (19. Jh.) und die Entwicklung des Internats.

Es geht dem Autor wesentlich um die Auseinandersetzung des Islam mit der Moderne und Postmoderne. Dabei wird Bildung als das wesentliche Element der Veränderung und Erneuerung islamischen Lebens gewertet. Die Forderung nach einer interreligiösen, interkulturellen und mehrsprachigen Ausbildung im Rahmen des Islam steht stellvertretend für die angesprochenen Veränderungen (Kap 3-4). Die Einflüsse auf die pesant-ren kommen von außen und innen. Reichere islamische Staaten (z. B. Saudi Arabien, Iran) wollen über finanzielle Unterstützung Einfluss auf das Bildungsangebot und den Ablauf des Internats nehmen. Die Internatsleitung hält dagegen, dass die gleichzeitige Lehre von Arabisch und Englisch traditionelles mit modernem Leben verbindet. Studenten lernen theologisch-islamische Grundlagen am arabischen Qur’an und moderne Weltbilder parallel. Man öffnet sich auch im religiösen Bereich in dem man zum Beispiel Christentum und asiatische Religionen anhand derer Schriften (Bibel, Veden, Baghadvitta) studiert.

In einem weiteren Schritt untersucht der Autor verschiedenste Leitungsmodelle der pesantren (Kap 5). Dabei vergleicht er demokratische und diktatorische Modelle miteinander, die auch in politischen Parteien, öffentlichen Institutionen und halbstaatlichen Organisationen wieder zu finden sind. Das Leitungs- und Sozialgefüge in den pesantren zeichnet sich durch die Verehrung von Individuen, strenge moralische Standards und einen einfachen Lebensstil aus. Dabei werden kulturelle Werte angesprochen, die der Ausbreitung und inneren Stärkung (jihad) des Islam zugutekommen (Kap 6).

Dieses ethnographische Werk gibt Anthropologen und Missiologen einen guten Einblick in die islamische Welt Indonesiens. Im Besonderen klärt es über islamische Bildungseinrichtungen und deren Leitungsstrukturen auf.

Dr. Eberhard Werner, em 2013-1.

Lutz, Lorry. Women as Risktakers for God. WEF/Paternoster Publ.: Carlisle (GB), 1997.

Bücher von Frauen über Frauen haben Hoch­kunjunktur. Dieses Buch ist jedoch in vielerlei Hinsicht ein besonders gelungenes Werk, nicht nur für Frauen, sondern gerde auch für Männer. Ausgehend von biographischen Skizzen von Frauen aus der Kirchen- und Mis­sionsgeschichte über eine kurze Einführung in die biblisch relevanten Passagen für die „Frauenfrage“ gibt die Autorin einen knappen Einblick in die Auslegungsgeschichte dieser Verse im Judentum zur Zeit des Alten und Neuen Testamentes. Sie beleuchtet die Zeit der frühen Kirchenväter, der Reformationszeit und die Theologie und Praxis der Kirchen in der Neuzeit bis ins 20. Jahrhundert, ebenso die Stellung der Frau in den nichtchristlichen Reli­gionen. Wer sich bisher noch nicht mit der Frage nach dem Dienst der Frau in der christli­chen Gemeinde beschäftigt hat, wird in diesem ersten Buchteil manches Neue finden. Wer je­doch tiefer eintauchen will oder muß, wird in jedem Fall auf die Extra-Liste mit weiterfüh­render Literatur am Ende des Buches angewi­sen sein.

Der Schwerpunkt dieses Arbeitsbuches liegt auf den ausführlichen Biographien zeitgenössi­scher Frauen aus allen fünf Kontinenten. Dies ist ein Novum evangelikaler Frauenliteratur in diesem Bereich, die sonst eher den anglopho­nen Bereich berücksichtigt. Die Biographien sind keine schriftlichen Lobreden, sondern las­sen die Leser Anteil nehmen an der Glaubens­geschichte dieser Frauen, ihrem Dienstver­ständnis, ihrer Berufung im jeweiligen Kontext und den Zweifeln und Hindernissen, die sie auf ihrem Weg zu überwinden hatten. Die zugrun­deliegenden Interviews scheinen immer wieder durch, so daß die Leser Entwicklungen ge­danklich nachvollziehen können. Sie regen ge­radezu zu einer inneren Zwiesprache an: Wie kann ich als Leserin meine Berufung erkennen und leben? Wie hätte diese Frau in meiner Si­tuation gehandelt? Wie wäre ich als Mann mit einer dieser Frauen als Kollegin oder Ehefrau zurechtgekommen?

Wer mit seinen Fragen so weit gekommen ist, wird im letzten Teil noch weitergeführt: „Was lernen wir aus diesen Biographien?“ Es geht nicht um eine erbauliche „Zurkenntnis­nah­me“, sondern um Ermutigung zum Dienst, um offene Augen, die jeweilige eigene Beru­fung zu erkennen und zu leben. Ge­rade dieser Abschnitt richtet sich auch an männliche Leser, die gemeinsam mit Frauen zu folgenden Zielen geführt werden sollen:

* die Vielzahl der Gaben, die Gott Frauen schenkt, zu erkennen,

* anhand des Dienstes von Frauen darzu­stellen, wie Gott Frauen beruft und sendet,

* Männer und Frauen zu ermutigen, ge­meinsam am Reich Gottes zu bauen und

* Ermutigung zu gegenseitiger Achtung und Respekt, auch wenn in der Frauenfrage ver­schiedene theologische Anschauungen vertre­ten werden.

Dieses Buch ist im besten Sinne des Wortes zielorientiert: Es geht darum, das Reich Gottes gemeinsam zu bauen. Dennoch kommen theo­logisch konservative Leser nicht an einigen unbequemen Wahrheiten vorbei: „Wenn wir die Heilige Schrift vom Sündenfall her ausle­gen, verstehen wir die Folgen der Sünde als unmittelbar von Gott so eingesetzt. Wenn wir dieselbe Passage aber aus der Perspektive der Erlösung lesen, verlieren die Konsequenzen der Sünde ihre normgebende Bedeutung … Männer und Frauen müssen von den Folgen der Sünde erlöst werden - unser Blick richtet sich nicht darauf, eine Vorherrschaft durch eine andere zu ersetzen, sondern die neue Ordnung zu leben, die Christus eingesetzt hat“ (S. IX).

Insgesamt ein wohltuend internationales, ganzheitliches Buch, dem ich eine weltweite Verbreitung wünsche.

Friedhilde Stricker, em 1998-2.

Lutzer, Erwin W. Christus der Einzige. Warum Jesus für uns so wichtig ist. Der christliche Glaube im Zeitalter der Tole­ranz. Bad Lieben­zell: Verlag der Liebenzeller Mission, 1996.

Erwin W. Lutzer beschäftigt sich in seinem nun auch auf Deutsch vorliegenden Buch mit einem wichtigen Thema unserer Zeit: „Wie können wir aktive Zeugen für Christus sein in einer Zeit noch nie dagewesener Toleranz?“ (S.208) Enstanden ist das Buch aufgrund einer Vortragsreihe, die der Autor als Pastor der Moody-Gemeinde in Chicago 1993 nach dem Weltkongreß der Religionen gehalten hat. Da­bei wurde der Vortragsstil für die Drucklegung beibehalten.

In den ersten Kapiteln gibt Lutzer seine Erfah­rungen mit dem Weltkongreß der Reli­gionen wieder und analysiert unsere Gesell­schaft in bezug auf die Religionen. Pointiert stellt er fest: „Die Götter sind auf dem Vor­marsch!“ (S.11) Dabei stellt sich immer mehr die Frage nach dem Stellenwert Jesu Christi im Ver­gleich zu den Größen anderer Religionen, die als „unvollständig, irreführend und falsch“ be­trachtet werden müssen (S.21ff).

Bevor Erwin Lutzer zu seinem Hauptteil, der Darstellung der Einzigartigkeit Jesu Chri­sti, übergeht, setzt er sich mit der Frage der Tole­ranz und der Wahrheitssuche auseinander. Da es eine objektive für alle Menschen zugängli­che Wahrheit gibt, muß es darum ge­hen, „Beweise“ für den christlichen Wahrheitsan­spruch anzuführen. Von der Jung­frauengeburt über die Wunder und Jesu voll­mächtige Predi­gten bis hin zu Jesu Tod, seiner Auferstehung und seiner Himmelfahrt, von der Inkarnation bis zur Parusie soll deutlich wer­den, „daß Chri­stus einzigartig ist und kein reli­giöses Gegen­über hat“ (S.64). Es folgt eine apologetische Christologie, die in Auseinan­dersetzung mit kritischen Einwürfen die Ver­nünftigkeit des christlichen Glaubens und sei­nen Ausschließ­lichkeitsanspruch herausstellt.

Zum Schluß stellt sich noch die Frage „Sind sonst alle verloren?“ (S.191). In Ablehnung eines „evangelikalen Pluralismus“ (z.B. Clark Pinnock), der Christus in allen Religionen ver­söhnend am Werk sieht, werden die Religionen dem Bereich des Satans zugeordnet: „Satan rief Religionen schaffendes Denken im Leben der von Gott getrennten Menschen hervor“ (S.199). Gemäß einer calvinistischen Erwäh­lungslehre werden die Menschen ohne Christus gerichtet. Lutzer hält fest, daß Gott nicht ver­pflichtet ist, „die zu retten, die niemals von Christus gehört haben“ (S.203). Hier kommt der theologische Streit zwischen calvinisti­schen und arminianischen Evangelikalen in Amerika zum Ausdruck.

Die Stärken des Buches liegen in der Auf­nahme von kritischen Fragen, denen Christen in einer multireligiösen und säkularen Gesell­schaft begegnen. Hier wird der Christ darin be­stärkt, daß sein Glaube sich auf feste Grundla­gen stützt und Sinn macht. Der apologetische und bekenntnishafte Charakter des gesamten Buches wird deutlich. Dabei ist ‘Christus der Einzige’ stark vom amerikanischen Kontext geprägt; Hinweise auf den deutschen Kontext fehlen.

Last not least möchte ich die theologische An­frage stellen, ob es dem biblischen Zeugnis entspricht, in einem religiösen Dualismus zwi­schen Gott bei den Christen und Satan bei den anderen Religionen zu trennen? Muß hier nicht differenzierter gedacht werden, wie dies z. B. Peter Beyerhaus mit seinem tripolaren Ansatz getan hat? Ist Wahrheit im biblischen Sinne tatsächlich so objektiv und universell erkenn­bar, oder bedarf es nicht vielmehr einer per­sönlichen Bekehrung (biblisch: metanoia), um die eine Wahrheit, welche Jesus Christus ist, zu erkennen? Schließlich erhält der Leser den Eindruck, daß am Ende nur eine kleine Schar gerettet wird (1-2% der Weltbevölkerung). Hier ist zu fragen, ob dies dem allumfassenden Heilswillen Gottes entspricht. Die Weite der Gnade Gottes (Clark Pinnock) sollte m. E. nicht unberücksichtigt bleiben.

Martin Reppenhagen, em 1997-3.

Maggio, Francesco. Christus für Muslime – Antworten auf Fragen von Muslimen. Berneck/CH: Schwengeler Verlag, 2003.

Francesco Maggio ist Italiener und hat eine außerordentliche Leidenschaft für Muslime der arabischen Welt. In dieser Übersetzung seines Buches erhalten wir einen Einblick in seine Begeisterung und seinen Enthusiasmus. Diese sind aus der Anordnung des Buches ersichtlich, das ständig die am meisten gestellten Fragen von Muslimen formuliert und praktische christliche Antworten gibt. Dies ist kein sys­tematisches Buch über den Islam, sondern – wie der Untertitel schon sagt – ein praktisches Buch, das uns auffordert, uns einzulassen auf Bezie­hungen zu Muslimen, um ihre ernsthaften Fra­gen zu hören und Antworten zu geben. Der Leser wird daran erinnert, dass Evangelisation immer mit Begegnung beginnt. Kapitel 1 beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen dem Koran und der Bibel, der Sohn­schaft des Christus, der Dreieinigkeit und der Natur von Christus' Göttlichkeit. Der Autor bewegt sich ständig zwischen Texten aus der Bibel und dem Koran hin und her, um seine Argumente zu begründen. Kapitel 2 ist kurz und befasst sich mehr mit dem Koran. In Kapitel 3 lesen wir, was der Koran über das Christentum sagt und wie Christen überzeugende Antworten geben können. Muslime sagen zum Beispiel, dass Mohammed im Neuen Testament voraus­gesagt wurde. Es gibt einen Abschnitt über den Anspruch, dass Mohammeds Ungebildetheit das „Wunder" des Korans steigert. Es gibt Absätze darüber, wie wichtig es für Muslime ist, dass der Koran in Arabisch ist und Absätze über seine historische Entwicklung. Nahtlos verwoben in diese Paragraphen sind christliche Kommentare und Antworten. Es gibt vier hilfreiche Anhänge einschließlich einem, wie man einem Muslim die Dreieinigkeit erklärt. Eine Wortliste und ein kurzes Literaturverzeichnis runden das Buch ab. Wenn Sie ein praktisches Buch über die am meisten gestellten Fragen von Muslimen und Antworten auf ihre Kritik an der biblischen Wahrheit brauchen, dann ist dieses Buch für Sie. Aber seien Sie gewarnt: es ruft den Leser in eine radikale persönliche Begegnung mit seinem muslimischen Nachbarn auf.

Dr. Andreas Maurer, em 2008-4.

Maier, Gerhard. Gemeindeaufbau als Ge­meindewachstum. Zur Ge­schichte, Theolo­gie und Praxis der „church-growth”-Bewe­gung. Erlan­gen: VELM.

Der Stuttgarter Pfarrer Gerhard Maier hat sich über Jahre hinweg mit der church-growth-Be­wegung beschäftigt (vgl. ThBeitr 13/1982,178-187). Frucht dieser Beschäftigung ist seine 1992 in Heidelberg eingereichte Dis­sertation. Er beschränkt seine Untersuchung nicht auf Fragen des Ge­meindeaufbaus, wie der Titel vermuten läßt, sondern stellt auch das Missi­onsverständnis der church-growth-Bewe­gung dar.

Das church-growth-Konzept wurde ur­sprünglich von Donald McGavran (1897-1990) im Kontext seiner Missionsarbeit in Indien be­gründet und von seinen Schülern (vor allem Peter Wagner) am Fuller-Seminar in Pasa­dena (Kalifornien) aufgenommen. Maier zeigt auf, wie sich McGavrans Konzeption in striktem Gegensatz zum ökumenischen Missions­verständ­nis darstellt. Nicht in der Ausbreitung und Aufrichtung des Reiches Gottes (Scha­lom), sondern in der Gründung und Mul­tiplikation von Gemeinden aktiver Christen be­steht für die church-growth-Bewe­gung das Wesen der Mission. Ab 1972 wurde die church-growth-Bewegung auch zum Gemein­deaufbaukonzept weiterentwickelt.

Für die Beurteilung der church-growth-Be­wegung sind drei Aspekte von Bedeutung: 1. Das Kirchenverständnis: McGavrans Ekkle­siologie bezieht sich auf die Kirche als sicht­bare und quantifizierbare Größe. Die Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden spielt für ihn keine Rolle. Ziel aller mis­sionarischen Be­mühungen ist die Multiplikation oder Neu­grün­dung von Gemeinden aktiver Christen. 2. Das Prinzip der ‘homogeneous units’: Die church-growth-Bewegung geht davon aus, daß eine Gesellschaft sich aus verschiedenen, in sich ge­schlossenen Bevölkerungssegmenten zusam­men­setzt. Mission und Gemeindebildung sollen daher so angelegt werden, daß Men­schen in­nerhalb dieser homogenen Einheiten behei­matet bleiben und nicht Sprach-, Rassen- oder Klassenschranken überwinden müssen, um Christen zu werden. Zwar wird dieser Grund­satz hier durchaus zutreffend beschrie­ben, aber er wird zum Prinzip des Gemeinde­baus erho­ben. Von Gal 3,26 her sind hier ge­wichtige bi­blisch-theologische und ethische Be­denken an­zumelden. 3. Das Verständnis von Wachstum: Gegenüber der fast ausschließlich auf quantita­tives Wachstum ausgerichteten Sicht bei Mc­Gavran bringt Maier mit Karl Barth das inten­sive, vertikale Wachstum der Gemeinde ins Spiel und wehrt damit der fast ausschließlichen Fixie­rung auf Zahlen.

Wer sich vom ständigen Wechsel zwischen deutschem Text und eng­lischsprachigen Zita­ten sowie von der Fülle der oft nur angerisse­nen The­men und Fragestellungen nicht ab­schrecken läßt, bekommt in dem mit einem Vorwort von Bischof Theo Sorg versehenen Buch Beurteilungskrite­rien für Gemeindeauf­bau an die Hand.

Werner Schmückle, em 1997-1.

Malm, Magnus. Gott braucht keine Helden. Mitarbeiter zwischen Rolle und Wahrhaf­tigkeit. Edition Aufatmen, Brockhaus Verlag: Wuppertal/Bundes-Verlag: Witten, 1997/2.

Nicht nur Titel und Untertitel dieses Bandes aus der „Edition Aufatmen“ sind treffend und griffig formuliert. Das erklärte Ziel dieser Edi­tion ist es, Hinführung und Ermutigung zum geistlichen Leben für Mitarbeiter und Leiter von Gemeinden zu bieten. Wie ein roter Faden ziehen sich die Begriffe „Berufung“ und „Sendung“ durch das Buch. Es kommt in die­sem Band beides zum Zug. Es ist eine seelsorgerli­che, gründliche Auslegung der bi­blischen Texte zum Thema. Sie wird weithin eine be­freiende Korrektur für das in vielen frommen Kreisen vorherrschende, auf Aktio­nismus zie­lende Berufungsverständnis bilden. Das Buch enthält aber auch sehr persönlich formulierte Passagen des Autors, denen man die eigene Er­fahrung eines durch Tiefen ge­gangenen Chri­sten abspürt. Besonders für Mis­sionare ge­eignet und empfohlen, denen dieser Titel ein Führer zur geistlichen Erneuerung ih­rer Beru­fung und Sendung sein kann!

Friedhilde Stric­ker, em 1998-2.

Marquardt, Horst. … und die Herzen taten sich auf. Bewegende Glaubensgeschichten. R. Brockhaus Verlag Wuppertal, ERF Verlag Wetzlar, 2001.

Horst Marquardt begegnet vielen Menschen und Situationen. Er wählte 81 bewegende und wahre Geschichten für dieses Buch aus. Gleich in der 3. Geschichte erlebt man mit, wie der Verfasser mit höflicher Direktheit mit einem ihm fremden Christen ins Gespräch kommt. Herausgekommen sind außer dieser noch die anderen ermutigenden, lebensechten, spannenden und nachvollziehbaren Berichte. Es sind ganz unterschiedliche Menschen, die erzählen, wie Jesus Christus in ihr Leben eingegriffen hat. Das Ganze ist übersichtlich gegliedert in „Die Herzen taten sich auf … gestern und heute … in Russland … in Afrika … in Indien … in Südamerika … in Muhammads Welt … in der Nähe und in der Ferne“. Alle Geschichten sind im Inhaltsverzeichnis unter diesen Rubriken aufgelistet und sind bei einer eventuellen Suche gut zu finden. Sie sind 1 – 3 Seiten kurz. Es gibt dramatische und weniger spektakuläre Berichte. Beispiele: Ein vom Leben müder Moslem hört zufällig einen Satz von einer Sendung von TWR (Trans World Radio), als er an einem Fenster vorbei kommt. Er spricht mit den Leuten im Haus und findet später zu Jesus als seinem Herrn. Jesus hilft körperlich und innerlich verletzten Menschen in Ruanda, die trotz bleibender Not erfahren, dass er bei ihnen ist. Ein Schweizer Fabrikant erlebt, wie Gott ihm einen dringend notwendigen Mitarbeiter zuführt, zu passender Zeit und passenden Bedingungen, nach viel Gebet in schwerer ungewisser Zeit. 3 Schiffbrüchige in Südamerika beten auf ihrer 21 Tage langen Odyssee, weil sie über Gebet in TWR-Sendungen hörten.

Es fällt bei der Lektüre des Buches natürlich auf, dass die Evangeliumsverkündigung über Radio eine große Rolle spielt. Und es ist in der Tat beeindruckend, wie viele Menschen heutzutage das Evangelium über Radio hören können und auch zum Glauben kommen und Gemeinden entstehen. Das liegt H. Marquard auf dem Herzen und er hat großen Anteil daran (durch den Aufbau des ERF und Tätigkeit in der internationalen Leitung von TWR), ebenso die verschiedenen TWR-Stationen weltweit, in deren Arbeit man in dem Buch ebenfalls einen konkreten Einblick bekommt.

Das Thema des Buches stammt aus Apg.16,14: „Da tat Gott der Lydia das Herz auf“ und weiter aus dem Vorwort: „Es ist eine durch nichts zu überbietende Erfahrung - zu wissen: Der lebendige Gott hat mich angesprochen, er hat Jesus Christus in diese Welt gesandt, um Menschen zu sich einzuladen, ihnen ihre Schuld zu nehmen und ihnen ein erfülltes Leben zu geben.“ Das bezeugen die 81 Geschichten in dem sehr lesenswerten Buch.

Ulrike Kinker, em 2001-4.

Marshall, Howard; David Peterson (Hg.). Witness to the Gospel. Theology of Acts. Eerdmans: Grand Rapids (Mi) 1998.

Der vorliegende Sammelband mit insgesamt 25 Einzelartikeln ist als umfassende und zusam­menfassende Arbeit über die Theologie der Apostelgeschichte gedacht. Das Werk enstand aus einem Forschungsprojekt einer ganzen Gruppe von Theologen unter der Schirmherr­schaft von Tyndale House, Cambridge.

Insgesamt 24 Autoren befassen sich mit den unterschiedlichsten Themen zur Apostelge­schichte. Trotz der großen Vielfalt der Beiträge kommen die einzelnen Verfasser aber nicht aus so unterschiedlichen theologischen Lagern, daß sie sich pausenlos widersprächen. Nach der Lektüre des Buches hat man deshalb den Ein­druck, über die Theologie eines so zentralen Buches wie die Apostelgeschichte umfassend informiert zu sein. Die Autoren nehmen i. a. einen evangelikalen Standpunkt ein. Andere Positionen werden berücksichtigt, aber weniger als die Auseinandersetzung damit steht das Anliegen im Mittelpunkt, die Theologie der Apostelgeschichte so herauszuarbeiten, wie sie im biblischen Buch präsentiert wird.

In drei Hauptteilen werden Gottes Rettung, der Ruf Gottes und das erneuernde Werk Got­tes behandelt. Dabei geht es um so unterschiedli­che Themen wie Gottes heilsge­schichtlichen Plan, die Notwendigkeit der Er­
rettung, Mission und Zeugnis, die Stephanus­rede oder die Reden des Paulus zu Juden und Heiden. Aber auch Themen wie die Verwen­dung des AT in der Apostelgeschichte, Chri­sten und das mosaische Gesetz oder Soziologie und Theologie werden erarbeitet. Auch wenn sicher nicht alle denkba­ren Themen abgehan­delt werden, ist die Viel­falt beeindruckend und bereichernd.

Es handelt sich bei diesem Buch sicherlich nicht in erster Linie um ein praktisches mis­siologisches Werk. Aber es geht von der ersten bis zur letzten Seite um Mission: Schließlich behandelt die Apg die Geschichte der ersten Mission, und so ist die darin enthaltene Theo­logie durch und durch von Mission und Evan­gelisation geprägt. Wer sich gerne tiefer mit der Theologie der ersten Missionare (v. a. na­türlich Petrus und Paulus) befaßt - und dies nicht in den neutestamentlichen Briefen - son­dern in der praktischsten Anwendung von Mis­sionstheologie, nämlich der Missionstätigkeit der ersten Christen, dem sei dieses Buch wärmstens empfohlen.

Thomas Kinker, em 2000-3.

Marty, Martin E. (Hg). Mission and Ecumenical Expression. München, London, New York, Paris: Säur, 1993. (Modern Ameri­can Protestantism and its World: Historical Articles on Protestantism in American Religious Life; Bd. 13).

Der dreizehnte Band über die Geschichte des Protestantismus in den USA enthält elf von Missiologen und Historikern ausgewählte, repräsentative Artikel über die Eigenart der nordamerikanischen Mission und der ökume­nischen Entwicklung. Die von 1954 bis 1983 verfaßten Beiträge wurden meist von Histori­kern in verschiedenen Zeitschriften geschrieben und wurden photomechanisch übertragen, was die Ursache für die teilweise schlechte Qualität des Druckbildes und auch den übertriebenen Preis von 85 Pf pro Seite ist.

Die ersten vier Artikel beschäftigen sich kritisch mit den Motiven und Auswirkungen der Mission und der Beziehung zwischen Weltmission und dem amerikanischen Imperi­alismus um die Jahrhundertwende. Die folgen­den vier behandeln die Entstehung der nord­amerikanischen ökumenischen Bewegung, ihre Voraussetzungen und Folgen von ca. 1880 bis 1970. In drei weiteren Artikeln werden funda­mentalistische Gruppierungen und Persönlich­keiten wie das „National Lay Commitee“, Billy Graham und das Wirken pfingstkirchlicher Radioprediger kritisch untersucht.

Trotz der insgesamt guten, wenn auch nicht evangelikalen Beiträge ist das Preis-Lei­stungs-Verhältnis dieses Bandes nicht akzep­tabel. Interessenten an diesem Buch dürften daher nur wissenschaftliche Bibliotheken sein.

Martin Sachs, em 1995-3.

Marx, Christoph. Pelze, Gold und Weih­wasser: Handel und Mission in Af­rika und Amerika (Geschichte er­zählt 13) Darmstadt: Primus, 2008.

Marx lehrt als Professor für außer­europäische Geschichte an der Uni­ver­sität Duisburg-Essen. Sein Spezial­gebiet ist die Geschichte des südlichen Afrikas. Das vorliegende Bändchen zeigt an vier Fallstudien die große Bandbreite der Be­geg­nung europäischer Händler und Missionare mit anderen Kulturen in der Zeit vor der systematischen Kolo­nia­lisierung in unterschiedlichen Epo­chen, als noch nicht absehbar war, dass sich die Europäer durchsetzen würden. Marx zitiert immer wieder ausführlich aus den Quellen, die der Darstellung zugrunde liegen. Dabei wird die Sicht der anderen, soweit die Quellen dies er­lauben, mit einbezogen. Marx beob­achtet, dass „die Begegnung mit Men­schen aus anderen Kulturen die euro­päische Expansion be­ein­flusste. Denn die Europäer staunten über große Reiche in Asien, die reicher und kultivierter waren als ihre eigenen. Sie lernten un­bekannte Religionen und Gesellschaften kennen, die sich in keines der vertrauten Muster einfügen ließen. Portugiesen und Spanier, später auch Nie­derländer, Fran­zosen und Briten, waren keineswegs so überlegen, wie sie sich einredeten, son­dern mussten sich oft lokalen Ver­hält­nissen anpassen und ihre wirt­schaft­lichen Gewinnchancen für po­li­tische Unter­werfungsgesten einhandeln. Die Ver­suche, das Christentum zu ver­breiten, stießen nicht nur bei Muslimen auf Ablehnung und Widerstand“ (8f).

Zuerst geht es um die Eroberungen der Portugiesen in Südostafrika (12–42). Die Portugiesen konnten sich zwar die Herr­schaft an der Küste sichern (hier gingen Kolonisierung und Mission Hand in Hand), aber das soziale und politische Nor­mengefüge der Karanga-Reiche im Landesinneren nicht aufbrechen. Das zeigt sich auch daran, dass die Mission nur im unmittelbaren Einflussbereich der Portugiesen Erfolge aufweisen konnte (42). Dann untersucht Marx Pelzhandel und Missionare bei den Huronen im Gebiet der großen Seen Nordamerikas (43-74). Die Mission wurde wesentlich von französischen Jesuiten getragen. Zur Wirkung der Mission trugen neben der Destabilisierung der Gesellschaft ver­schie­dene Epidemien bei, die viele Huro­nen tief verunsicherten: „Immer mehr Menschen begannen ihre Kosmologie in Zweifel zu ziehen und Alternativen zu akzeptieren. Die Todesorientiertheit der christlichen Botschaft, das Heils­ver­spre­chen im Jenseits und die Aussicht auf Wiederauferstehung, die in der huro­ni­schen Religion nicht vorkamen, erhielten unter dem Eindruck des Verlusts vieler Familienangehöriger eine neue Qualität und Verlockung“ (69f). Anschließend geht es unter der Überschrift „Der König und der Missionar: Die neue Welt der Ndebele“ (75-104) um Robert Moffat und Mzilikazi, den König der Ndebele. Hier zeigt Marx u.a. die Wirkung der Schil­derungen der Missionare auf die fol­gende Geschichtsschreibung (er spricht von „historiografischem Ruf­mord“). Der König war nicht sonderlich an der christlichen Botschaft interessiert, doch die Missionare waren als Vermittler im Streit wichtig, stellten Kontakte zur Kapkolonie her und verschafften ihm Zugang zu westlichen Waren. Ab­schlie­ßend geht es um Händler und Missionare an der kanadischen Westküste (105–135). Die dortigen Indianer waren aus­ge­sprochen gewiefte Händler und den Weißen gegenüber in vieler Hinsicht im Vor­teil. Die kulturellen Änderungen durch die Einführung neuer Werkzeuge, Klei­dung und durch sich ändernde Be­dürf­nisse wurden zumindest in der An­fangs­phase von den Indianern bestimmt (111).

Die Fallstudien zeigen, dass die Reiche, die man im „geschichtslosen“ Afrika nicht vermutete, die Europäer für ihre Zwe­cke nutzten, die Missionare auf Ab­stand hielten und sich als den wei­ßen Kaufleuten ebenbürtige Partner er­wie­sen. Ferner wird deutlich, dass die Be­gegnungen teilweise von unfreiwilliger Komik waren. Der Umgang miteinander blieb auf beiden Seiten von anhaltendem Miss­trauen bestimmt; die Kontakte wur­den hauptsächlich vom Interesse an den Waren des jeweils anderen auf­recht­er­halten. Im Handel mit den Europäern be­herrsch­ten die Einheimischen alle Tricks des Handels, von dem sie ebenso pro­fi­tierten wie die Europäer (137). Sie waren zu eigenständigem und wohlüberlegtem Han­deln in der Lage. Nach Marx ist daher eine Geschichtsschreibung, die die­se Menschen ausblendet und nur die Europäer als gute oder böse Täter im Blick hat, öde und langweilig (137). Diese Fallstudien zeigen die be­schei­denen Erfolge der Mission vor oder in der Anfangsphase der Kolo­nia­li­sie­rung. Die Würdigung des konkreten Handelns der Missionare ist durchweg kritisch, aber zumeist nachvollziehbar. Die Ana­lyse der Motive der Missionare ist hin­gegen unbefriedigend. Marx’ Dar­stel­lung ist ernüchternd und zeigt ein an­de­res Bild als manche, vor allem äl­tere, missionsgeschichtliche Dar­stel­lung. Sie ist daher eine wichtige Ergänzung zu missionsgeschichtlichen Gesamtdar­stel­lun­gen oder Einzelstudien. Marx’ Fall­studien eignen sich auch für den Unter­richt. Sie werfen interessante und wich­tige Fragen für die Missions­ge­schichte und Missionspraxis auf und sen­si­bi­lisieren für die Perspektive der Ein­hei­mischen sowie die Rolle der Missions­geschichtsschreibung.

Prof. Dr. Christoph Stenschke,em 2010-1.

Mavumilusa, Makanzu. Die Mission und der Blumentopf. Verlag der Vereinigten Evan­gelischen Mission, Wuppertal, 1988.

Um es vorweg zu sagen: Kein Buch über
Mission und Evangelisation hat mich in den letzten Jahren mehr gepackt als diese ge­sammelten Reden, Predigten und Interviews des leider schon verstorbenen zairesischen Evangelisten Makanzu Mavumilusa, die un­ter dem Titel „Die Mission und der Blumen­topf“ erschienen sind. Ich nehme mir das Büchlein oft zur Hand, vor allem um mir von einem engagierten Christen etwas über Mission aus afrikanischer Perspektive sa­gen zu lassen.

Die Reden und Predigten haben verschie­dene Anlässe, z.B. die Hundertjahrfeier der Evangelischen Kirche in Zaire (Eglise du Christ au Zaire), den Lausanner Weltkon­greß 1974 oder eine Rede vor dem Entwick­lungsausschuß der zairesischen Kirche. In der ersten Hälfte des Buches finden sich Auslegungen und Meditationen in lebendi­ger und bildhafter Sprache („Der Aufzug, der zu Jesus fährt“, „Gespräch mit einem Embryo“). Zwei Themen beherrschen den zweiten Teil: Der eigenständige Weg der afrikanischen Gemeinde Jesu, das Evange­lium glaubwürdig in dem Kontext von Ar­mut und Unterdrückung zu verkündigen, und das Verhältnis der afrikanischen Ge­meinden zur Mission aus dem Westen.

Das Buch von Mavumilusa ist ein kritisches Buch. Er äußert manche unbequemen Ge­danken zur Mission europäischer Christen, so wenn er schreibt: „Der Afrikaner schlägt allmählich vor, den Begriff des «Missionars» durch den des «Mitarbeiters» zu ersetzen. Warum? Für den Afrikaner ist ein «Missio­nar» oft ein Mensch, der nicht zuhört, dem man aufs Wort gehorchen muß und der sich an die Stelle des Heiligen Geistes setzen möchte. Und er will keinen afrikanischen Nachwuchs heranbilden und keine Verant­wortung abtreten“ (S.160). Hier wird der westlichen Mission ein Spiegel vorgehalten, der manchmal nicht sehr angenehm ist. Wie schreibt doch Mavumilusa: „Vor dem Spie­gel können wir uns nichts vormachen“ (S.38). Prozesse der Ablösung ‑ und Mission in Afrika ist ein solcher Prozeß der Ab­lösung von westlicher Theologie und Denk­art ‑ sind mit Schmerzen verbunden, für beide Seiten.

Es ist ein politisches Buch: So, wenn es heißt: „Laßt uns also den Politikern das Evangelium verkündigen, indem wir ihnen zeigen, daß sie nicht unsere Feinde sind, nur weil sie in der Politik tätig sind, son­dern daß ihre Seelen und die Politik uns interessieren und daß viele ihrer Probleme nur durch uns Christen gelöst werden kön­nen“, und: „Wir wollen Christen heranbil­den, die für die Gesellschaft brauchbar sind“ (S.140).

Es ist ein evangelistisches Buch. Auf jeder Seite wird deutlich: Mavumilusa hat eine brennende Liebe für Jesus. Sein erstes Ziel ist die Verkündigung des Evangeliums. Menschen sollen den Weg zu Jesus finden. Alles andere muß sich diesem Ziel unter­ordnen. Über die Mission und Evangelisa­tion der Zukunft schreibt er: „… [wir möchten] keine Kirchen mehr haben, die voll sind mit Menschen, die nur dort sitzen bleiben wollen, sondern wir wollen Kirchen, die immer wieder leer werden, weil verwan­delte Menschen fähig geworden sind, in die Welt hinauszugehen und dort zu bezeugen, was Jesus für sie getan hat. Wir möchten erfüllte Christen heranbilden, die sich auf den Weg machen, das leere Leben der Men­schen in der Welt zu füllen“ (S.100).

Es ist ein versöhnliches Buch. Bei allen kritischen und fragenden Bemerkungen zum Auftreten der europäischen Missionare in Afrika überwiegt das Thema der Versöh­nung und der Liebe: „Der weiße Mann hat uns Gutes getan; er hat teuer dafür bezahlt, uns das Evangelium Jesu Christi zu bringen. Der Wunsch, aus Afrikanern Jünger Jesu zu machen, kostete vielen das Leben. Um unsere Dankbarkeit zu zeigen, haben wir uns entschlossen, alle Weißen, gerade die besonders Verhärteten, zu lieben. Die we­nigen Weißen, die uns nicht lieben, werden wir mit unserer Liebe verfolgen. Weisen sie unsere Liebe zurück, werden wir sie mit den Ketten unserer Liebe binden…“ (S.166/167).

Die „Forderungen an unsere Mitarbeiter, unsere Brüder und Schwestern“ [= Missio­nare] (S.161) sollte sich jeder Missions­kandidat und Missionar täglich vor Augen halten, z.B.: „Der Afrikaner braucht keine «päpstlichen» Missionare, die ihn bevor­munden, sondern er wünscht sich Mitarbei
ter, mit denen er wie mit seinesgleichen umgehen kann …“ (S.161/162).

Man kann nur wünschen, daß dieses Buch von Missionsgremien, Missionaren und Mis­sionsinteressierten gelesen und diskutiert wird. Daß Johannes Hansen in seinem Ge­leitwort schreibt, es sei ein „begeisterndes Buch“, kann ich gut verstehen.

Gerd Propach, em 1989-4.

McAlpine, Thomas H. Facing the Powers. What are the options? Monrovia: MARC, 1992.

Keinen Reader (wie Wagner: Territoriale Mäch­te. Ebenen der strategischen Kampffüh­rung.) sondern eine Analyse verschiedener Stand­punkte legt McAlpine vor, der bei MARC­USA für „urban evangelism“ zuständig ist. Wieder geht es um die Konfrontation mit den „Mächten“ in missionarischer Arbeit. Darun­ter sind sowohl weltliche Machthaber als auch geistliche Mächte zu verstehen. McAlpine stellt einen Katalog von 10 Fragen auf, faßt die Positionen von 16 Autoren in 4 Gruppen zusammen und beschreibt und vergleicht sie. Ganz grob skizziert: 1. Die „reformierte Tra­dition“ (Berkhof, Green, Linthicum, Wink, Kellermann) sehe Macht v.a. in sozialen Strukturen verankert, die evangeliumsgemäßer gemacht werden müßten. 2. Die „täuferische Tradition“ betone die Gemeinde als Alterna­tivstruktur zu weltlichen Machtstrukturen. (Hier bezieht er auch die römisch-katholischen Brüder G. und N. Lohfink ein, daneben Yoder und Eller). 3. Die „Dritte Welle“ (Wag­ner, White, Dawson, Peretti) dagegen sehe die Mächte, die dem Evangelium entgegenstehen, fast ausschließlich im geistlichen Bereich, was einen personalen oder territorialen Exorzismus fordere. 4. Die vierte Gruppe eine trotz unter­schiedlicher theologischer Herkunft ihr sozio­logischer Ansatz (Kelsey, Hiebert, Shuster). Nach Hiebert z.B. brauchten Missionare aus der westlichen Welt eine adäquate Antwort auf die „Mittelwelt“ von Dämonen, Geistern, Ma­gie und Zauberei in anderen Kulturen. Eine theologische Beantwortung von Ewigkeitsfra­gen und die wissenschaftliche Betrachtung der empirischen Welt treffe diesen Bereich noch nicht. Diesen Ansatz halte ich von den ge­schilderten für den interessantesten, denn er steht unterschiedlichen theologischen Positio­nen offen. Bei den drei theologischen Gruppen dagegen überdehnt McAlpine die Begriffe „re­formiert“ und „täuferisch“ und klammert zu
dem z.B. lutherische Theologie völlig aus, so­wie alles, was nicht auf Englisch zugänglich ist. Das gründlichste Werk, das dort zur Ver­fügung zu stehen scheint, ist die begonnene Trilogie des reformierten Walter Wink (Naming the Powers, 1984; Unmasking the Powers, 1986; Engaging the Powers). Wie al­le Bücher von MARC ist auch dieses, aus der neuen „Innovations in Missions“-Serie, nicht für Wissenschaftler, sondern für Praktiker und Leiter geschrieben. McAlpine bietet ein gutes Literaturverzeichnis für das, was er kurz und bündig darstellt. Eine wichtige Vorarbeit – zur Vorbereitung für die AfeM-Jahrestagung 1993 sehr empfohlen!

Christof Sauer, em 1992-4.

McAlpine, Thomas. Cases in Holistic Mis­sion. By Word, Work and Wonder. Monro­via//USA: MARC Publi­cations, 1995.

McAlpines Frage lautet: „Was ist unter ‚Kingdom of God’ (holistic mission)“ zu ver­stehen? Aufgrund un­seres westlichen, für ganzheitliche Mission recht begrenzten Ver­ständnisses denken wir dabei an Evangeli­sation verbunden mit Hilfsleistungen im sozialen Be­reich. Einen wesentlichen, diese Sicht ergän­zenden Im­puls für ein biblisches Verständnis von ganzheitlicher Mission gab laut McAlpine die „Evangelical Social Activist Conference“ in Sierra Madre im Jahr 1988. In einer Resolution wurde festgehalten: „Nur wenn wir das ganze Evangelium des Königreiches Gottes erfassen und anwenden, ist die volle Kraft des Evange­liums freigesetzt … Worte, Werke und Wunder gehören zusammen …“ Als europäisches Bei­spiel einer Missionsar­beit, bei der dieses Prin­zip angewendet wird, zitiert McAlpine den Leiter des britischen Zweiges von Ichthys, Ro­ger Forster, der in Anlehnung an Mt 4,12-25, Apg 10,34-43 und Röm 15,18-19, sagt: „Es wäre (und sollte) praktisch unmöglich sein, die drei Stränge der evangelistischen Schnur zu entwirren“ (22). Als weiteres Beispiel für ganzheitliche Mission nennt der Autor das „Centro Nauareno in San Mateo“ in Bogotà, dessen Leiter von Beruf Schuhmacher ist, spä­ter aber Theologie studiert hat. Von diesem Zentrum aus werden in sieben Zentren (sog. „barrios“) u. a. Gesundheitskurse, Schulungen und Berufsausbildungen angeboten. Thomas H. McAlpine, Autor für die Organisation „World Vision“, erwähnt verschiedene katholische Bei­spiele für ganz­heitliche Mission und erklärt dem Leser, warum für seine Organisation hin­sichtlich der Zusammenarbeit zwischen prote­stantischen und katholischen Werken kein Un­terschied bestehen. Das Königreich Gottes ist laut den Vertretern der „Kingdom of God“-Theologie nicht ein Teil der Gemeinde. Es exi­stiert auch nicht losgelöst von der Gemeinde, sondern stellt vielmehr den übergeordneten Rahmen für die lokale sowie die weltweite Gemeinde dar.

Das Buch vermittelt brauchbare Impulse für ein erweitertes Verständnis von ganzheitlicher Mission und im besonderen von der „Kingdom of God“-Theologie. Allerdings stützt es sich in der Beurteilung des westlichen kulturellen Um­feldes auf bereits überholte Weltanschauungen. So wird beispielsweise erläutert, der Westen betone nur die physische und geistige Welt, nicht aber das von der Magie dominierte soge­nannte Mittelfeld. Auch reduziert der Autor die ganzheitliche Mission fast ausschließlich auf charismatische Gruppierungen. Hier wäre ein vertieftes Studium der aktuellen Missionssi­tuation und Missionstheologie notwendig. Wer den Apostel Paulus mit seinem Anliegen, die Verlorenen zu erreichen, verstanden hat, wird immer versuchen, Menschen ganzheitlich zu begegnen, aber ebenso wird er das ewige Heil dem irdischen Wohlbefinden des Menschen stets überordnen.

Dr. Marco Gmür, em 1997-3.

McCurry, Don. Die Heilung der zerbro­chenen Familie Abrahams. Moslems und Christen – Ein Handbuch. Wuppertal: One Way Verlag, 1996.

Don McCurry legt hier als Frucht aus 18jähriger Missionserfahrung in Pakistan ein Handbuch zur Begegnung zwischen Christen und Muslimen vor. Zunächst geht der Autor auf die geistliche Abstammung der Muslime von Ismael ein, sowie auf einige Fakten zur Entstehung des Islam und seiner verschiedenen Ausprägungen (z. B. Mystik, Volksislam, poli­tischer Islam, Ahmadiyya). Da dieser Teil nur die Hinführung zum eigentlichen Anliegen des Buches bildet, ist es entschuldbar, daß manche Sachverhalte nur etwas verkürzt dargestellt werden (z. B. wird die islamische Mystik nicht zutreffend mit dem Synonym „Flucht vor dem Gesetz“ belegt, 139).

Wirklich überzeugend widmet sich der Au­tor seinem eigentlichen Hauptanliegen, näm­lich der Frage, wie Christen mit Muslimen geistlich zentrale Fragen wie ‘Schuld und Ver­gebung’, ‘Zugang zu Gott’ und ‘Errettung zum ewigen Leben’ in einem kulturell-gesellschaft­lich angemessenen Rahmen ansprechen kön­nen. Obwohl McCurry praktische Tips zur Wahl der Gesprächsform und des -inhaltes mit Muslimen vermittelt, geht es ihm in erster Li­nie um die Umsetzung geistlicher Prinzipien, nicht um Patentrezepte. Diese geistlichen Prin­zipien zur Begegnung mit Andersgläubigen (Vorbildfunktion, ‘das Leben teilen’, echte Jün­gerschaft etc.) und zur Gesprächsführung wer­den aus der Bibel erläutert und auf die Begeg­nung mit Muslimen angewandt. Dabei geht der Autor wiederum auf verschiedene muslimische Gruppierungen (Sunniten, Schiiten, Mystiker, etc.) ein und ermutigt zum freimütigen, aber liebevollen Zeugnis unter Muslimen. McCurry nennt konkrete Vorschläge, wie der christliche Mitarbeiter über die ‘heißen Eisen’ der Mus­limmission, über Kreuzigung, Dreieinigkeit und Gottessohnschaft sprechen kann; ebenso wird die meist traumatische Zeit nach der Be­kehrung eines Moslems und seine Eingliede­rung in eine christliche Gemeinde angespro­chen. Vorsichtig distanziert äußert sich Mc­Curry zur Kontextualisierung, spricht sich al­lerdings klar gegen jede Form des Synkretis­mus aus. – Ein wertvolles Handbuch für jeden Mitarbeiter im Bereich des Islam.

Dr. Christine Schirrmacher, em 1997-4.

McIlwain, Trevor. Auf festen Grund gebaut. In 50 Lektio­nen durch die Bibel. Hänssler: Neuhausen, 1998.

Endlich! Das Vorbildswerk für die biblische Grundlagenschu­lung ist auf Deutsch erschie­nen. Es hat seither auf Englisch auch bei deutschsprachigen Missionaren auf den Missions­gebieten die Runde gemacht – es war der offene Geheimtip für verzweifelte Missio­nare, die mit verschiedenen Evangelisations­methoden experimentierten, bis sie auf das nächstliegende ka­men: Die Bibel in der Reihen­folge, wie sie im alt- und neute­stamentlichen Kanon zusam­mengestellt wurde, in großen Linien zu lehren – und zwar ge­rade auch Fernstehenden, Nichtchristen also, aus
ver­schiedenen Religionshinter­gründen.

Das Evangelium ist das Herz­stück unseres Glaubens. Kreuz und Auferstehung unseres Herrn sind unverzichtbare Lehrinhalte. Aber sie sind das Ziel, nicht der Anfang der Lehre. Wer damit beginnt, schlägt sich und dem Evangelium u. U. so­gar Türen zu. Glaube geht auch über den Verstand. D.h., die Menschen wollen wissen und verstehen, was sie glauben. Der letzte Glaubensschritt ist dann immer noch groß genug. Wie ein kostbares Bild einen pas­senden, zum Zentrum des Bildes hin­weisenden Rahmen braucht, so braucht das Evangelium Hin­führung, einen informativen Hintergrund. Das beginnt mit der Schöpfung, dem Anfang der Heilslinie, die sich durch das gesamte AT zieht und über das Evangelium hinaus mit der Of­fenbarung in die hoffnungsvolle Zukunft weist.

Das vorliegende Buch be­schreibt diesen Weg in sinn­vollen Abschnitten und 50 Lek­tionen, wobei das Fundament und der Aufbau strikt der Chronologie der Bibel entnom­men sind. So wird dem Glauben an Jesus Christus ein solides biblisches Fundament gegeben.

Trevor McIlwain kam in den Philippinen vor Jahren darauf - und war verblüfft über den Er­folg. Inzwischen wurde das Ma­terial in ver­schiedenen Ausga­ben und Kulturen verwendet. Interessanterweise erschien eine Anwendung schon vor kurzem in deutsch: Hans Bär. Heilsge­schichtlicher Bibelunterricht. McIl­wains Programm ‘Building on Firm Foundati­ons’ im Einsatz unter den Karen im Bezirk Om­koi (Nordthailand). (Edition afem, mission academics Bd.3. Bonn: Verlag für Kultur und Wissenschaft, 1998. Hans Bär zeigt gleichzeitig die Möglichkeit und Notwendigkeit auf, McIl­wain kulturell und theologisch zu adaptieren. Man­che Anwender würden das Werk wie Hans Bär gerne von seiner dispensationalistischen Engfüh­rung korrigieren und andere bi­blische Inhalte hinzufügen.

Eine solide Grundlage ist gege­ben, ein Werk­zeug, für das nicht nur Missionare dank­bar sein werden. Ich wünsche mir, daß auch bei uns theologische Schulen und Seminare das Grundprinzip anwenden. Denn der biblische Grundwasserspie­gel läßt in unseren Gemein­den ebenso zu wünschen übrig. Das Buch eignet sich deshalb auch für regelmäßige Bi­belstunden - oder sogar öffentliche Volks­hochschulkurse, wie Thomas Schirrmacher in der Einleitung beschreibt (Vorabdruck in em 3/98:101-104).

Im Übrigen: So neu ist das ganze nun auch wieder nicht. Schon vor 80 Jahren haben z. B. die Neuendettelsauer Missio­nare (Georg F. Vi­cedom und Kollegen, angeregt durch Chri­stian Keyßer) dieses Lehrprinzip in der Erstverkün­digung in Neuguinea erfolgreich angewen­det (K. W. Müller, Peacemaker, Ph.D.-Diss. Aber­deen, 1993). Dann ging durch die theologi­schen und strukturellen Tur­bulenzen der 60er und 70er Jahre in der deutschen Missi­onswissenschaft diese wertvolle Erkenntnis verschütt – und wurde nun von Amerikanern wieder ausgegraben, ohne zu wissen, daß es das früher schon einmal gab und deshalb auch ohne darauf hinzuweisen. Ein Grund mehr, daß wir uns stär­ker mit unseren eigenen Quel­len befassen – und die Bibel auch methodisch ern­ster neh­men sollten. Die Inspiration schließt vielleicht doch auch die Zusammenstellung des Kanons mit ein.

Dr. Klaus W. Müller, em 1998-4.

Meiser, Anna. „Ich trinke aus zwei Flüssen“: Zur Logik transkultureller Prozesse bei christlichen Achuar und Shuar im oberen Amazonien. Stutt­gart: Kohlhammer, 2013.

Dieser Band beschäftigt sich mit den kul­turellen Prozessen unter den Achuar und Shuar in Amazonien die durch die Missionsarbeit der katholischen und evan­gelikalen Mission ausgelöst wurden. Ihm liegt die Promotionsschrift der Ver­fasserin, eingereicht an der LMU Mün­chen, zugrunde.

Nach dem Einführungskapitel (S.18–41) folgt eine Beschreibung des ethno­gra­phischen Szenarios (S.42–68), gefolgt von der Skizzierung des ideologisch und historisch geprägten (post)kolonialen Latein­amerikas (S.69-89). Im vierten Kapitel werden theoretische Ansätze (transkultureller Kulturbegriff, Bedin­gungen und Möglichkeiten trans­kul­turellen Verstehens und die Wirklichkeit von Differenz) erörtert (S.90–127). An­schließend werden die indigenen Dimen­sionen der katholisch-autochtonen Kir­che und der evangelikal-indigenen Kir­chen erläutert (S.128–192) und im sechsten Kapitel durch die Sichtweise der Missionare bezüglich der Legiti­mation eines indigenisierten Christen­tums fortgeführt (S.193–252). Schließ­lich werden die Selbstzeugnisse indi­ge­nisierter Christen präsentiert, analysiert und die Strategien der Aneignung des kulturell Fremden (christliche Glaubens­inhalte) aufgezeigt (S.253–309). Abge­rundet wird der Band mit den Schluss­bemerkungen, der Bibliographie und den Anhängen (S.310–351).

Sind die Prozesse des Kulturwandels unter dem Einfluss der christlichen Mission in Amazonien seitens der Ethno­logen in deren einschlägigen Publi­ka­tionen oft als negativ bis hin zu zer­störerisch beschrieben worden, so findet sich in diesem Werk eine völlig andere Perspektive. Erfreulich ist die Tatsache, dass sich die Verfasserin als Ethnologin von einem starren Kulturverständnis ge­löst hat, sich stattdessen eines dyna­mischen Kulturbegriffs verschreibt und sich im Gegensatz zu Vertretern ihrer eigenen Zunft verpflichtet sieht, die betroffenen Achuar und Shuar als Be­troffene selbst zu Wort kommen zu lassen – und zwar ausgiebig und mit der Feststellung, dass westliche Ethnologen Fragen aufwerfen, die für Indigene (oft) überhaupt keine sind (S.19). Meiser nimmt dahingehend die Kritik be­troffener Mitglieder indigener Kulturen auf, die sich nicht mehr länger nur als Objekte ethnologischer Forschungen sehen wollen, sondern „ebenso das Recht hätten, zu Subjekten zu werden“ (S.40).

In einer als positiv zu bewertenden Ausgewogenheit präsentiert sie ka­tho­lische und evangelikale Missionspraxis, deren theologische Gründung und die unterschiedlichen Motive der Achuar und Shuar sich fremdes Kulturgut, sprich christliche Glaubensinhalte, anzueignen. Die dafür nötige kulturelle Dynamik ver­sucht Meiser mit dem Begriff „Trans­kulturalität“ zu fassen (das Fremde wird zum Eigenen gemacht, welches das „Bewusstsein einer hybriden, christlich-indigenen Doppelzugehörigkeit stiftet“, S.23). Immer wieder wird in Meisers Aus­führungen deutlich, mit welcher Selbst­verständlichkeit und großem Selbst­verständnis Achuar und Shuar christ­liche Glaubensinhalte in ihre Kos­mologie, aber auch in ihre alltägliche Praxis integrieren. Freilich sind die Be­weggründe, katholische oder evange­li­ka­le Christen zu werden, wie sie selbst konstatiert sehr „unterschiedlicher Na­tur“ und durch „spezifische persönliche Erfahrungen mit beeinflusst“ (S.309). Bemerkenswert ist jedoch ihre Fest­stellung: „Die Interkulturalität der indi­genen Konvertiten hat eine kulturelle Tradition; sie ist nicht das Ergebnis des kul­turellen und religiösen Austauschs mit den Missionaren, sondern deren Voraus­setzung“ (S.304).

Dieser Band bietet gerade auch für Missionare und kirchliche Mitarbeiter einen wertvollen Einblick in die Kom­plexität der Einheimischwerdung des Evangeliums – speziell im latein­ameri­kanischen Kontext. Des Weiteren zeigen die Forschungsergebnisse, dass die christ­liche Mission in der Propagation des Evangeliums bei weitem nicht so negativ gesehen werden darf, wie es gemeinhin geglaubt und von der Wissenschaft oft postuliert wird.

Hilfreich sind Darstellungen im Text und die Farbaufnahmen im Anhang des Ban­des. Ein Register hätte den Band nochmals aufgewertet. Mit dem Preis ist es, wie immer mit Publikationen in dieser Kategorie – er entspricht dem Inhalt, aber nicht unbedingt dem Geldbeutel interessierter Leser.

Dr. Robert Badenberg, em 2014-2.

Mensen, Bernhard (Hrsg.). Dialog. Akademie Völker und Kulturen: Vortragsreihe 2001/ 2002 Band 25, Nettetal: Steyler, 2002.

Seit vielen Jahren ist „Dialog“ ein Schlagwort in der ökumenischen Theologie und in der Missions­theologie. Der vorliegende Sammelband, der auf eine Vortragsreihe der Akademie Völker und Kul­turen St. Augustin zurückgeht, reflektiert über das Wesen, über Chancen und Grenzen solchen Dia­logs. Dialog fordert von den Partnern die Aner­kennung des anderen sowie die dafür notwendige Erkenntnis- und Wahrheitsoffenheit. Diese Offen­heit ist nicht mit einer Standpunktlosigkeit oder Preisgabe der eigenen Identität zu verwechseln. Darum zunächst die Frage: „Welches sind die Vor­aussetzungen eines Dialogs, und welche Ziele kann er haben?“. Daher behandeln die sechs Beiträge nicht die „Aussichten oder Erfolge des Dialogs mit den einzelnen Kulturen oder Religionen, etwa den Dialog der Christen mit dem Islam oder Hinduis­mus usw., sondern sie wollen die Voraussetzun­gen, Grundlagen, und mögliche Ziele des Dialogs zu Sprache bringen“ (8). T. Sundermeier fragt „Kann man den Fremden verstehen?“ (23-32) und gibt folgende Hinweise: „1. Alles Verstehen be­ginnt damit, dass ich den anderen wirklich als ei­nen anderen, und d. h. einen mir Fremden wahr­nehme und respektiere. … Auf der zweiten Stufe müssen wir die eben eingenommene vorurteilsfreie Distanz überwinden und versuchen, das uns Frem­de in dem jeweils eigenen Kontext zu beschreiben. Hier ist Sympathie gefordert und die Bereitschaft, sich auf die Lebensumstände der anderen zumin­dest für eine Zeit einzulassen… . Auf der dritten Ebene müssen wir gerade die Symbolik einer Kul­tur, die ihr zugrunde liegenden Lehren und ihre Vergemeinschaftungspraxis zu begreifen versu­chen, denn sie prägen den Menschen und bestim­men sein Denken, sein Gefühl und seine Weise der Weltbegegnung. … Viertens … muss immer noch betont werden, dass der elementare Grundsatz der Begegnung mit dem Fremden der des Respektes vor der Würde des anderen Menschen und seiner Kultur und Religion ist“ (30-32). W. Beinert bringt „Dialog und Kirche“ miteinander in Verbindung (33-43), indem er die Entwicklung innerhalb der katholischen Kirche umreißt. C. Lienemann-Perrin beginnt ihren Beitrag „Mission und Dialog in den Kontexten der Welt“ (45-60) mit Überlegungen zu Mt 28 zwischen postmodemer und postkolonialer Auslegung, um dann aufzu­zeigen, wie die Begriffe Mission und Dialog in verschiedenen Ländern, Kulturen und Kirchen verstanden und gefüllt werden („… von konkreten Situationen ausgehend, in groben Umrissen eine Art Weltkarte des missionarisch-dialogischen Pro­fils des Christentums „zu skizzieren“, 49). Die Autorin untersucht das Missions- und Dialogver­ständnis der Kirchen Asiens, Lateinamerikas („Die religiöse Szene in lateinamerikanischen Ländern wie Brasilien lässt es kaum zu, von Religionsbe­gegnung und vom interreligiösen Dialog zu spre­chen. Wo die Vermischung der verschiedenen Christentums-formen und Volksreligionen so weit fortge-schritten ist, zerrinnt der interreligiöse Dia­log; denn er findet keinen Halt mehr an prägnanten Bekenntnissen und Kirchengestalten. Es zeigt sich, dass Dialog ein gewisses Mass an religiöser Identi­tät und missionarischem Überzeugtsein braucht, um in Gang zu kommen“, 53), Afrikas („Vom Dia­log mit den traditionellen Religionen und dem Islam ist dabei häufig nichts zu spüren - im Ge­genteil. Symbole der ‘heidnischen Religionen’ wer­den vernichtet, der Islam im Missionszeugnis fron­tal angegriffen, wenn nicht sogar bekämpft. Unter dem Eindruck des neupfingstlerischen Erfolgs stimmen sich auch die „mainline“ churches und die römisch-katholischen Teilkirchen auf die neuen religiösen Wellen ein und verändern sich dabei erheblich in ihrem Charakter und ihrer Gestalt“, 54), Nordamerikas und Europas („Das Nebenein­ander von friedlicher Mission und missionarischer Offensive, von Würdigung, Kritik, und Schelte der Mission kennzeichnet unsere Gesellschaft“, 57). Nach C. Lienemann-Perrin zeigt dieses Bild, „dass es in den verschiedenen Kontexten der Welt eine große Vielfalt von Austauschbeziehungen zwi­schen dem Christenrum und anderen Religionen gibt, die mit den Begriffen „Mission’ und T)ialog’ nur sehr unzureichend erfasst werden. Femer braucht es einen Gedanken- und Erfahrungsaus­tausch über Mission’ und „Dialog’ in den verschie­denen Kontexten der Welt. Es hilft nichts, den belasteten Missionsbegriff einfach über Bord zu werfen; denn während Teile des europäischen Christentums ihn vielleicht als anstössig empfin­den, hat er in den Kirchen der ausserwestlichen Welt eine neue Heimat gefunden. Wer mit dem Christentum im Süden ins Gespräch kommen und nicht einfach an ihm vorbei an hartnäckigen Vorur­teilen festhalten will, muss sich auf Religiosität, Sprache und theologische Ansätze in diesen Län­dern einlassen. Ich plädiere dafür, den Wanderbe­wegungen des Missionsbegriffes nachzuspüren, dabei auf inhaltliche Veränderungen zu achten und eine interkulturelle Hermeneutik der Mission in Verbindung mit dem interreligiösen Dialog zu entwickeln. … der Rückkehr der missionarischen Ausstrahlungskraft in unsere Gemeinden und theo­logischen Fakultäten – gerade auch um des interre­ligiösen Dialogs willen, der angesichts der Zunah­me von religiös motivierten Konflikten in der Ge­sellschaft immer wichtiger wird. Ich bin davon überzeugt, dass ohne die missionarische Ausstrah­lung aller am Dialog Beteiligten der Dialog mit anderen Kulturen und Religionen auf Dauer nicht lebensfähig ist.“

H. Bettscheider untersucht „Die Wahrheitsfrage und der interreligiöse Dialog“ ( 61-77) und H. Waldenfels beleuchtet abschließend das Verhältnis zwischen „Dialog und Bekenntnis“ (79-92). Eine knappe Vorstellung der Autoren sowie Ubersichten über die in der Akademie gehaltenen Vorträge der letzten Jahre beenden den Band.

Prof.Dr. Christoph Stenschke, em 2005-3.

Mensen, Bernhard SVD (Hg.). Afrika zwi­schen Tradition und Moderne. Vortragsreihe 1995/96/ Akademie Völker und Kulturen St. Augustin; Bd. 19. Steyler Verlag: Nettetal, 1996.

Drei der sechs Vorträge befassen sich mit der politischen und wirtschaftlichen Situation Afrikas. Die Autoren sind bzw. waren Profes­soren an deutschen Hochschulen. Der erste Beitrag fragt „Woran krankt Afrika?“ Antwort: „Die Krankheit Afrikas rührt hauptsächlich von den in der nachkolonialen politisch-sozialen Entwicklung bewirkten gesellschaftlichen Ver­zerrungen her“ (S.21). Die politischen Struktu­ren werden für die Probleme verantwortlich gemacht, nicht die Menschen Afrikas (S.22). Gleiches gilt für die afrikanische Wirtschaft. Im dritten Beitrag („Afrika wohin?“) geht es um eine Orientierungssuche nach dem Wegfall des Ost-West-Konflikts. Der vierte Beitrag („Das Verhältnis von Individuum und Gemein­schaft in afrikanischen Gesellschaften“) zeigt, welch große Rolle die Einzel- und Gemein­schaftsbeziehungen im traditionellen Afrika spielen, wobei neuere Entwicklungen eine Schwächung dieser Beziehungen bringen. Der fünfte Beitrag („Der Einfluß Afrikas auf die europäische Kunst“) weist auf die von Afrika kommenden Anregungen auf kulturellem Ge­biet hin (Musik, Malerei, plastische Kunst). Der sechste Beitrag („Zwischen Evangelium und Kultur – Christentum aus afrikanischer Perspektive“) geht der Frage nach, ob zwischen Christentum und traditioneller Kultur ein Aus­tausch stattfindet. Dabei wird das Aufkommen einer Afrikanischen Theologie nachgezeichnet, ihre Ansatzpunkte, ihre Entwicklungen und Probleme. Umfang und Stil des Buches ma­chen es leicht lesbar. Man wünscht sich nur etwas mehr Platz für Randnotizen. Ein guter Teil des Buches ist der politischen und wirt­schaftlichen Entwicklung Afrikas gewidmet. Dies hilft zum Verständnis der heutigen Situa­tion und zeigt dabei auch größere (globale) Zu­sammenhänge auf. Der Beitrag über die zwi­schenmenschlichen Beziehungen bringt für Afrikakenner nicht viel Neues. Als Christ ist man natürlich am letzten Beitrag des Buches zum Christentum aus afrikanischer Perspektive besonders interessiert, speziell am Unterab­schnitt über Mission. Dieser Beitrag ist einer der kürzesten. Interessant ist, daß dies der ein­zige Beitrag eines Nichteuropäers ist; Dr. theol. Amélé Ekué stellt fest, daß aus afrikanischer Perspektive „die Missionare Afrikaner und Afrikanerinnen in ihrer Identität störten. Aber sie haben sie nicht nur als Opfer zurückgelas­sen, sondern als Akteure ihrer eigenen Chri­stentumsgeschichte…“ (S. 110). Auch der Au­tor des vierten Beitrags äußert sich zum Thema Mission: „Die christlichen Missionen stellen allein durch ihre Präsenz den Glauben an die Macht der Erde und der Ahnen sowie die tra­ditionellen Normen in Frage, und zwar auch da, wo ihr äußerer ‘Erfolg’, gemessen an der Zahl der getauften und zum Christentum Be­kehrten, gering ist“ (S.79). Er zitiert einen Pa­ter, der 27 Jahre als Missionar tätig war: „Wenn ich nicht meinen christlichen Glauben hätte, würde ich das, was wir Missionare gegen die traditionellen Normen der afrikanischen Gesellschaft tun, als ein Verbrechen bezeich­nen“ (S.79). Fazit: Es werden einige interes­sante Einblicke und Hintergründe afrikanischer Entwicklungen vermittelt. Doch wer mehr In­formation über Christentum und Mission in Afrika sucht, findet hier nicht sehr viel.

Hans Schultheiß, em 1999-4.

Menzel, Gustav. Die Bethel-Mission, Aus 100 Jahren Missionsgeschichte. Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1986.

Gustav Menzel, 1967 Missionsdirektor der Rheinischen Mission bzw. der Vereinigten Evangelischen Mission, hat mit seinem 1978 erschienenen Standardwerk „Die Geschichte der Rheinischen Mission“ eine der gründ­lichsten Arbeiten über die Geschichte einer deutschen Missionsgesellschaft vorgelegt, wenn man von der unübertroffenen mehr­bändigen Geschichte der Basler Mission ein­mal absieht. Ihr stellt er nun die Geschichte der Bethel-Mission zur Seite, die 1971 wie die Rheinische Mission in der VEH aufging. Man spürt heraus, daß Menzel die Bethel-Mission stärker aus sachlicher Distanz be­schreibt als die Rheinische Mission, deren Missionar in Sumatra er einst war.

Die Stärke des Buches liegt im Detail. Aus einem enormen Archivmaterial hat Menzel nicht nur eine zusammenhängende Ge­schichte aus einem Guß gemacht, sondern zahllose zunächst unwichtig erscheinende Einzelangaben diskutiert und belegt. Da­durch ist das Buch nicht nur ein Gesamt­entwurf, sondern zugleich zum Einzelstu­dium bestimmter Fragen und Personen ge­eignet. Solche interessanten Einzelheiten aufzuführen würde hier zu weit führen. Was sind also daneben die großen Linien, die Menzel verfolgt, gar die Linien, die das Buch weit über die Bethel-Mission hinaus interessant machen? Mir scheinen es drei Problembereiche zu sein.

Der erste Problembereich ist die Frage nach dem Verhältnis von Kolonialismus und Mis­sion. Der Weg von der ursprünglich kolo­nialistisch gesinnten Evangelischen Mis­sionsgesellschaft für Deutsch-Ostafrika zu der von Bodelschwingh geprägten Ostafrika-Mission und dann Bethel-Mision geht über viele Brüche und Einzelentscheidungen. Die beiden Kriege zwingen die Mission, den Afrikanern mehr Selbständigkeit zuzubilli­gen, was dann schließlich auch als richtiger Weg erkannt wird.

Der zweite Problembereich ist die theologi­sche Ausrichtung. Angesichts der heutigen Aufspaltung in „evangelikale“ und „kirchliche“ Missionsgesellschaften in Deutsch­land kann man hier die einzelnen Etappen einer deutschen Missionsgesellschaft verfol­gen. Die Diskussionen um Kirchenpolitik, Schriftverständnis und ökumenische Orien­tierung führen zu tiefgreifenden Änderun­gen, die jedoch nicht gradlinig verlaufen. Menzel beschreibt diese Veränderung zwar aus der Sicht der heutigen VEM, aber so fair, daß jeder aus der Diskussion lernen kann.

Der dritte Problembereich, bei dem Menzel meines Erachtens sein Buch zu einem Höhe­punkt bringt, ist die Mission unter dem Nationalsozialismus. Die ganze verworrene und komplizierte Situation wird deutlich. Einerseits helfen Missionare die NSDAP im Ausland aufbauen, wird die „Wende“ wärmstens begrüßt. Altes kolonialistisches Ge­dankengut lebt auf. Andererseits lehnt man die Rassenlehre ab, und es gibt eben einen Friedrich von Bodelschwingh. Man teilte die Weltanschauung des Nationalsozialismus nicht, erhoffte sich aber doch Veränderun­gen zum Guten von der neuen Regierung und verkannte die Zeichen der Zeit total. Wichtig sind auch Menzels über die Bethel-Mission hinausgehenden Informationen zur Mission unter dem Nationalsozialismus.

Ein spannend geschriebenes Buch, wie es uns noch von mancher Missionsgesellschaft fehlt.

Thomas Schirrmacher, em 1988-4.

Menzies, William und Robert. Pfingsten und die Geistesgaben – Ein theologischer Brü­ckenschlag zwischen Pfingstbewegung und Evangelikalen, Metzingen: Ernst Franz, 2001.

Das vorliegende Buch stellt eine positive Her­ausforderung dar – sowohl für evangelikal als auch für pfingstlich geprägte Christen. Die Au­toren haben das Anliegen, eine Brücke zu bau­en, verleugnen aber nicht ihre theologische Her­kunft, sondern suchen die für pfingstliche Kreise charakteristische Erfahrung des Heiligen Geistes theologisch zu begründen und die Bedeutung der Unterscheidung von Wiedergeburt und Geis­testaufe für die Mission herauszustellen. Es werden auch weitere mit der „Pfingsterfahrung“ verbundene Fragestellungen erörtert, so die Fra­ge nach Sprachenreden, nach dem Stellenwert von Zeichen und Wundern, nach Leiderfahrung im Leben eines Christen und nach der Bezie­hung zwischen Geistestaufe und Geistesgaben bzw. Geistesfrucht. Hiermit ist ein weiter Fra­genhorizont aufgerissen.

Das Buch beginnt mit einem Rückblick auf die Geschichte der Pfingstbewegung und einer Be­schreibung deren derzeitigen Beziehungen zu „evangelikalen“ Christen: Man habe sich ange­nähert, doch nach Menzies arbeiten Evangelika­le „mit einschränkenden Regeln, … die ein Er­gebnis zugunsten der Pfingstgläubigen von vornherein ausschließen“ (S. 44). Kapitel 2 zeichnet die Entwicklung der Einordnung narrativer Bibeltexte nach, was zentral für die Frage nach der lukanischen Theologie und damit der Deutung des Pfingstereignisses ist. In Kapitel 3 wird diese Frage anhand der Apostelgeschichte erörtert, wobei Menzies eine klare Unterschei­dung zwischen lukanischer und paulinischer Pneumatologie einführen: ersterer wohne kein heilsbezogener Aspekt inne. Pfingsten sei aus­schließlich Ausrüstung zum Zeugendienst und nicht, wie Evangelikale das verstehen, Eintritt in den neuen Bund. Diese Sichtweise wird mit dem lukanischen Geistverständnis an sich begründet: Lukas spreche ausschließlich vom prophetischen Geist, so sei also auch die Pfingstgabe prophe­tisch aufzufassen; diese Gabe dürfe nicht mit Bekehrung oder Wiedergeburt verwechselt wer­den. Die Autoren wenden sich hier gegen die evangelikale Ansicht, dass Bekehrung und Geistemp­fang zusammenfallen.

Kapitel 4 ist ein Plädoyer für klare Schriftfor­schung sowohl angesichts postmoderner Anfra­gen an evangelikale Hermeneutik als auch ange­sichts der erfahrungsbetonten Sicht der Pfingst-kreise. Menzies sprechen sich für eine gegensei­tige Ergänzung evangelikaler und pfingstlicher Anliegen aus. Die oben beschriebene Identität der pfingstlichen Theologie im Verständnis der Pfingstgabe jedoch dürfe nicht preisgegeben werden. Die folgenden Kapitel setzen sich mit den Beiträgen von James Dunn, Max Turner und Gordon Fee auseinander. Hierbei geht es Men­zies vor allem darum, nachzuweisen, dass Lukas seine Erzählung bewusst so gestaltet, dass sie den Charakter eines verbindlichen Modells christlicher Erfahrung erhält. Als Schlüsselar­gument dient nach wie vor die Unterscheidung zwischen der Pneumatologie des Lukas und der des Paulus. Kapitel 8 und 9 befassen sich mit dem Thema Sprachenrede: Menzies verteidigen sie als Zeichen für eine Geistestaufe und gleich­zeitig eine für alle Gläubigen gedachte Gabe. Im 10. Kapitel wenden sich die Autoren noch einem neuen Thema zu: der „Zeichen- und Wunder-Bewegung“ (oder „Dritten Welle“). Im Ge­spräch mit dort vorzufindenden Ansichten wird die lukanische Sicht von Zeichen und Wundern dargestellt, wobei Menzies herausstellen, dass Lukas das Wirken des Geistes in erster Linie als Kraft zum mündlichen Zeugnis und weniger zum Wunder-Tun beschreibt. Zudem stellen sie dar, wie Lukas einerseits von einer Fülle von Wundern berichtet, andererseits jedoch vor der Forderung nach Wundern warnt. Kapitel 11 be­fasst sich differenziert mit der Lehre Uber „Hei­lung im Sühnetod Jesu“: Vom Kreuzestod Jesu gehe „körperliche Heilung wie alle segensrei­chen Auswirkungen der Erlösung“ aus. Menzies zeigen, dass die Erlösung nicht nur eine geistli­che Dimension hat, sondern den menschlichen Körper, wie auch die ganze Schöpfung mit um­schließt und dass Gläubige dieses Heil in zu­nehmendem Maße erführen. Hier schließt the­matisch Kapitel 12 an: Wie bringen Christen die Überzeugung von Gottes persönlicher Bewah­rung und Fürsorge mit eigenem und fremden Leid zusammen? Anhand des Berichts von der Verklärung Jesu in Mk 9,2-10 wird eine pfingstlerisch-selbstkritische Einladung präsen­tiert, Gottes Hand nicht nur in ,,glanzvolle[n] Beweisen seiner Herrlichkeit“ zu sehen, sondern vielmehr zu erkennen: „alles, was wir an Be­wahrung und an Leid erfahren, ist auf seine Lenkung der Dinge zurückzuführen“ (S. 190). Dabei wird als Ziel der göttlichen Fürsorge nicht in erster Linie Wohlergehen verstanden, sondern die Erfüllung des Erlösungsplanes des Vaters. Kapitel 13 befasst sich nun grundsätzlicher mit dem Thema „Geistesgaben“, wobei IKor 12-14 als zentral aufgefasst werden. Menzies formulie­ren drei Prinzipien: das Gnadenprinzip, das Er­bauungsprinzip und das Teilungsprinzip. Die folgenden Kapitel dienen der Verhältnisbestim­mung von Geistestaufe und Geistesgaben bzw. Geistesfrucht. Es wird nun die Synthese zwi­schen der lukanischen und der paulinischen Sichtweise angestrebt, wobei die lukanische Geistestaufe als Tor zu den prophetischen Ga­ben bei Paulus aufgefasst wird. Abschließend lässt sich sagen: Das Buch behandelt eine um­fassende Thematik detailliert, mit Sachkenntnis und missionarischem Herzen. Hierin liegt seine große Stärke und Herausforderung für Christen jeglicher Prägung. Menzies leisten eine starke Überzeugungsarbeit in der Fundierung ihrer Grundposition. Nicht alle Argumentationen ü­berzeugen. Die vorgeschlagene Synthese zwi­schen der lukanischen und paulinischen Sicht in Kapitel 14 hat bestechende Elemente, manche Fragen lassen Menzies dabei jedoch leider un­beantwortet: Warum fordert Paulus in 1 Kor 12­14 nicht auf, sich nach einer bestimmten zweiten Geisterfahrung – der Geistestaufe – auszustre­cken, sondern nach den Gaben dieses Geistes? Warum gehen die Autoren nicht auf 1 Kor 12,13 – der „Taufe durch einen Geist zu einem Leib“ – ein, wo Paulus die Gläubigen in Korinth zeitlich nach einer „Geistestaufe“ einordnet? Nicht ganz überzeugend ist auch die Argumentationslinie, das Pflngstereignis allein von Lukas her deuten zu wollen. Trotz dieser Anfragen leistet dieses Buch einen wertvollen Beitrag zur laufenden Diskussion und regt zu weiterem Nachdenken an. Es ist ein Aufruf, das Leben, das Gottes Geist wirkt, tatsächlich in all seinen Dimensio­nen zu suchen, der hoffentlich nicht ungehört bleiben wird!

Verena Schröder, em 2005-2.

Michel, Erhard, Johannes Reimer, Elmar Spohn (Hg.). Christus für die Welt: Theologische Beiträge zur Mission und Gemeindegründung im Umfeld von Allianz-Mission und Freien evangelischen Gemeinden, Witten: SCM Bundesverlag, 2014.

Die vorliegende Festschrift wurde zum 125-jährigen Jubiläum der Allianz-Mission (AM) veröffentlicht, wobei der Band nicht als offizielles Dokument zu verstehen ist, sondern als Sammlung von theologischen Beiträgen, „die zur Dis­kussion anregen und frische Impulse geben wollen“ (S.8). Die Herausgeber sind Erhard Michel (Missionsleiter der Allianz-Mission), Johannes Reimer (Mis­siologie-Professor der TH Ewers­bach) und Elmar Spohn (u.a. Dozent an der AWM, Korntal).

Im ersten Teil („Mission groß­geschrieben – zum Missions­ver­ständ­nis“) beleuchten Siegbert Riecker und Julius Steinberg die alttestamentlichen Voraussetzungen christlicher Mission. Christoph Stenschke hingegen be­schäftigt sich in seinem Artikel mit der neutestamentlichen Grundlegung der Mission und was es bedeutet, wie Jesus gesandt zu sein. Sodann erörtert Alfred Meier die Trinitätsmetapher von „Gottes Tanz in der Welt“ und ihre Bedeutung für die neuere Missionstheologie.

Der zweite Teil („Zur Geschichte der Allianz-Mission“) beinhaltet eine chro­no­logische Übersicht über die Ent­wick­lung der AM von Hans Ulrich Reifler, einen biographischen Artikel von Heinz Müller über den ersten Missionar der damaligen Allianz-China-Mission, eine Auswertung von Johannes Reimer über die gewachsene Beziehung von AM und den Ortsgemeinden sowie einen Über­blick von Dave Rose über jene Ent­wicklungen, die zum Engagement der AM in Asien führten.

Im dritten Teil („Evangelisation und Gemeindegründung“) spricht sich Alfred Meier für eine konzeptionelle Unter­scheidung von Mission und Evan­ge­lisa­tion aus und untersucht, welche Folgen das für die Evangelisationspraxis hat. Erhard Michel wiederum arbeitet anhand der vielseitigen Geschichte der Gemein­de­gründungen in den FeG zwölf Impulse heraus, die zu weiterem Engagement an­regen. Craig Ott geht näher auf das oft vernachlässigte Verhältnis von Ge­mein­de­gründungen und der „Missio-Dei“ ein, während sich das daran anschließende Thesenpapier von Johannes Reimer mit Trendwenden und der Notwendigkeit von europaweiten Gemeindegründungen beschäftigt.

Im vierten Teil („Viele Themen – ein Anliegen“) stellt Jürgen Kuberski, aus­gehend von Apg 13,1–14, die Frage, wer genau die ersten Missionare ausgesandt hat. Der gemeinsame Artikel von Tobias Becker, Alfred Meier und Karsten Pacher widmet sich einer Theologie des Fundraising und den daraus entstehenden Möglichkeiten für Missionare, Ge­mein­den und Missionsgesellschaften. Inwie­fern Mission als Entwicklungsdienst ver­standen werden und langfristig das Leben von mittellosen Menschen positiv verändern kann, schildert Thomas Schmidt. Abschließend beleuchtet Elmar Spohn das Spannungsfeld von Recht­gläubigkeit und Kontexttheologie am Beispiel eines Konflikts der AM am Ende der 1950er Jahre mit einer Japan-Missionarin, die sich zur Anhängerin einer fragwürdigen Christologie ent­wickelt hatte.

Einerseits demonstriert die Festschrift, wie bewegt und bewegend die Ge­schichte der AM ist, andererseits spiegelt sich in den Beiträgen die Vielseitigkeit der deutschsprachigen, evangelikalen Missiologie wider. Beim Lesen treten zudem immer wieder aktuelle Frage­stellungen in den Vordergrund, z.B. was Mission heutzutage alles umfasst, was „Missio Dei“ konkret bedeutet und welchen Platz der Einzelne bzw. die Ortsgemeinde dabei einnimmt.

Wie bei Sammelbänden üblich unter­scheiden sich die Beiträge in ihrem Umfang und Anspruch; vereinzelte Schreibfehler trüben nur kurz das Lese­vergnügen. Auf ein Stichwort-, Bibel­stellen- oder Literaturverzeichnis wurde verzichtet, jedoch weisen die Autoren in Fußnoten auf weiterführende Quellen hin.

Letztlich bietet die Festschrift viel Material zum Reflektieren, Diskutieren und Weiterforschen, vor allem bei den dezidiert missionstheologischen Grund­fragen (Riecker/ Steinberg, Stenschke, Meier, Reimer und besonders Ott). Somit ist der Band nicht nur für Leser aus dem Umfeld der AM interessant, sondern auch allgemein für Missionsinteressierte und -involvierte, für Studenten und Dozenten. Ebenso kann der Band anderen Missionswerken den positiven Anstoß geben, die eigene Geschichte auszuwerten und wieder neu nach Gottes Anliegen für die Welt zu fragen.

Daniel Vullriede, em 2014-4.

Mieg, Harald A., Christoph Heyl (Hg.). Stadt: Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart, Weimar: J. B. Metzler, 2013.

Die Stadt gehört auch in der evangelikalen missiologischen Reflek­tion und Praxis zu den wichtigen Themen. Doch was hat es mit den Städten im 21. Jahrhundert auf sich? Um theologische Kompetenz und engagierte Praxis mit einem fundierten, inter­disziplinären Verständnis des komplexen Phänomens Stadt auf dem aktuellen Stand der internationalen Forschung zu verbinden, leistet der vorliegende Sammel­band in der Reihe der Metzler Handbücher hervorragende Dienste.

In seiner Einleitung gibt Mieg ver­schiedene Perspektiven auf die Stadt­forschung. Stadt wird verstanden als „ein Ort, an dem Menschen auf Dauer leben, mit verdichtet gebauter Umwelt sowie einer gewissen kulturell tradierten Iden­tität. Vermutlich müssen wir für ein Stadtverständnis die Dauer hinzudenken. Sonst fehlt dem Stadtverständnis die Trennschärfe gegenüber temporären Einrichtungen wie Werkgeländen mit Wohnanlage. Städte sind Generationen über­greifende Projekte, sie haben Ge­schichte und Zukunft“ (9). Zunächst skizziert Mieg das Phänomen Stadt in den Bezugslinien Stadt und Land, Stadt und Staat, Stadt und Wirtschaft. Dann geht es um die Großthemen der inter­disziplinären Stadtforschung („cultural turn“ – die Betrachtung städtischer Phänomene aus dem Blickwinkel der kulturellen Konstruktion, „governance“ – das Verhandeln mit gesellschaftlichen Akteuren und Interessensgruppen, nachhaltige Stadtentwicklung). Ab­schlie­ßend diskutiert Mieg verschiedene Stadt­zukünfte (Stadt und Region, Stadt und Weltgesellschaft, Stadt und Innovation, Stadtsystemanalyse).

Der erste Hauptteil gilt der Stadt als Feld multidisziplinärer Forschung: Architek­tur: Stadtplanung und Städtebau, Stadt­geo­grafie, Stadtsoziologie, Stadtökono­mie, Stadtökologie, Stadt in der Ge­schichts­wissenschaft, archäologische Stadt­forschung, Stadt im Blick der Kommunalwissenschaft, Stadt in der lokalen Politikforschung. Teil zwei, „Die Stadt als kultureller Raum“, beleuchtet ausgewählte Themen der Stadtforschung aus kulturwissenschaftlicher Sicht: An­thro­pologie der Stadt, Stadt und Lite­ratur, das Bild der Stadt, das Gedächtnis der Stadt, Privatsphäre, Öffentlichkeit und urbane Modernität, Stadt und Per­formanz. Abschließend ist in einem hochinteressanten Kapitel die Rede vom Zusammenhang von Stadt und Religion (Stefan Lanz, 299–317), „einem Thema, das man vor nicht allzu langer Zeit noch als marginal betrachtet hätte“ (ix). Ein­führend beschreibt Lanz religiöse Stadt-Konzepte: die heilige Stadt (religiöse Stadt-Utopien: das himmlische Jeru­salem, realisierte religiöse Stadt-Uto­pien: Nkamba, die real existierende heilige Stadt: Jerusalem, die biblische „Gegenstadt“ Babylon wäre jüdisch und christlich zu ergänzen), die islamische Stadt (das orientalistische Modell der islamischen Stadt, städtische Effekte des Islam, zur Aktualität islamischer Stadt­modelle: Istanbul), die säkulare Stadt (das religiöse Labor der frühen Indus­triestadt, das theologische Modell der säkularen Stadt – Darstellung und Würdigung von H. Cox, The Secular City). Dem folgt ein Überblick über gegenwärtige städtische Religion.

Dieser anspruchsvolle interdisziplinäre Band bietet einen Überblick über Breite, Fragestellungen und Ergebnisse der gegenwärtigen, internationalen Stadt­forschung und ihrer Bezüge zur Religion. Es ist kein Handbuch für Gemeindegründer im städtischen Kon­text, wer sich jedoch in missiologischer Forschung und Lehre, aber auch in der reflektierten Praxis dem Thema Stadt widmet, wird hier nicht nur jede Menge Anregung finden, sondern auch das ganze Ausmaß der Komplexität des Phänomens Stadt verstehen.

Prof. Dr. hristof Stenschke, em 2014-4.

Milnes , Peter und Genevieve. Missions - The Biblical Basis. Contagem, Brasilien: Ed. AMEM, 1989.

Das Ehepaar Milnes, australische Missionare in Brasilien, schrieb das Buch speziell für Haus­bibelkreise. Hier können die überschaubaren Kapitel gelesen und anschließend besprochen werden. Fragen regen zum Gespräch an und führen zum gemeinsamen Gebet. Zunächst werden die missionstheologische Bedeutung der Schöpfung, Abrahams und Israels Erwäh­lung und von der Landnahme dargestellt, um dann am Beispiel von Richter, Jona und Maleachi den missionarischen Ungehorsam Israels aufzuzeigen. Die Besprechung des Neuen Testaments konzentriert sich neben einer Darstellung von Jesu Begegnungen mit den Heiden – verstanden als Jüngerschulung – vor allem auf die Apostelgeschichte.

Wenn man nach Wesen und Inhalt der Mis­sion fragt, bleiben manche Fragen. Es mutet seltsam an, wenn Josuas Eroberung Kanaans als „missionary work“ bezeichnet oder Israels Schuld vor allem darin gesehen wird, daß es den Heiden Gott nicht nahebrachte (S.35f). Umgekehrt wird der Missionar als „Gottes Kämpfer gegen das Böse und Götzendienst im Land“ bezeichnet bzw. gefragt: „Kämpfen wir für Gottes Gerechtigkeit?“ (S.39f). Fragt man tiefer, dann erkennt man, daß Schriftauslegung ohne heilsgeschichtliche Perspektive getrieben wird. Das muß gerade im AT zu Entstellungen führen. Grund, Voraussetzung, Ermöglichung und Inhalt aller Mission ist eben das Versöh
nungswerk Gottes in Christi Kreuzestod, Auf­erstehung und Sendung des Geistes. So kommt gerade bei der neutestamentlichen Darstellung die Soteriologie als Mitte des Evangeliums zu kurz. Statt dessen werden Zeichen als Beglau­bigung der Botschaft betont. Dem entspricht die Ausblendung der missionstheologisch so wichtigen Gottesknechtslieder im Alten Testa­ment. Zudem wird der Weg des Evangeliums von Israel zu den Völkern lediglich unter dem Gesichtspunkt transkultureller Methoden und multinationalen Gemeindebaus gesehen (S.103ff).

Diese Schrift ist ein Musterbeispiel dafür, wie die Gestalt der Missionstheologie von der zugrundeliegenden Hermeneutik gesteuert wird. Gerade in einer „Laientheologie“ bzw. in einer Anweisung zur Mission für junge Ge­meinden, wie hier, ist gewissenhafte Schrift­auslegung das A und O. Zudem sollte man in der Bibel Mission nur da sehen, wo die Schrift darauf hinzielt. Der Rezensent bedauert zu­tiefst, daß dem sehr guten didaktischen Ansatz, dem praktischen Bezug und den mancherlei glücklichen Beispielen und wertvollen Erfah­rungen nicht eine ebenso gediegene exege­tisch-theologische Arbeit zur Seite steht.

Helmuth Egelkraut, em 1993-1.

Mission Handbook 1993-95 (15th edition). U. S. and Canadian Christian Ministries Over­seas, with statistical data and back­ground es­says, hg. von John A. Siewert und John A. Kenyon. Monrovia: MARC,1993.

Die 15. Auflage des Standardwerkes ist die bisher umfassendste und bringt einige Neue­rungen mit sich. Hauptteil ist nach wie vor die umfassende Auflistung und Aufschlüsselung nordamerikanischer Missionsgesellschaften, die sich im Rest der Welt betätigen. Am span­nendsten ist wohl der 37seitige Artikel von MARC-Direktor Bryant Myers „The changing shape of world missions“. Dort finden sich 28 Weltquerschnitte graphischer und statistischer Art zur Verteilung der Religionen, Christen, Unerreichten, Finanzen und Lebensbedingun­gen. Die traditionellen Hintergrundaufsätze bilden diesmal drei Briefe aus anderen Konti­nenten von Tokunboh Adeyemo, Vinay Samuel und Valdir Steuernagel (wobei Steuernagel im Jahrbuch Mission 1993 seinen deutschen Freunden ganz andere Dinge schreibt!). Neu ist eine 20seitige Übersicht über die 5.441 katholi­schen Missionare aus Nordamerika, die jedoch bei weitem nicht so detailliert ist, wie die An­gaben über die protestantischen Organisatio­nen, von denen 54% sich als evangelikal und 9% als charismatisch bezeichnen. Neu ist auch die detailliertere Aufschlüsselung des Missi­onspersonals. Die Gesamtzahl der US-ameri­kanischen Missionare, die länger als 4 Jahre dienen wollen, beträgt derzeit 32.634, dazu kommen 36.201 Kurzzeitmitarbeiter für 2 Wo­chen bis 2 Monate und 24.213 voll aus den USA unterstützte einheimische Mitarbeiter in den Einsatzländern, denen allen zusammen 14.694 Vollzeit-Heimatmitarbeiter den Rücken stärken. Die Zahlen für Kanada belaufen sich jeweils etwa auf 10% der US-Angaben. Wei­tere Mitarbeiterkategorien verändern die Ge­samtsumme nur unbeträchtlich. Das größte US-Auslandspersonal (über 4 Jahre Einsatz) unter den Missionen hat der Southern Baptist Con­vention Foreign Missions Board mit 3.660, Wycliff Bibelübersetzer mit 2.338 und New Tribes Mission mit 1.837. Die hundert größten Gesellschaften haben 91% allen Personals, wobei nur zwei weitere die Tausendergrenze überschreiten. Für die zunehmenden Kurz­zeiteinsätze, v.a. von 2 Wochen bis 2 Monaten, aber auch bis zu 2 Jahren sind wiederum die Southern Baptists-FMB Spitzenreiter (10.209), gefolgt von Jugend mit einer Mission (6.600) und der Missionsabteilung der Kirche des Na­zareners (5.500). Das größte Jahreseinkommen hat dagegen World Vision USA (176 Mio. US$) mit weiteren 73 Mio in Kanada, erst an zweiter Stelle die Southern Baptists mit 165,7 Mio und danach die Assemblies of God mit 96 Mio. Die Missionsdollars konzentrieren sich zunehmend bei den großen Organisationen. Einsatzländer mit über 1000 US-Missionaren sind Brasilien (2.229), die Philippinen (1.961), Mexiko (1.691), Japan (1.636), Kenia (1.337) und Papua Neu-Guinea (1.186). Im Mittleren Osten dagegen sind zusammen weniger Mitar­beiter jeglicher Herkunft im Einsatz als US-Missionare in einzelnen deutschsprachigen Ländern: Deutschland 756 (wie in Frankreich), Österreich 310, Schweiz 86. Register über die kirchliche Ausrichtung und die Tätigkeitsfelder der verschiedenen Werke runden dieses un­übertroffene Nachschlagewerk ab, für das man sich ein ebenbürtiges in Deutschland bisher nur wünschen kann. Die ebenfalls angebotene Dis­kettenversion war dem Rezensenten nicht zu­gänglich.

Christof Sauer, em 1996-2.

Mission Handbook 2001-2003 (18th edition). U. S. and Canadian Christian Ministries Over­seas, hg. von John A. Siewert und Dotsey Welliver. Evangelism and Missions Information Service – Billy Graham Center - Wheaton College: Wheaton (IL), 2000. 504 S.

Nach 3 Jahren erscheint die neue Auflage des bekannten amerikanischen Nachschlagewerkes aller Missionsgesellschaften des amerikanischen Kontinents. Es berichtet von ca. 35.500 Missionaren im Ausland aus den USA und Kanada in ca. 1.000 Missionsgesellschaften, daneben von ca. 23.500 Mitarbeitern in USA und Kanada, 100.400 Kurzzeitmissionaren und 73.000 ausländischen Mitarbeitern! Tabellen, Übersichten, Daten, Adressen schlüsseln diese Zahlen auf. Wer ist wie lange und wo Missionar? Warum kommen Missionare vorzeitig nach Hause? Daneben bietet es wieder zwei Beiträge zu orthodoxen und katholischen Missionswerken und die jährlich wechselnden Einführungsessays, die weit über die Belange der USA hinausgehen. Dabei geht es um die Frage der Kooperation von Missionsgesellschaften, um die Spannung zwischen gigantischen Missionsorganisationen und der Betonung der örtlichen Gegebenheiten und mit Luis Bush um die Herausforderungen der nächsten Jahre, die er – m. E. zu Recht – vor allem in der Veränderung der theologischen Ausbildung sieht (S.26-28).

Dr. Thomas Schirrmacher, em 2001-3.


Missionering en Inculturatie, Mission and Inculturation, Bulletin de 1’ Institut Historique Beige de Rome LXIV, Turnhout: Brepols Pub-lishers, 1994.

Auf 270 Seiten bietet sich hier dem sprachge­wandten Leser in Flämisch, Französisch und Englisch eine wertvolle Sammlung an missi-ons- und kulturgeschichtlichem Material aus der Arbeit der Scheuter Mission in der Inneren Mongolei und Nordchina (1865-1953) und Zaire (1919-1935). Die ausschließlich auf Quellenmaterial basierende historische Dar­stellung bietet ein sehr realistisches Bild von den harten Lebensbedingungen der Missionare. Es überwiegt jedoch bei weitem die Behand­lung Frage nach einer Inkulturation der sehr stark sozial orientierten Arbeit der Scheuter Missionare. Unter „Inkulturation“ wird in die­ser Aufsatzsammlung die Möglichkeit einer Übernahme der von den Missionaren gegrün­deten medizinischen Einrichtungen oder Schu­len durch einheimische Fachkräfte verstanden. Auf eine theologische Auseinandersetzung mit dem Thema oder eine missiologische Analyse der behandelten Abschnitte der Scheuter Mis­sionsgeschichte muß der Leser leider verzich­ten.

Stefan Müller, em 1995-4.

Moffett, Samuel Hugh. A History of Christianity in Asia. Bd I: Beginnings to 1500. San Francisco: Harper, 1991.

Die Ursprünge des Christentums in Asien lie­gen lange vor dem Einsetzen der neuzeitlichen Mission. Die Ausbreitung und Bedeutung des asiatischen Christentums von seinen Anfängen bis zum Jahr 1500 ist das Thema, dem der Autor viele Jahre an Forschung und Quellen
studium gewidmet hat. Nachdem eine europa­zentrierte Kirchengeschichtsschreibung lange Zeit den Blick auf die einheimischen Wurzeln des asiatischen Christentums weitgehend verstellt hat, lenkt Samuel H. Moffett mit die­sem Buch die Aufmerksamkeit des Lesers erneut auf die tiefen Wurzeln und Traditionen des Christentums in der Geschichte der Völker und Staaten Asiens.

Der Autor Samuel Hugh Moffett ist selbst in Korea geboren. Während der chinesischen Revolution war er von 1947 bis 1951 in China als Lehrer tätig und arbeitete später als Profes­sor für Kirchengeschichte in Korea und in den USA. Mit ihm hat sich wohl einer der kompe­tentesten Männer der Bearbeitung dieses The­mas angenommen.

Bei seinen hervorragenden Kenntnissen der asiatischen Kirchen ist es allerdings zu bedau­ern, daß er so wenig auf asiatische Quellen und Arbeiten zurückgreift. Ebenso verzichtet er darauf, neuere westliche Forschungsergebnisse zu einzelnen Aspekten seines Themas zu berücksichtigen. Dafür beschränkt er sich auf eine solide Zusammenfassung und Aufberei­tung der bisher unübertroffenen Klassiker der asiatischen Kirchengeschichte aus der Blütezeit christlicher Asien-Forschung und auf die in westlichen Sprachen zugänglichen Quellen. Moffetts Verdienst ist es daher vor allem, deren Ergebnisse nach über 50 Jahren erneut aufzu­nehmen und davor zu bewahren, endgültig in der Vergessenheit zu versinken.

Die Weite des Themas zwingt allerdings auch zu Beschränkungen auf einen geographi­schen und thematischen Bereich. So legt Moffett den Schwerpunkt seiner Arbeit auf die Untersuchung des Christentums im frühen Per­sien und auf die Auseinandersetzung des Chri­stentums mit dem jungen Islam, die etwa 75% seines Werkes ausmachen. Entsprechend erfolgt auch die im Buch vorgenommene Ein­teilung in die drei Perioden „Von den Aposteln bis Mohammed“, „Von Alopen bis zu den Kreuzfahrten“ und „Von Dschingis Khan bis Tamerlan“.

Durch den hier gebotenen Einblick in die Ursprünge und die Entwicklung des Miteinanders von Christentum und Islam in Asien wird anhand vieler Hintergrundinformationen ein tiefes Verständnis für viele der bis heute bren­nenden Fragen in der christlich-islamischen Begegnung ermöglicht. Die Kirchengeschichte aller anderen asiatischen Regionen oder die frühe Auseinandersetzung des Christentums mit anderen asiatischen Religionen wird dage­gen leider nur beiläufig und nur dort behandelt, wo sie in eine Beziehung zu Persien oder zum Islam tritt. Dennoch ist dieses Werk ein überaus lesenswerter Klassiker zur Kirchen­geschichte West-Asiens und ein kaum zu überschätzender Beitrag für jede Beschäftigung mit den Wurzeln des asiatischen Christentums.

Stefan Müller, em 1995-4.

Montgomery, James H. Dawn 2000: 7 Mil­lion Churches To Go. Pasadena, CA: Wil­liam Carey Library 1989.

Montgomery entwickelte eine Strategie für die Weltevangelisation. Mit dem Ziel 7 Mil­lionen zusätzlicher Gemeinden gäbe es eine Gemeinde für jeweils 500 bis 1000 Men­schen in der Welt; damit hielte er die Welt für evangelisiert. DAWN 2000, Abkürzung für «Discipling A Whole Nation» (Eine ganze Nation zu Jüngern machen), ist kein kurzlebiger Traum eines früheren Missio­nars, sondern eine wohldurchdachte Stra­tegie für die Evangelisation jeder einzelnen Nation auf der Erde.

Montgomery kommt aus der Gemeinde­wachstumsbewegung. Er war neun Jahre lang der Chefredakteur von «Global Church Growth» und diente 13 Jahre als Missionar in den Philippinen, wo diese optimistische Strategie entwickelt wurde. DAWN 2000 erwuchs aus Montgomerys Erfahrung.

Das Buch ist leicht verständlich zu lesen und gliedert sich in drei Teile. Zunächst lesen wir hauptsächlich von der Entwick­lung, dann folgt eine Beschreibung der Strategie. DAWN möchte die gesamte Ge­meinde Christi in allen Ländern mobilisie­ren, um den Missionsbefehl auszuführen, indem eine Gemeinde in jedem Ort und je­der Nachbarschaft gegründet wird.

Der zweite Teil des Buches erklärt, warum Montgomery glaubt, daß seine Strategie funktioniert. Die DAWN-Strategie unter­teilt die Erde in überschaubare Bereiche, umfasst die nötigen statistischen Unter­suchungen und mobilisiert mit Hilfe eines DAWN-Teams die Gemeinde Christi in dem Land. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Untersuchung über das Gemeindewachs turn. Daten über Wachstum bzw. Nicht-wachstum der Gemeinden (institutionelle und kontextuelle Daten) werden gesammelt, analysiert und ausgewertet. Die Ergebnisse dieser Untersuchug werden in einer „Pro­phetischen Botschaft“ veröffentlicht, um die örtlichen Gemeinden zu motivieren.

Der letzte Teil des Buches spricht über die praktische Anwendung von DAWN 2000 in einem spezifischen Land. Eine Beschrei­bung ist gegeben, wie die Vision der geist­lichen Strategie in dem speziellen Kontext den geistlichen Leitern im Lande vermittelt werden kann.

DAWN 2000 ist ein Beitrag zur Erfüllung des Missionsbefehls. Das Problem, dem Montgomery begegnet, besteht in der Ver­mittlung seiner Vision in jedem Land der Erde und in den Herzen der evangelikalen Leiter. Dieses Buch in den Händen evange-likaler Verantwortungsträger in der ganzen Welt kann großen Einfluß auf die Weltevan­gelisation ausüben.

Detlef Gwinner, em 1991-3.

Moreau, A. Scott (Ed.). Evangelical Dictionary of World Missions. Baker Books: Grand Rapids (MI), 2000.

Normalerweise sollte man kein Buch bespre­chen, zu dem man selbst Beiträge verfaßt hat, aber da in diesem enorm umfangreichen Lexi­kon alle einzelnen Autoren mit Ausnahme des Hauptherausgebers nur einen sehr kleinen An­teil haben, sei dies ausnahmsweise einmal ge­stattet. Seit dem Lexikon der Weltmission (Engl. Original 1971) hat sich in Mission und Missionswissenschaft eine enorme Zunahme evangelikaler Aktivitäten er­geben, Deswegen ist es kein Zufall, dass der ‘Nachfolger’ nun aus dem evangelikalen Bereich kommt, auch wenn die ökumenische Weite nach wie vor in den Artikelthemen präsent ist. Denn das Lexikon versteht sich ausdrücklich nicht als Lexikon über Evangelikales, sondern als Lexikon über alles, was Mission betrifft, aber aus evangeli­kaler Sicht.

Das Lexikon umfaßt 700 thematische Arti­kel und 700 Artikel über Per­sonen und geogra­phische Gebiete. Von den 483 behandelten Personen sind 239 Europäer, 152 Nordameri­kaner und 92 aus der Dritten Welt. 105 sind Frauen und 52 sind noch am Leben. Lebende Personen aufzunehmen schien unumgänglich, da die evangelikale Bewegung, besonders in der Dritten Welt, teilweise noch sehr jung ist. Normalerweise wurden die Le­benden noch vor 1930 gebo­ren, wenn man von vier Ausnahmen aus der Dritten Welt absieht. Den noch leben­den Deutschen, ‘Peter Beyerhaus’, hätte ein Deutscher viel­leicht etwas ergiebiger darge­stellt, als ein Ameri­kaner, wie dies etwa im Falle von ‘Ernst Schrupp’ (von Klaus Fiedler) der Fall ist.

Grundsätzlich ist das Lexikon recht ameri­kanisch geprägt, insbeson­dere in den theologi­schen Beiträgen, aber man hat sich doch deut­lich be­müht, Autoren aus Europa und der Dritten Welt zu gewinnen. An deut­schen Auto­ren fand ich Peter Beyerhaus, Klaus Fiedler, Hans-Werner Gensichen, Rolf Hille, Werner Raupp, Christine Schirrmacher, Thomas Schirrmacher). Sie haben meist biographische Artikel geschrieben. Die Beiträge über deut­sche Missionen sind nicht schlecht, aber selten heraus­ragend (so z. B. ‘German Mission Boards and Societies’). Die Auswahl deutscher Missio­nare und Missiologen (ich fand Beyer­haus, Christlieb, Gutmann, Schrupp, Warneck, Ziegenbalg) ist sicher sehr dünn und wohl teil­weise zufällig, aber mehr Platz stand eben nicht zur Verfügung. Zu den Glaubensmissio­nen (‘Faith Missions’) fehlen etwa die Forschungsergeb­nisse des Mitautors Klaus Fiedler völlig, obwohl sie längst auf Englisch vorliegen. Die Biblio­graphie ist leider auf leicht zugängliche, englische Quellen be­schränkt worden und nicht besonders ergiebig. Allerdings gibt es gute Artikel über literarische Produkte wie Missionslexika oder Missi­onszeitschriften (‘Dictionaries …’, ‘Journals …’).

Die Spannweite der Themen ist dagegen sehr gut gelungen. Es zeigt sich, dass man die Evangelikalen längst nicht mehr mit ein paar Lieb­lingsthemen (z. B. über ‘Inerrancy’, ‘Church Discipline’, ‘OT Theology of Mis­sion’) identifizieren kann. Ausdrücklich werden viele Streitfragen unter Evangelikalen behandelt und ausgezeichnet dargestellt (z. B. Artikel ‘Controversies …’, ‘Annihilationism’, ‘Smuggling’, ‘Eschatology’ und viele weitere Einträge zu eschatologischen Richtungen), so­ziale Fragen ange­sprochen (z. B. ‘Caste’) und neueste und ungewöhnliche Forschungs- und Praxisbereiche zu­gänglich gemacht (z. B. ‘Elenctics’, ‘Homeschooling’, ‘Burnout’, ‘Mem­ber Care’).

Das Lexikon ist über umfangreiche Register einschließlich einer um­fangreichen Themen­gliederung bestens erschlossen. Insgesamt ist dieses in mehreren Jahren entstandene Mam­mutwerk eine Meisterleistung evange­likaler Lexikonerstellung und Missiolo­gie.

Dr. Thomas Schirrmacher, em 2001-1.

Moreau, Scott / Gary Corwin / Gary McGee, Introducing World Missions: A Biblical, Historical and Practical Survey (Encountering Mission 1), Grand Rapids: Baker Academic, 2004.

Pockock, Michael / Gailyn Van Rheenen / Douglass McConnell, The Changing Face of World Missions (Encountering Mission 2), Grand Rapids: Baker Acadamic, 2005.

Steffen, Tom / Lois McKinney Douglas, Encountering Missionary Life and Work: Preparing for Intercultural Ministry (Encountering Mission 3), Grand Rapids: Baker Academic, 2008.

Die vorliegenden Titel stellen die ersten drei der auf acht Bände konzipierten evangelikal-amerikanischen Lehrbuch­serie „Encountering Mission“ dar, die Scott Moreau, Professor für Mission und interkulturelle Studien am Wheaton Coll­ege in Illinois, USA, seit 2004 herausgibt. Das „Modell“ für diese Serie lieferten die bewährten missions­wissen­schaftlichen Lehrbücher von J. Herbert Kane (1910 – 1988), der von 1967–1980 an der Trinity Evangelical Divinity School, Deerfield, Ill. lehrte. Zu seinen Klassikern gehören: Global View of Christian Missions: From Pentecost to the Present (1971), Understanding Christian Missions (1974), Christian Miss­ions in Biblical Perspective (1976) und Life and Work on the Mission Field (1980). Da diese viel gebrauchten Text­bücher allerdings langsam in die Jahre gekommen seien und die christliche Mission in einer globalen Welt neuen Herausforderungen gegenüberstehe, habe sich der Baker Verlag (bei dem auch Kanes Bücher erschienen waren) ent­schlossen, eine neue Lehrbuch-Serie in Auftrag zu geben, schreibt Moreau im Vorwort zur Serie (2004,7). Kane, der bis 1950 als Missionar der China Inland Mission in der Provinz Anhui arbeitete, war in seinen Veröffentlichungen bei allem Tiefgang immer konsequent auf die missionarische Praxis und die Vor­bereitung seiner Studenten auf einen Dienst in der Weltmission ausgerichtet. Diese Ausrichtung wird auch in der neuen „Encountering Mission“-Serie konsequent verfolgt.

Der erste Band, neben Moreau von Gary Corwin, dem Herausgeber des EMQ sowie Gary B. McGee, Professor für Kir­chengeschichte und Pentecostal Studies am Assemblies of God Theological Se­mi­nary in Missouri, verfasst, greift denn auch die drei wichtigsten Schwerpunkte der Veröffentlichungen Kanes und gleich­zeitig die klassischen Schwer­punkte missionswissenschaft­licher Lehre auf und bietet „a biblical, historical and practical survey“ als Lehrbuch für Stu­die­rende in missiologischen Ein­füh­rungs­kursen. Das Buch nimmt das Motto der Serie auf und lädt in fünf Teilen zum „Encounter“ ein: mit „Mission in the Scriptures“ (27–92), „Missions in Hist­ory“ (93–158), „Missions as a Candidate (159–204), „Missions as a Sent One and as a Sender“ (205–264), „Missions En­countering the Contemporary World“ (265–314). Der Band bietet einen didak­tisch vorbildlich aufgearbeiteten und auf aktuellen Veröffentlichungen basieren­den Überblick über wesentliche Schwer­punkte christlicher Mission und ihrer Reflexion. Im insgesamt gediegenen mis­sions­theologischen Teil, in dem aus­gehend von einer evangelikalen Per­spek­tive auch andere theologische Sicht­wei­sen konstruktiv diskutiert werden, zeigen sich allerdings auch die Grenzen der notwendig straffen Lehrbuch-Kon­zep­tion. So wird beispielsweise der theo­lo­giegeschichtliche Hintergrund des missio Dei-Konzeptes vereinfachend dar­ge­stellt: die missio Dei-Konzeption sei auf der ÖRK-Vollversammlung in Neu-Delhi 1961 bekannt gemacht worden (sie wurde dagegen bekanntlich schon 1952 nach der Weltmissionskonferenz von Willingen durch Karl Hartenstein for­muliert und 1958 durch Georg Vicedom bekannt gemacht). Ebenso vereinfachend ist es, wenn die missio Dei als einliniges Konzept in Form der späteren Inter­pretation durch J. Hoeken­dijk dargestellt wird, bei dem die „Welt die Agenda“ setze (S. 73), das heils­geschichtliche Ver­ständnis von Har­ten­stein, Vicedom etc. aber nicht zur Gel­tung kommt. Hier ist die breite deutsch­sprachige Diskus­sion zu heils- und verheißungs­geschicht­lichen Inter­pre­ta­tio­nen der missio Dei nicht berücksichtigt. In allen Bänden versucht man eine Unterscheidung zwi­schen mission als „everything the church is doing that points toward the kingdom of God“ und missions als „the task of reaching people for Christ by crossing cultural boundaries“ (2004,17) durch­zu­halten. Aus missionstheologi­scher Sicht scheint es allerdings unbe­friedigend, missions auf kulturüber­schrei­tende Aktivitäten (vor allem im Ausland) zu beschränken. Sinnvoller scheint es, wie es Steffen/McKinney es zumindest in einer kurzen Definition im dritten Band tun, missions global als missionarische Aktivitäten zu verstehen, die sowohl kulturüberschreitend als auch kulturimmanent sein können (2008, 33). Hilfreich sind allerdings wiederum die in deutschsprachigen missionswissenschaft­lichen Veröffentlichungen heute selten zu findenden Ausführungen zu den praktischen Fragen des interkulturellen missionarischen Berufsfeldes in Teil 3 und 4: Fragen wie die persönliche Beru­fung oder das Familienleben in anderen Kulturen werden hier anschaulich thema­tisiert und diskutiert. Als erfreuliches Zubehör enthält der erste Band noch eine CD-ROM, die das gesamte Evangelical Dictionary of World Missions (Baker, 2000) als PDF-Datei enthält.

Der zweite Band, verfasst von M. Pocock, Missionsprofessor am Dallas Theo­logical Seminary, G. Van Rheenen, Trainer für christliche Leiter und D. McConnell, Dekan für interkulturelle Stu­dien am Fuller Theological Seminary sowie drei weiteren Autoren, wendet sich an fortgeschrittenere Studenten, die sich auf interkulturelle Aufgaben vor­bereiten. Er reflektiert gegenwärtige und zukünftige Herausforderungen der christ­lichen Weltmission und lädt ein, kritisch hinter die Fassaden eines Changing face of World Missions zu schauen. Dement­sprechend konzentriert sich das Buch in drei Teilen auf Trends und damit zusam­men­hängende missiologische Debatten („issues“) im „Global Context“ (S. 21–130), „Missional Context (S. 131–246) und „Strategic Context“ (S. 247–348). In jedem der drei Teile werden in jeweils vier Kapiteln wichtige „Trends“ (lang­fristigere Entwicklungen und Heraus­for­derungen) thematisiert und mit mis­sio­lo­gischen „issues“ (auf Trends rea­gie­rende missiologische Konzepte und Debatten) in Verbindung gebracht. So wären etwa Migration und kulturelle Plu­ralisierung ein Trend, die damit zusam­men­hängende Frage, ob man in einer plu­ralen Ge­sellschaft nach Sprach- und Kul­tur­gruppen getrennte Gemeinden grün­den und bauen sollte, wäre ein „issue“ (S. 13). In insgesamt zwölf Ka­pi­teln werden zwölf Trends reflektiert: Glo­balisierung, Demographie, Religion und Spiritualität und Postmoderne als glo­bale Trends, die Schwer­punkt­ver­la­ge­rung des Christen­tums in den glo­ba­len Sü­den, der Wandel der theologischen Mo­tive für Mission (von „Hölle“ zur „Herr­lichkeit Gottes“), geistliche Kampf­führung und Creative-Access-An­sätze als weltmissionarische Trends und internationale Partner­schaf­ten, Kontex­tua­lisierung, Fundraising und der Einsatz von virtuell-technologischen Mitteln als strategische Trends. Jedes The­ma wird nach der gleichen Struktur erarbeitet: zunächst wird der Trend beschrieben, zweitens wird die Be­deu­tung für die christliche Mission auf­gezeigt, drittens wird das Thema bib­lisch-theologisch be­leuchtet und ab­schlie­ßend werden prak­tische Vor­schlä­ge für „best-practise“-Mo­delle zur mis­sionarischen Umsetzung gemacht. Auch hier zeigt sich wieder die konsequente Praxisausrichtung. Die Ana­lysen sind meist zutreffend, oft mit persönlichen Erfahrungen der Autoren illustriert, aber nicht immer sehr tief­gehend. Hier bieten dann die case studies gute Anregungen für vertiefende Dis­kussionen.

Der dritte Band befasst sich ausführlich mit der Vorbereitung auf eine berufliche Aufgabe im interkulturellen Bereich. Ver­fasser sind Tom Steffen, Professor für interkulturelle Studien an der BIOLA University, Los Angeles sowie Lois McKinney Douglas, emeritierte Pro­fes­sorin an der eingangs erwähnten Trinity Evangelical Divinity School. Das Buch ent­hält vier Teile. Der erste Teil „The Chang­ing Scene“ (S. 3–46) bietet histo­risch-biographische Zugänge zum Beruf des Missionars und erklärt knapp und gut missiologische Grundkonzepte in Be­zie­hung zur beruflichen Missionspraxis. Der zweite und umfangreichste Teil „Home Front Preparations“ (S. 47–180) be­fasst sich in acht Kapiteln u.a. mit Fragen des „Rufs“ in die Mission (Gottes Wille und eigene Entscheidung), geist­li­chen und persönlichen Grundhaltungen sowie praktischen Wegen in den inter­kul­turellen Beruf. Der dritte Teil handelt von „On-Field-Preparations“ (S. 181–252) und entfaltet Fragen der praktischen „Inkulturation“ der interkulturellen Mis­sio­narin (Was ist Kultur?, Zuhause in der Kultur, Kultur und Sprache lernen). Der letzte Teil, „Missionaries and Their Lives“ (S. 253 – 258), setzt sich mit kon­kreten Umständen und besonderen Her­aus­forderungen des Missionarsberufs aus­einander. Hier werden manche der Themen aus Teil 3 des ersten Bandes der Serie vertieft. Es geht um Frauen in der Mission, Familienleben, Krisen, reentry. Den Abschluss bildet ein Kapitel, in dem (unter Aufnahme der Gedanken von Band 2) 12 Trends zur Zukunft der Welt­mission, des Missionarsberufs sowie der missiologischen Ausbildung kurz ange­deutet werden.

Allen Bänden gemeinsam ist die leser- und lernerfreundliche didaktisch orien­tierte Textgestaltung. Der Text wird im­mer wieder durch graphisch abgehobene Hintergrundinformationen, vertiefende Text­beispiele, case studies, Diskussions­fragen, eindrückliche Zitate, Landkarten und Literaturhinweise aufgelockert. Vor allem die Fallstudien und Diskussions­fragen fordern zum Mitdenken und Dis­kutieren in kleinen Gruppen heraus. Den­noch wird der Charakter eines aka­demischen Lehrbuchs beibehalten. Es gibt keine Fußnoten, Literaturverweise folgen der Harvard-Methode. Alle Bände enthalten ausführliche Bibliographien so­wie Sach- und Bibelstellenregister.

Insgesamt stellt die Serie ein be­acht­liches gemeinsames Unternehmen evan­gelikaler Missiologie in den USA dar, das in seiner Ausrichtung und seinen In­halten deutlich macht, dass die christ­liche Weltmission nicht nur eine große Ge­schichte und wichtige theologische Kon­zepte hervorgebracht hat, sondern eine zukunftsorientierte globale und poly­zentrische Praxis der weltweiten Ge­meinde Jesu ist. Dass diese Praxis hier stark vom nordamerikanischen Aus­gangs­kontext geprägt und von nord­ame­rikanischen Autoren für nord­ameri­kanischen Studierende aufgearbeitet ist, muss von Lesern aus anderen Ländern und kulturellen Kontexten berücksichtigt werden, ist aber kein grundsätzlicher Kritikpunkt, gerade weil die Missions­bewegung heute poly-zentrisch ist. Aller­dings hätte diese Perspektive als solche von den Autoren durchaus bewusster identifiziert und reflektiert werden kön­nen. Hin und wieder verrät sich ein zu wenig globalisiertes, US-zentrisches Den­ken, so z. B. wenn unter der Rubrik „new and important terms“ der Begriff „indigenous missionary“ genannt und er­klärt wird als „Missionar aus einem Land, das einmal als Empfängerland be­trachtet wurde“ (2004,12). Demnach wä­ren allerdings alle Missionare, auch alle amerikanischen Missionare „in­di­gen­ous“, waren doch auch die USA einmal „Empfängerland“. Auch findet sich in den (sehr kompetent und pra­xis­nah geschriebenen) missions­prak­tischen Teilen (vor allem Band 1 und 3) eine faktische Beschränkung auf die inter­kulturelle Sendung von den USA aus in den Rest der Welt („to Europe with love“, „to Russia with love“ etc.). Diese Beschränkung ist aus praktischen Grün­den nachvollziehbar, sollte aber in einem globalen missiologischen Denk­rahmen deutlicher kommentiert werden, da sonst impliziert wird, „Mission“ (oder missi­ons) beziehe sich nur auf die Arbeit im jeweiligen Ausland. Die Heraus­for­derung der nordamerikanischen Kul­tur als Kontext praktischer missio­na­rischer Arbeit und missiologischer Re­flexion kommt somit nicht ausreichend in den Blick. Trotz dieser perspek­ti­vi­schen Ten­denzen und Verkürzungen sind alle drei Bände gerade im Hinblick auf kultur­überschreitende Missionsarbeit (im eige­nen Land oder im Ausland) auch für deutschsprachige Dozenten, Stu­die­rende, Missionare und Gemeinde­mit­arbeiter sehr zu empfehlen.

Dr. Friedemann Walldorf, em 2010-1.

Moucarry, Georges Ch. Zwischen Bibel und Koran. Ein arabischer Christ begegnet dem Islam. Brunnen Verlag: Giessen, 1994.

Der arabische Christ Georges Moucarry möchte zwischen Christen und Muslimen Ver­ständnis wecken. Verständnis jedoch nicht im Sinne eines ökumenischen Dialogs, der die theologischen Unterschiede zwischen Islam und Christentum wegerklärt. Im Gegenteil: Der Autor führt diese Unter­schiede aus Koran- und Bibeltexten selbst an. Klar und verständlich wer­den z. B. die Unterschiede zwischen der bi­blischen und koranischen Auf­fassung von Sünde und Heil erläutert. Gleichzeitig möchte Moucarry jegli­che Konfrontation und Gegner­schaft zwischen Muslimen und Christen ver­mieden sehen. Echte Toleranz beginnt für ihn dort, wo Muslime und Christen (!) eine Bekeh­rung zur anderen Religion nicht von vorneher­ein ausschließen (S.92).

Es sollte kurz angemerkt werden, daß man bei manchen Aussagen durchaus auch anderer Meinung sein kann: 1. Für den Autor ist der Ko­ran dort göttliche Offenbarung, wo er mit der Bibel übereinstimmt, denn Gott könne sich auch außerhalb der biblischen Offenbarung äu­ßern (S.87+91). – Mit einem solchen Offenba­rungsverständnis könnte letztlich je­des Buch zur Offenbarung Gottes erklärt werden, nicht nur der Koran. – 2. In der Auseinandersetzung Jesu mit den Pharisäern kommt Moucarry zu dem Schluß, daß die Pharisäer das Gesetz ganz genau befolgt hätten, Jesus aber seine Autorität über das Gesetz stellt (S.75). M. E. weist je­doch Jesus den Pharisäern nach, daß sie Gottes Gesetz gerade nicht hal­ten, weil sie um Gottes Gesetze herum zusätzlich eigene Gesetze schu­fen und diese menschlichen Gebote über Got­tes Gebote stellten. Diese „Menschengebote“ (Mk 7,7) befolgt Jesus tatsächlich nicht (s. Mk 7,1-23), wohl aber das ganze alttestament­liche Gesetz. 3. Et­was befremdlich mutet es an, daß der Autor die Frage stellt, ob Muslimen in christli­chen Län­dern die Ausübung ihrer Reli­gion wirklich to­lerant gestattet würde (S.88+90). Hier wäre doch wohl eher auf die teil­weise erheblichen Beschränkungen hinzuwei­sen gewesen, denen sich Christen in islami­schen Ländern ausge­setzt sehen, obwohl der Islam offiziell den An­spruch erhebt, das Chri­stentum zu tolerieren.

Dr. Christine Schirrmacher, em 1996-2.

Müller, Karl; Werner Ustorf (Hg.). Einlei­tung in die Missionsgeschichte. Tradition, Situation und Dynamik des Christentums. Theologische Wissenschaft Bd. 18. Kohlham­mer: Stuttgart, 1995.

Es ist schwierig, einen Sammelband zu rezen­sieren und ihm und dem Gesammelten dabei gerecht zu werden, da es naturgemäß sehr viel­fältig ist. Deswegen will ich vor allem fragen, ob und wie der Band sein Ziel erreicht und was er dem evangelikalen Leser bietet.

So klar wie der Titel mir erscheint, so unklar ist mir der Untertitel. Zu „Tradition, Situation und Dyna­mik des Christentums“ könnte man in den ver­schiedensten theologischen Disziplinen schrei­ben und deswegen natürlich auch in Missiolo­gie. Oder ist selbst das Verständnis von Mis­sion nicht klar? Die Herausgeber schreiben, daß es „eigentlich gar nicht um die Geschichte der Mission, sondern eher um die Geschichte des Christentums selbst“ geht, das „nach 1Joh 3,2 noch nicht endgültig festgelegt, sondern noch unabgegrenzt ist“ (9). In seinen sehr be­merkenswerten Schlußerwägungen („Mis­sions­ge­schichte im Wandel der Motiva­tionen und Perspektiven“) betont Horst Rzep­kowski, daß „der einsichtige Ansatz, daß die Kirchenge­schichte von der Geschichte der gan­zen Kirche handeln solle“, nicht durchgehalten wird (266). Ich hätte mir deswegen gewünscht, daß in einer Einleitung die Eigenständigkeit der Missions­geschichte begründet worden wäre, die in den systematischen Beiträgen (Karl Müller, Horst Rzepkowski) oft vorausge­setzt, in anderen häu­fig ignoriert wird.

Das Buch versucht der Tat­sache Rechnung zu tra­gen, daß christliche Mis­sion erfolgreich war. Deswegen fragt Ustorf zu recht: „Wie kann das neuzeitliche Autonomie­bewußtsein westlicher Kultur missiologisch so angespro­chen werden, daß es von seiner zwanghaften Tendenz zur Gewalt [siehe Kolo­nialismusge­schich­te] befreit wird?“ (12) Der Westen ist also Objekt der Mission, aber zu dieser Wahr­heit bietet das Buch wenig, gerade im Artikel von Hugh McLeod „Die christliche Erfahrung Europas 1789-1989“.

Insgesamt scheint mir das Buch, das eine Einführung sein will, diesem An­spruch nur teilweise gerecht zu werden. Viele Artikel sind eher Beiträge zu ei­ner Missionsge­schichte oder einer Kirchenge­schichte der Welt. Für beides ist die Sammlung nicht um­fassend genug, bie­tet aber dem Leser in man­chen Artikeln viel interessante Informa­tionen, sei es über katholi­sche Mission in Nor­dafrika, über Missionen in Zentralasien oder unter den ethnischen Min­derheiten in Nord­amerika. Für evangelikale Leser erscheint mir, neben ande­ren katholi­schen Beiträgen, der Ar­tikel von Angelyn Dries OSF sehr nützlich, der einen Überblick über die Entwicklung der Heimatba­sis der amerikanischen Weltmission bietet mit der Folge der dominierenden Grup­pen: Prote­stanten (vor dem Zweiten Welt­krieg), Katholi­ken (nach dem Krieg), Evange­likale (nach 1970). Da kommt die Frage auf, welche Gruppe nach den Evangelikalen in der ameri­kanischen Missionswelt dominieren wird.

Hans-Jürgen Priens Beitrag „Lateinamerika – Einwandererkirchen und angelsächsische Mis­sionsprotestan­tismen“ dagegen zeichnet sich durch den pauschalen Kampf gegen alles aus, was nach den Einwanderer­kirchen an Prote­stantismus Lateinamerika noch berührte. Schon der Titel läßt erkennen, daß die Millio­nen Menschen, die in Südamerika sich zum evan­gelischen Glauben bekehrten, Opfer sind. Sie werden von „multinationalen religiösen Unter­nehmungen“ und von Neopfingstlern [gekennzeichnet durch „religiös-politische In­struktion, Gruppendynamik, politischen Akti­vismus und Mission (Youth with a Mission, Christ for the Nations, Gospel Outreach)] miß­braucht, kämpfen gegen progressive Regierun­gen und zerstören im Amazonasbecken ethni­sche Strukturen durch ihre sektiererische und kulturell entfremdende Arbeit (NTM, Wy­cliffe). Schade, Prien definiert Kirche sehr eng, und Ökumene nur als protestantisch und ka­tholisch.

Das gilt auch für das Buch als sol­ches, das als ökumenisches Textbuch auf evan­gelikale oder pfingstliche Missiologen ver­zichtet. Ist die Zeit noch nicht reif dafür, oder sind sie noch nicht hoffähig? Oder ist es gut, sich erst einmal der Dissonanz bewußt zu wer­den?

An der technischen Seite des Buches stören mich drei Dinge: Ich hätte die Fußnoten, die viel wertvolle Informationen enthalten, gerne unten auf der Seite gefunden. Auch als Sam­melband verdient das Buch einen Index. Inter­nationale Autoren sind gut, aber Überset­zungen sollten dann auch gut sein. Was habe ich z. B. unter methodistischen Gesellschaften zu verstehen, größtenteils aus Afrikanern zu­sammengesetzt, die Mitte des Jahrhunderts auf einigen Inseln erschienen (100)? Oder ist „Rat“ wirklich die richtige Übersetzung für „Ameri­can Board“ (210 u.a.m.)? Auch denke ich, daß der Satz „Speer schrieb über die Be­deutung der Predigt, um Einzelkonversionen zu erzielen, die Missionen mußten aber auch ein­heimische Kirchen gründen“ (217) auf Eng­lisch besser klang. Ich bin ja dafür, die deut­sche Sprache zu „enrichen“, aber ich meine doch, daß die „Unterschiedlichkeit des christli­chen Respons“
ins Deutsche übertragen werden sollte.

Insgesamt ist das Buch nützlich für die Le­ser, die einen Einstieg gewinnen und/oder sich informieren wollen. Es zeigt die Probleme mancher Sammelwerke und führt die der heu­tigen Missionsgeschichtsschreibung vor, ver­sucht sie allerdings nicht zu lösen. Für evange­likale Leser scheint mir der Hauptwert in den katholischen Beiträgen zu liegen.

Dr. Klaus Fiedler, em 1998-3.

Müller, Klaus W. (Hg.), Mission als Kampf mit den Mächten. Zum missiologischen Konzept des „Power Encounter”. Referate der Jahresta­gung für evangelikale Missiolo­gie, Korntal, 7.-9. Januar 1993. edition afem, mission reports, Bd.1. Bonn: Verlag für Kultur und Wissen­schaft, 1993.

Sammelbände enthalten mitunter komprimierte Information und auch manche literarische Schnäppchen, die sonst nirgendwo veröffent­licht wurden. Dies trifft auch auf die Referate der AfeM-Jahrestagung von 1993 zu.

In einem ausgezeichneten Anfangsartikel gibt Traugott Hopp, Dozent am Brüderhaus Tabor in Marburg, eine biblisch-theologische Einfüh­rung in das Thema „Kampf der Mächte“.

Peter Beyerhaus stellt in seinem Beitrag „Die antagonistische Dimension der Mission – Der Kampf der Geister“, Mission als grenzüber­schreitende Konfrontation dar. Er er­kennt da­bei sowohl direkten geistlichen Kampf (i.e. Exorzismus) als auch den eher indirekten, auf Bekehrung abzielenden Kampf als unverzichtba­ren Bestandteil dieser Konfronta­tion. In dem akademisch gehaltenen Artikel kommen wichtige Grundanlie­gen des Seniors der evangelikalen Missionstheologie zur Spra­che.

Ferner gibt Wolfgang Simson einen Über­blick über „Power Encounter in der charismati­schen Missiolo­gie“. Er nennt wichtige Kern­thesen, distanziert sich von Extrempositionen inner­halb der charismatischen Bewegung und kriti­siert die sterile deutsche Gemeindewirk­lichkeit und die verengte Negativ-Theologie. Der ins­gesamt gelungene Überblick beantwor­tet aber leider nicht die Frage, wie sich theolo­gische und praktische Extrempositionen inner­halb der charismatischen Bewegung in der Praxis von den positiv beurteilten Aspek­ten scheiden las­sen.

Detmar Scheunemann, der auf 30 Jahre Missi­onserfahrung zurückblicken kann, geht sensibel und biblisch begründet auf die prakti­sche Seite der Begegnung mit Mächten im Missionsdienst ein und verfolgt eine ver­tiefende theologische Auseinandersetzung mit dem Okkultismus.

Klaus W. Müller, erster Vorsitzender des AfeM und Dozent der Freien Hochschule für Mission in Korntal, geht mit seinem Artikel „Power En­counter als missiologisches Kon­zept“ auf die anthropologischen und so­ziologischen Ele­mente des Power Encounters ein.

Klaus Hoppenworth, Dozent am Seminar der Liebenzeller Mission und an der Universi­tät Tübingen be­handelt in dem letzten Hauptrefe­rat die „Mission in ihrer Auseinan­dersetzung mit den Mächten in den nicht­christlichen Welt­religionen“ (im Hinduismus und Islam). Dabei geht er fundiert und aus­schließlich auf die ko­gnitiven Aspekte der ge­nannten Religionen ein. Leider vernachlässigt er fast vollständig die so­zialen und okkulten Ausmaße des Power En­counters beim vieler­orts anzutreffenden Volks-Islams oder Volks-Hinduis­mus.

Neben dem rund 100seitigen Hauptteil der Do­kumentation beinhaltet der Band im Anhang interessante Erfahrungs- und Forschungsbe­richte auf knapp 40 Seiten über Möglichkeiten und Grenzen von Zeltmacher-Mission, über „Mission und Kirche in der Mongolei seit 1989“ und über die alte Frage „Zerstört Mis­sion Kultur?“, die der Autor überzeugend und sachlich verneint.

Das Buch ist ein insgesamt recht interes­santer Sammelband zu einem aktu­ellen Thema für je­den, der sich umfassender mit Mission beschäftigt.

Martin Sachs, em 1997-3.

Müller, Klaus W. (Hg.). Mission im Islam. Festschrift für Eberhard Troeger. Edition afem. Mission academics 25, Nürnberg, Bonn: VTR, VKW, 2007.

Diese Festschrift sammelt verschiedenste Bei­träge zur Person von Eberhard Tröger inklusive einer ausführlichen Liste seiner Veröffentlichun­gen (S.41-64), zu Fragen von Mission grund­sätzlich bzw. Mission unter Muslimen (S.65-187) und zum Islam (S.189-300). Die Vielfalt der Beiträge ist ein Spiegel der Persönlichkeit und der Bedeutung des missionarischen und missiologischen Wirkens Eberhard Troegers, der Mitbegründer und erster Leiter des AfeM war.

Insbesondere der erste Teil „soll blitzlichtartig Einblicke in ein Leben geben, die sonst verloren wären für die Blicke anderer“ (S.9). Acht kürzere Beiträge (S.7-40) rücken die Persön­lichkeit Troegers aus der Perspektive von Fa­milie, Weggefährten und Mitarbeitern in den Mittelpunkt. In diesen Beiträgen tritt nicht nur die Person vor das innere Auge des Lesers, sondern seine Leidenschaft für die Sache Jesu Christi und seine Liebe zu Mission und Mus­limen wird greifbar.

Christof Sauer stellt im ersten Beitrag des zwei­ten Teils „Die Vision einer Sudan-Mission: Der Beitrag aus dem deutschsprachigen Raum“ die missionsgeschichtlichen Hintergründe der An­fänge der EMO im Überblick dar. Diese hilfrei­che und interessante Zusammenstellung weist auf das langjährige Wirkungsfeld des Jubilars. Albrecht Hauser bedenkt im folgenden Beitrag „Die missionarische Herausforderung der Ge­genwart - Christsein in der Begegnung mit Sä­kularismus und Islam“. Da Mission ein „We­sensmerkmal christlicher Existenz“ ist, können Christen Mission nicht aufgeben oder grund­sätzlich in Frage stellen. Bestimmt von der Lie­be Jesu soll das Evangelium Menschen liebend nahe gebracht werden. Auf diesem Hintergrund identifiziert er "Vertrauensverlust ins Evange­lium und unsere Unkenntnis über den Islam“ (S.89) als Ursachen dafür, dass Menschen sich im missionarischen Zeugnis gegenüber Mus­limen schwer tun. Diese Beobachtungen sind sicherlich richtig, aber weitere Aspekte müssen ergänzt werden. Eberhard Troegers Unterschei­dung von Islam und dem konkreten Menschen (vgl. Zitat auf S.92) weist auf die Frage, ob Muslime als von Gott geliebte Menschen in der Vergangenheit immer im Blick der Gemeinde Jesu waren. Mangelndes Interesse an den Men­schen im Islam kennzeichnete wohl weite Teile der Kirchengeschichte. Dazu kommen insbeson­dere falsche Vorstellungen über die Begegnung mit Muslimen und über deren Überzeugungen. Ron Kubsch und Thomas Schirrmacher legen einen grundsätzlichen Beitrag „Apologetik: Den christlichen Glauben denkerisch bezeugen“ vor, indem sie im Überblick auf die Apologetik im Neuen Testament und der Kirchengeschichte bis in die Neuzeit eingehen. Apologetik beschreibt dabei die Notwendigkeit nicht nur „selbst­gefällig Dogmatik zu treiben“, sondern sich den „Fragen, Wunden und Schutzschichten Anders­denkender“ (S.147) zu stellen. Sie betonen dabei unter anderem, dass Christen nicht alle Antwor­ten haben. Vielmehr können Christen nur da „Gottes Botschaft vertreten, wo Gott sich in sei­nem Wort geoffenbart hat“ (S.150). Thomas Dallendörfers Beitrag „Die Trinitätslehre als Problem und Chance in der Mission unter Muslimen“ liefert einige sehr interessante Gedankenanstöße. Ausgehend von den Schwie­rigkeiten des Islams und des Korans mit einer (falsch) verstandenen Trinitätslehre sowie des mangelnden Interesses in christlichen Kirchen die Trinität zu lehren, weist er auf Chancen der Trinitätslehre hin, was in der folgenden Über­zeugung gipfelt: „Die Dreieinigkeit ist das Re­sultat eines sehr hohen Anspruchs, nämlich zu lehren, dass Gott mit uns Menschen unmittelbar Gemeinschaft haben will“ (S.160). Man könnte noch ergänzen, dass in der islamischen Tradition und Lehre Gott ebenso wenig wie in der christ­lichen Tradition und Lehre vollständig zu be­greifen oder begrifflich zu fassen ist. Diese Ge­meinsamkeit kann manche Hindernisse für Muslime aus dem Weg räumen. Darüber hinaus könnte der Gedanke der Bundesgemeinschaft des allmächtigen Schöpfers und Herrn dieser Welt mit Menschen vom Alten Testament her stärker beleuchtet und damit das Verständnis für die im Neuen Testament explizite Trinitätslehre für Muslime vorbereitet werden. Joachim Paeslers Ausführungen „Barmherzig­keit Gottes in Christentum und Islam“ sind ein interessanter Beitrag zu dieser Festschrift. Die detaillierten Untersuchungen zu hebräischen und griechischen Begriffen stehen stärker thema­tischen Beschreibungen des Themas im Koran gegenüber. Bei allen Gemeinsamkeiten be­schreibt er den grundlegenden Unterschied fol­gendermaßen: „Im Vergleich zum Islam, wo Allahs Barmherzigkeit eine Antwort auf das menschliche Handeln ist, geht Jahwe in seiner Liebe dem Menschen voraus, der das Heil lediglich im Glauben ergreifen muss“ (S.280). Diese zusammenfassende These hätte sicherlich anhand von manchen alttestamentlichen und neutestamentlichen Stellen (z.B. Röm 4,5 und 5,8) deutlicher herausgearbeitet werden können. Auch sollte noch einmal darüber nachgedacht werden, ob die alttestamentliche Bundesbarm­herzigkeit im Neuen Testament in den Hinter­grund treten kann (S.274), wenn das Neue Testament sich als die Erfüllung des Alten Testaments begreift.

Die kurzen Rückfragen zu einigen Beiträgen sollen aber nicht in Frage stellen, dass diese Festschrift sicherlich dem Jubilar eine Freude sein wird und viele interessante und anregende Beiträge vorlegt.

Heiko Wenzel, em 2008-3.

Müller, Klaus W.; Eberhard Troeger; Chri­stine Schirrmacher (Hg.). Der Islam als Herausfor­derung für die christliche Mission. Referate der Jahrestagung des Arbeitskrei­ses für evangeli­kale Missiologie 1994. Bonn: Verlag für Kultur und Wissenschaft, 1996.

Mit dem vorliegenden Band werden die Refe­rate der Jahrestagung des Arbeitskreises für evangelikale Missiologie von 1994 einer brei­ten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Da der Islam schlichtweg die Herausforderung für die christliche Mission ist, wird der Jahresband des Afem mit seinen Grundsatzreferaten, Erfah­rungs- und Forschungsberichten ein wichtiges Buch für die missionsorientierte Gemeinde bleiben.

Im ersten Hauptreferat befaßt sich Helmuth Egelkraut mit den Grundlagen der Mission nach Römer 10. Er stellt heraus, daß die Recht­fertigung vor Gott allein aus dem Glauben kommt. „Sie hat ihre Ortsbestimmung am Kreuz des Messias Jesus Christus. Man kann sie nicht haben, wenn man den gekreuzigten Messias verwirft“ (S.6). Im Gegensatz dazu betont der Islam die Gerechtigkeit des Men­schen, die auf eigenen Anstrengungen und guten Werken beruht. Das zweite Hauptreferat von Christine Schirrmacher beleuchtet die Kreuzigung Jesu und die Erlösung des Men­schen aus islamischer Sicht. Sehr fundiert wird belegt, daß der Koran ganz eindeutig die Kreu­zigung Jesu ablehnt und folgerichtig auch keine Notwendigkeit für die Erlösung des Menschen sieht.

Die Erfahrungs- und Forschungsberichte (denen fast zwei Drittel des Buches gewidmet sind) machen für mich jedoch den besonderen Wert des Bandes aus. Hier werden Einsichten in die Missionspraxis gewährt und Hinter­grundwissen von Insidern vermittelt, welche sonst nur sehr schwer zugänglich sind.

Die breite Palette der Themen reicht von der „Evangeliumsverkündigung im Gespräch mit Muslimen in Pakistan, Afghanistan und Deutschland“ über die Arbeit als „Zeltmacher im Mittleren Osten und Zentralasien“ bis hin zu den „Expansionsbewegungen des Islam in Schwarzafrika“. Darüber hinaus geben zwei Referate einen tiefen Einblick in die Proble­matik der Konvertiten und die Bestrebungen der islamischen Mission („Dawah“ = Ruf zum Islam).

Eine Liste der in „evangelikale Missiologie“ veröffentlichten neueren Buchbesprechungen über den Islam bilden einen wertvollen An­hang.

Natürlich läßt sich das Thema „Islam als Her­ausforderung für die christliche Mission“ nicht in einem Buch abhandeln, zumal zwei Hauptre­ferate nicht zum Druck zur Verfügung standen. Dennoch wurden die Schwerpunkte des The­mas anschaulich behandelt, so daß der interes­sierte Leser eine gute Einführung erhält.

Reinhard Born, em 1997-2.

Müller, Klaus. W. Georg Vicedom as Missio­nary and Peacemaker. His Missionary Practice in New Guinea. World Mission Scripts 6, Neuendettelsau: Erlanger Verlag für Mission und Ökumene, 2002.

Es gibt reichlich Aussagen darüber, was „die Missionare" gemacht oder unterlassen haben, und recht wenig Studien, die das genauer an ei­nem Einzelfall untersuchen. Hier liegt eine solche Studie vor. Sie ist dem Wirken des Missio­nars Georg Vicedom in Neuguinea von 1929 bis 1939 gewidmet. Vicedom ist weit bekannter als Professor und Autor vieler Schriften zur Mission – etwa vierhundert Artikel und vierzig Bücher. Klaus Müller setzt bei den Quellen ein, die in großem Umfang vorhanden sind, zieht aber auch viele Quellen aus dem Umfeld heran. Die Studie ist von immenser Sorgfalt, auch von Hochschätzung aber auch von Kritik im Detail geprägt. Die Gliederung erfolgt in fünf Kapiteln, die nach dem Dezimal-System untergliedert sind -bis zu fünf Stellen! Nur wenige Abschnitte sind länger als eine Seite. Außerdem ist der Text mit Fußnoten untermauert, die selten weniger als ein Drittel der Seite füllen und weit mehr als nur die Quellenangaben enthalten. Kapitel 1 (S.1-32) schildert Herkunft, Entwick­lung und Ausbildung, ohne Anzeichen künftiger Brillianz, aber mit inneren Kämpfen. Kapitel 2 stellt die Ausreise und die Orientierungsphase dar (S.33-70). Die beiden folgenden Kapitel zeigen Vicedom als Pioniermissionar, der selb­ständig arbeitete, und dabei den Durchbruch zur Annahme des Evangeliums durch eine Ethnie angestrebt und erfahren hat, zuerst in Mumeng unweit des neu erschlossenen Goldfeldes (S.71-126), danach im Hochland von Neuguinea in Ogelbeng. Dies Kapitel umfasst mehr als die Hälfte des Ganzen (S.127-327), und in diesen beiden Kapiteln liest sich das Buch auch richtig spannend.

Vicedom folgte der Methode seiner Mission: Der Missionar und seine Gehilfen streben zu­sammen hin auf eine öffentliche Wendung der Gesamtgemeinschaft zum Evangelium hin. Die erste Grundforderung und der erste Segen ist der Friede mit den Nachbarstämmen. Zum Kontakt dient das Studium der lokalen Sprache, einfache medizinische Hilfe, Besuchsreisen und Alltags­verrichtungen wie Stationsbau und Nahrungs­erwerb. Alle wesentlichen Entscheidungen sind von der lokalen Bevölkerung zu treffen, auf ihre Weise, sodass das Sozialgefüge weitgehend in­takt bleiben kann.

Im Hochland-Kapitel wird ausführlich geschil­dert, wie diese Methode geändert werden muss­te, weil die Regierung den Evangelisten die freie Bewegung außerhalb ihres Herkunftsgebietes verbot. So wurden die ungetauften Schüler der dafür intensivierten Schule auf der Station zu den ersten Vermittlern biblischer Gehalte in ihren Herkunftsdörfern und zugleich Sprach­helfer, indem sie mit ihren Worten wiedergaben, was sie verstanden hatten. Dies dramatische Ge­schehen ist mit Sorgfalt dargestellt. Dabei verwendet der Autor die Gedanken, Einsichten und Begriffe der Kulturanthropologie, wie sie von und für Missionare adaptiert worden ist. Ein funktionales Substitut z.B. ersetzt eine vorchrist­liche Sitte mit sozialer Bedeutung durch eine christliche Sitte; und Gott wird als suprakultural verstanden.

Für Klaus Müller ist Vicedom nicht nur Studien­objekt, sondern auch ein Vorbild als Missionar und als Missionstheologe. Das fünfte Kapitel handelt davon, wie sich Vicedoms wieterer Le­bensweg gestaltete; er fand Zeit zur privaten Fortbildung, wurde Missionsinspektor, und dann mit Ehrendoktoraten „entdeckt", danach Profes­sor an der kirchlichen Hochschule am Sitz sei­ner Mission. Eine Würdigung der Persönlichkeit erfolgt - durchaus nicht unkritisch: es wird auch festgestellt, Vicedom sei zeitweise „workaho-lic", autoritär und Einzelgänger gewesen. Dann folgen „wichtige Schlussfolgerungen aus Vice-doms Missionstätigkeit" wie eine Kette gehalt­voller Sentenzen, diesmal fast ganz ohne Fuß­noten (S.342-352). Hier hätte die Arbeit enden können, aber dann wäre für Klaus Müller das Wichtigste noch ungesagt geblieben. Die letzten fünf Seiten Text können aber nur eben anreißen, was Vicedom als Missionsführer und Missions­theologe bedeutet. Er war der letzte bedeutende Missionstheologe, der vor dem Bruch zwischen den Evangelikalen und Ökumenikern wirkte. Die Evangelikalen berufen sich zu Recht auf ihn, und es wäre zum Schaden beider Seiten, wenn er in Vergessenheit geraten sollte. Dieser Anspruch wird sehr knapp entfaltet und kaum weiter begründet, und dem Rezensenten will scheinen, dass dieser Anspruch sich nicht zwingend aus den ersten vier Kapiteln ergibt. Aber es wird sich durchaus lohnen, sich wieder einmal mit Vicedom zu beschäftigen und sich auch Klaus Müllers Anspruch zu stellen. Nur schade, dass diese hervorragende Disser­tation so spät gedruckt wurde (neun Jahre nach der Dissertation) und erst jetzt besprochen wird. Aber es lohnt sich durchaus noch!

Prof. em. Dr. Niels-Peter Moritzen, em 2008-1.

Müller, Michael & Stefan Müller. Erben eines Weltreiches. Die mongolischen Völker und Gebiete im 20. Jahrhundert. China -Mongolei - Rußland. Bonn: Verlag für Kultur und Wissenschaft, 1992.

„Dieses Buch will in einer umfassenden Über­sicht die Gebiete der mongolischen Völker ganz Asiens behandeln… Bei dem Bemühen… konnte zwar an vielen Stellen auf die Traditio­nen dieser Völker hingewiesen, aber nicht intensiv genug auf all die interessanten Details in Tradition und heutigem Alltagsleben einge­gangen werden.“ So die Autoren selbst in ihrem Vorwort.

Die umfassende Übersicht über die Erben Dschingis Khans, die heute in drei Nationen und dort in weit verstreuten Siedlungsgebieten leben, ist den Autoren bestens gelungen, wobei der Leser nie den Eindruck hat, es fehlten die Details. Im Gegenteil: Ein gut Teil des Buches ist mit einer Fülle von Einzelangaben zur Geo­graphie, Wirtschaft, Stammeszugehörigkeit, Geschichte und nicht selten auch der besonde­ren religiösen Prägung der einzelnen Bezirke, Kreise und Siedlungsgebiete innerhalb der jeweiligen Nation gefüllt. Das macht aus dieser Veröffentlichung ein Arbeitsbuch und Nach­schlagewerk für Forscher und Spezialisten, kann aber auch genauso Politikern und Leuten aus der Wirtschaft wertvolle Hilfen bieten, die sich beruflich mit Zentral- und Ostasien be­schäftigen müssen. Was nicht heißt, daß es nicht auch für den interessierten Laien zu einem aufschlußreichen „Lesebuch“ wird. Für Christen, die sich in irgendeiner Form für die Mongolen engagieren wollen, sind die Anga­ben zu Land und Leuten unverzichtbar; und die primär an Säkularem Interessierten tun gut, die Ausführungen über Religion nicht zu überge­hen. Man findet nicht häufig Bücher, in denen sich zugleich sowohl fundierte Informationen über Geschichte, Geographie, Kultur, Wirt­schaft und Politik als auch zuverlässige und nicht durch Voreingenommenheit getrübte Aussagen über Religionen und die christliche


Kirche finden. Zum gezielten Gebrauch des Buches tragen ein sechsseitiges Inhaltsverzeichnis, ein 25seitiger Anhang mit Statistiken etc., zehn Kartenseiten (die man sich statt am Ende des Buches bei den entsprechenden Textstellen gewünscht hätte), sowie ein 17seitiges Stichwortregister bei. Auf Fußnoten wurde wegen besserer Lesbarkeit und einer Begrenzung des Umfangs bewußt verzichtet. Ein Blick in die (nach eigenen Angaben unvollständige) fünfseitige Bibliographie verdeutlicht, daß der weitaus größte Teil des verwendeten Materials auf nichtdeutsche Veröffentlichungen zurückgeht. Hier erfährt der Leser auch, daß die Autoren selbst mehrere Jahre in Zentralasien studiert und die Gebiete bereist und somit vor allem auch eigene Erfahrungen und Erkenntnisse verarbeitet haben. Und wer sie einmal vor Ort besuchen konnte, weiß, daß es ihnen bei ihrem Engagement für die Mongolen um mehr geht, als nur darum, „unser Wissen um die weiten unbekannten Gebiete Zentralasiens zu erweitern.“

Karl Lagershausen, em 1993-3.

Musk, Bill A. Passionate believing. The „fundamentalist” face of Islam. Speldhurst: Monarch, 1992.

Nirumand, Bahman (Hg.). Im Namen Al­lahs. Islamische Gruppen und der Fundamen­talismus in der Bundesrepublik Deutschland. Köln: Dreisam 1990.

Die islamische Revolution im Iran löste in der westlichen Welt einen bis heute unaufgearbeiteten Schock aus. Das Bild des Islam im Westen ist von Fundamentalismus und Fana­tismus geprägt. Der „islamische Fundamenta­lismus“ gewinnt zunehmend Anhänger in den islamischen Ländern. Viele Regierungen gera­ten unter Druck, zur Scharia zurückzukehren. Durch die Islamzentren ist der Fundamentalis­mus auch in Europa präsent und nimmt auf die Muslime hier Einfluß. Das Ziel von Bill Musks neuem Buch ist, tiefer in Wurzeln und Hinter­gründe des islamischen Fundamentalismus einzudringen. Zugleich soll es Christen helfen zu verstehen, wie dieser für viele moderne Muslime durchaus seine Berechtigung hat und einen Sinn gibt für ihr Leben. Musks Buch gliedert sich in drei Teile: Der erste Teil zeigt auf, wie aus der Perspektive von islamischen Fundamentalisten das tägliche Leben gestaltet werden sollte. Es wird deutlich, wie sehr sich die Weltanschauung des säkularen, humanisti­schen Westens von der des fundamentalisti­schen Islam unterscheidet. Im zweiten Teil beschreibt Musk anhand von Biographien und Länderstudien geschichtliche Entwicklungen des Fundamentalismus und das Denken maß­geblicher Persönlichkeiten in Pakistan, Ägyp­ten und Iran. Der dritte Teil beschäftigt sich mit der Beurteilung des fundamentalistischen Islam im Gegensatz zum Christentum. Musk zeigt auf, welche Auswirkungen der Niedergang des Islam in den letzten 100 Jahren sowie die Ko­lonisation und Abhängigmachung der islami­schen Welt durch die Länder des Westens auf die Entstehung des islamischen Fundamenta­lismus hatte. Dabei findet er sehr kritische Worte über den Zustand des „christlichen“ Abendlandes, das in seiner Säkularisierung ein sehr negatives Bild des Christentums abgibt.


Islamischer Fundamentalismus ist ein „Zurück“ zum ursprünglichen Islam. Das bedeutet: Leben in einem islamischen Staat, der nach der Scha­ria regiert wird, die alle Bereiche des Lebens bestimmt. Für Christen, und erst recht für Kon­vertiten aus dem Islam, ist das Leben in einem islamischen Land äußerst schwierig. Christsein in einem fundamentalistisch geprägten islami­schen Staat kann sehr leicht zum Martyrium führen. Bewußt ausgelassen hat Musk Ideen und Ansätze, um fundamentalistische Muslime mit dem Evangelium zu erreichen. Für Missio­nare unter Muslimen sollte dieses gelungene Buch Pflichtlektüre sein.

„Im Namen Allahs“ ist das einzige Buch in deutscher Sprache, das sich mit dem islami­schen Fundamentalismus in Deutschland be­faßt. Der Herausgeber, Bahman Nirumand, stammt aus dem Iran und hat in Deutschland studiert. Von Beruf Schriftsteller und Journa­list, ist er politisch eher dem linken Spektrum zuzuordnen. Einleitend gibt Richard Schulze einen Hintergrundbericht zu den islamischen politischen Bewegungen. Dabei stellt er fest, daß der Islam von den Zeiten Mohammeds an zugleich auch politisch war. Den nichtpoliti­schen Islam definiert er als das alltägliche reli­giöse Verhalten der Muslime. Im zweiten Ka­pitel gibt der Orientalist Karl Binswanger einen Überblick über die Entwicklung und den aktu­ellen Stand des islamischen Fundamentalismus in Deutschland. In weiteren Beiträgen beleuch­tet er dessen ökonomische Basis und Ethnizität. Dabei wird deutlich, daß der arabisch geprägte Fundamentalismus durch Islamzentren und is­lamische Dachorganisationen in Deutschland weitgehend den Ton angibt, obwohl die Mehr­heit der Muslime in Deutschland Türken sind. Weitere Kapitel schildern den türkischen Islam in Berlin und die Rolle der modernen Frau im Islam. Sehr interessant ist das Interview Niru-mands mit einer deutschen Muslima. Der Neu­bau von Moscheen in Deutschland ist nur das äußere Anzeichen einer Entwicklung unter den Muslimen in Deutschland, die schon viel früher begonnen hat. Wer diese Entwicklung verste­hen möchte, dem sei das Buch empfohlen.

Reinhard Born, em 1993-3.

Musk, Bill. Das unbekannte Gesicht des Is­lam. Marburg: Franke, 1992.

Gut, daß es die spannenden Geschichten über den Volksislam mit anthropologischen und theologischen Analysen jetzt auch in deutscher Übersetzung gibt, denn manchen erschien das Englisch des Originals schwer lesbar (The Unseen Face of Islam; rezensiert in em 4/92). Die im Vorwort angekündigte Bibliographie über den Volksislam findet man leider nur im englischen Original. Dafür wurde eine Liste deutscher Standardwerke über den Islam ein
gefügt. Ein äußerst empfehlenswertes Buch, das ein wenig Sorgfalt im Lektorat und vor al­lem in der Übersetzung noch besser gemacht hätte.

Christof Sauer, em 1993-2.

Musk, Bill. The Unseen Face of Islam: Sha­ring the Gospel with Ordinary Muslims. MARC Europe: London, 31992(1989).

Dr. Bill Musk ist Islamexperte mit langjähri­ger Erfahrung im Mittleren Osten. Er studier­te Geschichte und Theologie in England, USA und Südafrika.

Musk schreibt über die unbekannte Seite, das „ungesehene Gesicht des Islam“: den all­gemeinen Volksglauben und seine Praktiken im Leben des einfachen Muslim.

Im ersten Teil schildert Musk seine Beob­achtungen aus dem Alltag: Da beherrscht die Furcht vor dem bösem Blick und dem ver­hängnisvollen Einfluß der Jinns (Geister) das Leben. Mit magischen Praktiken sucht man der Unsicherheit Herr zu werden. Da spielen Heilige, Wunderheilungen, übernatürliche Hilfe und die richtige räumliche Lebensgestal­tung eine wichtige Rolle. Mit noch vielen an­deren Mitteln versucht man, sein Leben dem Einfluß des Bösen und Unberechenbaren zu entziehen. Entscheidend ist die „Baraka“, die Kraft bzw. Vollmacht, die im Alltag erlebt wird.

Im zweiten Teil finden sich ausgiebige Analysen der Verhaltensweisen, die teilweise schon im ersten Teil angedeutet sind. So zeigt Musk beispielsweise auf, wie ein einfacher Muslim in einer ganz bestimmten Weltsicht verwurzelt ist. Diese unterscheidet sich we­sentlich von der eines westlich geprägten Mis­sionars. Musk führt gute Beispiele dafür an, wie die unterschiedliche Deutung von Gesche­hen in der Begegnung zu Mißverständnissen führen kann. Natürlich übersieht er nicht, daß es auch im Islam unterschiedliche Richtungen gibt, die Betonungen unterschiedlich setzen. Muslim ist nicht gleich Muslim.

Diese Komplexität ist für Musk jedoch kein Grund zu kapitulieren. Vielmehr findet er in dem unterschwelligen Gesicht des Islam Fak­toren, die zu Brücken werden können.

Müßte man in diesem Buch ein missiologisches Hauptthema benennen, so würde ich „Power Encounter“ vorschlagen, womit auch ein Kapitel überschrieben ist: Alle Nöte und Bedürfnisse des gewöhnlichen Menschen im Islam weisen auf den Machtkonflikt in dieser Welt hin. Woher kommt Kraft zum Leben und oftmals zum Überleben? Ständig sieht der Mensch sich bedroht. Nach Musk können wir dem Muslim nicht glaubwürdig begegnen, wenn wir kein Leben und keine Botschaft ha­ben, die wirklich Hoffnung und Kraft geben. Musk fordert heraus zum „Power Encounter“ in dem sich durch das Zeugnis und die De­monstration von Gottes Kraft die Weltan­schauung im Grunde des Herzens wandeln kann. Dabei verschweigt er aber auch nicht den Weg des Kreuzes, in dem die Macht Got­tes verborgen anwesend ist.

In das Lob anderer Rezensenten stimme ich gerne mit ein. Musks Beobachtungsgabe und Analyse sind bemerkenswert.

Traude Deitigsmann, em 1992-4.

Nehls, Gerhard. Al-Kitab - Das Buch. Witten: R. Brockhaus Verlag, 2006.

Gerhard Nehls arbeitete von 1975 bis zu seinem Ruhestand unter Muslimen in Südafrika. Die von ihm gegründete Organisation „Life Chall­enge Africa“ hat sich auf die Schulung von Christen zur Begegnung mit Muslimen spe­zialisiert und dazu umfangreiches Material ver­öffentlicht. Das vorliegende Buch erschien 1985 auf Englisch und liegt nun erstmalig in deut­scher Sprache vor. „Al-Kitab - Das Buch“ ist ein Bibelkurs für muslimische Leser. In den ersten drei Kapiteln geht es um den ersten thematischen Schwerpunkt, die Bibel. Nehls beschreibt Altes und Neues Testament, die Sammlung einzelner Bücher, ihre Abfas­sungszeiten, Gliederung, Inspiration und Ver­trauenswürdigkeit. Die folgenden Kapitel be­handeln Gottes Wesen, Ursprung und Ziel des Menschen, Gottes Gesetz, die Sünde und Gottes Gnade und Barmherzigkeit. Einen weiteren Schwerpunkt bilden ab Kapitel neun die Person Jesu, sein Tod und seine Auferstehung. Nehls setzt sich mit dem islamischen Verständnis von Jesus als einem Propheten auseinander. Danach werden die Person und das Wirken des Heiligen Geistes behandelt, sowie abschließend das Reich Gottes und seine Bürger. Unter der Frage „Was nun?" appelliert Nehls dann an den Leser, Gott nicht seine Wege vorzuschreiben, sondern sich ganz auf sie einzulassen. Das Buch ist an muslimische Leser gerichtet, die durch den Stil, die Wortwahl und die Argumen­tationslinien gut abgeholt werden. Nehls geht auf das muslimische Verständnis der behan­delten Themen ein (Verfälschung der biblischen Schriften, Jesus als Prophet, Leugnung des To­des und der Auferstehung Jesu etc.). Sowohl zur Darstellung der muslimischen Sicht als auch zu ihrer Infragestellung zitiert Nehls den Koran. Für biblische Persönlichkeiten gebraucht er häu­fig neben den biblischen auch die entspre­chenden koranischen Namen. Er geht auf diver­se Missverständnisse über den christlichen Glauben ein (Gleichsetzung westlicher Kultur mit dem Christentum, Gottessohnschaft Jesu, Ankündigung Mohammeds im Johannesevan­gelium).

Der gesprächsartige Stil ist für Leser aus musli­mischen Kulturen sehr ansprechend (z.B. S.98: „Läuft es ihnen kalt den Rücken herunter, wenn sie den Titel ,Sohn Gottes‘ hören?“). Immer wieder werden anschauliche Beispiele einge­setzt, die der Argumentationsweise vieler Musli­me entsprechen. Es ist ein klares Ziel, dass der Leser selbst biblische Belegstellen liest. Durch 34 Frageteile am Ende jedes Kapitels und Lücken­texte soll der Leser animiert werden, bestimmte Themen selbst zu erarbeiten. Nehls lädt zur vor­behaltlosen Prüfung der biblischen Aussagen ein.

Der Verfasser erwähnt äußerst knapp das Thema Christenverfolgung. Hier wäre es sicher ange­messen, die hohe Wahrscheinlichkeit des Lei­dens zu erwähnen, mit dem muslimische Leser rechnen müssen, die sich der Botschaft dieses Buches öffnen. Wie ist dieses Leiden theolo­gisch einzuordnen? Wie können suchende Mus­lime die Kosten überschlagen und sich auf Leid einstellen? Dass diese Fragen nicht behandelt werden, ist ein Mangel dieses ansonsten sehr hilfreichen Bibelkurses.

„Al-Kitab – Das Buch“ ist für gebildete mus­limische Leser geeignet, die Zugang zu einer Bibel haben sollten, um die Argumentations­linien nachvollziehen zu können. Daneben ist das Buch eine wertvolle Hilfe für Christen, die mit Muslimen die Bibel studieren. „Al-Kitab – Das Buch“ scheint nicht primär für theologisch sehr gut geschulte muslimische Leser geeignet zu sein. Für diese Zielgruppe liegen andere Bü­cher von Gerhard Nehls vor.

Roland Denner, em 2008-1.

Nels, Gerhard (Hg.). Battle for the Hearts. Practical Methods you can use in Sharing the Good News with your Muslim Neighbours. 4 Videos plus „Trainer’s Guide.“ Hg. von Gerhard Nehls/Life Challenge Afrika, in Zusammenarbeit mit Trans World Radio und Green Earth Films.

Unter dem größten Einsatz aller Beteiligten entstand in einer vierjährigen Arbeitsphase die Video-Serie „Battle for the Hearts“. Sie umfaßt insgesamt 12 Stunden Schulungskurse auf 4 Video-Kassetten und sollte das Herz jedes Missions- und Ausbildungsleiters, jedes Missionsinteressierten und -engagierten höher schlagen lassen.

Die professionell produzierten Videos geben einen erstklassigen Einblick in das Wesen des Islam, seine Geschichte und Theologie, in Koran und Scharia, die Islamische Überlieferung, die muslimische Glaubenspraxis, den Volksislam und die häufigsten muslimischen Einwände gegen das Christentum und die Bibel. Ziel ist, von diesem Ausgangspunkt die Frage „Wie können Muslime mit dem Evangelium erreicht werden?“ tiefgründig und umfassend zu beantworten. Einerseits wird in kompakter Form grundlegendes Wissen über den Islam vermittelt, andererseits auch viele Vergleiche zum biblischen Zeugnis und zur christlichen Dogmatik gezogen. Gangbare, kulturell angemessene Wege zur Evangelisation unter Muslimen werden aufgezeigt, die sowohl auf die deutsche Situation wie auch auf das Ausland anwendbar sind. Die zu einzelnen Themen eingespielten Dialoge und Szenen machen die praktische Umsetzung für die Evangelisation äußerst anschaulich. Auch dass hier wesentliche Anfragen von muslimischer Seite gegen das Christentum (wie z. B. der Vorwurf der Verfälschtheit der Bibel) aufgegriffen und grundlegend widerlegt werden, ist für all diejenigen von großem Interesse, die sich in den Dienst unter Muslimen berufen wissen und oft in jahrelanger mühevoller Kleinarbeit diese Antworten für sich selbst finden und zusammentragen müssen.

Durch den Wechsel der Sprecher (vier hauptamtliche Mitarbeiter aus dem Bereich der Muslimevangelisation) und die eingeblendeten Exkurse einiger führender christlicher Islamexperten ist die Information gleichermaßen dicht und solide angeordnet wie zugleich kurzweilig. Die Informationen der Videos können mittels einer CD mit Hintergrundmaterial weiter vertieft werden; das Begleitheft „Trainers Guide“ erläutert die Einsatzmöglichkeiten der Videos. Aufgrund der umfangreichen Informationen können sie auch überall dort Verwendung finden, wo der Vorführende selbst kein „Islamexperte“ ist.

Kurz: Dieses Material ist ein unbedingtes Muss für jede Bibelschule, Ausbildungsstätte und Missionsgesellschaft, sowie für jeden, der sich mit dem Gedanken der Islammission beschäftigt, aber auch für jeden, der in seinem Umfeld Menschen auf die weithin vernachlässigte Aufgabe der Muslimevangelisation hinweisen oder selbst in diesem Bereich aktiv werden möchte. Einziger Wehrmutstropfen: Das Video liegt derzeit nur auf Englisch vor.

Dr. Christine Schirrmacher, em 2002-4.

Nengzakhup, Suante. Amazing Mizo Mission. SAIACS Press, Bangalore, Indien, 1999.

Patrick Johnstone bezeichnet sie als größte evangelische Missionsbewegung in unserer Zeit, die evangelischen Kirchen in Mizoram, jener abgelegenen Bergregion im Nordosten Indiens, eingekeilt zwischen Bangladesh und Myanmar. Durch ihre extreme geographische Randlage von der wirtschaftlichen Entwicklung Indiens ausgeschlossen, konstatiert der Missionssekretär der Presbyterianischen Gemeinden Mizorams Rev. Vanlalhruaia: „Wir sind arm. Aus unserem Bundesstaat gibt es nichts zu exportieren. Wir haben nur ein Gut, das wir ausführen können und darauf sind wir stolz. Das ist das Evangelium.“ (S. 69) Und dies haben Mizo-Gemeinden in eindrucksvoller Weise getan! Der Mizo-Pastor und Missionssekretär der Indian Evangelical Mission S. Nengzakhup zeichnet in dem vorliegenden Buch in knappen Worten die Grundzüge dieser faszinierenden Missionsbewegung seit ihren Anfängen vor 100 Jahren (Kap. 1) nach, wobei er sich vor allem auf die Missionsbewegung der Presbyterianischen Kirche in Mizoram (PCM) konzentriert. Der 200.000 Mitglieder in 700 Gemeinden umfassende Gemeindeverband hat über 900 Missionare ausgesandt und finanziert sie vollständig. Dies wird an konkreten Beispielen illustriert wie etwa der Presbyt. Gemeinde in Chanmari, die mit 1.855 Mitgliedern 120 Missionare (!) ausgesandt hat und finanziert.

Wie gelingt es bettelarmen Gemeinden, so intensiv an Weltmission beteiligt zu sein? Dazu hat sicher die gute theologische Unterweisung und Motivation zur Mission beigetragen, wobei der Autor vor allem den Glaubensgehorsam, die Liebe Gottes, die konkrete Erwartung der Wiederkunft Jesu, Dankbarkeit gegenüber Gott sowie das Bewusstsein vom Sieg Gottes und den Nöten in der Welt hervorhebt (Kap. 5). Dabei konnte sicher auch auf traditionelle Werte der Mizo-Kultur wie Selbstverleugnung, Helfen von Menschen in Not, großzügigem Teilen, ja dem Wettstreit, Gutes zu tun aufgebaut werden. Auch der hohe Bildungsstand (eingeführt durch die frühen Missionare) hat dazu beigetragen, das Vorbild der ersten Missionare, die schon frühzeitig die Verantwortung für Schulen, Gemeinden und die Evangelisation in einheimische Hände übergeben haben (S. 81) sowie die Betonung von Gebet und geistlichen Liedern, Laienpredigern und biblischer Lehre (Kap. 8), ebenso die Kette von Erweckungen, die das Land seit 1906 immer wieder erfasst hat (Kap. 4).

Es ist aber vor allem der Eifer und die Kreativität der Gläubigen, die die Missionsbewegung auszeichnet und für uns zum Vorbild macht (Kap. 7): Gemeinden legen einen Gemeindegarten mit Gemüse, Obst, Reis oder eine Teakholzplantage an, deren Gewinn der Versorgung ihrer Missionare zukommt. Frauen sammeln Feuerholz und Stroh, fangen Krabben und Schnecken und verkaufen sie zu Gunsten der Mission. Bauern halten „Missionshühner“ und bestimmen einen Teil ihres Feldes für die Mission. Gemeindeglieder betreiben einen Verkaufsladen oder Teestand auf dem Markt. Im Gemeindehaus wird ein Laden oder Mietwohnungen eingerichtet. Christen leisten Lohnarbeit zu Gunsten der Mission, kaufen Fleisch, Salz etc. in großen Mengen ein und verkaufen sie in kleinen Portionen. Sie geben den Gehaltsanteil für den Sonntag (an dem sie ja nicht arbeiten) für die Mission und fasten einen Tag pro Woche für ihre Missionare. Sie lassen die große Weihnachtsfeier in der Familie ausfallen und spenden den eingesparten Betrag. Missionsfreunde besuchen „in Gedanken“ ihren Missionar im Einsatzland (oder laden ihn zu sich nach Hause ein) und spenden den Betrag für Fahrt und Bewirtung. Bevor eine Hausfrau eine Mahlzeit zurichtet, legt sie eine Handvoll Reis beiseite– und spart sich die Unterstützung ihres Missionars so vom Munde ab … Es sind diese Vielzahl an praktischen, innovativen Ideen, die die Missionsbewegung in Mizoram auszeichnen und das Büchlein für uns alle zum großen Gewinn machen. Umfangreiche Bibliographien und statistische Daten ergänzen den außerordentlich lesenswerten Band.

Der Schreibstil orientiert sich zwar mehr an asiatischen Lesern, so dass das Werk für unser Sprachgefühl nicht so elegant formuliert ist, doch es wird überaus deutlich: „Es ist nicht der Überfluss, sondern der Eifer und die Dankbarkeit gegenüber Gott, die die Mizos in ihrem Enthusiasmus und der aktiven Teilhabe an der Weltmission antreibt“ (S. 77), und „Mizos haben niemals ihre Armut als Entschuldigung angesehen, sich nicht an Weltmission zu beteiligen. Wenn die Gemeinde in Jerusalem auf ihre Armut geschaut und daraus geschlossen hätte, dass sie keine Missionare aussenden könnte, dann wäre das Evangelium nie aus dieser Stadt herausgekommen“ (S. 69).

So schließt das Buch mit der Ermahnung, „dass jede Gemeinde eine Missionskirche sein kann, unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Situation. Armut muss nicht eine Gemeinde abhalten, an Weltmission teilzuhaben. Dies ist biblisch. Auch wenn Geld eine wichtige Rolle in der Mission spielt, es ist nicht der größte Mangel.“ (S. 83) Dem kann ich nur zustimmen. Ich wünsche dem Buch eine weite Verbreitung.

Detlef Blöcher, em 2001-3.

Neudorfer, Heinz-Werner; Torsten Mor­stein (Hg.). Christus zur Ent­scheidung pre­digen: Ar­gumente und Erwägungen zum Thema ‘Bekehrung’. Festgabe der Lehrer des Albrecht-Bengel-Hauses zum 80. Geburtstag von Studi­enleiter Dekan i. R. Walter Tlach. Neuhausen: Hänssler, 1997.

Die vorliegende Festschrift mit Beiträgen von derzeitigen und ehemali­gen Lehrern des Albrecht-Bengel-Hauses in Tübingen entstand aus einer Ringvorlesung zum Thema Bekeh­rung. Die Themen reichen von einer Theologie der Evangelisation über Umkehr in AT und NT über die Sicht von Augustinus und Pelagius, Luther und Erasmus und des Pietismus bis hin zur konkreten Frage des Wie der Verkündi­gung. Gerhard Diekmeyer bemerkt S.82-83 treffend, daß gegenwärtig neben der Schrift­frage in pie­tistischen und evangelikalen Krei­sen Fragen nach der Einzigartigkeit Jesu Chri­sti und nach der Rolle unseres Willens bei der Bekehrung zur Gret­chenfrage werden. Die zu­nehmende Zahl von Veröffentlichungen zu The­men wie Erwählung, Arminianismus usw. belegen dies deutlich. „An sich halte ich diese Entwicklung für gut, weil es richtig ist, daß man das Verhältnis zur Heiligen Schrift nie un­abhängig von ihrem Inhalt ge­winnen kann.“ (S.83). (Er befürchtet allerdings, daß die Stel­lung zur Frage des freien bzw. unfreien Wil­lens vor­schnell zu Ausgrenzungen führt.) Dementspre­chend ist es erfreulich, daß in die­ser Festschrift die großen kirchengeschichtli­chen Debatten zu dieser Frage eigens behandelt werden und die Autoren auf Luthers und Au­gustins Seite Stel­lung bezie­hen. Auch die gute historische und kritische Darstellung von ‘Bekehrung und All­versöhnung im Pietismus’ von Heinz-Werner Neudorffer liegt ganz auf dieser Linie, die üb­rigens treffend die Main-Linie vermerkt, nörd­lich derer der Pietismus die Allversöhnung gänzlich ablehnt und süd­lich derer die Allver­söhnung im Pietismus viele Anhänger hat. Zugleich fällt aller­dings die Bandbreite der Auffassungen unter den Autoren selbst auf. Man hätte sich gewünscht, daß die Autoren in ein Gespräch über ihre unter­schiedlichen Auf­fasssungen eintreten. Das sehr schlicht aufge­machte Ta­schenbuch hätte eine stärkere Wer­bung und Verbreitung ver­dient.

Thomas Schirrmacher, em 1998-3.

Neuer, Werner. Heil in allen Welt­re­li­gionen? Das Verständnis von Of­fen­ba­rung und Heil in der plu­ralis­ti­schen Religionstheologie John Hicks, Gies­sen/Neuendettels­au: Brun­nen-Ver­lag/ Freimund-Verlag, 2009.

Seit den 1970er Jahren hat die so genannte pluralistische Religions­theo­logie (PRT) mit ihrer Wertschätzung religiöser Vielfalt und unterschied­li­cher Got­tes- und Heilsvorstellungen zu­neh­mend an Einfluss und Attrak­ti­vität gewonnen. Einer ihrer ersten und füh­ren­den Vertreter ist der Religions­philosoph und Theologe John Hick, der wesentlich dazu beigetragen hat, der PRT pub­li­zis­tische Aufmerk­sam­keit und Breiten­wir­kung zu ver­schaf­fen. Mit seinem lite­ra­ri­schen Werk beschäftigt sich der Theo­lo­ge Werner Neuer, Dozent für Dogmatik und Theo­logie der Religionen am Theo­lo­gischen Seminar St. Chrischona, in sei­ner Monographie. Der Fokus der Unter­su­chung liegt dabei auf den zen­tralen Be­griffen Offenbarung und Heil als grund­legenden Dimensionen von Reli­gion. Neuer untersucht die Be­griffe in Hicks Werk aus einer sys­tematisch-theo­logischen Perspektive, um zu klären, ob der theologische Ent­wurf Hicks in sach­licher Kon­ti­nui­tät mit reformatorischer und öku­me­ni­scher Theologie vorstellbar ist und ob die von der pluralistischen Re­li­gions­theologie beanspruchte und be­haup­tete Kompatibilität mit dem Of­fen­barungs- und Heilsverständnis an­derer nichtchristlicher Religionen sich be­wahr­heitet. Die Frage spitzt sich da­rauf zu, „ob eine 'Offenbarung' in au­ßer­christlichen Religionen auch Heil im neutestamentlichen Sinn der Zu­eignung von Rechtfertigung und Got­teskindschaft zu vermitteln in der La­ge ist und in einer prinzipiell gleich­rangigen Weise als heils­ver­mit­telnde Offenbarung gelten darf“ (S. 85).

In einem ersten Teil stellt Neuer die Position der alten Kirche zur Frage des religiösen Pluralismus kurz dar und fasst die Entwicklung der re­li­gions­theolo­gi­schen Diskussion seit den 1980er Jahren zusammen, um sich dann im Hauptteil der Arbeit dem lite­ra­rischen Werk Hicks zuzuwenden. Da­bei stellt er jeweils zu­nächst die Grund­züge von Hicks Argu­men­tation dar, um sich in einem zweiten Schritt kritisch mit den Gedanken Hicks aus­ein­anderzusetzen.

Neuer beginnt seine Erörterung mit einer Untersuchung von Hicks Be­grün­dung der pluralistischen Reli­gions­theologie und seiner Kritik an den exklu­si­vis­ti­schen und in­klu­si­vis­tischen Modellen, sowie an der tradi­tio­nellen kirchlichen Christologie. Die folgende Diskussion kon­zentriert sich auf die beiden Begriffe Of­fen­barung und Heil. In gründlicher Arbeit an Hicks Texten zeigt Neuer die Grund­züge seines universalen, rela­tio­na­len Of­fenbarungsverständnisses und macht deutlich, wie Hick durch seine Er­kenntnislehre zu einer strikten Tren­nung von Erkennbarkeit und Erfahr­bar­keit Got­tes gelangt und somit letzt­lich zu ei­nem offen­barungs­theo­lo­gischen Agnos­tizismus, der aufgrund von Erfahrung das Wirkliche zwar pos­tu­lieren, aber nicht gedanklich er­kennen kann. Die Unterscheidung zwi­schen dem Ewig Einen als „Nou­menon“, das mensch­li­chem Denken und menschlicher Erfah­rung unzu­gänglich bleibt, und dem Ewig Einen als „Phänomena“, die von Men­schen in unterschiedlicher Weise er­fah­ren wer­den, bezeichnet Hick selbst als den Kern seiner „pluralistischen Hypo­the­se“. Dabei gibt Hick durchaus zu, dass Gegensätze in den Offen­barungs­in­halten der unterschiedlichen Reli­gio­nen bestehen bleiben. Um die prinzipielle Gleich­wertigkeit der un­ter­schiedlichen Of­fenbarungen im Blick auf ihre Of­fen­barungsqualität auf­recht zu erhalten, re­duziert Hick die Offenbarung inhaltlich auf die Exis­tenz einer göttlichen Wirk­lichkeit und ihre soteriologische Wirk­samkeit. Neuer spricht hier von einer fak­ti­schen „Hinduisierung des Wahr­heits­begriffs“ (S. 179) und einer Re­duk­tion der Offenbarung auf ein  „gött­lich begründetes humanes Ethos“ (S. 181).

In gleicher sorgfältiger Weise unter­sucht Neuer dann den Begriff Heil in Hicks literarischem Werk. Hier zeigt sich, dass Hick den reformatorischen, ein fo­ren­sisches Geschehen be­schrei­benden Heils­begriff aufgibt zugunsten eines pro­zessualen, empirischen Heils­ver­ständ­nisses, das Heil als „Trans­formation der menschlichen Exis­tenz von der Selbst­zentriertheit zur WIRKLICHKEITS­zen­triert­heit“ (S. 199) versteht. Heil wird als ganz­heitlicher Verwandlungsprozess ver­stan­den, der sich in unterschiedlicher Wei­se im Kontext aller großen reli­giösen Traditionen ereignet. In seiner Kri­tik ge­steht Neuer zu, dass Heil im neu­tes­ta­mentlichen Sinne als ganz­heit­liches Heil verstanden werden muss; auch den theo­zentrischen Cha­rak­ter des Heils unter­streicht er. Gleich­zeitig weist er jedoch darauf hin, dass der – im biblischen Zeug­nis zentrale – personale Charakter des Heils als Gemeinschaft mit Gott in Chris­tus von Hick aufgrund der von ihm pos­tulierten Unerkennbarkeit des Ewig Einen zwangsläufig un­be­rück­sichtigt ge­lassen werden muss. Neuer arbeitet her­aus, dass Hicks Heils­begriff, der sich über­wiegend auf eine empirische Ve­ri­fizierbarkeit stützt und neutestamentliche Grundzüge wie den personalen oder auch den escha­to­lo­gischen Charakter des Heils ver­nach­lässigt, die Unterschiede im Heils­ver­ständnis der Religionen ni­velliert und dabei doch gleichzeitig als „christ­li­che“ Interpretation verstanden werden will, nicht in Einklang gebracht wer­den kann mit einem neu­testa­ment­li­chen Heilsverständnis, das im auf­er­stan­denen Christus nicht nur das Ob­jekt, son­dern zugleich das Subjekt des Glaubens erkennt.

Neuer nimmt in seiner Monographie, die mit einem ausführlichen Literatur­ver­zeichnis sowie Bibelstellen-, Per­sonen- und Sachregister versehen ist, den Leser mit hinein in die Ge­dan­kenwelt John Hicks und seiner PRT. Er tut das auf sorg­fältige Weise und stellt Hicks Po­si­tion angemessen dar. Auch in seiner Kri­tik an Hicks In­terpretationen von Offen­barung und Heil bleibt Neuer sachlich und for­muliert seine Kritik präzise. Dieses Buch bietet all denen, die sich in Stu­dium und Gemeindearbeit mit der Ge­dan­kenwelt der PRT auseinander set­zen müssen, eine Hilfe zum Ver­ständ­nis und zur fundierten Auseinander­set­zung mit Überzeugungen, die heute – auch außer­halb der akademischen Welt – zu­nehmend Verbreitung finden.

Jürgen Schuster, em 2010-3.

Neufeld, Alfred. Die alttestamentlichen Grund­la­gen der Missionstheologie. Missio­logica Evangelica 5. Bonn: Verlag für Kultur und Wissenschaft, 1994.

Filbeck, David. Yes, God of the Gentiles, Too. The Missionary Message of the Old Te­stament. A BGC Monograph. Billy Graham Center, Wheaton: Wheaton College, 1996.

Scheurer, Erich. Altes Testament und Mis­sion: Zur Begründung des Missionsauftra­ges. TVG. Gießen: Brunnen Verlag, 1996.

Die alttestamentliche Begründung der Mission rückt erfreulicherweise stärker in den Mittel­punkt der evangelikalen Missiologie, wie unter anderem die drei vorliegenden Titel zei­gen.

Den besten Einstieg bietet die kurze Arbeit des paraguayischen Missiologen Alfred Neu­feld (für AfeM-Mitglieder bei Selbstabholung und auf der Jahrestagung in Korntal zum gün­stigeren Preis erhältlich). Neufeld stellt zunächst auf 30 Seiten überblicksartig die Be­deutung des Alten Testaments in der Missiolo­gie von rund einem Dutzend Missionswissen­schaftler von Warneck bis Verkuyl, Peters und Kasdorf dar. Auf 50 weiteren Seiten trägt er dann aus den Schriften dieser Missiologen und aus eigener Anschauung zusammen, welche Bedeutung die alttestamentliche Begründung für die neutestamentliche Mission spielt. Die Erkenntnis des Schöpfers und der Jahwe- und Thoradienst der Heiden sind das Missionsziel des Alten Testaments. Das Alte Testament ent­hält bereits den Auftrag, die Jahweerkenntnis als Heil der Völker zu verkündigen.

Die beste und gründlichste biblische Erar­beitung der Bedeutung des Alten Testaments für die Missionstheologie findet sich meines Erachtens in der etwas abseits erschienenen Monographie von David Filbeck. Das Alte Te­stament ist für Filbeck unverzichtbare Grund­lage des Missionsbefehls. Dazu behandelt er die wichtigsten Missionstexte des Alten Te­staments, bespricht alle Stufen der alttesta­mentlichen Heilsgeschichte und ihre Bedeu­tung für die Mission und die Vorbereitung des Kommens des Messias. Schließlich stellt er dar, wie im Neuen Testament, namentlich in den Evangelien, die alttestamentliche Grund­lage der Mission aufgegriffen wird. Eine flüs­sig geschriebene, materialreiche Studie, die dringend ins Deutsche übersetzt werden sollte.

Erich Scheurer geht es in seiner Dissertation zunächst weniger um die alttestamentliche Be­gründung der Mission selbst, sondern um die Frage, wie führende deutschsprachige Theolo­gen (Ausnahme sind Bosch, Blauw, Peters und Kasdorf) mit dieser Frage umgegangen sind. Dazu erarbeitet er eine ausgedehnte For­schungs­geschichte, wobei er die Befürworter und Gegner einer alttestamentlichen Missions­schau nach theologischen Schulen ordnet. Erst am Ende nimmt Scheurer eine eigene Zusam­menstellung der Bedeutung alttestamentlicher Aussagen für die Mission vor (S.351-419). Er sieht zwar eine breite Basis für den grenzüber­schreitenden Charakter der alttestamentlichen Offenbarung, denn Jahwe ist der einzige und universale Gott, der die Anbetung aller Völker verdient. Damit ist für Scheurer der ‘Missions­ge­danke’ vorgegeben, nicht aber eine ausdrück­li­che Sendung und eine ‘Missions­praxis’. Auch wenn erfreulich ist, daß Scheurer die neutesta­mentliche Mission nicht im Gegensatz, sondern im legitimen Anschluß an das Alte Testament ver­steht, greift er mei­nes Erachtens im Gegen­satz zu Neufeld und Filbeck und zu manchen von ihm dargestellten Autoren wie Gustav Warneck zu kurz. Es gibt doch Beispiele für die Missionspraxis (z. B. Jona, Daniel und die vielen Bekehrungen von Heiden) und auch für ausdrückliche Sendung (z. B. Jesaja). Außer­dem greift das Neue Te­stament, das Scheurer dazu nicht behandelt, häufig alttestamentliche Sendungsaufträge und Missionsgedanken aus­drücklich auf.

Dr. Thomas Schirrmacher, em 1996-3.

Neufeld, Alfred. Fatalismus als mis­sions­theo­lo­gisches Problem: Die Kontex­tualisation des Evan­geliums in einer Kultur fata­listi­schen Denkens – Das Beispiel Para­guay. Bonn: Ver­lag für Kultur und Wissen­schaft und Asun­ción: Instituto Bíblico, 1994.

„Wer ein Heiliger sein soll, wird als Heiliger geboren; wer arm sein soll, wird arm geboren“, sagt ein Sprichwort aus Paraguay. Viele Kul­turen dieser Welt sind stark von Fatalismus ge­prägt. Wie muß das Evangelium in einem vom Fatalismus bestimmten Kulturkreis verkündigt werden? Alfred Neufeld, ein Deutsch-Para­guayer Jahrgang 1955 und Dozent am Instituto Bíblico Asunción, ver­sucht in seiner Doktorar­beit an der STH Basel (Doktorvater: Thomas Schirrmacher, Zweitgutachter: Peter Beyer­haus) eine Antwort darauf zu ge­ben.

In Teil I entwirft Neufeld methodische Grund­lagen für seine ‚kritische Kontextualisierung’. Von hier aus betrachtet er die Christiani­sierung im lateinamerikanischen Kontext im allge­meinen und die Paraguays im speziellen. Kriti­sche Kontextualisation, wie Neufeld sie in Anlehnung an P. Hie­bert versteht, versucht, sowohl die eigenen dogmatischen Formulie­rungen als auch die zu errei­chende Kultur kri­tisch zu analysieren.

Teil II möchte das Phänomen „Fatalismus“ de­finieren sowie die Erscheinungsformen und Ursa­chen fatalistischen Denkens in Paraguay aufdecken. Die wesentlichen Grundzüge fatali­stischen Denkens sind für Neufeld der Gedanke der Determiniertheit allen Geschehens und der Fremdbe­stimmung des Lebens durch eine un­bekannte, unberechenbare Macht. Die Wurzeln dieser Haltung dürften in der altguaranitischen Religiösität, im spanisch-islamischen ‚Konqui­sta-Christentum’, aber auch in der be­sonderen paraguayischen Nationalgeschichte und einer ‚Kul­tur der Armut’ lie­gen.

Teil III möchte dazu helfen, aus der Theolo­giegeschichte und aus biblischem Denken her­aus das fatalistische Denken zu überwinden. Neufeld wendet das Gesagte auf die Bereiche Evangelistik, Katechetik, Systematik und Ethik an. Die Befreiungstheologie betrachtet der Autor wegen ihrer Abhängigkeit von der mar­xistischen Sozialanalyse als falschen Ansatz. Biblisches Denken, so Neufeld, basiert im Ge­gensatz zu fatalistischem Denken auf Grundla­gen wie Gottes Souveränität, Thora, Bund, Heilsgeschichte, Bekehrung, Mitarbeiterschaft und Anbruch des neuen Äons.

Dieser meines Wissens erste Versuch, sich bi­blisch-missiologisch mit fatalistischem Den­ken aus­einanderzusetzen, ist dem Autor gut gelun­gen. Die komprimierte, verständliche, theolo­gisch durchdachte und faire Art zu schreiben, zeichnet sich zudem durch gute Les­barkeit aus. Vieles, was die paraguayanische fatalistische Religiösität betrifft, läßt sich auch auf andere fatalistische Kul­turen übertragen. Von daher ist dieses Buch für eine große Zahl von Missiona­ren und Missions­wissenschaftlern interessant. Die äußere Verarbeitung und auch die Manu­skripterstellung läßt et­was zu wün­schen übrig, hat aber zur Folge, daß das Buch entgegen der Vorankündigung mit 29.95 DM sehr gün­stig ist.

Martin Sachs, em 1997-2.

Nevius, John L. Die Gründung und Ent­wicklung missionarischer Gemeinden, übers. und hg. von Wolf Christian Jaeschke, edition afem, mission classics 2. Verlag für Kultur und Wissenschaft: Bonn, 1993.

Ein Klassiker in der Tat, der vor über einhun­dert Jahren Erstaunliches in Gang setzte, das bis heute nachwirkt.

John L. Nevius (1829-1893) war Missionar in der Provinz Shandong/China. Über seine Er­fahrungen vor Ort schrieb er mehrere Artikel, die 1885 in Buchform veröffentlicht wurden. Dadurch wurde die Nevius-Methode bekannt, die dann vor allem in Korea mit großem Erfolg umgesetzt wurde. Wenn sich Theologen bis heute darüber streiten, ob denn Rufus Ander­son oder Henry Venn die Erfinder des Drei-Selbst-Prinzips (Selbstausbreitung, Selbstfi­nanzierung, Selbstverwaltung) für erfolgreiche Missionsarbeit seien, müssen sie nach dem Studium dieses Buches auch Nevius mit zum Urheber dieser Gedanken zählen.

Im ersten Kapitel nimmt Nevius das alte Sy­stem kritisch unter die Lupe. Das bestand, kurz gesagt, darin, daß man in der China-Mission jener Zeit Neubekehrte ziemlich schnell als mit Missionsgeldern bezahlte Evangelisten an­stellte. Nevius dagegen möchte, daß nach 1.Kor.7,20 ‚jeder in dem Stand bleibe, in dem er berufen worden ist’. Die Bekehrten sollen ihr Christsein im alltäglichen Leben bewähren und dort anderen das Evangelium bezeugen. Das heißt für Nevius aber auch, alles zu tun, damit sich die zum Glauben Gekommenen in ihrem neuen Stand auch bewähren können. Im 2. Ka­pitels „Vom Umgang mit Neubekehrten“ wird das entfaltet. Es besticht, wie Nevius das Für (das seiner Erfahrung entspringt) und Wider (Einwände und Praxis anderer) seines neuen Systems gegeneinander abwägt und Antworten gibt, die bis heute für die Gründung und Ent­wicklung missionarischer Gemeinden auch an­derswo bedenkenswert sind.

Die Stärke des Buches ist ganz zweifellos der Praxsibezug. So erfahren wir unter III „Ursprung und Wachstum der Stationen in Zentral-shantung“, wie Schulung und Dienst der ehrenamtlichen Mitarbeiter aussahen. Ne­vius erwähnt, daß in den meist ländlichen Ge­bieten bei den Männern einer von zwanzig, bei den Frauen eine von mehr als tausend lesen konnte. Aber das hindert ihn nicht daran, ge­drucktes Material bereitzustellen und seine Leute systematisch zu schulen. Etliches ge­schieht spontan: „Die geistige Entwicklung der Bekehrten und ihre Begeisterung für ihre Stu­dien haben an vielen Orten die Aufmerksam­keit ihrer heidnischen Nachbarn auf sich gezo­gen und ihre Verwunderung hervorgerufen. An einer unserer Stationen lebt ein des Lesens kundiger Mann namens Fu, der heute über fünfzig Jahre alt und seit über zwanzig Jahren völlig erblindet ist. Er hat seiner Tochter, ei­nem fünfzehnjährigen Mädchen, beigebracht, die Bibel zu lesen. Dabei beschrieb sie ihm die jeweiligen Schriftzeichen, die sie sah, und er sagte ihr, wie sie heißen und was sie bedeuten. Sie hat auf diese Weise über zweitausend Schriftzeichen gelernt. Ihr Vater hat dann von ihrem Mund das Matthäus- und das Johannese­vangelium, die Apostelgeschichte, den Römer­brief und viele andere Bibelabschnitte auswen­dig gelernt …“ Nichts ist unmöglich, wenn Gottes Geist Raum bekommt und wirken kann.

„Organisationsform und Zukunftsplanung“ müssen dazu nicht im Widerspruch stehen, wie das 4. Kapitel veranschaulicht. Im letzten Ka­pitel „Die Anfänge der Arbeit“ gibt der Autor Tips für Missionseinsteiger. Dort findet sich viel Beherzigenswertes auch für Leute von heute, die Gemeinde Jesu bauen wollen, wo es sie noch nicht gibt. Neben Missionaren und Missionsleitern, Missionstheologen und -kan­didaten kommen aber auch alle Daheimblei­benden beim Studium dieses hervorragend übersetzten und eingeleiteten Klassikers späte­stens dann auf ihre Kosten, wenn ihnen beim Gemeindeaufbau hier Rolle und Zurüstung der nichtbezahlten Mitarbeiter wichtig ist.

Und wie erfüllte Prophetie ausschaut – ein­mal unabhängig davon, daß in der chinesischen Kirche das bei Nevius immer wieder anklin­gende Drei-Selbst-Prinzip sowie die Mitarbeit von Millionen von Ehrenamtlichen bis heute eine außergewöhnliche Rolle spielen –, veran­schaulichen die letzten Zeilen des Autors im Vergleich mit einer Aussage, die mir erst ge­stern (4.11.96) in einer in Hongkong erschei­nenden Zeitschrift begegnet ist. Zunächst Ne­vius vor über einhundert Jahren: „Wir glauben und hoffen, daß in diesen entlegensten Gebie­ten Ostasiens, die so lange von Gottes Vorse­hung bewahrt (ausgespart) wurden, die so dicht mit seinen verirrten (Menschen-)Kindern be­völkert sind und die erst so jüngst von der Bot­schaft des Heils erreicht wurden, die Gnade und die Kraft Gottes noch so glorreich trium­phieren werden, wie es die Kirche in keiner bisherigen Ära ihrer Geschichte erlebt hat.“

Und die Stimme aus Hongkong heute: „Im heutigen China gibt es wahrscheinlich 50 Mil­lionen Gläubige. Misionsspezialisten sehen darin das größte Wunder und zugleich die bis­her großartigsten Ergebnisse in der Geschichte, wenn es um Gemeindewachstum geht.“

Karl Lagershausen, em 1996-4.

Newbigin, Lesslie. Signs amid the Rubble: the Purposes of God in Human History. Hrsg. Von Geoffrey Wainwright. Wm. B. Eerdmans: Grand Rpids (MT), 2003.

Das Buch enthält bisher unveröffentlichte Vorträge von Lesslie Newbigin (1909-1998), ei­nem der Architekten der Ökumenischen Bewe­gung, Bischof in Indien, Generalsekretär des Missi­onsrates und des ORK und Professor für Missions­wissenschaft im heimatlichen England. Die vier Bangalore-Vorlesungen stammen aus seiner Früh­zeit von 1941, die drei Henry-Martin-Vorlesungen an der Universität Cambridge aus der Spätzeit von 1986, und der letzte kürzere Redebeitrag auf einer ökumenischen Konferenz in Brasilien von 1996. Es handelt sich um echte Vorträge ohne Anmerkungen und Belege und weitgehend ohne Gliederung, die eigentlich erst so richtig wirken, wenn man sie laut vorliest.

Thematisch geht es grundsätzlich in allen Beiträgen um eine christliche Sicht der Geschichte, die span­nend und lehrrreich entfaltet und verteidig wird, aber es werden dabei zugleich zahllose Grundsatz­fragen des Glaubens, der Weltmission und der Ver­kündigung angesichts des Säkularismus angespro­chen und angerissen. Auch Fragen des Religions­vergleiches kommen vor, etwa wenn Newbigin das lineare Geschichtsbild der Bibel gegenüber dem Hinduismus verteidigt (S.8-10). Auffällig ist die Auseinandersetzung und – bei aller Anerkennung von Details – grundsätzlichen Ableh­nung der Church-Growth-Bewegung von Donald McGavran (z.B. S.85-87+91+97+103), wobei die Beschäftigung mit ihr mit dem gleichzeitigen Wir­ken beider in Indien zu tun hat. Wenn Newbigin aber daraus schließt, daß die Evangelikaien jetzt sicher enttäuscht seien (S. 97), so muß man dem entgegenhalten, daß die meisten Evangelikaien seine Kritikpunkte teilen würden und McGavran ja nicht für die Evangelikaien spricht. Im Gegenteil drängt sich mir als Evangelikalem beim Lesen sei­ner Bücher und der vorliegenden Vorträge der Ver­dacht auf, daß Newbigin der evangelikalen Missi-onsbwegung sehr, sehr nahe steht. So beschreibt er brilliant die Eigenart des Christentums gegenüber dem Hinduismus und anderen Religionen, daß das christliche Dogma historische Tatsachen beschreibt und automatisch hinfällig ist, wenn diese nicht der historischen Wahrheit entsprechen. Er lehnt vehe­ment die inklusivistische Sicht ab, daß es anonyme Christen in anderen Religionen gibt (S.70-72), auch wenn er die Frage offener lassen möchte, wie Gott in seiner Gerechtigkeit mit Menschen umgeht, die das Evangelium nie hören konnten. Die Beto­nung der Bekehrung nach Begriff und Sache (S.92-94) ist auffällig. Und sein persönlicher Appell von 1996, er habe als Missionar viele Fehler den anderen Kulturen gegenüber gemacht, aber das schlimmste wäre, wenn ihn das davon abhalten würde, von Jesus zu reden und sich selbst nicht mehr als Zeugnis für die göttliche Gnade vorzustel­len (S.114), spricht jedem Evangelikaien aus dem Herzen.

Prof.Dr. Thomas Schirrmacher, em 2003-3.

Nicholls, Bruce (Hrsg.). In Word and Deed. Paternoster Press, 1985.

Das Buch, im Auftrag des Lausanner Ko­mitees für Weltevangelisation und der Welt­weiten Evangelischen Allianz herausgege­ben, enthält 9 Vorträge zum Thema des Verhältnisses von Evangelisation und sozia­ler Verantwortung, die anläßlich der „Consultation on the Relationship between Evangelism and Social Responsibility” (CRESR) im Jahr 1982 in Grand Rapids, Michigan, gehalten wurden. Den Vortragstexten sind jeweils kurze Zusammenfassungen des Her­ausgebers Bruce Nicholls (Exekutivsekretär der Theologischen Kommission der World Evangelical Fellowship) vorangestellt, ge­folgt von einer kritischen Stellungnahme eines der Konferenzteilnehmer, die mehr­heitlich evangelikale Führerpersönlichkeiten der Dritten Welt waren.

Kurze Zusammenfassung der Vorträge:

1. Die Perspektiven der Kirchengeschichte von der Zeit des Neuen Testaments bis 1960. Dr. Bong Ring Ro, Exekutivsekretär der Asia Theological Association, untersucht hier die verschiedenen Epochen der Kir-cnengeschichte hinsichtlich Lehre und Pra­xis der Kirche in der Frage der sozialen Ver­antwortung.

2. Eine kritische Beurteilung von gegenwärtigen Perspektiven. Dr. Adeyemo, Generalsekretär der Evangelischen Allianz von Afrika und Madagaskar, beleuchtet einige wichtige regionale und internationale Konferenzen der letzten zwei Jahrzehnte, die das Denken der Evangelikaien in Fragen der sozialen Verantwortung geprägt haben. Adeyemo erkennt neun verschiedene Positionen zur Frage des Verhältnisses von Evangelisation und sozialer Aktion, die von Evangelikalen vertreten werden.

3. Die Suche nach einem neuen evangelikalen Verständnis. Dr. David Bosch untersucht zunächst den Einfluß der ökumenischen Bewegung und setzt sich dann selbstkritisch mit negativen Einflüssen auf das soziale Engagement der Evangelikalen auseinander.

4. Wie weit geht Rettung in der Schrift? Die Autoren Dr. R. Sider und Dr. J. Parker prä­sentieren hier eine Studie über die Heils­begriffe (salvation words) in AT und NT und untersuchen ihre horizontale (soziale) Verantwortung und vertikale (Evangelisa­tion) Dimension für den, der Christus als Herrn bekennt und Glied seiner Gemeinde wurde.

5. Das Königreich Gottes im Verhältnis zu Kirche und Welt. Dr. P. Johnston legt dar, daß sich das Königreich Gottes gegenwärtig als Herrschaft Gottes im Leben seiner Kinder manifestiert und zwar auch in sozialen Veränderungen als Frucht eines erlösten Lebens, es jedoch nicht mit diesen Veränderungen oder irgendeiner politischen oder kulturellen Gruppierung von Menschen zu identifizieren ist.


6. Geschichte und Eschatologie: Evangelikale Perspektiven. Dr. P. Kuzmic, Direktor des Biblisch Theologischen Instituts Zagreb, entfaltet hier die drei traditionellen Konzepte über das Millennium (postmillennialism, amillennialism, premillennialism) und zeigt, inwieweit diese die soziale Verantwortung und die evangelistische Zielsetzung der Kirche gefördert oder gehindert haben.

7. Eine biblische Auseinandersetzung mit einigen philosophischen und theologischen Systemen der Gegenwart. Dr. Beyerhaus setzt sich in diesem Vortrag kritisch mit dem messianischen Marxismus, der modernen Wissenschaftsgläubigkeit und dem liberalen Ökumenismus auseinander und warnt vor falschen Synthesen ohne biblischen Glauben.

8. Evangelisation und soziale Verantwortung ‑ eine biblische Studie über Prioritäten. Ausgehend von einer Untersuchung der biblischen Begriffe Gemeinschaft, Bund und Königreich kommen die Autoren Vinay Samuel und Chris Sugden zu dem Ergebnis, daß die Diskussion über die Prioritäten in der Mission der Kirche nicht vom Konzept, sondern vom Kontext der Mission bestimmt sein muß.

9. Die Mission der Kirche in Theologie und Praxis. Dr. C. Cho legt Akzentverschiebungen hinsichtlich der sozialen Verantwortung innerhalb der Evangelikaien Bewegung zwischen den Kongressen 1966 in Berlin und 1974 in Lausanne dar. Als Modell für die Mission der Kirche weist er auf den Dienst Jesu und auf das Doppelgebot der Liebe hin und folgert, daß es keinen Gegensatz zwischen Missionsbefehl (Verkündigung) und dem Liebesgebot (soziale Aktion) geben kann.

Die wachsenden Nöte in unserer Welt und der damit verbundene Druck besonders auf den Missionar in Ländern der Dritten Welt, aber auch auf die Kirchen im wohlhabenden Westen, im Blick auf mehr sozialen Einsatz, lassen das Thema der Konsultation von CRESR besonders wichtig erscheinen. „In Word and Deed“ bietet eine wertvolle Hilfe in der Auseinandersetzung mit diesem Fra­genkomplex.

Martin Weiss, em 1988-4.

Nissen, Johannes. New Testament and Mis­sion: Historical and Herme­neutical Per­spectives. Peter Lang: Frankfurt, 1999.

Dies 1996 bereits auf Dänisch erschienene Buch will eine Brücke zwi­schen den Bibelwis­senschaften und der Missiologie schlagen, weil – wie der Autor deutlich herausstellt (S.13) – diese beiden theologischen Diszi­plinen sich im allgemeinen gegenseitig ignorieren. Nissen untersucht als Neutestamentler dazu in jeweils eigenen Kapiteln den Missionsgedanken und die Schwerpunkte in Mt, Mk, Lk/Apg, Joh, bei Paulus, in Eph/Kol und in 1Petr/Offb. Die hi­storisch-kritische Ausgangsposition macht sich eigentlich nur in den Verfasserfragen bemerk­bar. In seinen zusam­menfassenden Thesen im letzten Kapitel greift der Autor bewußt evangeli­kale, ökumenische und charismatische Elemente auf. Ziel ist ihm dabei ein trinitari­scher Ansatz der Mission (S.176-177 u. ö.). Das Buch enthält viele wertvolle, exegetische Einsichten und zeigt einmal mehr, welch zen­trale Rolle die Verkündigung des Evangeliums in aller Welt im ganzen Neuen Testament spielt. Ich befürchte nur, daß dies Buch eines Neute­stamentlers am Ende doch wieder nur von Missiologen aufgegriffen wird, während die Exegeten, auch die Evangelikalen, weiter weitgehend ihre eigenen Wege gehen.

Dr. Thomas Schirrmacher, em 2000-3.

Nitsche, Bernhard (Hg.). Gottesdenken in interreligiöser Perspektive. Raimon Panikkars Trinitätstheologie in der Diskussion. Unter Mitarbeit v. Guido Bock, Frankfurt a.M./ Paderborn: Lembeck/Bonifatius, 2005.

Dieser Sammelband dokumentiert den Ertrag eines von Prof. Dr. B. Nitsche veranstalteten Tübinger Symposions aus dem Jahre 2003. Renommierte Autoren setzen sich in interdisziplinären Beiträgen mit Raimon Panikkars „Gotteslehre“ auseinander. Auch Panikkar selbst kommt zu Wort, führt ins Thema ein und nimmt am Ende des Buchs zu den einzelnen Beiträgen Stellung (48-64 u. 324-357).

Der 1918 geborene Raimon Panikkar hat sich die Reflexion interkultureller Begegnung und interreligiöser Verständigung zur Lebensaufgabe gemacht. Er „hat die interkulturelle Hermeneutik maßgeblich initiiert, die indologisch-religionswissenschaftliche Forschung vorangetrieben, die religionstheologische Diskussion zwischen Christentum und Buddhismus bzw. Hinduismus belebt und diese verschiedenen Welten als Sohn eines hinduistischen Inders und einer katholischen Spanierin existentiell durchlebt“, formuliert B. Nitsche.

Als international hochangesehener Religions- und Naturwissenschaftler, als katholischer Theologe und Philosoph, wie auch als spiritueller Meister gilt Panikkar als innovativer Wegbereiter einer „Ökumene der Religionen“, ohne dabei einem pseudo-esoterischen Einheitsbrei das Wort zu reden oder die vorhandenen kulturellen und religiösen Unterschiede zu ignorieren. Jede Kultur mit ihren religiösen Grundbefindlichkeiten, sagt er, ist eine Galaxie, ist ein Ganzes und birgt alles in sich.

Der Sammelband ist in vier thematische Teile aufgeteilt (A. Zugang, B. Hermeneutische Grundlagen, C. Das Göttliche und seine Trans-Immanenz sowie D. Die Resonanz), denen die insgesamt 19 Aufsätze und die beiden Panikkar-Beiträge zugeordnet sind. Im Mittelpunkt steht die Auseinandersetzung mit dem „Dialog der Religionen“, der fundamentalistische Haltungen innerhalb der Religionen überwinden und zugleich die Möglichkeit eines „globalen Weltethos“ andeuten kann.

Alle Diskussionsbeiträge setzen sich auf einem hohen intellektuellen Niveau mit Panikkars Lehren auseinander. Wenige stellen allerdings wirklich kritische Anfragen (z.B. Michael Bongardt, 144-157, Heinrich von Stietencron, 159-168, Klaus Butzensberger, 169-191 oder Reinhold Bernhardt, 192-201), die meisten bestätigen lediglich Pannikars interreligiöse Gottesschau oder modifizieren dieselbe im besten Fall. So sehr Harmonie bzw. dialogische Verstehensbemühungen Ausdruck auch einer wünschenswerten und erstrebenswerten akademischen Streitkultur sein müssen (sachgerecht und niveauvoll zu argumentieren, ist gewiss kein Luxus), so sehr fehlt doch ein wahrnehmbarer, deutlicher Widerspruch.

Wenigstens drei zentrale Themen wären hier wichtig gewesen: Zum einen müsste die gesamte Diskussion der natürlichen Erkenntnis- und Gott-Begegnungsfähigkeit beim unerlösten Menschen, die bei Panikkar vorausgesetzt oder als möglich angesehen werden, aus offenbarungstheologischer Perspektive erörtert werden (Offenbarung und Glaube, Wort und Geist, Barth vs. Brunner usw.). Zweitens werden die soteriologischen Konsequenzen des Kreuzes Christi und damit die epistemologischen, die harmatologischen wie auch die eschatologischen Dimensionen der theologia crucis kaum beachtet. Und drittens wird die Exklusivität Christi und des Evangeliums eher als eine zu überwindende, niedrigere Erkenntnisstufe zurückgewiesen, wenn Panikkar beispielsweise ohne Widerspruch behaupten kann, Christ und Hindu zugleich sein zu können (353); eine Aussage, die problematisch ist, wenn er „unverzichtbare Grundwahrheiten“ (324) religionsphänomenologisch als Gesprächsgrundlage behauptet, von denen gar nicht geklärt ist, wie sie gemäß der Prämissen biblischer Anthropologie und Soteriologie zu erheben sein können und wie nicht.

Die Lektüre des Aufsatzsammelbandes ist jedem missions- und systematischtheologisch Interessierten zu empfehlen. Sich mit den vorgebrachten Thesen zur Trinitätslehre im Gespräch mit Panikkars synkretistischer Interpretation auseinanderzusetzen ist gewiss keine leichte, aber wichtige Aufgabe.

Berthold Schwarz, em 2006-3.

Nöh, Rüdiger. Pietismus und Mission. Die Stellung der Weltmission in der Gemein­schaftsbewegung am Beispiel des Siegerlän­der Gemeinschaftsverbandes. edition afem, mission scripts Bd. 13, Bonn: VKW, 1998.

Die Bedeutung des Pietismus für das kirchliche Leben in Deutschland ist nach wie vor hoch. Von den rund 1,4 Millionen evangelikalen Christen gehören etwa 300.000 zur Gemein­schaftsbewegung. Es ist davon auszugehen, daß die in der Arbeitsgemeinschaft evangeli­kaler Missionen (AEM) zusammengeschlosse­nen Missionsgesellschaften ihre personelle und finanzielle Unterstützung zu einem nicht unwe­sentlichen Teil aus dem Bereich des Pietismus erhalten. Rüdiger Nöh, Prediger im Siegerlän­der Gemeinschaftsverband und Absolvent der FTA Gießen, hat in seiner Korntaler Magister­arbeit den Zusammenhang von Pietismus und Mission nun genauer untersucht. In einem er­sten Kap. (S.16-47) führt er knapp und präzise in den geschichtlichen Kontext zum Thema ein. Der Pietismus hat die traditionellen Wider­stände des Luthertums gegen Weltmission in­nerhalb des Protestantismus durchbrochen. Doch wurde im Neupietismus mangels einer durchdachten Verbindung von Ekklesiologie und Missiologie die Verantwortung für Welt­mission aus den Gemeinschaften auf Missions­gesellschaften und den Einzelnen verlagert, was zu einer Schwäche des Missionsengage­ments in Gemeinschaftsbewegung und Evan­gelikalismus führte. Das zweite Kapitel (S.48-81) zeigt, daß der Siegerländer Pietismus von seinen Anfängen um das Jahr 1700 herum mit dem Missionsanliegen verbunden war, unter anderem durch Gestalten wie Jung-Stilling und Stahlschmidt, durch Kontakte ins Wuppertal, durch die Etablierung von Missionshilfsverei­nen und speziell zu Missionsgesellschaften wie der Neukirchener Mission und der Mission für Süd-Ost-Europa. Heute zeigen sich in der Sie­gerländer Gemeinschaftsbewegung Krisenzei­chen wie ein abnehmendes Praktizieren des Allgemeinen Priestertums und ein fortschrei­tender Mitgliederschwund (speziell im Bereich jüngerer Leute und Familien) bei den inner­kirchlich arbeitenden Gemeinschaften, was sich auch auf das Missionsengagement der Gemeinschaften auswirkt. – Kapitel drei (S.82-117) gibt in anschaulicher Weise mit Tabellen, Graphiken und treffenden Interpretationen die Ergebnisse einer empirischen Befragung der Gemeinschaften des Siegerländer Gemein­schaftsverbandes zum Thema Mission wieder. Kapitel vier (S.118-141) bietet eine Grundle­gung zum Verhältnis von Gemeinde und Mis­sion nach dem Neuen Testament. Und das ab­schließende fünfte Kapitel (S.142-169) unter­zieht die Stellung zur Mission in der Praxis des Siegerländer Gemeinschaftsverbandes einer eingehenden Würdigung und theologisch be­gründeten Kritik. Theologische Hemmnisse (fehlendes Gemeindebewußtsein, Überbeto­nung des Erbauungs- und Heiligungsaspekts, gewisse Endzeitszenarien [die aber lieber nicht mit dem – gerade in missionstheologischer Hinsicht gerade sehr fruchtbaren – Dispensa­tionalismus verwechselt werden sollten! Gegen Nöh, S.154f] werden ebenso behandelt wie praktische Probleme (Überalterung der Ge­meinschaften, Desiderate für die Missionsge­sellschaften). - Rüdiger Nöh hat eine ge­schichtlich, (missions-)theologisch und empi­risch gut gearbeitete kleine Studie vorgelegt, die wegen der Bedeutung des Gemeinschafts-Pietismus für Mission in Deutschland auch au­ßerhalb des Siegerlandes interessierte Leser finden sollte.

Dr. Helge Stadelmann, em 1999-3.

Noor, Farish A., Yoginder Sikand, Martin van Bruinessen (Hg.). The Madrasa in Asia: Political Activism and Transnational Linkages, Amsterdam: Amsterdam University Press, 2007.

Das vorliegende Buch ist eine Auf­satzsammlung von neun Beiträgen zu einem Teilbereich des islamisch-theo­logischen Bildungssystems in Asien und dessen Reformbewegungen. Es be­schreibt aus anthropologischer und so­zi­o­logischer Perspektive die gesell­schafts­politische Entwicklung und Be­deutung einzelner madrasa, aber auch ganze Netz­werke in Indien (z. B. die Region Deoband), Pakistan, China, Malaysia und Indonesien. Die sogenannten ma­dra­sa (arab. abgeleitet von darasa: stu­dieren; indonesisch: pesantren) stellen etablierte private und nicht-universitäre Bildungseinrichtungen dar, die sowohl sä­kulare als auch theologische Fächer anbieten. Die säkularen Fächer werden auf dem Fundament eines islamischen Verständnisses gelehrt, damit der Student sich im Rahmen eines islamischen Um­feldes entwickeln und bewegen kann. Die madrasa sind inzwischen unent­behr­lich als Ergänzung des staatlichen Sys­tems und funktionieren als islamische Ideenschmieden.

Farish Noor ist Dozent an der staatlichen Schule für internationale Studien in Singapur (ein Zweig der staatlichen Tech­nischen Universität Nanyang und ein Ableger des Instituts für Verteidigung und Strategien), Yoginder Sikand ist professioneller Autor aus Indien, und Martin van Bruinessen ist Professor (Emeritus) für Soziologie an der Uni­ver­sität Utrecht. Alle Autoren sind oder waren im islamischen Raum im Lehr­betrieb tätig.

Zunächst erfolgt ein ausführlicher his­torischer Einblick darüber, aus welchen Beweggründen sich ein­fluss­reiche ma­drasa in einzelnen Situationen ge­bildet und wie sie sich theologisch, ge­sellschaftspolitisch und ökonomisch über lange Zeiträume hinweg entwickelt ha­ben. Die Leistung einzelner Personen, die sich auf sozialem und theologischem Gebiet im islamischen Raum eingesetzt haben, sowie deren Offenheit und Vision für Neues wird deutlich. Erst in der weiteren Entwicklung fand eine Fixie­rung auf althergebrachte Normen und Standards statt, so dass eine Neu­orien­tierung erschwert wurde. Einhellig spre­chen sich die Autoren und die zitierten Leiter der von ihnen untersuchten Schu­len für eine Erneuerung und Neu­orien­tierung der islamischen Ausbildung im säkularen Bereich aus, da diese sich zu sehr auf den konservativ-theologischen Bereich fixiert habe. Die Forderung geht dahin, sich international, interkulturell und interreligiös auch für nicht-isla­mische Kontexte im säkularen Bereich der Wissenschaften zu öffnen. Weltweite Partnerschaften, wirtschaftlicher und wis­sen­schaftlicher Austausch auch mit nicht-islamischen Institutionen stehen zur Diskussion. Diese Reformansätze sind bereits im Gang oder werden mit Nachdruck gefordert. In der Konsequenz würde sich auch der theologisch-kon­servative Sektor nach außen öffnen, so die Hoffnung.

Das übergeordnete Thema der Aufsätze ist die innere und äußere Erneuerung der madrasa sowie der innere und äußere Widerstand dagegen. Damit wird die madrasa selbst zur politischen Insti­tution, in der sich die gegensätzlichen Tendenzen innerhalb des Islam zeigen (Reformer vs. Konservative). Das Buch zeichnet sich durch eine detaillierte Dar­stellung dieser beiden Einflüsse aus. Bei­spielhaft untersucht van Bruinessen die Kräfte, die sich in traditionellen und is­lamistischen Bildungseinrichtungen ent­wickeln und wie sie sich gesell­schafts­politisch auswirken. Dabei geht er auch auf die seiner Meinung nach ge­ringe, aber vorhandene terroristische und radikale Ideologisierung der Studen­ten ein. In seinem Artikel wird deutlich, wie abhängig die meisten asiatischen Staaten von diesen zusätzlichen Bil­dungs­ange­boten sind und wie diese teilweise von konservativen Ideologen als Netzwerke benutzt werden (z. B. die Nahdlatul Ulama, S. 218–220). Sikand beschreibt demgegenüber wie in indi­schen madrasa Reformkräfte Verän­de­run­gen erwirken, die einer Moder­ni­sie­rung nach west­lichem Vorbild gleich kommen.

Meines Erachtens verliert das Werk jedoch etwas an Objektivität aufgrund einer Überbewertung dessen, was als „Reformbewegungen“ bezeichnet wird. Diese könnte man ebenso auch als nor­male gesellschaftliche Anpassungs­pro­zesse an Globalisierung, Postmoderne und Kapitalismus werten und nicht als Bewegungen. Die von den Autoren be­schriebenen Aktivitäten, die sich aus den madrasa heraus entwickeln, sind in der Hauptsache eher als anti-refor­mis­tisch zu bewerten. Die Darstellung der Reformen wird so etwas relativiert.

In der Summe zeichnet sich insgesamt ein für den Leser deutlich beschriebener Spannungsbogen zwischen Reformern und Gegenkräften in diesen Bil­dungs­einrichtungen ab. Einige persönliche biographische Schicksale von Studenten bereichern das entworfene Bild. Es handelt sich um eine übersichtliche Gegenwartsperspektive zum „modernen“ Islam aus einer kritischen gesell­schafts­politischen Perspektive. Nicht umsonst stammt das Forschungsprojekt von einer Institution, die sich mit Strategien zu sicherheitsrelevanten Entwicklungen in Asien auseinandersetzt. Wer sich mit diesem Thema beschäftigt, erhält einen Eindruck über die politisch aktiven Kräfte in diesem Raum, woher sie kommen, wie sie wirken, und wie sie generiert werden. Da madrasa vor allem armen Bürgern den Weg zur Bildung ermöglichen, stellen diese islamischen Bil­dungseinrichtungen elementare Mei­nungs­macher dar. Dieses Werk ist auch für diejenigen von Bedeutung, die sich über die unterschiedlichen, derzeit ak­ti­ven Netzwerke und Verknüpfungen im asiatisch-islamischen Bildungsbereich informieren wollen.

Dr. Eberhard Werner, em 2014-3.

O’Brien, Peter. T. Gospel and Mission in the Writings of Paul: An Exegeti­cal and Theolo­gical Analysis. Baker Book House: Grand Ra­pids (MI) & Paternoster Press: Carlisle (GB), 1995.

Der australische Neutestamentler O’Brien, der länger in Indien am Union Biblical Seminary wirkte, hat eines der besten Bücher über die Missions­theologie des Paulus geschrieben, das zunächst 1993 unter dem Titel ‘Consumed by Passion’ erschienen ist und seitdem immer wieder nachge­druckt wird. O’Brien weist nach, daß für Paulus die missionarische und evangelisti­sche Existenz und Praxis der von ihm gegründeten Gemeinden und aller Men­schen, die zu Christus finden, selbstverständ­lich ist. Neben den zen­tralen paulinischen Texten zur Mission (z. B. Röm 1, Röm 15, 1Kor 9) ex­egetisiert O’Brien auch Texte, die seltener mit der Missionspassion des Paulus in Verbindung gebracht werden (z. B. Eph 6, der ganze Philipper­brief). Eine hervorragende, manchmal etwas technische Studie, die einmal mehr zeigt, daß Paulus nicht zufällig, sondern wesensmäßig sowohl der bedeutendste Missio­nar des ersten Jahrhunderts war, als auch der be­deutendste (systematische) Theologe.

Dr. Thomas Schirrmacher, em 2000-2.

O’Donnell, Kelly S., Michelle Lewis O’ Donnell (ed). Helping Missionaries to Grow. Readings in Mental Health and Missions. Pasadena: William Carey Library, 1988.

Drs. Kelly and Michelle O’Donnell sind pro­movierte Psychologen und Mitarbeiter von „Jugend mit einer Mission“ (YWAM) in Amsterdam. Dieses neue Handbuch bringt 50 Artikel von 48 Autoren aus den letzten 15 Jahren, unter anderem von Elisabeth S. und E. Thomas Brewster, Marjory Foyle, David Hesselgrave, Brian V. Hill, William F. Hunter, Timothy M. Warner. Die meisten Autoren sind Amerikaner, fast alle ehema­lige Missionare. Viele haben in Psychologie promoviert. Unter den Autoren sind 15 Frauen.

Ein Blick in das Inhaltsverzeichnis zeigt die Breite der behandelten Themen. Nach einer einleitenden Reflektion über das Verhält­nis von Psychologie und Mission werden die folgenden Gebiete behandelt: Auswahl der Missionskandidaten, Psychologische Be­urteilung, Missionarische Effektivität, Über­legungen zur missionarischen Ausbildung, Familienleben des Missionars, die Kinder des Missionars, Schulausbildung von Mis­sionarskindern, Anpassung an fremde Kul­turen, Streß, zwischenmenschliche Beziehungen, die Frau in der Mission, Heimkehr des Missionars, Seelsorge an Menschen an­derer Kultur sowie eine 18 Seiten umfassen­de Bibliographie.

Das Buch ist eine Fundgrube an Material für Missionare, Dozenten in der Missionars­ausbildung, Heimatleiter von Missionsge­sellschaften und Pastoren von Gemeinden, die sich nicht nur oberflächlich für Missio­nare interessieren.

Dietrich Kuhl, em 1990-1.

O’Donovan, Wilbour. Biblical Christianity in African Perspective. Paternoster Press: Car­lisle/GB, 1996.


Zugegeben: ich konnte dieses Buch nicht mehr objektiv lesen, nachdem ich den Autor einige Jahre zuvor als engagierten Denker und Debat­tierer auf einer amerikanischen Missionshoch­schule kennengelernt hatte. Nach 20 Jahren Lehrdienst in Nigeria faßte er seine Erfahrun­gen in seiner Abschlußarbeit, für die er den D. Min. verliehen bekam, zusammen. Diese nun revidierte Ausgabe ist zugleich attraktiver ge­staltet und umfassender als die früheren. So schätzen afrikanische Theologen dieses Buch ein: „Die Erfahrung, die Bill O’Donovan in sei­nen vielen Jahren mit afrikanischen christli­chen Studenten gesammelt hat, vermittelte ihm ein umfassendes Verständnis davon, welchen Kämpfen sie ausgesetzt sind, wenn sie dogma­tische Fragen auf ihren kulturellen Kontext anwenden“ (Dr. Haruun Ruun, Generalsekretär des New Sudan Council of Churches). Und Dr. Yusufu Ruraki, Sekretär für die theologische Ausbildung des ECWA, Nigeria, urteilt: „Die Stärke des Buches liegt in seiner einfachen Sprache, der klaren Darbietung des Themas unter Einbeziehung biblischer Wahrheiten, so­wie der afrikanischen Sichtweise“.

Worum geht es also? Beginnend mit der Be­deutung unserer „Weltanschauung“ für unser Tun und Denken behandelt das Buch in 18 Ka­piteln die wesentlichen theologischen Themen über Bibel, Offenbarung, Gott, Jesus Christus, den Menschen, Heiliger Geist, Kirche, die Wiederkunft Christi und die Endzeit. Aber auch typisch „afrikanisch heiße Eisen“ wie Ah­nenverehrung, Leiden, Zauberei, Bestechung und Flüche werden klar und offen angepackt. Als die „Big Five“ behandelt O’Donovan Fra­gen über Führung, falsche Propheten, Synkre­tismus, Mittler, Verantwortung des Christen zur Regierung.

Der Stil ist erfrischend einfach. Große theolo­gische Begriffe wie die Dreieinigkeitslehre werden durch einleitende Dialoggedanken (z. B. Muslim, Animist und Christ) angerissen und dann im Frage/Antwortstil mit abschließenden Diskussionsvorschlägen und weiterführender Literatur verdaut. Bestens geeignet für theolo­gisches Ausbildungsstätten. Auf eine Gesamt­bibliographie wurde verzichtet, dafür besticht ein recht umfangreicher Sachindex. Abgesehen von vier Referenzen zu afrikanischen Autoren (Adeyemo, Mbiti, Kato, Kimathi) nährt sich das Buch noch ganz von westlichen Quellen. Aber daß der afrikanische Leser dem Autor ganz am Herzen liegt, steht außer Zweifel. Übersetzungen auf Amharisch, Französisch, Haussa und Kiswahili sind bereits voll im Gange. Der Autor antwortet gerne auf Verbes­serungsvorschläge und Anfragen.

Walter Gschwandtner, em 1998-2.

Öhler, Markus. Barnabas: Die historische Person und ihre Rezeption in der Apostelgeschichte. WUNT 156, Tübingen: Mohr Siebeck, 2003.

In seiner Habilitationsschrift stellt der Wiener Neutestamenler M. Öhler die These auf, dass Bar­nabas in der missionarischen Zusammenarbeit mit Paulus „mindestens gleichwertiger, wahrscheinlich aber doch führender Partner war“ (S.389). Die Begründung dieser These beginnt mit einer Ausle­gung von 1.Kor 9,6. Barnabas, der vermutlich den Auferstandenen gesehen hat, und Paulus verzich­ten aufgrund der besonderen Missionssituation auf Unterhalt durch die Gemeinde, wobei wohl Barna­bas „auf diese Praxis drängte“ (S.17). In Kap. 2 untersucht der Verfasser die Zeit des gemeinsamen Wirkens von Paulus und Barnabas. Nach Gal 2,1­-14 erscheint Barnabas als ein „Mann der Einheit“ und ist Hauptansprechpartner auf dem Konvent. Ab Kap. 3 werden die Angaben der Apostelge­schichte über Barnabas untersucht. Mit seinem Einsatz für die Gemeinde, die in der paganen Um­welt als antiker Verein erscheint, wobei ihr Erfolg vor allem in Botschaft und Ethos begründet ist, überwindet Barnabas soziale Schranken und tritt als Wohltäter der Gemeinschaft auf. Erst dadurch wird sein späteres Eintreten für Paulus und sein Wirken in Antiochien recht verständlich. Nach Kap. 5 (Apg 11,19-26) reist Barnabas aus eigener Initiative (nicht aufgrund der Sendung der Urge­meinde) wohl wegen des Interesses an der Hei­denmission nach Antiochien. Beim sogenannten Hungerhilfebesuch (Apg 11,27-30; 12,24f) ist er dann die führende Gestalt. Nach der „Aussendung durch die antiochenische Gemeinde (Acta 13,1-3)“ verstehen sich die Missionare „nicht als Einzel­kämpfer auf dem Missionsfeld“, sondern sie han­deln „in steter Rückbindung an die Gemeinde und ihre Leitung“. In den Kap. 8-12 werden die einzel­nen Stationen der 1. Missionsreise dargestellt: Die Mission auf Zypern, im pisidischen Antiochien, in Ikonion, in Lystra und die Rückreise nach Antio­chien. Der Verfasser resümiert, dass die Missi­onsmethoden von Barnabas und Paulus vielfältig waren und ihre Beziehung untereinander sich „als eine zwischen Kollegen bestimmen“ lässt (S.388). Paulus „war eingebunden in eine Mission, deren mindestens gleichwertiger, wahrscheinlich aber doch führender Partner Barnabas war“. Auch beim Apostelkonzil (Apg 15,1-35) sei Barnabas von den antiochenischen Gesandten „die wichtigere Figur“ (S.431), wobei jedoch beide von der Heidenmissi­on berichten. Die Trennung von Paulus und Bar­nabas (Acta 15,36-41) führt Öhler u. a. auf den Streit um einen Mitarbeiter zurück, so dass Barna­bas (vielleicht wegen verwandtschaftlicher oder sozialer Verpflichtungen) das Verhältnis zu Johan­nes Markus über das zu Paulus stellt. Abschließend folgt „Das literarische Porträt des Barnabas - Au­torintention und Leserrezeption“ und ein histori­scher Rekonstruktionsversuch: Barnabas war ein Mann, der zwischen den Strömungen innerhalb des Christentums vermittelte: „Als Graecopalästiner war er mit Hebräern und Hellenisten gleicherma­ßen vertraut, als angesehenes Mitglied der Jerusa­lemer Urgemeinde und Teil der antiochenischen Gemeindeleitung hatte er enge Beziehungen zu den beiden Zentren des frühen Christentums. (…).Barnabas war damit die vermittelnde Persön­lichkeit des frühen Christentums“ (S.486). Ein umfangreiches Literaturverzeichnis und Register schließen das Werk ab. Öhlers ausführliche Studie überzeugt durch eine detaillierte Exegese und eine ausgewogene sozialgeschichtliche Interpretation. Die Darstellung des Beziehungsgeflechts um B. eröffnet dem aufmerksamen Leser manche neue

Einrichten. Anfragen erheben sich aber vor allem dort, wo der Verfasser die Apostelgeschichte im Zug: der älteren deutschen Acta-Forschung über­geht (58ff, 61, 75, 226f, 270, 436 u. a.). So hätte man bei der historischen Rekonstruktion der Texte meh Zutrauen in die Apostelgeschichte erwartet. Auch aus missiologischer Sicht ist die Studie inte­ressant, weil sie zeigt, wie der grenzüberschreiten­de Denst des Barnabas den Verlauf der urchristli­chen Mission mitgeprägt hat. Im Umgang mit den Finarzen (IKor 9,6) zeigt Barnabas kontextuelles Feingefühl. In der Beziehung zu Mitarbeitern er­weist sich Barnabas als Partner und Mentor. Auch Missionare heute brauchen Personen wie Barna­bas, cie sie in Dienste einführen, vermittelnd im Heimat- und Missionsdienst agieren und ihnen in Zeiten der Not „Trost“ spenden. Alles in allem ein inspirierender Band, der zur Beschäftigung mit der urchristlichen Mission und zur Anwendung auf unsere Situation einlädt.

Alexander Drews, em 2005-1.

Okoye, James Chukwuma. Israel and the Na­tions. A Mission Theology of the Old Testa­ment. American Society of Missiology Series 39. Maryknoll: Orbis Books, 2006.

Der in Chicago unterrichtende Nigerianer James Chukwuma Okoye präsentiert seine Missions­theologie des Alten Testaments bewusst im Rah­men christlicher, katholischer Theologie und fragt dabei nicht nur nach einer zeitgeschichtli­chen Bedeutung der untersuchten Texte, sondern auch nach Implikationen für das moderne Mis­sionsverständnis. Sein Ansatz ist nicht kano­nisch, sondern „canon-conscious“ und stützt sich spürbar auf die Ergebnisse älterer histo­risch-kritischer Forschung. Er beginnt seine Un­tersuchung mit der Frage nach einer Definition von Mission und kommt zu dem Ergebnis, dass weder das moderne Missionsverständnis, noch ein Verständnis, welches alleine auf einer Wort­studie („senden“) gründet, einen wesentlichen Beitrag leisten können. Das Missionsverständnis im Alten Testament hat für Okoye vier „Gesich­ter“, denen er die verschiedenen Kapitel seiner Untersuchung zuordnet: Ein universales, ein „Gemeinschaft-in-Mission“-, ein zentripetales und ein zentrifugales Gesicht.

(a) Das universale Missionsmodell zeichnet sich durch einen Herrschaftsanspruch Gottes über die ganze Welt (Gen 1) und jedes Individuum (Ps 8) aus. Der Segensauftrag an Abraham (Gen 12,3) wurde zunächst in Form respektvollen religiösen Dialoges durchgeführt (S.54f), später jedoch auch anders interpretiert (S. 47).

(b) Bei dem Gesicht der „Gemeinschaft-in-Mission“ geht es um das Zeugnis Israels durch die Existenz als gerechtes Volk Gottes. Die in Ex 19,3-8 geforderte Heiligkeit des Volkes bezieht sich nicht nur auf das Verhältnis zu Jhwh, sondern nutzt sein vor den anderen Völkern geführtes Leben als Vehikel der Mission. Vor allem der Prophet Amos stellt Israels Existenz als Volk Gottes unter die Bedingung der ge­lebten Gerechtigkeit. Der Prophet Jona könne als „innerbiblical corrective to the apparent xenophobia of the Book of Nahum” verstanden werden (S.81).

(c) Grundlage für die Fähigkeit Israels zu zentripetaler Mission im Sinne der Öffnung des Bundes für Heiden ist das Verstehen der grenz­überschreitenden Gerechtigkeit Gottes. Die Be­schneidung des Herzens ist neues Kennzeichen derer, die Mission als Gottes Werk und ihren Teil als Danksagung gegenüber Gott verstehen. Die Nationen sollen an dem Lob Gottes teil­haben (Ps 96). Zion wird zum Zentrum für Weltfrieden und Moral. Da Okoye Jes 2,5 als re­daktionelle Einfügung wertet, zielt Jes 2,2-4 für ihn nicht auf religiöse Bekehrung der Nationen, sondern auf Versöhnung und Frieden.

(d) Zentrifugale Mission beginnt dort, wo nicht mehr Land oder Blut, sondern das Bekenntnis über die Gemeinschaft bestimmt. Durch das ur­sprüngliche Volk Gottes geht ein Schnitt. Die neue Gemeinschaft des „Überrests" schließt auch Fremde ein - und lädt sie ein. Der Knecht in den Gottesknechtsliedern in Jesaja hat eine klare aktive Mission. Am Ende wird sich die ganze Welt als Gottes Volk herausstellen. Okoyes Arbeit besticht durch eine ausgezeich­nete aktuelle Bibliographie zum Thema, wobei einzelne neuere Veröffentlichungen zu speziel­len Fragen fehlen, wie drei Beispiele zeigen: So misst Okoye den von David Bosch 1956 (Evan­gelisches Missions-Magazin 100: 174-88) aufge­griffenen Konzepten „zentripetal" und „zentrifu­gal" grundlegenden Wert zu, ohne auf die inzwi­schen aufgekommene Kritik an ihrer Legitimität einzugehen. Damit wird die Brauchbarkeit sei­ner vier „Gesichter“ als biblisch-theologische Kategorien in Frage gestellt. Von A. Rétif und P. Lamarche (Das Heil der Völker. Düsseldorf: Patmos, 1960, S.18) übernimmt er den Gedan­ken einer Veränderung der Bedeutung von Gen 12,3, ohne Bezug zu nehmen auf neuere Untersuchungen wie K.N. Grüneberg, Abraham, Blessing and the Nations. Berlin: De Gruyter, 2003, u.v.m. Auch die unvermittelte Annahme des alten „JEDP“-Modells (S.24, Fn. 1) sollte in einer Zeit nach Rendtorff und Van Seters zumindest begründet werden.

Okoyes Buch ist als Arbeitsbuch gedacht und lässt sich durch ausführliche Zusammenfas­sungen und Diskussionsfragen leicht erschlie­ßen. In seinem Gesamtverständnis geht Okoye nicht nur von verschiedenen Wegen der Mission Israels, sondern auch von einer weiteren Band­breite von unterschiedlichen Zielsetzungen aus. Nicht jede alttestamentliche Vision ziele auf Gotteserkenntnis der Heiden – auch Dialog, Versöhnung und Weltfrieden stellen für Okoye Zielpunkte dar, die sich mit aktuellen „Trends in Mission“ (vgl. S.18-23) in Verbindung bringen lassen. Dabei lässt sich bezweifeln, ob das Alte Testament in seiner vorliegenden Gestalt wirk­lich eine solche Unterscheidung unterstützt.

Dr. Siegbert Riecker, em 2008-2.

Oldham, J. H. Ein Mensch wagt zu lieben - Florence Allshorn - Ein Leben im Dienst Chri­sti. In freier Übersetzung ins Deutsche von Jo­hanna Lorch, 12. Aufl., Giessen: Brun­nen Verlag & Bad Salzu­flen: MBK-Verlag, 1994.

Dieses Buch erzählt die Geschichte der Flo­rence Allshorn, die als Missionarin mit der Church Missionary Society in Afrika ihren nur vierjährigen Dienst in der Außenmission er­lebte. In diesem kurzen Zeitabschnitt lernte sie allerdings eine Lektion für ihr ganzes Leben, und zwar, daß die Liebe Gottes im Menschen, umgesetzt und ausgelebt in einer hoffnungslo­sen Situation im Blick auf Zusam­menarbeit und menschliches Miteinander zur unbesiegba­ren, die Widerstände überwinden­den Kraft wird. Die Spannungen im Miteinan­der auf ei­ner Missionsstation in Uganda, die ih­re acht Vorgängerinnen alle Kraft gekostet hatten, so daß sie höchstens zwei Jahre aus­hielten und dann aufgaben, bringen auch Flo­rence an den Rand ihrer Kraft. An dem Punkt hilft ihr eine Afrikanerin, in­dem sie ihr sagt: „Ihr habt alle das gleiche, nämlich daß ihr gekommen seid, uns den Retter der Welt zu bezeugen. Ich sehe aber nicht, daß er die Situation hier gerettet hat.“ Diese Fest­stellung wird zum Wendepunkt im Leben der Florence Allshorn. Sie erkennt, daß sie die Liebe Christi, die auch die Feinde lieben heißt, in ihrem Leben braucht, um nicht Schiffbruch zu erleiden. So beginnt sie um diese Liebe für sich zu beten und in dem schwierigen Mitein­ander mit der älteren Kolle­gin Wege zu su­chen, um einander zu akzeptie­ren und die Last das Alltags zu tragen. Ein Jahr lang liest sie täglich das 13. Kapitel des 1.Korintherbriefs. Indem sie im Miteinander praktische Schritte tun, erleben sie die von in­nen her erneuernde Liebe, die auch auf andere überspringt und die Atmosphäre auf der Missi­onsstation verändert.

Aus diesem Erleben einer praktizierten sich-selbst-vergessenden Liebe erwuchs der Dienst der Florence Allshorn in späteren Jahren in England in der Zurüstung von Missionarinnen vor der Ausreise und der Betreuung von Rück­kehrenden. Ein unbestechlich klares Verständ­nis von dem, was Missionare brauchen, um nicht zu stagnieren und nur ‘eine Schaufenster­auslage an geistlichen Gütern’ zu präsentieren, kommt in diesem Buch zum Ausdruck. Es gibt darüberhinaus aber auch allgemeingültige Richtlinien für verbindliches christliches Leben und Echtheit im Dienst überhaupt. Es richtet sich von daher nicht nur an Missionare. Aller­dings ist der Leser gefordert, die allgemeingül­tigen Grundsätze aus der manchmal idealisier­ten Be­schreibung einer Persönlichkeit her­auszuhören. Diese Tatsache ist eine Schwäche des Buches. Dennoch ist es ein klarer Anruf, aus der Mit­telmäßigkeit im Christenleben her­auszutreten, und es gibt manche Antwort auf die Frage, wie interpersonelle Spannungen in Dienstgemein­schaften bewältigt werden. Da diese Frage höchst aktuell ist, ist auch das Buch aktuell für jeden, der in einem Dienst steht oder sich darauf vorbereitet.

Ursula Pasut, em 1996-2.

Otminghaus, Christoph und Karl Lagers­hausen (Hg.): Chancen entdecken. Kurz­zeiteinsätze im Ausland. Porta Impulse 10, (SMD, Postfach 554, D-35017 Marburg), 1994. (nicht im Buchhandel!).

Aus dem Arbeitskreis für Weltmission der Studentenmission in Deutschland stammt die­ser äußerst praktische Leitfaden für alle, die einen missionarischen Kurzeinsatz von 4 Wochen bis 4 Jahren erwägen. Besonders an­sprechend fand ich K. Lagershausens „Zehn gute Gründe, Kurzzeiteinsätze zu erwägen“ und die kritischen Gedanken von E. Wolff zur Vermeidung von „Missionstourismus“. Drei Vier­tel des Heftes sind auch für Nicht-Studenten interessant. Neben vielen Berichten aus allerWelt winken am Schluß ausführliche Tips zu Planung, Finanzen, Gesundheit und Adressen.

Christof Sauer, em 1994-3.

Ott, Bernhard. Beyond Fragmentation: Integrating Mission and Theological Education. A Critical Assessment of some Recent Developments in Evangelical Theological Education. Regnum Studies in Mission, Regnum Books International, Oxford 2001.

Die vorliegende Dissertation des Studienleiters des Theologischen Seminars Bienenberg, Schweiz, Bernhard Ott, bringt seine Besorgnis über die Geisteshaltung, Qualität und Unterrichtsmethode der missisonstheologischen Ausbildung der Konferenz Bibeltreuer Ausbildungsstätten (KbA) des deutschsprachigen Raumes zwischen 1960 und 1995 zum Ausdruck.

Anlass seiner Studie ist der in den letzten Jahrzehnten erfolgte ökumenische Paradigmenwechsel in Mission und theologischer Ausbildung im Westen und in der Zweidrittel-Welt. Aufgrund des holistischen Missionsverständnisses des südafrikanischen Missionswissenschaftlers D. J. Bosch kritisiert Ott das mehrheitlich von Peter Beyerhaus und der Frankfurter Erklärung geprägte heilsgeschichtliche Missionsverständnis der konservativen-evangelikalen Ausbildungsstätten und wirft ihnen Zersplitterung, Isolation und Separation vor.

Im ersten Teil (S. 1−24) bringt der Autor seine Sorge über die Zukunft der 36 theologischen Ausbildungsstätten zum Ausdruck, die im deutschsprachigen Raum der Konferenz bibeltreuer Ausbildungsstätten (KbA) angeschlossen sind. Ausgangspunkt seiner Studie ist der in den letzten Jahren erfolge Paradigmenwechsel, wie er innerhalb des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), in der Weltmission und in der theologischen Ausbildung zu erkennen ist. Analog zu S. Holthaus (FTH Giessen) gliedert er die KbA in drei Gruppen ein: Separatistische Fundamentalisten, konservative Evangelikale, moderate Fundamentalisten und offene Evangelikale, wobei der zweite Typus die internationale Missionsbewegung im ausgehenden letzten Drittel des 20. Jahrhunderts am meisten zu prägen vermochte. Die seit den 1990er Jahren ausgehende rückläufige Studentenzahl interpretiert Ott als theologische Identitätskrise, die ihm den wesentlichen Anstoss zu dieser Arbeit lieferte.

Im zweiten Teil (S. 25−100) weist der Autor zunächst auf die einheitliche Entwicklung der evangelischen Missionsbewegung und Missionstheologie hin, die in Deutschland durch die Gründung der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen (AEM) 1969, der Frankfurter Erklärung zur Grundlagenkrise der Mission 1970 und der Gründung der Akademie für Weltmission in Korntal (AWM) 1984 in zwei gegensätzliche Lager gespalten worden sei. Seither entwickle sich die deutschsprachige evangelikale Bewegung in die Separation und Isolation. Der Lausanner Kongress für Weltevangelisation 1974 und sein Folgekongress in Manila 1989 hätten den deutschen Evangelikalen Impulse aus der anglo-amerikanischen Welt vermittelt und eine neue Identität gegeben. Daraus sei der Wunsch nach Akkreditierung der 36 Ausbildungsstätten der KbA entstanden. Ihre missionstheologischen Überzeugungen hätten sie jedoch im Gegensatz zu den staatlichen theologischen Fakultäten und dem Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) definiert.

Dieser Darstellung muss widersprochen werden, zumal der Wunsch nach Akkreditierung und Vergleichbarkeit der Ausbildungsprogramme der nicht staatlich organisierten theologischen Ausbildungsstätten in Europa bereits am Ende der 1960er Jahre ausgesprochen wurde. Die konstituierende Sitzung der Europäischen Evangelikalen Akkreditierungsvereinigung (EEAA) war unter Beteiligung von 23 europäischen theologischen Ausbildungsstätten von Skandinavien bis Italien, von Frankreich bis zu den damaligen COMECON-Staaten, am 31.10.1979 unter der Leitung von E. Schmid, Direktor der Pilgermission, in der Friedau auf St. Chrischona bei Basel. Die EEAA entstand weder aus Protest gegenüber dem ÖRK noch aus ekklesiologischen Überlegungen, sondern weil eine Angliederung an staatliche Fakultäten nicht möglich war und sie sich explizit dem „sola scriptura Prinzip“ verpflichtet wusste.

Die schweizerische Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Missionen (AEM Schweiz) ist im Gegensatz zur AEM Deutschland nicht aus einer Spaltung entstanden. Sie ist sogar älter als die ehemalige Kooperation Evangelischer Kirchen und Missionen (KEM), in der bis 1999 die kirchlichen Missionswerke und die reformierten kantonalen Landeskirchen der Schweiz zusammengefasst waren. Aus missionstheologischen Überlegungen entschieden sich die evangelischen Werke und Kirchen mit dem ÖRK zusammenzuarbeiten und damit für den Weg der Separation und nicht die Glaubensmissionen, die sich der Reformation und dem Pietismus verpflichtet wissen. Um den innerevangelischen Dialog nicht abbrechen zu lassen, fanden zwischen den beiden Dachverbänden AEM Schweiz und KEM, und darüber hinaus den evangelischen Hilfswerken, die berühmten Gloggenhofgespräche in Zürich und zwei längere Retraiten in Montmirail, Neuchâtel statt, an denen leider kein Vertreter des Theologischen Seminars von Bienenberg teilnahm.

Der dritte Teil (S.101−202) untersucht die Thesen von D. J. Bosch, die er in seinem Buch „Transforming Mission“ (1991) vorschlägt. Daraus folgert Ott, dass in der nachantikolonialistischen Missionstheologie die KbA-Ausbildungsstätten einen holistischen Paradigmawechsel vornehmen müssten, wie er zwischen Aufkärung und Postmoderne zu beobachten sei. Die Gräben zwischen ökumenischer und evangelikaler Missionstheologie könnten nur im Dialog mit der ganzen Christenheit überwunden werden. Den bohrenden hermeneutischen Fragen aus der Zweidrittelwelt, der Verhältnisbestimmung zwischen Kontextualisierung, Inkulturation, Soziologie, Erlösung und Ekklesiologie sei ein größerer Stellenwert einzuräumen.

Ott wirft vielen der KbA-Schulen vor, sie würden ihre Studierenden in die Isolation, Separation, ja sogar ins Sektierertum führen, weil sie sich dem holistischen Missionsverständnis und kritischen hermeneutischen Gegenwartsfragen, wie sie im ÖRK diskutiert werden, verschliessen würden (S.192−195). Statt sich hermeneutischen und epistemologischen Fragen zu stellen, bestünde die Tendenz, die missionstheologische Reflexion allein auf die Autorität der Schrift zu reduzieren. Dabei vergisst der Autor, wie P. Beyerhaus in seinem Buch „Er sandte sein Wort: Theologie der christlichen Mission/ Band 1: Die Bibel in der Mission“ (1996) eindrücklich nachwies, dass ein anderes Schriftverständnis als das reformatorische „sola scriptura Prinzip“ früher oder später zu einem anderen Heils- und Missionsverständnis führen muss. Andererseits haben die CTL-Seminare (Chrischona, Tabor, Liebenzell) die berechtigten hermeneutischen und epistemologischen Gegenwartsfragen der nachantikolonialistischen Missionstheologie seit 1996 in zwei neuen Fächern proaktiv aufgenommen (Theologie der Religionen und Christlicher Glaube in einer säkularen Welt).

Im vierten Teil (S.203−280) beschäftigt sich Ott mit der Rolle der Mission in der theologischen Ausbildung und den Erkenntnissen der modernen Erwachsenenbildung als Grundlage selbstkritischer Reflexion und Lernprozesse. Diese pädagogischen Ansätze sind mit der CTL-Studienreform Anfang der 1990er Jahre konstruktiv aufgenommen worden und kommen vor allem in missionswissenschaftlichen, pädagogischen, soziologischen und pastoraltheologischen Fächern voll zur Anwendung.

Im letzten Teil (S.281−316) fragt der Autor nach der Allgemeingültigkeit unserer Theologie, insbesondere dem in evangelikalen Kreisen anzutreffenden Verteidigungsmechanismus, der ins Ghetto und zum Stillstand führe. Ott sieht den Grund dieser theologischen Verengung in der Sichtweise der biblischen Wahrheit, die nicht fähig sei, mit Menschen anderer Kontexte in einem Dialog zu stehen. Hier entbrennt vollends die Frage nach dem exklusivistischen Wahrheitsverständnis der Schrift als „norma normans“ der christlichen Theologie.

Otts Arbeit schliesst mit diversen Anhängen: einer kompletten Liste der KbA-Schulen, der ökumenischen Konferenzen zwischen 1910-1991, der Konsultationen der Lausanner Bewegung zwischen 1974-1989, gefolgt von der Frankfurter Erklärung 1970 und der Lausanner Verpflichtung 1974. Das Manifest von Manila von 1989 würde diese Liste von Anhängen vervollständigen.

Weltoffene pietistische Missionstheologen, die selbst jahrelang den interreligösen Dialog in der transkulturellen Missionsarbeit praktiziert haben, werden Otts Kritik aufnehmen und sich einem holistischen Missionsverständnis nicht verschliessen, solange das Geheimnis der göttlichen Inspiration, die völlige Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit der Heiligen Schrift nicht preisgegeben und der apostolische Ausschliesslichkeitsanspruch des Heils allein in Jesus Christus (Apg 4,12) nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird.

Hans Ulrich Reifler, em 2003-4.

Ott, Craig, Stephen J. Strauss, Timothy C. Tennent. Encountering Theo­logy of Mission. Biblical Foun­da­tions, Historical Developments, and Contemporary Issues. Grand Rapids: Baker Academic, 2010.

„Encountering Theology of Mission“ ist der fünfte Band, der in der missions­wissenschaftlichen Reihe „Encountering Mission“ von Baker Academic er­schie­nen ist. [Vgl. die Rezension zu den Bänden 1–3 in em 2010-1 (Anmerkung der Redaktion).] 2013 erschien mit „Devoloping a Strategy for Mission“ bereits das sechs­te Buch. Craig Ott ist Professor für Mission und Interkulturelle Studien an der renommierten Trinity International University (früher Trinity Evangelical Divinity School). Bekannt ist er in Deutschland durch seine frühere Lehr­tätigkeit am Theologischen Seminar der Freien Evangelischen Gemeinden in Ewersbach und später an der Akademie für Weltmission in Korntal. Stephen Strauss ist Professor für Mission und Interkulturelle Studien am Dallas Theo­logical Seminary. Während Ott die Kapitel 1–9 verfasst hat und Strauss die Kapitel 10, 11 und 13, stammt Kapitel 12 („Die christliche Begegnung mit anderen Religionen“) aus der Feder von Timothy Tennent, Präsident des Asbury Theolo­gical Seminary.

Um es gleich einleitend zu sagen: Ich halte das bisher leider nur auf Englisch verfügbare Buch für eine hervorragende Übersicht über Grundlagen und aktuelle Fragestellungen einer biblisch begrün­deten Theologie der Mission. Es ist nicht als umfassendes Handbuch der Mis­sio­logie konzipiert. Missionsgeschichte oder Einzelfragen der Missionspraxis sind nicht enthalten. Hinsichtlich der biblischen Sicht von Mission könnte ich mir Encountering Theology of Mission aber gut als Textbuch für einen Kurs vorstellen.

Teil 1 „Biblische Grundlagen der Mis­sion“ besteht aus sechs Kapiteln. Die ersten zwei Kapitel fassen das Zeugnis von AT (3–24) und NT (25–54) sehr übersichtlich zusammen. Nach einem Kapitel über das sehr aktuelle Konzept der missio dei (55-78) behandelt Kapitel 4 (79–105) „Ziele und Wesen der Mission“. Ott erweist dabei seine Gabe der guten und prägnanten Gliederung: „Doxologie als das Ziel der Mission“, „Erlösung als die Grundlage der Mis­sion“, „Das Reich Gottes als das Zentrum der Mission“, „Eschatologie als die Hoffnung der Mission“, „Die Na­tionen als der Umfang der Mission“, „Versöhnung als die Frucht der Mis­sion“, „Inkarnation als das Wesen der Mission“.

Kapitel 5 (106–136) und 6 (137–162) beschäftigen sich mit der Aufgabe der Mission. Dabei wird auch auf wider­streitende Konzepte Bezug genommen (Verkündigung und Bekehrung, Gemein­de­gründung und –wachstum, Zivilisation und moralische Verbesserung, Philan­thro­pie, Humanisierung und Befreiung). Ott versucht dabei unter Verweis auf die zwei Mandate (Aufträge), nämlich den Schöpfungsauftrag und den Verkündi­gungsauftrag, zu eigenen Schluss­fol­gerungen über die Aufgabe der Mission zu kommen. Der Verkündigungsauftrag ist zwar die Grundlage der Missions­aufgabe. Auch Christen sind aber auf­grund des Schöpfungsauftrags ge­rufen, Haushalter Gottes in der Welt zu sein und „das Böse in allen seinen Mani­festationen (Sünde, Krankheit, Unge­rech­tigkeit, das Dämonische)“ zu kon­fron­tieren (Ss. 159).

Teil 2 (ab S. 165) beschäftigt sich mit „Motiven und Mitteln für die Mission“ (Kapitel 7–10) und geht dabei von einer biblischen Grundlage auf Fragen wie die Berufung zur Mission, die Rolle der Gemeinde in der Mission und die Rolle geistlicher Vollmacht und geistlicher Kampfführung in der Mission ein.

Teil 3 (ab S. 265) behandelt drei in der gegenwärtigen missiologischen Dis­kus­sion hochaktuelle Themen: „Kon­tex­tua­lisierung und Mission“ (Kap. 11, 265–291), die „Christliche Begegnung mit anderen Religionen“ (Kap 12, 292–316) und „Die Notwendigkeit der Mission“ (Kap 13, 317–338), wo Strauss die heißen Eisen des Absolutheitsanspruchs Jesu, der ewigen Verdammnis und der Frage nach dem Schicksal derer, die nie von Christus gehört haben, angeht. Be­son­ders hilfreich fand ich in Kapitel 12 den guten Überblick über die grund­legenden Positionen zu anderen Re­ligionen in der heutigen Theologie, nämlich Exklusivismus, Inklusivismus, Pluralismus und deren Unterkategorien.

Die Autoren schreiben aus einem tiefen Vertrauen zur biblischen Wahrheit her­aus, gehen aber auch auf heute ak­tuelle kritische Fragestellungen kennt­nisreich ein. Ein ausführliches Li­te­ra­tur­ver­zeichnis, ein Bibelstellen-Index und ein thematischer Index runden das Buch ab. Als gute Grundlage für eine Theologie der Mission und für erste Antworten auf heutige Heraus­for­de­rungen christlicher Mission kann ich das Werk sehr empfehlen. Es regt dazu an, bei Ein­zelfragen anderswo nach Ver­tiefung zu suchen.

Wolfgang Häde, em 2014-2.

Ott, Craig; Netland, Harold A. (Hg.). Globali­zing theology. Belief and practice in an era of world Christianity. Nottingham: IVP/Apollos 2007 (US-Ausgabe: Grand Rapids: Baker Academic, 2006).

Diese Festschrift für Paul G. Hiebert knüpft an seiner Forderung an, die so genannten „drei Selbst" in der Missionspraxis (self-governing, self-supporting, self-propagating churches) zu ergänzen durch ein viertes „Selbst“: self-theologizing (Hiebert, Paul G.: Anthropological insights for missionaries, Grand Rapids: Baker Book House 1985, 193ff.). Zur Reife und Selbständigkeit einer Kirche gehört die eigenständige theologische Reflexion, die Auseinandersetzung mit dem Evangelium im Licht des eigenen sozio-kultu-rellen Kontexts. Das wirft natürlich neue Fragen auf: Wie sind solche lokalen kontextuellen Theologien einzuordnen im Blick auf das Ganze der Theologiegeschichte und der theologischen Tradition? Und wie sind umgekehrt westliche theologische Ansätze im Kontext dieser theo­logischen Pluralität zu verstehen? Das sind die Fragen, denen sich die Autoren dieses Bandes zuwenden.

Die Aufsätze gehen zurück auf eine Konsulta­tion im Juni 2004 an der Trinity International University in Deerfield zu Ehren von Paul Hiebert zu dem Thema „Doing Theology in a Globalizing World“. Der Band ist in drei Teile gegliedert: (1) Weltchristenheit und theologi­sche Reflexion, (2) methodologische Fragen im Blick auf eine Globalisierung der Theologie, und (3) Implikationen einer Globalisierung der Theologie.

In der Einleitung wendet Netland sich den Schlüsselbegriffen des Buchtitels zu. Er be­schreibt die Aufgabe der theologischen Refle­xion als Aufgabe der ganzen Kirche, die nicht nur die Exegese des Wortes verlangt sondern auch eine Exegese der kontemporären Welt, und die einmünden muss in Weisheit, die Denken und Verhalten verändert. Der erste Teil des Buches umfasst drei Aufsätze von Ti6nou, Whiteman und Walls. Ti6nou weist darauf hin, dass die heutige Wirklichkeit einer „polyzentrischen Christenheit" auch Auswirkun­gen haben muss auf das Verständnis der Theolo­gie. Er wendet sich gegen eine Marginalisierung von Stimmen aus der Dritten Welt und insistiert auf einem globalen theologischen Diskurs mit einer missiologischen Agenda. Whiteman skizziert die frühen missiologischen Beiträge Hie­berts und stellt sich die Frage, zu welchen ak­tuellen Fragestellungen im Themenbereich Glo­balisierung - Kirche - Theologie die Ethnologie heute Beiträge leisten kann. Walls in seinem Aufsatz zeigt auf, dass das Überschreiten kul­tureller Grenzen in der Geschichte der Kirche immer auch zu neuen theologischen Fragen und in der Folge zu einem besseren Verständnis des Evangeliums als Ganzem geführt hat. Aus­gehend von dieser geschichtlichen Beobachtung erwartet er von der christlichen Begegnung mit den alten Kulturen Afrikas und Asiens heute neue theologische Impulse, die die theologische Arbeit der Weltchristenheit befruchten können. Der zweite Teil des Buches beginnt mit einem Aufsatz von Vanhoozer, eine Perle in dieser Aufsatzsammlung. Vanhoozer stellt sich zu­nächst der Kritik an unsrer „big fat Greek method“. Er verweist darauf, dass Theologie dem Geschichtscharakter und dem Weisheits­Charakter der Offenbarung verpflichtet sein muss. Dabei entfaltet er zwei Kriterien für eine Bewertung kontextueller Theologien: das kano­nische Prinzip (die Übereinstimmung der Deu­tung des Evangeliums und seines Lebensbezugs mit dem Charakter des Weges Jesu), und die Frage nach der Adäquanz improvisierender Weisheit, die zum Ziel hat, in neuen Situationen der biblischen Gesamtgeschichte entsprechend zu handeln. Dabei spielt die weltumspannende hermeneutische Gemeinschaft eine entscheiden­de Rolle für die Gestaltgewinnung des Evange­liums in verschiedenen Kontexten. Es folgen vier weitere Aufsätze zur methodischen Thema­tik. Strong und Strong analysieren den Bericht über das Apostelkonzil in Jerusalem und leiten daraus Aussagen ab im Blick auf die Rolle der Heiligen Schrift, des Heiligen Geistes und der hermeneutischen Gemeinschaft für den Prozess einer Globalisierung der Hermeneutik. Strauss untersucht am Beispiel der Äthiopisch-Ortho­doxen Tewahedo Kirche die Bedeutung kirch­licher Bekenntnisse für eine globale Christologie. Sein Fazit: Während kirchliche Bekennt­nisse nicht zu einem allgemein gültigen Maßstab für Rechtgläubigkeit erhoben werden können, dienen sie doch der Kirche als Fallstudien für das immer wieder notwendige theologische Ringen um eine biblisch verstandene Ortho­doxie in einem spezifischen Kontext und tragen gleichzeitig zu einer reicheren theologischen Gesamtschau bei. Van Engen beschäftigt sich in seinem Aufsatz zum Thema „The glocal [sic] church“ mit der Interaktion und Interdependenz der globalen und der lokalen Aspekte von Kir­che und Theologie. Er spricht von einem sich „gegenseitig befruchtendem Prozess des kriti­schen Theologisierens“ auf lokaler und globaler Ebene, bei dem die verbindenden Aspekte (common humanness, common faith, common fruit of the Spirit) ebenso berücksichtigt werden wie die lokal spezifischen Aspekte (diverse cul­tures, diverse faith stories, diverse gifts). Priest plädiert als Ethnologe – in Anlehnung an Geertz‘s „experience-near concept“ – für ein theologisches Arbeiten, das sich nah an der kon­kreten Erfahrung von Menschen orientiert. Er erläutert Hieberts und Ti6nous Modell einer missionalen Theologie am konkreten Beispiel des moralischen Diskurses zum Thema „Sünde" in der Kultur der Aguaruna Indianer. Der dritte Teil beginnt mit einem Aufsatz von Carroll, der am Beispiel der Armen Lateiname­rikas die Bedeutung der wirtschaftlichen Ent­wicklungen der Globalisierung für die theologi­sche Reflexion reflektiert. Ramachandra betont die Notwendigkeit einer differenzierten ge­schichtlichen Betrachtung der Interaktion von „Ost“ und „West“ und fordert eine kritische Kontextualisierung des Evangeliums in der westlichen Hemisphäre. Hiebert Meneses bietet aus ethnologischer Sicht Grundlagen für ein Verständnis der politischen Dimension des Na­tionalstaats und der ökonomischen Dimension einer globalen kapitalistischen Weltordnung. Ihr Ziel ist, die Kirche – hier hat sie zunächst die Kirche in den USA im Blick – zu einer kriti­schen Reflexion ihres eigenen politischen und ökonomischen Umfelds zu befähigen und auf synkretistische Tendenzen aufmerksam zu ma­chen. Dabei spielt das Hören auf die globale Ge­meinschaft der Kirche eine wichtige Rolle. Plueddemann skizziert die Herausforderungen der veränderten Missionssituation heute für bestehende Missionsgesellschaften, während McKinney Douglas Herausforderungen theolo­gischer Ausbildung im globalen Kontext be­nennt. Paul Hiebert selbst schreibt einen Beitrag zur Rolle des Missionars als Mittler in dem Prozess einer Globalisierung der Theologie. Er sieht den Weg zur Überwindung eines post­modernen theologischen Pluralismus in der Ent­wicklung eines metakulturellen Rahmenwerks, in dem ein echter pluraler Dialog über die Wahr­heit möglich ist. Ott fasst in seinem Aufsatz die Ergebnisse der unterschiedlichen Beiträge zu­sammen und geht der Frage nach, wie aus den unterschiedlichen Fäden lokaler Theologien eine gemeinsame Tapisserie werden kann. Dabei handelt es sich nicht um fertige Antworten, son­dern um Gedanken über einen Weg in die Zu­kunft, den die Kirche in ihrer globalen Vielfalt gemeinsam gehen muss und nur gemeinsam ge­hen kann.

Die Aufsätze bearbeiten das Thema aus der Sicht unterschiedlicher Disziplinen. Sie sind auch von unterschiedlicher Qualität. Alles in al­lem handelt es sich hier um ein beachtenswertes Buch zu einem zentralen und aktuellen mis­sionswissenschaftlichen Thema.

Dr. Jürgen Schuster, em 2008-3.

Outler, Albert C. Das theologische Denken John Wesleys. Kommentiert für unsere Zeit. Theologische Studienbeiträge Bd. 4, Christliches Verlagshaus, Stuttgart, 1991.

Alle evangelikalen Glaubensmissionen haben in der einen oder anderen Weise ihre Wurzeln in der Heiligungsbewegung, die auf eine Neubesinnung auf die Heiligungstheologie John Wesleys ab etwa 1835 zurückgeht. Da heute in den evangelikalen Missionen eher presbyterianische Theologie vorherrscht, ist es nützlich, sich mit der arminianischen Theologie Wesleys zu beschäftigen, besonders mit ‘seinem Verständnis von Sünde und Heiligung. Dieses Buch bietet einen guten Einstieg für den, der Wesleys Theologie näher kommen will.

Klaus Fiedler, em 1992-4.

Pakendorf, Gunther. Gustav Pakendorfs Jugend: Eine wahrhafte Geschichte, Berliner Beiträge zur Missionsgeschichte, Heft 2, April 2001.

Der Verfasser der zweiten Veröffentlichung der Berliner Beiträge ist Gunter Pakendorf, Associate Professor im Department of Modern and Classical Languages der Universität Kapstadt und Leiter der Forschungsgruppe „Mission und Moderne“ der National Research Foundation in Südafrika. Gegenstand seines Essays ist das im August 1995 von ihm gefundene Tagebuch, das sein Großvater Gustav Pakendorf in der Ausbildungszeit als Missionar in Berlin führte und im Oktober 1895 mit der Ankunft im damaligen Kaffraria (Südafrika) abschloß.

Der 1969 unehelich geborene Pakendorf wächst in einem unkirchlichen, sozial­demo­kra­tischen Elternhaus auf. Die Abwesenheit des Vaters wird vom Verfasser als ein Hauptmotiv der Wendung an und des Vertrauens auf Gott verstanden. Im evangelischen Jünglings- und Männerverein findet der junge Pakendorf eine geistliche Heimat. Hier reift der Wunsch, „auch ein Missionar zu werden und das Evangl.von Christo dem Gekrezigten den armen Heiden zu bringen“ (S.10). Der Anlass des Tagebuchs ist vor allem ein seelsorgerlicher: „es bewahrt vor mancher Sünde“ (S.8). Das Tagebuch beschreibt drei Abschnitte: (1) die Aspiratenzeit 1889-1895, die der eigentlichen Aufnahme als Missionskandidat ins Seminar der Berliner Mission vorausging (nach täglich 10 Stunden Arbeit in der Fabrik folgte der abendliche Aspirantenunterricht. Der Vater lehnt die Missionspläne des Sohnes entschieden ab); (2) die Zeit als Zögling im Seminar, (3) die Beschreibung der Reise von Berlin nach Xhosaland 1895. Über die letzen beiden Abschnitte erfährt der Leser in Gunther Pakendorfs Beitrag inhaltlich allerdings so gut wie nichts. So geht es auch nicht um eine theologisch-missionsgeschichtliche Betrachungsweise; vielmehr wird das Tagebuch einerseits sozialpsychologisch „als Protokoll einer für angehende Missionare im 19. Jahrhundert durchaus nicht untypischen Selbstfindung und der Erstellung einer neuen gesellschaftlichen Identität im sozialen Aufstieg des Großvaters vom Sohn eines einfachen Arbeiters zum angesehenen Missionar in Afrika gelesen. Zum anderen wird die Geschichte - sowie der Prozeß des Schreibens und Lesens - als literarischer Vorgang gewertet, unter Heranziehung erzählerischer Modelle aus der Literaturgeschichte, sowie als kommunikativer Akt“. Ein Stück biographischer Missionsgeschichte wird „in einen größeren gesellschaftlichen Diskurs eingebettet, an dem letztlich auch der Enkel als Leser und Vermittler der Geschichte beteiligt ist“ (Presse-mitteilung).

Hier werden wichtige Zusammenhänge in interdisziplinärer Perspektive dargestellt. Kritisch anzumerken ist allerdings, daß der Missionar und seine Berufung vollständig aus dem gesellschaftspsychologischen Zusammenhang heraus erklärt werden. Wäre nicht auch eine umgekehrte Sichtweise denkbar und für einen missionsgeschichtlichen Ansatz angemessen: das Evangelium von Jesus Christus als transformierende Kraft, die - bei aller kulturellen Begrenztheit und Konditionierung – wirkliche persönliche und geistliche Veränderung bewirkt – gestern und heute?

Dr. Friedemann Walldorf, em 2002-3.

Palmer, Donald C. Managing Conflict Creatively. A Guide for Missionaries and Christian Workers. Pasadena: William Carey Library, 1990.

Dr. Palmer arbeitete 13 Jahre mit Gospel Missionary Union in Kolumbien als Evangelist und Gemeindegründer und anschließend 20 Jahre in der Heimatleitung.

Das Buch ist als Seminarunterlage vorgese­hen und in fünf Teile (je mit Material für zwei bis drei Stunden) aufgeteilt. Die behandelten Themen sind: 1.) „Die Dynamik des Kon­flikts“, worin Konflikte als normal und eigent­lich sehr positiv dargestellt werden; 2.) „Me­thoden der Konfliktbewältigung“, worin fünf verschiedene Methoden mit ihren Stärken und Schwächen dargestellt werden; 3.) „Die Bibel und Konflikte“, worin sieben Beispiele in der Schrift untersucht werden; 4.) „Konfliktbewäl­tigung lernen“. Hier geht es darum, eine Strate­gie zu entwickeln; 5.) „Kulturelle Faktoren“. Hier werden mehrere Beispiele aus der Mission dargestellt.

Die beiden Grundfaktoren eines Konflikts, nämlich die Sache (Lehre, Prinzip etc.) und die Beziehung zwischen den zwei Parteien, werden klar dargestellt. Unsere Aufgabe und die eigentliche Kunst ist es, zu erkennen, welcheArt von Konflikt jeweils vorliegt, und welche Methode der Konfliktbewältigung am Besten dazu paßt. Zwei Paradoxe sind erwähnenswert: 1.) Je mehr wir jemand lieben, desto mehr Konflikte werden wir mit der Person habe; 2.) Je mehr Konflikte, desto stabiler wird die Beziehung sein. Konflikte sind nach Meinung des Autors Mittel zu einer positiven Entwick­lung von Beziehungen, wenn sie richtig und rechtzeitig verarbeitet werden.

Die wenigsten Leiter und Mitarbeiter sind im Bereich Konfliktbewältigung ausreichend vorbereitet. Unbewältigte Konflikte sind nach Palmer ein Hauptgrund, warum Missionare vom Missionsfeld zurückkehren. Weil das Buch so praktisch geschrieben ist, empfehle ich es sehr gerne. Wir haben dieses Seminar mit unseren Leitern mit viel Gewinn durchgeführt.

Rod Nidever, em 1994-2.

Partridge, Christopher (Hg.). Das Große Handbuch der Weltreligionen. Wuppertal: Brockhaus, 2006.

Das bewährte Handbuch Weltreligionen war zuletzt 1996 (hg. u. neu bearbeitet von Wulf Metz) erschienen. Die aktuelle Neufassung des englischen Originals (The New Lion Handbook „The World's Religions“) liegt nun in deutscher Übersetzung vor. Herausgeber ist Christopher Partridge, Professor für moderne Religionen an der Universität Chester in Großbritannien. Über 60 Autoren, vorwiegend aus Großbritannien, haben die - z.T. neu verfassten - Fachartikel beigesteuert.

Das Konzept einer allgemeinverständlichen Einführung in die wichtigsten lebenden Reli­gionen wurde beibehalten. Neu ist, dass nun jeder Religion in mehr oder weniger historischer Reihenfolge ein ganzes eigenes Kapitel gewid­met ist. Das Christentum wird nicht wie in früheren Ausgaben zum Abschluss dargestellt, sondern religionsgeschichtlich zwischen Juden­tum und Islam eingeordnet. Der Akzent wird damit stärker in Richtung einer möglichst wenig bewertenden Anordnung gesetzt. Dem Zoroas-trismus wurde ein eigenes Kapitel als heute noch lebendiger Religion gewidmet. Dargestellt werden darüberhinaus die Religionen des Al­tertums (Inkas/Azteken, Alter Vorderer Orient, Ägypten, Griechenland und Rom, Kelten, Skandinavien), die „einheimischen Religionen“ (1996 noch „Stammesreligionen“) sowie Hin­duismus, Buddhismus, Jainismus, Sikhismus und die Religionen Ostasiens (China und Japan). Das eröffnende Kapitel „Religion verstehen“ führt gut verständlich in akutelle religions­wissenschaftliche Perspektiven zur Interpre­tation und Erforschung von Religion und Religionen ein. Der gegenwärtigen Bedeutung eines stärker kulturwissenschaftlichen Reli­gionsbegriffs wird Rechnung getragen: „Was immer Religion sein mag oder nicht, sie ist zumindest ein rhetorisches Instrument, das die Mitglieder der betreffenden Gruppe einsetzen, um ihre Gruppenidentität zu klären“ (13). Die Kurzbiographien klassischer Religionswissen­schaftler sowie Fragen und Hypothesen der historischen Entwicklung der Religionen (Ur­Monotheismus-These, Evolutionsthese) werden im Gegensatz zur Ausgabe von 1996 (in der R. Brow vorsichtig zugunsten der Monotheismus­These argumentierte) nicht mehr thematisiert. Die Zeittafel der Religionen wurde beibehalten. Um den systematischen Zugang zu den ein­zelnen Religionen zu erleichtern, sind die Kapitel soweit wie möglich in jeweils sechs Themenbereiche gegliedert: (1) historischer Überblick, (2) Heilige Schriften, (3) wichtige Glaubenssätze, (4) Riten und Feste, (5) Familie und Gesellschaft und (6) Entwicklungen in der modernen Welt.

Das Kapitel über den Buddhismus wurde fast ganz neu geschrieben (leider wurde die über­sichtliche Graphik zu den verschiedene Rich­tungen des Buddhismus entfernt). Mit Recht werden auch problematische Aspekte des tantri-schen tibetanischen Buddhismus zumindest kurz angesprochen (S. 194), was einer möglichst unverstellten Wahrnehmung durchaus nicht ab­träglich ist. Leider ist der wichtige Artikel über den „Islam in der modernen Welt“ (T. Gabriel) weniger ausführlich und differenziert als der Beitrag von Nazir-Ali 1996. Die neu einge­führten Abschnitte zu „Familie und Gesell­schaft“ stellen die religiösen Systeme stärker in den Kontext der Alltagskultur. Die biogra­phisch-persönliche Bedeutung der Religion kommt in „Insider“-Perspektiven unter dem Motto „Ich bin ein… . „ (Hindu, Buddhist, Sikh … etc.) zum Ausdruck. Eine wichtige und not­wendige Neuerung stellt auch die Integration eines Abschnitts über „Christentum in China von heute“ im Kapitel über die Religionen Ost­asiens dar. Den Abschluss des Buchs bildet das Kapitel über „Religion in der Welt von heute“.

Es wurde teilweise aktualisiert, etwa durch einen Abschnitt zu „neuen religiösen Bewe­gungen“ sowie durch eine Erweiterung von A. Thiseltons religionsphilosophischer Auseinan­dersetzung mit der Postmoderne. Am Rande kritisch anmerken könnte man, dass im Kapitel über das Judentum die historische Dimension der alten biblischen Religion der Pa­triarchen und des Volkes Israel im Vergleich zur 1996er Ausgabe stärker in den Hintergrund tritt. Der 1996 enthaltene theologische und histo­rische Perspektiven verbindende Einführungs­artikel von David Harley („Die Juden - das erwählte Volk“) findet sich in der Neufassung ebensowenig G. Cowlings Abschnitte über Mose und Esra als historische Persönlichkeiten. Kritisch könnte man auch fragen, warum dem Zoroastrismus mit nur 115.000 heutigen An­hängern ein eigenes großes Kapitel gewidmet wird, während andere und größere religiöse Gruppierungen wie z.B. die türkischen Aleviten oder die kurdische Yezidi-Religion gar nicht erwähnt werden.

Das größere Format des Handbuchs bietet ein großzügigeres Layout, das ansprechend mit Farbfotos, Graphiken und Zitaten aus religiösen Quellentexten gestaltet ist. Enthalten ist wieder ein Kurzlexikon mit knappen Informationen zu religiösen Grundbegriffen und Persönlichkeiten. Ein Index ist (wie bisher) leider nicht vorhan­den, was zwar aufgrund der neuen Strukturie­rung leichter zu verschmerzen ist, aber die Ge­brauchsmöglichkeit als Nachschlagewerk ein­schränkt. Auch weiterführende Literaturhin­weise sind nicht vorhanden. Insgesamt stellt das neue Große Handbuch eine strukturelle Verbesserung und inhaltliche Aktua­lisierung eines bewährten Kompendiums dar.

Dr. Friedemann Walldorf, em 2007-3.

Paschke, Boris. Particularism and Uni­versalism in the Sermon on the Mount: A Narrative-Critical Analysis of Mat­th­ew 5–7 in the Light of Matthew’s View of Mission (NTA.NF 56) Mün­ster: Aschendorff, 2012.

Der Missionsbefehl am Ende des Mat­thäus-Evangeliums (im Folgenden Mt Ev) ist zweifellos einer der Schlüssel­texte für die Mission der Kirche. Meh­rere Studien haben gezeigt, wie sehr der Missionsbefehl in Mt 28 mit dem ge­samten MtEv verknüpft ist (etwa F. Hahn, P. Stuhlmacher). Ferner wurde im­mer wieder im MtEv die Spannung zwi­schen partikularen, exklusiv auf Israel bezogenen und universalen Aussagen be­ob­achtet, die die weltweite Ausbreitung des Heils im Blick haben. Dabei blieb die Bergpredigt bisher weitgehend un­be­rücksichtigt, obwohl gerade sie als Jün­ger­belehrung par excellence Auf­merk­samkeit verdient hätte. Die vorliegende Studie (Doktoraldissertation 2009, ETF Leuven, Martin I. Webber) des an der EFT in Leuven, Belgien, lehrenden Boris Paschke gilt den Aussagen der Berg­pre­digt, die auf diese universale Perspektive hindeuten. Nach knapper Schilderung der Problemlage und einem Forschungs­überblick skizziert Paschke zunächst die anwandte Methodik des narrative critic ism, einem aus der Literaturwissenschaft stammendem Instrument, dass sich ins­besondere für Erzähltexte eignet. Pasch­ke plädiert für dessen Anwendung, da die Bergpredigt als nicht-narrativer Text nicht für sich stehe, sondern integraler Bestandteil der Erzählung sei (für das gesamte Evangelium ist die Methoden­wahl sicher weiterführend, im Lehrtext der Predigt hilft sie nur bedingt weiter und tritt entsprechend in den Hinter­grund). Ferner geht es einführend um die Adressaten der Bergpredigt.

Der Hauptteil des Bandes untersucht Mt 5,13-16. Die geforderten guten Werke sind die Mittel des universalen Dienstes der Jünger an den „Menschen“ im All­gemeinen, d.h. Juden und Heiden. Ferner beleuchtet Paschke Inhalt, Ziel und Um­fang dieses Dienstes. Von Mt 4,13–17 her ist die Aufforderung an die Jünger „Licht der Welt“ zu sein als universale zentrifugale Bewegungsrichtung zu ver­stehen und nicht im Hinblick auf die eschatologische Völkerwallfahrt zum Zion (damit werden die Jünger schon vor­österlich im unmittelbaren Anschluss an die Bergpredigt zu Gesandten und He­rolden der Gottesherrschaft vor den Völ­kern, nicht nur im Hinblick auf den späteren Missionsbefehl). Die drei Hin­weise auf Heiden in Mt 5,47; 6,7f und 6,31f als Ausdruck der Haltung Jesu Heiden gegenüber sind negative Aus­sagen über Heiden und nicht als Aus­druck von Partikularismus zu verstehen. Hier sieht Paschke impliziten Uni­ver­sa­lismus: das anders bestimmte Leben der Jünger Jesu soll die Heiden auf den himmlischen Vater verweisen. Die Aus­sagen in Mt 7,6 über „das Heilige“ und die Perlen, die nicht den Hunden ge­ge­ben bzw. vor die Säue geworfen werden sollen, sind metaphorisch zu verstehen. Dabei handelt es sich um die guten Werke der Jünger verbunden mit er­läuternder Belehrung. Bei den „Hunden“ und „Schweinen“ handelt es sich nicht um Heiden, wie oft angenommen, son­dern um gefährliche politische und re­ligiöse Führer Israels, die von der Mis­sion der Jünger ausgenommen werden. Da das Gebot nicht die Heiden im Blick hat, ist es kein Ausdruck von Par­ti­ku­la­rismus. Zu den auf Jesu Lehre hörenden Menschen und ihnen geltenden Ver­heißungen nach Mt 7,24f gehören auch Heiden, so Mt 4,25, die zentripetal von der Lehre Jesu angezogen werden.

Abschließend skizziert Paschke den Uni­versalismus der Bergpredigt im Gesamt­zusammenhang der Erzählung sowie die Unterschiede zwischen der auf Israel beschränkten partikularen Mission Jesu (1,21; 2,6; 4,23–25; 7,24–27; 15,24 – die Erzählung bleibt nicht bei der Ab­weisung der Syrophönizierin stehen, sondern endet mit deren Heilung!) und den „drei Phasen“ der Mission der Jün­ger Jesu. Paschke unterscheidet eine an­fänglich zunächst universale Phase (Hin­weise in Mt 4,18; 4,23–25; 5,13–16; 7,28–8,17; 8,18–34; 9,1–34 und 9,34–10,4), der eine partikulare Interimsphase in Mt 10,5–28,17 folgt und einer Phase der universalen Öffnung mit dem Mis­sions­befehl am Ende des MtEv. Damit ist die Spannung zwischen Universalismus und Partikularismus zutreffend be­schrie­ben, auch wenn die partikulare Pha­se noch nicht ausreichend erklärt ist (vgl. S. 227–229; Paschke führt theologische und pragmatische Gründe an, er distanziert sich von der verbreiteten heils­ge­schicht­lichen Erklärung).

Bei einigen Anfragen im Detail kann Paschke überzeugend zeigen, dass be­reits die Bergpredigt universale Ele­mente beinhaltet, die sich in den uni­versalen Anfang und das Ende des Evan­geliums einfügen. Die hier dargestellte Bewegung (universaler Anfang, zwi­schen­zeitliche Einschränkung, abschlie­ßen­de universale Öffnung) zeigt, dass der nachösterliche Missionsauftrag Jesu fest im Leben und Dienst Jesu, aber auch der vorösterlichen Unterweisung und Nachfolgeethik Jesu verankert ist.

Prof. Dr. Christof Stenschke, em 2014-1.

Pasut, Ursula. Frauen in der Welt in der Mission: Geschichte und Gegenwart des Deutschen Frauen-Missions-Gebets-Bundes (DFMGB). Telos-Taschenbuch. [Jetzt SCM-Hänssler].

Um die Jahrhundertwende entstand unter Frauen eine Bewegung als Antwort auf die besonderen Nöte der Frau in der Dritten Welt. Aufgrund des Suchens nach ihrem Auftrag in der Welt und in der Mission gründeten einige Frauen den Deutschen Frauen-Missions-Gebetsbund (DFMG) mit dem Ziel, gemeinsam ihre Gaben in den Dienst Gottes zu stellen. Die Aufgaben sind unterschiedlich: Praktischer Dienst auf dem Missionsfeld oder Gebet und Rückhalt in der Heimat. Beide Dienste sind notwendig und gehören zusammen.

In lebendiger, übersichtlicher Weise schil­dert Ursula Pasut, eine der Patenmissionarinnen, die Arbeit des DFMG, seine Anfänge und seine Ziele. Sehr anschaulich sind die persönlichen Zeugnisse der Gründerinnen und Mitarbeiterinnen gehalten.

Jede Frau wird durch dieses Buch ange­spornt zur verbindlichen Zugehörigkeit und Mitarbeit in Gebet, Fürbitte und prakti­schem Dienst.

Die Adresse des DFMG lautet: Heister­kamp 18, 2000 Hamburg 63.

Elsbeth Schmid, em 1986-1

Pate, Larry D. From Every People. A Hand­book of Two-Thirds World Missions with directory / histories / analysis. Monrovia: MARC, 1989.

Larry D. Pate möchte Lawrence E. Keye’s Buch «The Last Age of Missions» (Pasadena: W. Carey Library, 1983) auf den neuesten Stand bringen. Lawrence E. Keyes und Larry D. Pate sind Mitarbeiter von Overseas Crusades (OC) Ministries. Keyes ist Prä­sident von OC, Pate ist seit 1984 der Ko­ordinator der Abteilung «Emerging Mis­sions ».

Larry D. Pate möchte die ganze Breite, das Wesen und das enorme Potential der schnell wachsenden Missionsbewegung der „nicht­westlichen“ Kirchen deutlich machen. Vor etwa 18-20 Jahren hat kaum jemand etwas über Missionsgesellschaften der sog. Dritten Welt gehört. Seit James Wongs bahnbre­chendem Buch „Missions from the Third World“ (Singapore Church Growth Study Centre, 1972) ist das anders geworden. Weitere Untersuchungen (z.B. Marlin L. Nel­son 1976, L. E. Keyes 1980) und Konferen­zen (z.B. Bangalore 1982) haben das Thema aufgegriffen. Heute gibt es etwa genauso viele Missionsgesellschaften in der sog. Dritten Welt wie in Nordamerika, Hinzu kommt, daß die Zahl der nichtwestlichen Missionare wahrscheinlich fünfmal so schnell steigt wie die der westlichen. Dies ist der Hintergrund für Larry D. Pates Buch.

Es ist ein Handbuch der missionarischen Aktivitäten der Kirchen in Lateinamerika,
Asien, Afrika und Ozeanien. Neben einer 50 Seiten umfassenden Analyse der Ent­wicklung und gegenwärtigen Situation bringt Pates Buch Fallstudien über Malawi, Argentinien und Indien (74 Seiten) und ein 165 Seiten umfassendes Verzeichnis von Missionsgesellschaften der Dritten Welt. Letzteres wurde auf Grund von Eigendar­stellungen der Missionen zusammengestellt: Anschrift, leitende Mitarbeiter, Zeitpunkt der Gründung, Zahl der Mitarbeiter um 1980, 1985 und 1988, Zahl der Missionare, die in einer anderen Sprache als ihrer Mut­tersprache arbeiten (cross-cultural missio-naries) und Arbeitsfelder der Missionen. Zum ersten Mal ist die Möglichkeit gegeben, die häufig zitierte Zahl von 15 249 (1982) und 20 000 (1988) Missionaren der Dritten Welt zu überprüfen. Das ist ein großes Verdienst.

Aber das Buch hat auch Schwächen. Wo Vergleiche mit westlichen Missionen ver­sucht werden, drängt sich die Frage auf, ob gleiche oder allgemein übliche Kategorien verglichen werden (S. 4, Definition). Da alle Daten auf Angaben der Zwei-Drittel-Welt-Missionen beruhen, muß gefragt werden, ob diese genügend überprüft wurden. In per­sönlichen Gesprächen mit Dr. Theodore Sri-nivasagam, dem zukünftigen Generalsekre­tär der Indian Evangelical Mission, und mit Patrick Johnstone, Autor von Operation World / Gebet für die Welt, wurde das im Blick auf die Daten aus Indien und Afrika stark bezweifelt.

Dietrich Kuhl, em 1990-2.

Paul, Frank und Ute Paul. Begleiten statt erobern. Missionare als Gäste im nordargentinischen Chaco, Schwarzen­feld: Neufeld Verlag, 2010.

Wenn es ein Buch über Mission gibt, das unbedingt lesenswert ist, dann dieses. Ute und Frank Paul und ihre Mitautoren entwerfen in Begleiten statt Erobern ein Bild von Mission, das ganz vom Geist Jesu geprägt ist. Ein Bild, in dem nach­vollziehbar wird, wie Mission nicht kul­tur­verändernde Einflussnahme von au­ßen, aus einer vermeintlich über­le­ge­nen Position heraus sein muss, son­dern ein einfühlsames Mit-Gehen und Mit-Leben in einer einheimischen Kultur. Einer Kultur, die entdeckt, dass Jesus Christus nicht „der Fremde“ ist, der Gott der Weißen, sondern die Erfüllung ihrer tiefsten Ahnungen und Hoffnungen.

Mision sin Conquista – Mission ohne Eroberung: So heißt der Titel des spa­ni­schen Originals. Das knallt! Und zwar gerade im lateinamerikanischen Kontext, in dem die spanische „Conquista“ der In­dios mit Schwert und Kanonenpulver vermeintlich im Namen des Kreuzes ge­schah. Dort war Mission und Eroberung auf das Engste verknüpft. Ein unseliges Erbe, das sich bis auf den heutigen Tag in vielen Bereichen Südamerikas aus­wirkt. Nicht zuletzt auch in der offi­ziel­len Polemik gegen einheimische evan­ge­lische Kirchen als vermeintliche „nord­amerikanische Sekten“. Doch die Kop­pe­lung von Thron und Altar, von Schwert und Kreuz war und ist immer ein Irrweg, der den Blick auf die befreiende Dy­na­mik des Evangeliums versperrt. Auch deshalb bin ich so froh über dieses Buch.

Denn Begleiten statt Erobern ist mehr als ein missionstheologischer Rechen­schafts­bericht, mehr auch als ein span­nen­der persönlicher Erfahrungs­be­richt, mehr als ein Leitfaden zu anteil­neh­men­dem Einfühlen in eine fremde Kultur und Ge­sellschaft. All das ist es und noch mehr. Ute und Frank ist es ge­lungen, die Toba, ein indianisches Volk im argen­ti­ni­schen Chaco, für den Leser zu Nahen, zu Nächsten zu machen. Un­wei­gerlich werden wir hineingezogen in das Leben, die Ängste und Freuden, in die Aus­weg­losigkeiten und tiefen Weis­heiten, in die Erfahrungen erlebten Un­rechts und die Erfolge der Toba. Die beiden Deut­schen haben viele Jahre dort mit den Men­schen gelebt, mitten unter ihnen, und haben gemeinsam mit einem inter­na­tio­nalen Team von Missionaren aus ver­schie­denen Konfessionen, ein neu­es Pa­ra­digma von Mission gelernt. Einen Weg, wo nicht der eine über dem an­de­ren steht, nicht die eine die andere lehrt, son­dern alle gemeinsam auf dem Weg sind, und der Heilige Geist sich in über­ra­schender Weise als Lehrer aller er­weist.

Da sein, schweigen, warten, hören, und noch einmal warten. Mate-Tee trinken, Weinen mit den Weinenden, Tanzen mit den Fröhlichen, Protestieren mit den Übervorteilten, das und vieles mehr machte den Alltag der Pauls unter den Toba aus. Nicht nur Missions­interes­sierte sollen und müssen dieses Buch lesen. Nein, es enthält ungeheuer wert­volle Einsichten und Wegweiser auch für unsere Aufgabe in unserem Land, einer zerfallenden Kultur neue Hoffnung, neuen Glauben und neue Liebe im Namen von Jesus zu schenken.

Dass außer Frank und Ute Paul auch der langjährige Freund und Wegbegleiter der Toba, der kanadische Mennonit Willis G. Horst mit einem Beitrag mit dem Titel „Anfänge und Entwicklung einer eigen­ständigen indianischen Kirche – Über die indianische Spiritualität der Toba/Qom-Christen im argentinischen Chaco“ zu Wort kommt, macht das Buch doppelt lesenswert. Horst beschreibt die ganz eigenständige Spiritualität der Toba, in der das indianische Erbe nicht verdammt oder verdrängt wird, sondern durch das Evangelium hindurch neu als Geschenk der Vergangenheit begriffen wird, das auch für die Zukunft einen Weg zeigt. Und ganz spannend ist das Kapitel von Orlando Sánchez, selbst ein Toba. Er arbeitet als Ausbilder an der Fach­hoch­schule des Chaco für indianische Lehr­kräfte und ist selbst Bibelübersetzer und indianischer Anthropologe. Sein „Ein­blick in die traditionelle Kultur des Toba-Volkes hat das Ziel: „Diese kurze Darstellung möchte einige unserer Ge­wohnheiten und Traditionen vor­stellen, die über Jahrhunderte mündlich weiter­gegeben worden sind. Diese Reichtümer wurden von unseren Vätern, Müttern und Großeltern über Generationen bewahrt.“ Sanchez eröffnet uns einen Blick in das Herz der Toba-Kultur. Gerade weil er sie als Reichtum begreift, kann er – so wie die anderen leitenden Toba-Christen – seinen Stammesgenossen auch den Reich­tum der Guten Nachricht auf­schlie­ßen. Dass bei dieser Begegnung in­dia­nischer Weisheit und biblischer Wahr­heit auch – jedenfalls für uns Deut­sche – überraschende Einsichten ge­won­nen wer­den können, zeigt ein Ab­schnitt aus dem Beitrag von Horst. Er be­schreibt, wie Joel Jara, ein 55 jähriger Pas­tor einer Toba/Qom-Kirche, dieses weit ver­brei­tete geistliche Verständnis des Wirt­schaf­tens zum Ausdruck brachte in einer Auslegung zu 2. Thessalonicher: „Schon unsere Vorfahren haben die Lie­be Gottes verstanden. Sie wussten, wie man mit­einander teilt, wenn jemand nichts hatte. Aus diesem Grunde wissen wir, dass jedes Mal, wenn ein nicht-in­dianischer Pastor oder Missionar uns zum Arbeiten drängen will und dazu den Text aus 2. Thessalonicher 3.10 verwen­det, in dem es heißt: ‚Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen’, dann wissen wir, dass diese Person keine Liebe von Gott in sich hat.“

Begleiten statt Erobern ist ein Buch ge­schrieben mit Liebe und mit Feuer, mit prophetischer Klarheit und einfühlsamer Zuwendung. Ich danke Ute und Frank Paul, dass sie uns damit ein Geschenk machen, das unser theologisches Denken erweitern und unsere Herzen neu öffnen kann. Es ist nicht nur ein Buch über den Chaco und die Toba. Es ist auch ein Buch über Gott und seine Wege mit uns.

Dr. Roland Werner, em 2011-1

Pechmann, Ralph; Martin Reppenhagen (Hg.). Zeugnis im Dialog der Religionen und der Postmoderne. Aussaat Verlag & Neu­kirchener Verlag: Neu­kirchen-Vluyn, 1999.

Pechmann, Ralph; Martin Reppenhagen (Hg.). Mission im Wi­derspruch: Religions­theologische Fragen und Mission morgen. Aussaat Verlag & Neu­kirchener Verlag: Neu­kirchen-Vluyn, 1999.

Zwei Veröffentlichungen des Deutschen Insti­tuts für Jugend und Ge­sellschaft der Offensive Junger Christen in Reichelsheim stellen Bei­träge zum Thema Christentum und Weltreli­gionen zusammen, wobei sich beide Bände in­haltlich stark überschneiden. Während der erste Band die Vor­träge einer Tagung in Reichels­heim enthält, ist der zweite Band ein dazu als Arbeitswerkzeug dienender umfangreicher Reader mit meist bereits veröffentlichten Arti­keln und Buchauszügen. Ziel ist das Gespräch zwi­schen allen Positionen, ‘exklusiven’ wie ‘inklusiven’, ‘evangelikalen’ wie ‘liberalen’. So finden sich auf der einen Seite Beiträge von Peter Beyerhaus, Werner Neuer, Alister Mc­Grath, Heinzpeter Hempelmann oder Chris Sudgen und Hanna Josua, im Mittelfeld von Lesslie Newbigin, Gerald H. Anderson und David G. Bosch, und schließlich von Henning Wrogemann (‘Multiperspektivischer Inklusi­vismus’), von Wolfhart Pannenberg und Paul Knitter. Martin Reppenhagen, der als einziger Herausgeber selbst Beiträge beigesteuert hat, vertritt jeweils eine von der evangelikalen Sicht herkom­mende, den Religionen jedoch sehr offen gegenüberstehende Sichtweise, die er bewußt von Leslie Newbigin herleitet. Ins­gesamt verstehen sich die beiden Bände weni­ger als Positionsbestimmung, denn als Anre­gung für ‘liberale’ Christen, Mission neu zu beden­ken, und an ‘evangelikale’ Chri­sten, ihre Sicht der völligen Ablehnung des Wahrheits­gehaltes anderer Religio­nen zu überprüfen. Was darüber zu denken ist, hat meines Erach­tens der evan­gelikale Angli­kaner und Professor in Oxford Alister McGrath im Tagungsband in seinen drei ausgezeichneten Vorträgen am be­sten dar­gestellt.

Dr. Thomas Schirrmacher, em 2000-2.

Penner, Glenn M. Im Schatten des Kreuzes. Verfolgung und Christus­nach­folge: Eine biblische Theologie. Wup­pertal: SCM R. Brockhaus, 2011.

Der kürzlich an Krebs verstorbene Glenn Penner war zuständig für die Öffentlich­keitsarbeit des kanadischen Zweiges von „Voice of the Martyrs“ (Hilfsaktion Märtyrerkirche). Als Sprecher auf Kon­fe­renzen und in Kirchen westlicher Län­der sowie auf Pastorentreffen in Ländern mit Verfolgung entdeckte Pen­ner, wie ausführlich die Bibel gerade auf die Verfolgung, also das „Leiden um Gerechtigkeit willen“ (S. 14) eingeht.

Penners Buch, das zu einer „biblischen Theologie der Verfolgung“ beitragen will, ist – weitgehend in der Reihenfolge der biblischen Bücher – voller exe­ge­tischer Studien zu biblischen Aussagen, die aufzeigen, dass buchstäblich von 1. Mose bis zur Offenbarung Verfolgung ein Grundthema der biblischen Botschaft ist. Laut eigener Zielsetzung (S. 180) will Penner im ersten Teil seines Buches zeigen, dass Leiden den Zielen und der Person Gottes nicht fremd sind. Der nachfolgende zweite Teil stellt die Lehren Jesu über Verfolgung und die Verkündigung und Praxis der Apostel dar.

Penner deckt eine Linie auf von der ersten göttlichen Verheißung in 1. Mose 3,15 (S. 36 – aufgegriffen in Offen­barung 12, S. 383) bis zum End­sieg Gottes und des „Samens der Frau“: Zum Sieg („Kopf zertreten“) muss es durch Leiden („Ferse stechen“) gehen. Leiden ist die Folge der Tatsache, dass die Welt vom Bösen/Satan beherrscht wird und wir in Verbindung mit Christus gegen ihn kämpfen. Aus der Fülle der von Penner genannten und erläuterten bib­li­schen Belege seien hier nur einige we­ni­ge Beispiele genannt: Der erste mensch­li­che Tod in der Weltgeschichte ist ein Märtyrertod („Kain und Abel“, S. 44-47). Verfolgung beginnt dort auf­grund von religiöser Intoleranz und spielt sich im engsten Familienkreis ab. Auf S. 113-115 geht Penner auf die sogenannten „Rachepsalmen“ ein. Sie sind laut Pen­ner Gebete um göttliche Gerechtig­keit, nicht Ausflüsse mensch­lichen Grimms. Beter schütten ihr Herz vor Gott aus. Die „Rachepsalmen“ wer­den daher gerade unter verfolgten Chris­ten verstanden und geschätzt. Jesaja (S. 121-124) zeigt pro­phetisch auf (be­son­ders Jesaja 53), dass Leiden (wie vorher von Penner dar­ge­stellt) nicht nur Strafe für Sünde, Dis­ziplinierung zwecks Er­ziehung oder Ver­folgung aufgrund un­se­rer Nähe zu Gott sein kann. Gott setzt Leiden viel­mehr auch als Methode ein, seine Ziele in dieser Welt zu ver­wirk­lichen. Um Lei­den und Tod zu besiegen, benutzt Gott den Weg von Leiden und Tod.

Ausführlich legt Penner dar (S. 135-144), dass Gott nicht erst in Christus ein leidender Gott ist, und geht dabei auf das Argument der „Impassibilität Gottes“ (der Lehre, dass Gott aufgrund seiner Un­veränderlichkeit nicht leiden könne) ein. Nicht aufgrund von Schwäche, son­dern aufgrund seines souveränen Ent­schlusses zur Liebe geht Gott das Risiko ein, zurückgewiesen zu werden und da­durch zu leiden. Als Liebender leidet er auch mit seinem Volk. Als Jesus dann seine Jünger schult, steht die Vor­be­rei­tung auf Leiden und Verfolgung im Vor­der­grund (vgl. besonders Matthäus 10, 16-42; S. 184-210). Gerade in Matthäus 10 wird deutlich, dass Mission und Leiden untrennbar verknüpft sind (S. 184). Auch in den Briefen des Apostels Pau­lus finden sich zahlreiche Aussagen über Leiden. Schlüsseltext ist der 2. Ko­rin­therbrief (S. 279-292), in dem Paulus seine Stellung als Apostel mit seinen Lei­den um Christi willen verknüpft. Penner schließt seine tief gehende Studie ab mit dem Hinweis darauf, dass für die Wiederkunft Jesus nicht nur die Ver­kün­digung des Evangeliums an alle Völker (Matt. 24,14) Bedingung sei, sondern auch die Vollendung der Zahl der Mär­ty­rer (Off. 6,9-11). Er fragt: „Bin ich be­reit, der letzte Märtyrer für Jesus zu sein?“ (S. 390)

Ausgehend von der weiten Sicht für die weltweite Gemeinde Jesu heute und den tiefen Einblicken in das biblische Zeug­nis wird Penners Buch zu einer Her­aus­forderung gerade für uns westliche Chris­ten: Es geht beim Thema Lei­den/ Verfolgung nicht nach dem Motto: „Jesus macht Dein Leben schön; aber manchmal wirst du auch etwas leiden müssen!“ Biblische Lehre ist vielmehr: „Leiden um Christi willen ist aus­drück­lich Teil deiner Berufung. Weil Gott aus Liebe leidet – und weil in Christus der Weg durch Leiden und Sterben zur Kraft und zum Sieg geht, darum muss sich diese ‘Methodik Gottes’ auch in deinem Leben durchziehen, wenn du Diener in seinem weltweiten Auftrag sein willst.“

Wolfgang Häde, em 2012-3.

Penner, Peter F. (Ed.). Christian Presence and Witness among Muslims. Schwarzenfeld: Neufeld Verlag, 2005.

Der vorliegende Sammelband ist eine Veröffentlichung von Referaten, die bei der Konferenz zum Thema „Presence and Witness among Muslims” am International Baptist Theological Seminary (IBTS) in Prag im Februar 2004 gehalten wurden. Teilnehmer aus 31 teils muslimischen Nationen, und renommierte Redner wie Dr. David Shenk von der Eastern Mennonite Missions und Dr. Kenneth Cragg (leider nicht durch einen Aufsatz im Sammelband vertreten) zusammen mit Dozenten des IBTS bedachten miteinander das Verhältnis zwischen Muslimen und Christen auf der persönlichen und theologischen Ebene. Nicht alle Referate wurden zu Aufsätzen des Sammelbandes. In den Band wurde außerdem die Prague Declaration on Christian Presence and Loving Service among Muslims aufgenommen, die während der Konferenz verfasst worden war. Die einzelnen Aufsätze beschäftigen sich, grob sortiert, mit drei Fragestellungen: 1. Wie lässt sich der christliche Glaube liebevoll und überzeugend einem Muslim erklären? 2. Welche Bedeutung hat die Hijra und das muslimische Verständnis von der Bibel für die Begegnung mit Muslimen? 3. Wie lässt sich der christliche Glaube in spezifischen Kontexten (Mittlerer Osten, Zentralasien, Bektashi-Albaner, multireligiöse Nachkriegsgesellschaft) bezeugen? Das Anliegen des Bandes besteht in der Erreichung eines zeugnishaften Dialogs, der von offener und freundlicher Begegnung und Respekt geprägt ist.

Die Prague Declaration geht vom dreieinigen Gott aus und setzt somit ein klares theologisches Zeichen gegenüber dem radikalen Monotheismus des Islam. Der Schöpfergott wird nicht als gemeinsamer Gott bezeichnet, wohl aber die Liebe zu diesem Gott als „gemeinsame Liebe“. Vollständiges Vertrauen zu diesem Gott aber ist erst durch Jesus möglich. Dieser Ansatz verdeutlich schon das Verständnis von Dialog: Wo eine Anknüpfung möglich ist, wird dem Muslim durchaus zugestanden, etwas Gutes zu intendieren oder auch zu praktizieren; dabei muss jedoch deutlich werden, dass durch Jesus ein entscheidender und soteriologisch relevanter Unterschied in der Beziehung zum Schöpfergott besteht. Der Heilige Geist wiederum ermöglicht eine Gemeinschaft der Anhänger Jesu untereinander, die große Diversität erlaubt und somit transkulturell möglich ist. In seinem ersten Aufsatz (Faithful Christian Witness among Muslims; 20-35) weist David W. Shenk darauf hin, dass die Bindung des Islam an die arabische Kultur durch die Göttlichkeit des arabischen Korans unauflösbar ist. Die christliche Kirche dagegen ist transkulturell und genau darin auch ein wichtiges Zeugnis des universalen und kulturell unabhängigen Evangeliums von Jesus Christus. Der eigentlich missionarische Ansatz der Prague Declaration liegt im Aufbau einladender Gemeinschaften. Daneben überwiegen Aussagen zum respektvollen Umgang mit Muslimen, Freundschaftsbeziehungen zu Muslimen, Dienst für einheimische Gemeinden und Einstehen für Verfolgte Christen aus muslimischem Hintergrund.

Die Zusammenstellung der Aufsätze wirkt auf den ersten Blick zufällig und unverbunden. Neben den beiden sehr inspirierenden Aufsätzen von David W. Shenk stehen zwei weitere zu spezifischen Fragen des islamischen Glaubens. Alle anderen beschäftigen sich mit spezifischen Regionen. Besonderes Interesse wird der allgemein interessierte Leser deshalb den Referaten von Shenk zuwenden, die in der Tat sehr inspirierend sind. Anhand der Reformbewegung des Islam identifiziert Shenk fünf zentrale Punkte, die für den heutige Islam prägend und wesentlich sind: die göttliche Herabsendung des Koran (tanzil), die Errichtung der islamischen Gemeinschaft in Medina nach der hijra, die Einheit Allahs (tauhid), und die daraus folgende Lehre von der Notwendigkeit der Unterwerfung aller Muslime und letztlich aller Menschen überhaupt unter Allah, das Verbot von Neuerungen (bidah), weil der Islam unveränderlich ist und das Verbot von „Beigesellung“ zu Allah (shirk), das jeden Götzendienst aber auch jede Infragestellung Allahs durch eine andere Autorität, z.B. den Staat, verbietet.

Interessant ist nun der Versuch Shenks, die Begegnung der Gemeinde mit der islamischen Gemeinschaft (ummah) entlang dieser fünf Reformanliegen des Islam zu beschreiben. So wird die „göttliche Herabsendung“ (tanzil) mit der göttlichen Inkarnation verglichen und dann auf die Aufgabe der Gemeinde übertragen: kulturelle Inkarnation in jeglichen Kontext, um das Evangelium jeder Kultur gemäß zu verkündigen und zu leben. Der zwingenden Macht der ummah, die nach der hijra errichtet wurde und Vorbild und Muster für alle heutigen Versuche eines politischen Islam ist, steht im vollen Kontrast die Opferbereitschaft der Gemeinde gegenüber, die ihr Kreuz auf sich nimmt und ihrem Herrn nachfolgt. Die Einheit Gottes (tauhid) ist auch im christlichen Glauben nicht in Frage gestellt. Jeder Art von Polytheismus muss vehement gewehrt werden. Neben einer deutlichen Klarstellung, dass Jesus nicht durch einen geschlechtlichen Akt gezeugt wurde, muss nach Shenk die Gemeinde das Vorbild Jesu leben. Der Verweigerung jeglicher Neuerung (bidah) steht die eschatologische Hoffnung der Gemeinde auf einen neuen Himmel und eine neue Erde gegenüber. Diese Hoffnung wird zeichenhaft schon jetzt auf Erden sichtbar und wird deshalb von der Gemeinde aktiv verwirklicht: das Reich Gottes ist schon angebrochen, aber noch nicht vollendet. Allein zum Thema shirk bleibt Shenk kurz angebunden und wenig schlüssig.

In seinem zweiten Aufsatz (Christian Presence and Witness among Muslims) entfaltet Shenk anhand von 1.Petrus 2-3 seine Überzeugung von einem zeugnishaften Lebensstil. Die beiden Fachartikel zur Bibel (Corruption and/or Misinterpretation of the Bible) und zur Hijra (The Hijra and its meaning for the Muslim community) sind in ihrem Anspruch sehr unterschiedlich. Während letzterer einen guten Einblick in das politische Verständnis des Islam gibt, ist ersterer sehr anspruchsvoll und für den nicht Vorgebildeten schwer verständlich.

Fazit: Die Aufsätze in diesem Band sind kompetent und anregend, weisen mutig nach vorne und helfen im Gespräch und in der Begegnung mit Muslimen. Nicht jeder Aufsatz wird den Leser interessieren, wenn er nicht mit der speziellen Fragestellung zu tun hat. Aber jeder, der sich mit der Frage auseinandersetzt, wie wir als Christen mit Muslimen leben und unseren Glauben bezeugen können, wird eine Reihe von hilfreichen Beiträgen guter Qualität finden.

 Ulrich Neuenhausen,em 2007-2.

Penner, Peter F. (ed.). Ethnic Churches in Europe - A Baptist Response. Neufeld Verlag Schwarzenfeld, Oktober 2006.

Dieser Band versammelt Beiträge einer Kon­ferenz zu ethnic churches in Prag im Juni 2006. Es ist lobenswert, dass er so schnell veröffent­licht wurde, denn das Thema ist aktuell. Das Buch gliedert sich in vier Teile. Unter dem Titel „Sociological Studies“ liefert Paul Weller eine exzellente soziologische Analyse der Be­griffe „Europa“, „ethnische Minoritäten“ und „changing face“ und reflektiert über die Rolle von Religionen in diesem Feld. Seine „working conclusions“ sind dann theologischer Art: Er ruft die Baptisten auf, sich gegen Fremden­feindlichkeit zu engagieren und stellt fest, dass die Ekklesiologie einer Glaubenskirche eine „narrative christology“ fordere: Eine solche „christology of invitation rather than a christo-logy of gatekeeping“ ermögliche ein christliches Zeugnis in einem multireligiösen und multi­kulturellen Kontext. Die Hauptherausforderung, der sich die Kirchen stellen müssten, sei „how to avoid confusing either Christian witness or Christian unity with the promotion of one cultural or confessional form of Church.“ Der zweite Teil unter dem Titel „Ethnic churches - a Biblical mandate“ enthält zwei Aufsätze, die allerdings den Anspruch des Titels nicht vertreten. Eine Studie von Michael Kisskalt zu „The challenge of Immigrants in Old Israel According to the Testimony of the Old Testament“ bietet einen guten biblisch­theologischen Überblick mit einigen Konse­quenzen für die heutige Praxis im Umgang mit Migranten. Unter dem Titel „Homogeneous Unit Principle, Ephesians 2 and the Early Church Praxis“ liefert Peter F. Penner eine intensive Exegese von Epheser 2 sowie einiger Texte aus der Apostelgeschichte. Er lehnt einen biblizis-tischen Ansatz entweder für oder gegen das homogeneous unit principle ab und zeigt, dass es bereits in der Urkirche ganz unterschiedliche Modelle des Kircheseins gab. Dieser Aufsatz ist für eine innerevangelikale Debatte sicherlich wichtig; im landeskirchlichen Bereich müsste die kritische Auseinandersetzung jedoch eher bei der Identifikation von Evangelium und Kultur ansetzen, die im Konzept von „Volkskirche“ (im Sinne einer ethnischen Kirche!) implizit vorausgesetzt wird. Im dritten Teil geht es um „Issues of Second Generation Immigrants“. Peter F. Penners gelegentlich nur schwer nachzuvollziehender und manchmal arg spekulativ wirkender Artikel über Johannes Markus als Migrant und Christ der zweiten Generation trägt wenig für die Praxis bei. Dagegen ist Michael Kisskalts Arti­kel über Interkulturalität und Integration über­sichtlich, praxisorientiert und pädagogisch gut aufgebaut. Zu bedauern ist allerdings, dass dieser Artikel wissenschaftlich auf dem Stand der neunziger Jahre verbleibt und damit geprägt ist von zu statischen Begriffen von Kultur und Identität. Die gegenwärtige Diskussion um flexi­ble und hybride Identitäten z.B. in den Kultur­wissenschaften (ganz zu schweigen von den postcolonial studies) wird überhaupt nicht zur Kenntnis genommen.

Der vierte Teil des Bandes schließlich besteht aus Berichten aus verschiedenen Kirchen und Ländern Europas von sehr unterschiedlicher Qualität. Sie zeigen eine Vielfalt von Ansätzen in der interkulturellen Arbeit der Kirchen und die große Unterschiedlichkeit der jeweiligen Kontexte. Besonders konkret sind die Berichte über die International Baptist Convention, die Sarka Valley Community Church im Großraum Prag und vor allem die facettenreiche Studie über die Baptist Union of Great Britain (BUGB). Dass die BUGB in ihrer theologischen Ausbildung ein racism awareness training verpflichtend einschließt, setzt ein Beispiel, das auch anderswo in Europa Schule machen sollte! Alles in allem ist dieser Band ein brauchbares Buch mit einigen Schwächen, dem eine breite Leserschaft auch außerhalb evangelikaler Kreise zu wünschen ist.

Claudia Währisch-Oblau, em 2007-3.

Penner, Peter F. (Hg.). Theological Education as Mission. Schwarzenfeld: Neufeld Verlag, 2005.

Theologische Ausbildung als Mission. Immer noch überrascht der Titel des Buches. Kommt die theologische Ausbildung nicht sachlich und zeitlich nach der Mission? Doch Matth. 28,18­20 („lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe“) gehört zum sogenannten „Mis­sionsbefehl“. Insofern ist dieses Thema nicht nur hochaktuell, sondern zugleich fest in einer biblischen Tradition verwurzelt, deren wir uns heute all zu oft nicht genügend bewusst sind. Theologische Ausbildung als Mission – der Titel ist zugleich der „rote Faden“ in dieser Samm­lung sehr unterschiedlicher Artikel, was Her­kunft, Breite und gedankliche Dichte angeht. Peter F. Penner gebührt Dank und Anerkennung für die Herausgabe der beinahe 20 Vorträge und Fallstudien, die im Rahmen einer internationalen Konferenz am Baptist Theolgical Seminary, Prag, im Februar 2005 gehalten wurden. Das Thema der Konferenz lautete: „Theological Education as Mission - Mission in Theological Education“. In dem Sammelband kommen inter­national bekannte Fachleute zu Wort wie z.B.: Andrew Kirk, David W. Shenk, Duane H. Elmer oder Linda Canell. Sie haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer wieder zur Inte­gration von Theologie, Mission und Theolo­gischer Ausbildung angeregt. Dazu kommen dann aber auch aufschlussreiche Beiträge osteu­ropäischer Theologen. Sie reflektieren gesam­melte Erfahrungen im Bereich theologischer Ausbildung - meist im Kontext von Missions­arbeit. Hier werden spannende Fragen gestellt und eigenständige Überlegungen angestellt (z.B. Kap. 11 „Towards Convictional Theological Education“ von Parush R. Parushev). Manchmal überraschen bereits die Titel, wenn z.B. Lina Andronoviene ihren Beitrag überschreibt: „On Baptistic Monasticism as Educational Mission“. Als Leser erhält man Einblicke in Theologische Ausbildungsstätten und ihren jeweiligen Kon­text, die hierzulande noch nicht so bekannt sind. Damit wird ein wichtiger Beitrag geleistet im Zusammenwachsen europäischer theologischer Ausbildung. Beim Lesen des Buches stellt sich allerdings auch Ernüchterung ein. Manche der Fragen und Klagen sind nicht wirklich neu. Schon seit Jahren sind sie zu hören und zu lessen, z.B. die Frage nach der Kontex-tualisierung theologischer Ausbildung oder die notwendige Zusammenschau von Mission, Theologie und Fragen der Erwachsenenbildung. Ist theologische Ausbildung wirklich so „träge in ihrem Herzen“, dass (zu) wenig Innovation erfolgt?!

Anderseits stellt der Sammelband ein Mut machendes Buch dar, denn er zeigt, wie ein Mit­einander von Ost und West bereichernd ist, wenn wir lernbereit sind - in Ost und West. Einige der Artikel erschienen parallel zum Buch im Common Ground Journal Vol. 3 (1/2005), das hiermit ebenso empfohlen sei. Mich person­lich hat der Beitrag von Andrew Kirk - einem der „Altmeister“ innovativen Denkens über Theologische Ausbildung - zum Nachdenken herausgefordert. Immer noch hat Kirk die Kraft, unverdrossen, mutig und weit reichend zu träu­men, wenn er in seinem Beitrag ein Curriculum entwirft, von dem er sagt: „I do not know per­sonally of any theolgical institution that has adopted a curriculum like this“ (S.16 in seinem Beitrag mit dem Titel: Reenvisioning the Theological Curriculum as if the Missio Die mattered).

Wer sich für den Zusammenhang von Mission und Theologischer Ausbildung interessiert, der erlebt beim Lesen, was Peter Penner in seinem Vorwort als Ziel formuliert: „These papers have been collected to stimulate further discussion on theological education“ (S.12).

Traugott Hopp, em 2007-4.

Pfister, Jürg. Motivation der Generation X. Das Potential der Generation X als Herausforderung für christliche Gemeinden und Missionswerke. Nürnberg: VTR, 2003.

Wenn ein Praktiker sich die Zeit nimmt, strukturiert über sein Lieblingsthema nachzudenken, dann kommt dabei allermeist etwas sehr empfehlenswertes heraus. So ist es auch bei Jürg Pfisters „Motivation der Generation X“. Jürg Pfisters Liebe zur Weltmission verbindet sich in diesem Buch mit seiner Liebe zur Generation X und reflektiert wissenschaftlich die Möglichkeit, die postmoderne Jugend heute für Gottes ältestes Anliegen zu gewinnen, dass „Menschen aus allen Völkern Vergebung, Befreiung und Frieden durch Jesus Christus finden und ihn tief zufrieden und glücklich anbeten.“ Pfister analysiert dafür sehr eindrücklich die Generation X und hilft dem Leser aus seiner reichen Erfahrung heraus diese Generation nicht nur zu verstehen, sondern auch lieben zu lernen. Daraufhin geht er speziell auf die Situation von Gemeinden und Missionswerken ein und erläutert in anschaulicher Weise, wie der Umgang mit der Generation X für alle Seiten am fruchtbringendsten wird. Seine detaillierte Beschreibung der Motive sowie die verschiedenen Beispiele gelungener Motivation der Generation X machen dieses Buch zu einer Fundgrube für interessierte Leser.

Der Wert der vorliegenden Arbeit liegt zum großen Teil in seiner Praxisnähe. Meisterlich leitet Pfister hilfreiche Thesen her und untermauert sie mit empirischen Erkenntnissen. Dabei greift er nicht nur auf christliche Autoren zurück, sondern versucht vor allem den aktuellen Stand der Motivationsforschung für diese Fragestellung fruchtbar zu machen. Die Bibliographie enthält wertvolle Hilfen zur Vertiefung des Gesagten. Auch wenn einige seiner Aussagen vielleicht nicht mit den Erfahrungen seiner Leser übereinstimmen, schmälert das nicht den Wert der Studie. Es ist sehr schwierig eine Generation zu beschreiben, die sich mit aller Macht versucht den Kategorien der Wissenschaft zu entziehen. Eine weitere Stärke des Buches liegt in Pfisters kritischer Reflektion der Generation X im Licht der Bibel. So zeigt er Bereiche auf, in denen ihr Blick für Gottes Werk erweitert werden muss und in denen ihre eigenen Lebenseinstellungen durch das Licht des Evangeliums in die richtige Richtung gelenkt werden müssen.

Dieser letzte Aspekt hätte aber meiner Ansicht nach ein stärkeres Gewicht bekommen müssen. Pfisters Studie tendiert eher dazu, die positiven Seiten der Generation X herauszustellen. Man spürt dem Stil des Buches auch ab, dass es ursprünglich als eine wissenschaftliche Abschlussarbeit und nicht als ein Leitfaden für Gemeinden und Missionswerke geschrieben wurde. Dennoch ist es gut lesbar. Eine sehr spannende Frage behandelt Pfister leider nur am Rande: Ist die Generation X wirklich ein Vorausläufer späterer Generationen? Stimmt es, dass mit der Generation X eine neue Zeit angebrochen ist und alle folgenden Generationen in ihren Fußspuren gehen? Wenn ja, dann hätte seine Studie nicht nur gegenwärtigen Wert. Jedoch ist es so, dass die Generation Y (oder die Generation @ wie Pfister sie nennt) in unseren Gemeinden heranwächst und bereits in unseren Bibelschulen und auf unseren Missionsveranstaltungen auftaucht. Es zeigt sich, dass diese Generation aber einen ganz anderen Ansatz hat. Dennoch ist Pfisters Buch für das Verständnis und die Motivation von der Generation X das beste, was ich im deutschsprachigen Kontext kenne.

Hans Walter Ritter, em 2003-4.

Pirolo, Neal. Berufen zum Senden. Praktische Tips für verantwortungsbewußte Christen. Neuhausen: Hänssler, 1993.

Wie kann eine Gemeinde Missionare wirksam unterstützen? Zu diesem wichtigen Thema gabes bisher kaum etwas auf Deutsch zu lesen. Pirolo bietet dazu eine Fülle hilfreicher Gedan­ken. Er unterscheidet sechs Bereiche der Unterstützung: Moralische Unterstützung, ver­waltungstechnische Unterstützung (diese bei­den Übersetzungen treffen nicht ganz, was gemeint ist, lassen es aber ahnen), Geld, Gebet, Kontaktpflege, Rückkehr. Ein Leitfaden für Gruppenarbeit zu jedem Kapitel soll die ein­zelnen erkennen lassen, wo ihre Gabe liegt und in welchem Bereich sie für einen Missionar Verantwortung übernehmen wollen. Bei dem Versuch der praktischen Anwendung wird allerdings deutlich, daß ein Buch, das ursprünglich für amerikanische Verhältnisse geschrieben ist, nicht einfach nur ins Deutsche übersetzt werden kann. Es müßte eigentlich neu geschrieben werden unter Berücksichtigung von Strukturen, Frömmigkeit und Theologie im deutschsprachigen Raum. Haben wir denn nie­mand dazu? Manches in dem Buch wirkt über­trieben: Es beginnt mit dem drastischen Bei­spiel einer jungen Frau, die sich nach einem Kurzzeiteinsatz das Leben nehmen will, weil ihr Pastor sie in der Gemeinde nicht berichten läßt.

Integriert wird ein Kapitel von Luis Bush über das 10/40 Fenster, dessen Text wenig überzeugend ist, dessen 7 farbige Karten aber umso attraktiver sind. Leider sind diese will­kürlich mitten im „Leitfaden“ plaziert. (Dieses Kapitel ist auch als Sonderdruck bei OM, Pf 1561, D-74819 Mosbach gegen eine Spende erhältlich.)

Christof Sauer, em 1994-3.

Podobri, Martin. Transformation in Österreich. Kultur- und gesellschafts­relevanter Bau des Reiches Gottes im freikirchlichen Kontext (Studien zu Spiritualität, Transformation und Ge­meindebau in Österreich 1) Bonn: Verlag für Kultur und Wissenschaft, 2011.

Wie können Freikirchen Österreich mit dem Evangelium verändern? Martin Podobri, Pastor der Mennonitischen Frei­kirche Linz, entfaltet in seiner Ab­schluss­arbeit für das ITG (Institut für Theologie und Gemeindebau) ein ganz­heitliches Missionsverständnis (19-42). Ein ebenso ganzheitliches Menschenbild, die Betonung einer biblischen Schöp­fungs- und Gesellschafts­verantwortung und einer kontextualisierten Mis­sion (42-53) stützen es. Haben Gläu­bige den Auftrag, die Gesellschaft zu ver­ändern (53-56)? „Jeder Christ, der den Mis­sions­auftrag ernst nimmt, wird seine Um­welt ebenso verändern, wie auf Dauer sündige Strukturen.“ (55) Es gin­ge hier nicht darum, ob wir gesell­schaftliche Ver­än­derung wollen, sondern um die Frage: „Wer verändert wen?“ (55) Wachsender Individualismus in Ge­meinden zeigt, wie sie sich mit der Gesellschaft ändern. Vom ganzheitlichen Bild weicht das traditionelle Missions­verständnis österreichischer Freikirchen (56-64) ab, sowohl in Verkündigung und Umsetzung („kleine Rettungstrupps, die in die Welt hinausgehen, um das Verlo­rene zu finden“, 58) als auch einem dualistischen Gemeindeverständnis.

Die prägendste Epoche der politischen und religiösen Geschichte Österreichs (65-90) sieht der Autor in der Gegen­re­formation, die den Ländern großen Scha­den und ihrer verbliebenen Bevölkerung eine anhaltende Neurose vermachte (105): „Die Gegenreformation kann als das dunkelste Kapitel in der Geschichte Österreichs bezeichnet werden . . .“ (68). Hier schießt der Autor rhetorisch un­glücklich übers Ziel hinaus: Die Gräuel des Nationalsozialismus sind ihm be­kannt (71, 99). Die österreichische Kul­tur und Mentalität (90-114) ist anders als die deutsche und schweizerische eine Schamkultur (98-99). Erwin Ringel diag­nostizierte den „österreichischen Minder­wertigkeitskomplex“ (100-105) bzw. „die österreichische Neurose“. In jüng­ster Zeit halten Postmoderne, Glo­ba­li­sierung und Pluralismus Einzug, nur noch 65% der Österreicher gehören der römisch-katho­lischen Kirche an.

Die Geschichte der evangelikalen Frei­kirchen in Österreich (115-134) wird an vier Gemeindebünden und ihren dia­ko­nischen Initiativen illustriert. Wachs­tum entstand im gemeinsamen Streben nach Gesellschaftsrelevanz und Kreativität in der Weitergabe der guten Nachricht. Podobri kritisiert Freundschafts­evan­ge­li­sation (135-139) und Gemeindegrün­dungs­initiativen (139-141), gegen die er das Vorbild der Täufer (144-148) hält, die sich durch eine kontextualisierte Botschaft, aktive Frauen, vorbildlichen Lebenswandel und ein völlig anderes Kirchenverständnis auszeichneten. Die evangelikale Bewegung hat in den letz­ten Jahren erkannt, dass sie über die kon­fessionellen Grenzen bis in die Groß­kirchen hinein besteht (148-151). Sie muss nun eine adäquate Antwort auf die österreichische Volksfrömmigkeit (151-153) finden und sich vermehrt dia­ko­nisch engagieren, denn Gemeinden, die sich diakonisch engagieren, sind zu­gleich auch vielfältiger, einladender und offener für neue Besucher (153-157).

Konsequenzen (157-206), gemeint ist eine Umsetzung biblischer Werte in Kirche und Gesellschaft, entstammen „[der] Einkehr des göttlichen Friedens“ (158) und der neuen Identität in Christus (160). Häufige Gemeindespaltungen und Identitätsstiftung durch Abgrenzung wer­den unnötig. Harmoniebedürftige Öster­reicherInnen lernen, mit Spannungen zu leben, Lob auszudrücken, jüngere Gläu­bige mitgestalten zu lassen und Leiter­schaft als Dienst, nicht Macht, zu ver­stehen. Einheimische Leiterschaft (166-175) führt zu stärkerer Kontextua­li­sie­rung. In Bezug auf Geistliche im An­ge­stelltenverhältnis zeigt eine Unter­su­chung von Joe Ziska: „2006 hatten nur mehr drei [von 53 befragten] Gemeinden einen österreichischen Pastor und eine Frau war teilzeitlich angestellt.“ (167) Die Anstellung von ÖsterreicherInnen scheitert oft an Geldmangel, der sich in einem der reichsten Länder der Erde nur irregeleiteten Prioritäten verdanken kön­ne. Ebenso wichtig ist die Wiederent­deckung der Jüngerschaft (175-180) und die Übernahme sprachlicher und kul­tu­reller Elemente (180-188). Christen sol­len ihre gesellschaftspolitische Verant­wor­tung wahrnehmen  (188-193), ihr „gelebtes Bekenntnis“ (193-198) führt zu Gemeindegründungen (198-200). Mo­del­le eines Paradigmenwechsel (200-205) sind das sozialdiakonische Projekt I-Punkt in Traun und die Gemeinde­gründungen Vision für Österreich.

„Transformation in Österreich“ ist eine – mit dem G. W. Peters-Förderpreis ausge­zeichnete – wissenschaftliche Abschluss­arbeit, wie wir nicht nur an 811 Fuß­noten und 31 Seiten Literatur­angaben er­kennen. Der Forschungsstand zu öster­reichischen Freikirchen, die wenige Pro­mille der Bevölkerung stellen, ist ver­ständlicherweise gering, daher wertet die Arbeit auch unveröffentlichte Dip­lomarbeiten und Dissertationsvorberichte aus. Sie eröffnet aussichtsreiche Frage­stel­lungen für weitere Studien, die etwa auch Gemeindebewegungen unter­su­chen, die traditionell ohne Hauptamtliche auskommen. Wünschenswert wäre wei­ters eine Auseinandersetzung mit The­men wie dem Bürgerkrieg, der sich bis heute in der parteipolitischen Aufteilung der zweiten Republik auswirkt, dem Verhältnis zum Tod (siehe dazu Rachel Olney, How Can The Resurrection Hope of 1 Corinthians 15 Be Appropriately Contextualised for Contemporary Aus­tria? Unveröffentlichte Bachelor­arbeit, Oak Hill College, London 2009) und den verbreiteten Haltungen wie Anti­semitis­mus, Fremdenfeindlichkeit und Ver­drän­gung des Holocausts. Wie wirken sich diese österreichischen Spezifika auf Pra­xis und Theologie der Freikirchen aus? Interessant wäre auch eine Aus­ein­ander­setzung mit der soziologischen For­schung, die nahelegt, dass anhalten­der gesellschaft­licher Wandel eher nicht von unten oder aus der Peripherie der Gesellschaft, son­dern aus dem Zentrum und von den Eliten kommt (z.B. James Davidson Hunter, To Change the World. Oxford University Press: New York, 2010). Der Umstand, dass die Reformation in Öster­reich sich letztlich nicht, oder nur zu einem geringen Teil halten konnte, wäre ein Beleg für diese These. Interessanter­weise nähert sich Podobri mit seinem Konzept des „gelebten Bekenntnis“ Hun­ters „faithful presence“ an.

„Transformation in Österreich“ ein her­aus­forderndes Buch für alle, die im österreichischen Kontext die gute Nach­richt von Jesus Christus bekannt machen wollen. Der Autor schreibt flüssig und gut lesbar gegen ein Missions- und Glau­bensverständnis an, das wesentliche As­pek­te des Menschseins in Gottes wert­vol­ler Schöpfung verleugnet. Er hat Recht: Es gibt zu wenig Verständnis der eigenen Kultur. Martin Podobri hält der Evangelikalen Bewegung in Österreich einen Spiegel vor, der  nachdenklich macht. Ist der göttliche Friede wirklich noch nicht in den Freikirchen einge­zo­gen? Suchen sie „neue Wege“, gilt für sie: „Liebe macht erfinderisch.“ (120)?

Christian Bensel, em 2012-4.

Pohlmann, Karl-Friedrich. Die Entstehung des Korans. Neue Erkenntnisse aus Sicht der historisch-kritischen Bibelwissenschaft, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2012.

Karl-Friedrich Pohlmann legt einen Diskussionsbeitrag zur Entstehung des Korans vor, der ausdrücklich aus der Perspektive der historisch-kritischen Bi­bel­wissenschaft geschrieben ist. Dadurch ist sein Buch vor allem durch zwei wei­chen­stellende Aspekte gekennzeichnet. Zum Einen fragt er insbesondere nach der Entstehung(sgeschichte) des Korans. Zum Anderen setzt er für die Be­ant­wortung dieser Frage mit den „bei der Erforschung der alttestamentlichen Pro­phetenbüchern bewährten historisch-kri­tischen Untersuchungsmethoden“ (S. 9) ein. Diese Aspekte beschreiben den wesentlichen und zur Reflexion und Diskussionen anregenden Beitrag Pohl­manns auf zusammenfassende Art und Weise.

Nach einigen Vorbemerkungen und einer Hinführung (S. 9-17) stellt Pohlmann zunächst den Diskussionsstand hin­sichtlich einer wissenschaftlich editierten historisch-kritischen Textausgabe des Ko­rans (S. 19-25) sowie wesentliche Positionen zu der Frage nach Moham­med und der Entstehung des Korans (S. 25-39) dar. Darauf folgt ein Überblick über bibelwissenschaftliche Methoden und Erkenntnissen für die Erforschung alttestamentlicher Prophetenbücher (S. 41-54), bevor er sich einzelnen Frage­stellungen und Textpassagen des Korans zuwendet (S. 55ff). Dabei reflektiert der Verfasser zunächst einige Beob­ach­tun­gen zu Formen der Gottesreden im Koran und Textbearbeitungen nach dem Prinzip der Wiederaufnahme (S. 59-81). Die detaillierte Auseinandersetzung mit einzelnen Themen, nämlich mit den Iblis/Satan-Texten (S. 81-146), den Ver­sio­nen der Moseerzählung (S. 146-168) und den Aussagen über Rolle und Rang Jesu (S.168-186) nehmen einen wesent­lichen Teil des vorliegenden Buches ein. Die Ergebnisse seiner Untersuchungen fasst Pohlmann auf den abschließenden Seiten (S. 187-194) zusammen.

Die detaillierte Auseinandersetzung mit einzelnen Themen (S.81-186) stellt einen großen Teil des Buches dar, soll hier aber nicht weiterführend diskutiert wer­den. Dem Leser sei die Lektüre der jewei­ligen Passagen empfohlen, um die detaillierte Vorgehensweise Pohlmanns nachzuvollziehen. Zweifellos wird man an vielen Stellen gute Beobachtungen und Deutungsmöglichkeiten der Phäno­mene entdecken, die zum Nachdenken und zur Diskussion anregen. Dazu zäh­len nicht zuletzt die Überlegungen zu den Formen der Gottesreden im Koran, auch wenn die Unterschiede zwischen Ich-, Wir-Rede Gottes und den Er-Be­richten vielleicht nicht so eindeutig auf verschiedene Personenkreise als Ver­fasser verweisen müssen, wie es Pohl­mann behauptet. Die Eindeutigkeit dieser Ergebnisse ist dabei wohl weniger in der Evidenz (also bei den Texten) zu suchen als bei den Voraussetzungen Pohlmann. Deswegen soll im Rahmen dieser Re­zension der Blick vor allem auf grund­sätzliche Aspekte des vorliegenden Projektes gelenkt werden.

Durch seine Vorgehensweise sollen „Hintergründe für die Vielschichtigkeit der Schriften … aufgedeckt und zugleich wesentliche Verständnisbarrieren im Blick auf die Aussageanliegen abgebaut werden“ (S. 15). Dies ist in der alt­testamentlichen Forschung gelungen und steht für die Erforschung des Korans nach Pohlmann noch aus. Die Befreiung von traditionellen Vorgaben und von der Voraussetzung, dass der Text selbst zu­ver­lässige historische Daten und An­halts­punkte liefert, ermöglichte in der alt­testamentlichen Forschung erst eine ergebnisoffene Arbeit mit und an den Texten (S. 39). Dieser Schritt wurde für den Umgang mit dem Koran in der Form noch nicht vollzogen und Pohlmanns Arbeit will hier einen Weg weisen.

Die detaillierten Textdiskussionen die­nen auf dem Hintergrund der me­tho­dischen Vorüberlegungen Pohlmanns der Veranschaulichung und Beweisführung, dass die vorgeschlagene Anwendung his­torisch-kritischer Methoden alttestament­licher Prophetenbuchforschung auf ko­ranische Texte sowohl nachvollziehbare wie auch überzeugende Ergebnisse liefert. Sie sind ein Versuch „unabhängig von den Vorgaben der Tradition und somit auch unabhängig von der heute überwiegend von Nöldeke beeinflussten traditionellen Koranforschung zu ana­lysieren und aufzudecken, welche Text­folgen als literarisch-redaktionell konzi­piert einzustufen sind“ (S.187). Nach Pohlmanns Verständnis ist sein Versuch gelungen, weil er zeigen konnte, dass einzelne Texte und Textpassagen nicht mehr in der Zeit Mohammeds zu ver­orten sind (S.193). Vielmehr identifiziert er hiermit Hände einer Redaktionsarbeit, die „koranisches Textgut … betreuten, kontrollierten, theologisch reflektierten und so auf dem Wege kreativer Re­lecture Korrektur- und Ergänzungsbedarf wahrnahmen, also Textfolgen mit neuen Aussagerichtungen konzipierten und kompilierten“ (S.194).

Die eingeforderte Unabhängigkeit ist ein wesentliches Anliegen Pohlmann, das wiederholt zur Sprache kommt. Die west­liche Islamwissenschaft folge „im­mer noch“ (S. 51) oder „weiterhin“ (S. 53) den traditionellen Vorstellungen und habe diese Unabhängigkeit noch nicht erreicht bzw. praktiziere sie nur in­kon­sequent (S. 53). Somit stellt der Ver­fasser sich mit seinen Untersuchungen sowohl der muslimischen Tradition als auch der westlichen Islamwissenschaft entgegen, die „bis in die Gegenwart an den Sichtweisen und Ergebnissen von GdQ I-III [Nöldeke Geschichte des Qoran, Band I-III; H.W.] orientierten bzw. damit den Vorgaben der is­la­mi­schen Tradition Rechnung tragen“ (S. 28). Die fehlende Unabhängigkeit bis­heriger Forschungen verhinderte nach Pohlmanns Ansicht eine ergebnisoffene Forschung (vgl. S. 39). Zu Recht stellt Pohlmann die Frage, was tragfähige Kriterien sein können, welche die (zeitliche und redaktionelle) Einordnung der Texte ermöglicht. Seine grund­legende Überzeugung doku­men­tiert sich in der von ihm als „sicheren Kriterium“ dokumentierten Perspektive: nimmt ein Text vorgegebene Textanteile auf, bear­beitet und ergänzt diese, dann liegt ein „literarisch konzipiertes, ja kompiliertes Textgebilde“ vor, „für das nicht mehr ein Prophet und Verkündiger Mohammed als verantwortlich in Frage kommen kann“ (S. 53). Wir sehen vielmehr die Arbeit eines „schriftgelehrten Exegeten“, was eine Wandlung Mohammeds vor­aussetzen würde. Hier stoßen wir wohl auf eine grundlegende Voraussetzung der Forschungen Pohlmanns, nämlich die kategoriale Unterscheidung von Pro­phet/Verkündiger und schriftgelehrter Textbearbeitung. Wer sich mit Pohl­manns Thesen auseinandersetzen will, kommt an dieser weichenstellenden Prä­misse nicht vorbei.

Fragt man nach der konkreten Evidenz für die Redaktionstätigkeit, so verweist Pohlmann für das AT auf „buch­kon­zep­tionelle Inkongruenzen, unter­schiedliche theologische Akzen­tuie­run­gen, sprach­lich-stilistische Auf­fällig­kei­ten, Dublett­en etc.“ (S. 15) und für den Koran auf Be­obachtungen von Koran­forschern wie Nagel, Nöldeke oder Watt, die auf Wie­der­holungen, Brüche in der Gedan­kenf­ührung, Ungereimtheiten im Aufbau, Fehlen einer einheitlichen Ord­nung oder auf den „oft sprunghaften Stil des Qorans“ verweisen (S. 16). Kurz ge­sagt: die Redaktion hat ausreichend „Spuren“ hinterlassen, sodass spätere Ge­nera­tio­nen deren Handschrift iden­ti­fi­zieren kön­nen. Auf diesem Hintergrund ist Pohl­manns Buch zu lesen.

Das Interesse an der Fragestellung zeigt sich daran, dass bereits ein Jahr nach dem Erscheinen eine (unveränderte) Neu­auflage vom Verlag angekündigt ist. Dies ist sicherlich nicht nur der aus­ge­wie­senen Kompetenz des Verfassers bei der Beschäftigung mit alttestamentlichen Prophetenbüchern geschuldet. Die Fra­ge­stellung und deren angemessene For­schung sind für viele von besonderem Interesse. Karl-Heinz Pohlmann liefert da­zu einen wichtigen und anregenden Beitrag.

Prof.Dr. Heiko Wenzel, em 2013-1.

Poll, Evert W. van de. Sacred Times for Chosen People. Development, Analysis and Missiological Significance of Messi­anic Jewish Holiday Practice (Mis­siological Research in the Nether­lands 46), Zoetermeer: Uitgeverij Boe­ken­centrum, 2008.

Das vorliegende Buch, eine 2008 von der ETF Leuven angenommene Dissertation, untersucht die Praxis und missiologische Bedeutung der Feier jüdischer Festtage in der messianisch-jüdischen Bewegung. Der Autor ist baptistischer Missionar und Pastor in Frankreich und steht der von ihm untersuchten Bewegung mit Sym­pa­thie gegenüber.

Der Autor gibt zunächst einen Überblick über die Entstehung der jüdisch-mes­sia­nischen Bewegung von der jü­di­schen Emanzipation (schrittweise Been­di­gung der Diskriminierung und bürger­liche Gleich­stellung der Juden in Europa im Zuge der Aufklärung) bis zur Gegen­wart (Kap. 2 und 3; 31-192): Die Eman­zi­pa­tion brach­te ein Ende der Zwangs­chris­tianisierung und ermöglich­te den An­fang christlicher Mission unter Juden im Zu­sammenhang des Pietismus und des Auf­bruchs der klassischen Missions­ge­sell­schaften nach William Carey. Aus diesen Missions­bemühungen entstanden im 19. Jahr­hun­dert – auch angesichts von Anti­semi­tismus und Assimilationsdruck – in Eu­ro­pa, Nordamerika und Palästina ei­gen­ständige Gruppen und Gemeinden „he­bräi­scher Christen“, die Vorläufer des heutigen messianischen Judentums.

Der Autor richtet sein Augenmerk hier vor allem auf den Umgang der Be­we­gung mit der jüdischen Festpraxis und auf die theologischen Fragen, die im Rah­men dieser Entwicklung diskutiert worden sind, wie die Frage nach der Wie­derherstellung Israels (restorationist eschatology) und der Rolle der Be­ach­tung der Thora. Es wird gezeigt, dass die „hebräischen Christen“ im Blick auf die Umsetzung der jüdisch-religiösen Praxis, abgesehen von der Passah-Feier, meist eine „minimalistische“ Position vertraten (86) und einer Integration z.B. der Sab­bat-Beachtung in den Gemeinden kri­tisch gegenüberstanden, da sie die Recht­fertigungslehre unterhöhle und die Ein­heit der Kirche gefährde. Auch die Ver­drän­gung des eigenen, oft orthodox-jü­di­schen Hintergrunds habe hier eine Rolle ge­spielt. Dennoch habe man be­gon­nen, einzelne jüdische Traditionen, wie z.B. Ge­bete, zu integrieren, um neuen Kon­ver­titen den Zugang zu er­leich­tern. Da­mit sei auch das grund­legende theo­re­tische Interesse an den bib­lisch-jüdi­schen Festen und der Sabbat-Feier ge­wachsen, obwohl die Feste abgesehen von ganz wenigen Aus­nahmen nicht prak­tisch begangen wor­den seien.

Zu einer wachsenden Praxis jüdischer Festtage sei es erst mit dem Aufkommen der jüdisch-messianischen Bewegung seit Ende der 1960er Jahre gekommen. Dieser Neuanfang der Be­we­gung sei auf dem Hintergrund der Shoa geschehen, des nationalsozialistischen Genozids an der jüdischen Bevölkerung in Europa, der zwar zusammen mit der sonstigen jü­dischen Bevölkerung auch die he­bräisch-christlichen Gemeinden fast ausgelöscht, andererseits aber die Identifikation der überlebenden hebräi­schen Christen mit dem Judentum deut­lich verstärkt habe. Zum eigentlichen Neu­anfang der Bewe­gung kam es jedoch von ganz anderer Seite her, und zwar im Rahmen der Jesus-People-Bewegung un­ter den Hip­pies in Kalifornien Ende der 1960er Jahre. Etwa 30% der bekehrten Stu­denten und Jugendlichen seien jü­disch gewesen. Diese Anfänge hätten zunächst in den USA, dann auch in Europa und Israel zu einem großen zah­lenmäßigen Aufbruch und einer Revi­ta­li­sierung und Verschmelzung mit der äl­te­ren Bewe­gung geführt. Erst in diesem Zu­sam­men­hang habe sich nun auch im­mer stärker die Praxis der Feier jüdischer Feste als Ausdruck jüdisch-christlicher Iden­tität im Unterschied zu nicht-jüdi­schen Chris­ten entwickelt und sei zum Durch­bruch gelangt. Dabei betonten jüdische Chris­ten, dass es sich dabei weni­ger um jüdische, als „biblische Feste“ handelt – im Unterschied zum christ­lichen Fest­kalender, der nach­bib­lisch ist. In der Be­wegung ließen sich drei Sichtweisen un­ter­scheiden: 1. mes­sia­nische Juden sollen nur die biblischen (und nicht die christ­lichen) Feste be­ge­hen, 2. sie können darüber hinaus auch die christ­lichen Feste feiern, 3. auch nicht­jüdische Chris­ten sollten zu den biblischen Festen zurückkehren (179).

Das 4. Kapitel (193-288) bietet eine de­taillierte Analyse der liturgischen Fest­praxis (Sabbat, Passah, weitere Feste). Untersucht wird der liturgische Kalen­der, die inhaltliche Bedeutung der Feste, die rituelle Praxis und die Moti­va­tion/ Ziele der Feiern. Das 5. Kapitel (289-361) diskutiert diese Praxis aus missio­logisch-theologischer Perspektive. Der Au­tor belegt hier überzeugend seine The­se, dass der ausgesprochen missio­na­rische Charakter der Bewegung, das In­te­res­se und die Integration des jü­di­schen Erbes verstärkt hat und zu einer ver­tieften Inkulturation und Kon­tex­tua­li­sierung geführt hat. Dabei versteht der Autor die mes­sia­nisch-jüdische Fest­praxis durchaus als Restoration jüdischer Wurzeln, aber mehr noch als Inkul­tu­ration im Kontext ge­genwärtiger jüdi­scher Religion und Kultur mit dem Ziel, Juden zum Glauben an Jesus einzuladen. Die Feste seien einer­seits „boundary mark­ers“ gegenüber anderen christlichen Traditionen, viel­mehr aber der Versuch, das Evangelium für jüdische Menschen vertraut und heimisch zu machen.        

Der Anhang des Buchs enthält eine kom­parative Tabelle biblischer, jüdischer und christlicher Feste, einen Namens- und Sachindex und eine Bibliographie. Ein empfehlenswertes Buch für alle, die sich näher mit der messianisch-jüdischen Be­wegung und grundlegenden Fragen der Kontextualisierung und inter­kul­tureller Hermeneutik befassen wollen.

Dr. Friedemann Walldorf, em 2009-2.

Pollock, David C.; Ruth E. Van Reken. The Third Culture Kid Experience. Growing up among Worlds. Intercultural Press: Maine/USA, 1999.

Vor einigen Wochen bekomme ich einen Brief aus Afrika. Die Absenderin empfiehlt mir wärmstens ein Buch. Ich bin überrascht, denn gerade bin ich dabei, genau dieses Buch zu le­sen. Vor kurzem in Amerika erschienen, hat dieses Buch über Missionarskinder (MK) be­reits ferne Winkel dieser Erde erreicht. So liegt eine Empfehlung in „em“ nahe.

Schon der Titel „The Third Culture Kid Expe­rience. Growing up among worlds“ beeindruckt mich. Er spiegelt meine Erfahrung wider, und ich war gespannt auf die Beschreibung.

Als erwachsenes MK, mit einer denkbar guten MK-Vergangenheit, fühle ich immer noch eine innere Unrast. Mich in Deutschland festzuset­zen, erscheint mir ‘verwerflich und komisch’. Wie verbindet sich dieses Lebensgefühl mit meinem Christsein? Eine Frage, die nicht ein­fach zu beantworten ist. Was ist Gottes Ruf?

Ehrliche und direkte Sachlichkeit und viel­
schichtige Differenzierung werden mit einem persönlich gehaltenen Stil verbunden. Third Culture Kids (TCKs) brauchen sich auf Dauer weder als exotische Außenseiter, noch als ‘Missionsopfer’ zu verstehen, auch wenn diese Rollen phasenweise unser Leben begleiten. Pollock und Van Raken fordern heraus, „gegen das Verdrängen“ anzudenken. Mit viel Realis­mus für unsere Biographien zeigen sie Chan­cen und Möglichkeiten, den Reichtum an Erfah­rung (= erfahrener Reichtum) hoffnungs­voll in das weitere Leben zu investieren.

So ein ein positiver Ansatz ist wohltuend. Es geht hier nicht um das inzwischen schon klas­sische ‘Problem MK’, sondern einfach um das (Er-)Leben von TCKs.

Beim Lesen wurde ich oft 15, 25 ja 30 Jahre in die eigene Vergangenheit mitgenommen. Viel Erkennen unter Lachen und Weinen, verstan­den werden, aufatmen - und dann ein tiefes Ge­fühl der Dankbarkeit für die Mühe der Autoren bleiben mir schon nach dem ersten Lesen die­ses Buches.

Magdalene Hopp, em 2000-2.

Porter, David (Hg.). The Word on the Box. Carlisle: Paternoster Press, 1997.

„Wenn jemand voraussagen wollte, wie die Radio- und Fernsehlandschaft in zehn Jahren aussieht, ist nur eines gewiß: Was immer je­mand vorhersagen mag, es wird sich als falsch herausstellen“ (Justin Phillips, BBC). Dennoch wagen Philipps und vier weitere in der briti­schen Medienszene bekannte Fachleute Analy­sen und Prognosen. David Porter hat redaktio­nell bearbeitet, was die fünf im Mai 95 in den ‘London Lectures’ des ‘Institute of Contem­porary Christianity’ zusammengetragen haben. Auch wenn die Redner bzw. Autoren aus­schließlich von Erfahrungen und Trends aus­gehen, die britische Radio- und Fernsehsen­dungen betreffen, bleibt es dem Leser in Zen­traleuropa überlassen, Vergleiche anzustellen mit dem heimischen „Markt“. Daß die Veran­stalter von Radio- und Fernsehsendungen ihr Publikum als großen Markt betrachten, erfah­ren inzwischen ja auch wir zur Genüge.

Robert McLeish (Ausbildungsleiter bei BBC) stellt die Frage, ob der öffentlich-rechtli­che Rundfunk Diener oder Leiter ist. Die Ant­wort liegt auf der Hand: er ist beides; das be­gründet McLeish auch. Man wünscht sich sehr, daß sein Rat von verantwortlichen Medienleu­ten befolgt wird: „Glaubwürdigkeit ist wichti­ger als die Kosten.“ Eine leitende Funktion ha­ben Radio und Fernsehen, weil sie nicht nur zu berichten haben über das Was, Wann und Wo, sondern auch über das Wie und Warum.

Aufschlußreich ist J. Philipps mit seinem Beitrag „Sind ‘mehr Nachrichten’ eine gute Nachricht?“ Er nimmt Stellung zu der auch hierzulande bekannten Abhängigkeit von der Einschaltquote und dem sträflichen Vergehen der Verantwortlichen, nicht Inhalt und Qualität einer Sendung gelten zu lassen, sondern die Einschaltquote zum alleinigen Gradmesser zu machen.

Auf dem Symposium wurde auch über die künftige Entwicklung der elektronischen Me­dien gesprochen. Nur wenige wissen in Groß­britannien (und auch bei uns), was auf die Ge­sellschaft zukommt. Die meisten ahnen nichts von der elektronischen Revolution, die längst begonnen hat. Christen müssen aufpassen, daß die Entwicklung nicht an ihnen vorbeiläuft!

Im letzten Beitrag wird die Frage gestellt, ob „religiöse Sendungen“ für die ganze Nation ge­eignet sind oder nur für ein Ghetto. Diese Überlegungen sind uns nicht unbekannt. Tim Dean (Commissioning Editor, BBC World Service) warnt z. B. davor, die Redaktion reli­giöser Sendungen Leuten zu überlassen, die keine Ahnung von der Sache haben. Weiter warnt er davor, religiöse Themen ihrer geistli­chen Inhalte zu entleeren bzw. den Glauben nicht ernstzunehmen, den es zu vermitteln gilt.

Diese fünf Vorträge von 1995 haben kaum etwas von ihrer Aktualität eingebüßt. Wer wis­sen will, was Christen in England über „ihren“ Rundfunk denken, und daraus Schlüsse ziehen möchte für unsere Medienlandschaft, der sollte zu diesem Buch greifen. Man wünschte sich vergleichbare Überlegungen auch für Radio und Fernsehen in unserem Land.

Horst Marquardt, em 1998-1.

Poston, Larry. Islamic Da’wah in the West. Muslim Missionary Activity and the Dyna­mics of Convention to Islam. New York / Oxford: Oxford University Press, 1992.

Dieses Buch ist eine der wenigen gelungenen Darstellungen muslimischer Missionstätigkeit in der westlichen Welt. Zum Titel muß aller­dings einschränkend bemerkt werden, daß Poston unter „the West“ eigentlich nur die USA versteht, deren Boden ca. 1717 die ersten mus­limischen Sklaven betreten haben. Gelegentlich wirft Poston einen Blick auf die Situation im benachbarten Kanada; die muslimische Mis­sion in Europa behandelt das Buch jedoch nicht.

Erfreulicherweise geht es in diesem Buch nicht nur oberflächlich um islamische Missi­onsstrategien, sondern auch um deren theolo­gischen Hintergrund. Grundsätzlich war in der Vergangenheit islamische Missionsarbeit da­durch gekennzeichnet, daß der ‚Ruf zum Islam’ an Nichtmuslime nur dort erging, wo das ent­sprechende Gebiet zuvor von muslimischen Truppen durch den jihäd erobert worden war, so daß sich der Islam als ‘Besatzerreligion’ in einer mächtigen Position befand. Christliche Missionare kamen dagegen vorwiegend in der unterlegenen Position des Gastes in oft feind­lich gesonnene Länder und versuchten, in einer nichtchristlichen Umwelt einzelne Menschen zum Übertritt zum Christentum zu bewegen. So bedeutete der Übertritt zum Islam in der Regel Anpassung und Vergünstigung, der Übertritt zum Christentum dagegen Auflehnung gegen das eigene Volk und Land und häufig Verfol­gung. Daß Muslime in den USA heute nicht in dieser politisch überlegenen Position sind, führt sie zu neuen Missionsstrategien.

Interessant und kenntnisreich ist ferner Postons Analyse sunnitischer und schiitischer muslimisch - missionarischer Gruppierungen. Ihre Wurzeln verfolgt er bis in ihre Herkunfts­länder, die die amerikanische muslimische Mission teilweise erheblich unterstützen. Die Darstellung der ägyptischen Muslimbruder­schaft und der pakistanischen Anhängerschaft Abu 1-A’lä al-Maudüdis in den USA zeigt die doppelte Stoßrichtung muslimischer Mission auf: Sie möchte Muslime zum missionarischen Leben motivieren sowie Nichtmuslime vom Islam überzeugen. Dies geschieht durch ver­schiedene Missionsorganisationen - die Poston im einzelnen nennt und beschreibt - und ihre breit angelegte Öffentlichkeitsarbeit. Aktive Mission geschieht vor allem durch Literatur, aber auch durch Vorträge, Koranverbreitung, Medienarbeit, Jugendlager, Gefängnisarbeit und ‘Freundschaftsevangelisation’ unter ameri­kanischen Christen (!). Nicht Polemik, sondern positive Überzeugungsarbeit ist auch für muslimische Missionare das Gebot der Stunde. Moscheen sind nicht nur Gebetsräume, sondern nehmen als islamische Zentren vielfältige Funktionen wahr. Sie stärken die muslimische Gemeinschaft nach innen und sind der Aus­gangspunkt für verschiedene Aktivitäten nach außen. Den Abschluß des Buches bildet eine ausführliche Analyse der Hintergründe und Motive für die Bekehrungen zum Islam in Amerika, die sich unter anderem auf eine Befragung der ca. 5000 muslimischen Konver­titen in den USA gründet.

Dr. Christine Schirrmacher, em 1995-4.

Pousson, Edward K. Spreading the Flame -Charismatic Churches and Missions Today. Grand Rapids: Zondervan, 1992.

Seitenlange Vorbemerkungen sowie etliche Leerseiten zwischen den zehn Kapiteln lassen den eigentlichen Text dieser vom Fuller Seminary angenommenen Dissertation auf 148 Sei­ten schrumpfen. Der Verfasser, Edward Pous­son, entstammt einer unabhängigen charismati­schen Gemeinde im Süden Louisianas (USA). Bevor er mit dem Theologiestudium begann, war er als Missionar seiner Gemeinde in Haiti, Ghana und Malaysia tätig. 1986 gründete er gemeinsam mit anderen die Missionsagentur „Golf-Staaten“, die von einem Netzwerk cha­rismatisch-unabhängiger Gemeinden im Süden der USA getragen wird. Sie gehört zur 1985 gegründeten US - Charismatischen Dachorga
nisation AIMS (Association of Internationa] Missions Services). Deren Geschichte und die zunehmende Vernetzung unabhängiger charis­matischer Gemeinden und Werke miteinander beschreibt der Autor. Zielsetzung seines Buches ist es, noch schlummerndes Missions-potential unabhängiger charismatischer Ge­meinden zu wecken. Pousson will außerdem einer entscheidenden charismatischen Schwä­che abhelfen: einer zu unreflektierten Mis­sionstheologie, die sich einseitig mit Zeichen und Wundern, Geistesgaben, Heilung und Erfolg beschäftigt (so ua. 49f 81, 105, 137, 150ff). Der Verfasser sieht sich als Brücken­bauer zwischen charismatischen Eiferern und soliden evangelikalen Missiologen. Dabei denkt er vor allem in den Bahnen der Gemein­dewachstumsbewegung und des strategischen Ansatzes von Ralph Winter.

„Spreading the Flame“ ist die erste Disserta­tion über die charismatischen Missionen. Die­sem Unterfangen, eine Tür zu einem bisher missionstheologisch kaum beachteten Thema aufzustoßen, muß man Respekt zollen. Aller­dings zeugen Wiederholungen (zB. 78, 83, 89, 107, 112) und redaktionelle Erläuterungen (zB. 114, 129, 136, 155) von einer nicht immer ein­deutigen Gliederung. Der Lesefluß wird durch die den einzelnen Kapiteln jeweils angehängten Fußnoten zusätzlich erschwert. Eine Bibliogra­phie fehlt leider völlig.

Joost Reinke, em 1995-2.

Powell, Philipp Wayne. Tree of Hate. Pro­paganda and Prejudices Affecting United States Relations with the Hispanic World. Ross House Books: Vallecito CA, 1985.

Ross House Books druckte 1985 das 1971 in einem großen säkularen Verlag (Basil, New York) erschienene Buch des kalifornischen Geschichtsprofessors Philipp W. Powell nach, in dem dieser versucht, die Legende zu wider­legen, die Spanier seien in der Kolonialisierung besonders grausam gewesen. Im Vergleich zu andern Völkern seien die Spanier, behauptet Powell, im Gegenteil sogar von ihren christli­chen Wurzeln her oft eher für einen juristischen Schutz der Indianer eingetreten als andere Völker. Das riesige spanische Weltreich gehörte zu den stabilsten, friedlichsten und deswegen am längsten währenden Reichen der Ge­schichte.

Diese Sicht beinhaltet auch eine Wertschät­zung der Geschichte eines von der römisch­katholischen Kirche geprägten Volkes und sei­nes Anteils an der Welt- und Missionsge­schichte, die dem protestantischen Amerika sonst fremd ist. Die evangelikale Missiologie hat sich mit der katholischen Missionsge­schichte immer schwer getan. Dies wird be­sonders daran deutlich, daß sie sich auch kaum mit der ‘katholischen’ Missionsgeschichte vor der Reformation beschäftigt, also mit der Mis­sion zu einer Zeit, als es protestantische Missi­on noch gar nicht geben konnte (vgl. dazu aber das Bestellangebot S.93).

Die These Powells wird neuerdings auch von anderer Seite häufiger vertreten, und zwar auch immer stärker von den Betroffenen Ein­wohnern Südamerikas selbst (so etwa von Felipe Fernandez-Armesto: „Freispruch für den Angeklagten“. Rheinischer Merkur Nr. 26 vom 26.6.1992. S.19, ganzseitig).

Thomas Schirrmacher, em 1993-3.

Priest, Doug Jr. Doing Theology with the Maasai. Pasadena: William Carey Library, 1990.

Priest war ein Jahrzehnt Missionar unter den Maasai in Kenya und Tanzania und hat die Maa-Sprache gelernt. Dabei war für ihn das Opferverständnis dieses Hirtenvolkes von zen­traler Wichtigkeit. In seiner Studie stellt er nun missionstheologisch und anthropologisch das Opferverständnis im AT und NT dem Maasai-Verständnis und ihrer Opferpraxis gegenüber. Die Unterschiede zeigen sich an den jeweiligen positiven und negativen Funktionen der Opfer.

Die positiven Funktionen biblischer Opfer sind auf Gott bezogen: Verehrung, Ergeben­heit, Gemeinschaft, Danksagung, Selbsthinga­be in Gebet und Leben, sowie Wohltätigkeit. Die negativen Funktionen dagegen betreffen die Sühnezwecke. Biblische Opfer involvieren tierische Opfer, materielle Gaben und reuevolle Herzen. Bei den Maasai sind Opfer Riten zur Kommunikation mit Gott, bei denen meist ein Tier geschlachtet wird. Ihre positiven Funktio­nen sind mit Verehrung Gottes und Danksa­gung verbunden, während negativ, wie in der Bibel, Sühne bezweckt wird. In einem weiteren Schritt versucht Priest durch verschiedene Methoden der Kontextualisierung das biblische Verständnis für die Maasai bedeutungsvoll zu machen. Ob ihm das gelungen ist, müssen Maasai beurteilen. Anderen Missionaren empfiehlt er, Riten, denen sie begegnen, erst einmal mit Umsicht und gründ­lich zu studieren, bevor sie ein Urteil darüber abgeben. Für die Maasai kommt er zum Ergeb­nis, daß nicht alle ihre Opfer abzulehnen sind, sondern einige auch weiterhin im Christentum praktiziert werden können, z.B. solche, die nur auf Gott ausgerichtet sind. Dies gilt jedoch nicht, wenn sie als Sühneopfer verstanden wer­den, weil Jesus das letzte Opfer ein für allemal war (Hebr 10,18). Darüberhinaus müsse den Maasai erklärt werden, daß der Segen Gottes nicht durch Opferverhalten erlangt wird, son­dern alles aus Gottes Liebe stammt, die in sei­nem Wesen begründet ist. Ein wertvoller Bei­trag für die Missionstheologie und die Arbeit unter den Maasai.

Leonard Mtaita, em 1994-1.

Raeder, Siegfried. Antworten auf den Islam. Texte christlicher Autoren vom 8. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Neukirchener Verlag: Neukirchen-Vluyn, 2006.

Der unlängst verstorbene Professor für Kirchen­geschichte und Lutherforschung an der Tübinger Evangelischen Fakultät hat in seinem letzten Werk eine umfangreiche Sammlung christlicher Verlautbarungen zum Islam aus 13 Jahrhunder­ten zusammengetragen. Das Buch ist nicht nur für einen historischen Blick in die Geschichte der christlich-muslimischen Kontroverse hilf reich, sondern bietet gerade auch durch die Be­leuchtung der Vergangenheit Pespektiven für den heutigen Dialog.

Nach einer Einführung in die Geschichte der christlich-muslimischen Kontroverse präsentiert Siegfried Raeder einige kürzere Korantexte, die dem Leser einen kleinen Einblick in die Rolle Muhammads, die koranische Beurteilung Jesu, sowie die islamische Auffassung von Sünde und Vergebung vermitteln. Im dritten und umfang­reichsten Teil des Buches werden schließlich Texte christlicher Autoren über den Islam im (ins Deutsche übertragenen) Original zitiert. Es wird deutlich, dass über mehrere Jahrhunderte die christlichen Kirchen den Islam als „Kult der Ismaeliten“ oder „Vorläufer des Antichristen“ (Johannes von Damaskus, Mitte 8. Jh.) zwar po­lemisch ablehnten, aber sich nicht wirklich fun­diert mit seinem Anspruch auseinander setzten. Der Islam galt als „primitiv“ und „lächerlich“, als „Häresie der Sarazenen“ (31), deren mora­lische Schwächen offensichtlich seien. Eine gründlichere Kenntnis des Islam ist erst ab dem Hochmittelalter zu verzeichnen. Einen Wende­punkt markiert die von dem Abt des Klosters Cluny, Petrus Venerabilis, 1142/1143 in Auftrag gegebene Koranübersetzung ins Lateinische, wurde doch jetzt die erste Quelle des Islam – der Koran selbst – zugänglich gemacht. Es war dies auch eine Zeit, in der die wissenschaftliche Überlegenheit des Orient für Europa offen­sichtlich wurde und der Gedanke der Not­wendigkeit von Mission unter Muslimen Gestalt gewann (so z. B. bei Raimundus Lullus, 1232­1316).

Siegfried Raeder fügt dieser Sammlung von Verlautbarungen aus den ersten Jahrhunderten repräsentative Stimmen der Christenheit bis zum 20. Jahrhundert hinzu (Martin Luther, Samuel Zwemer, Hendrik Kraemer). Schade, dass die neue „Handreichung“ der EKD „Klarheit und Gute Nachbarschaft“ vom Ende des Jahres 2006 nicht mehr in das im selben Jahr gedruckte Werk mit eingehen konnte und daher nur die ältere Fassung aus dem Jahr 2000 besprochen wird, die nach Raeders Auffassung „eher geneigt (war), Illusionen zu nähren als Klarheit zu schaffen“ (212). Man hätte auf die Beurteilung Raeders der neuen „Handreichung“ der EKD von 2006 gespannt sein können. – Insgesamt ein interessantes Studienbuch zur Geschichte der Begegnung zwischen Christen­tum und Islam.

Prof. Dr. Christine Schirrmacher, em 2007-3.

Raeder, Siegfried. Der Islam und das Christentum. Eine historische und theologische Einführung. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlagshaus, 2001.

Siegfried Raeder, Prof. em. für Kirchengeschichte an der Universität Tübingen, hat hier eine detaillierte, zweiteilige Studie zum Thema Islam und Christentum vorgelegt. In einem ersten Teil behandelt er die islamische Geschichte mit Ausblick auf einige islamische Länder in der Gegenwart, formuliert Grundzüge der islamischen Theologie, der Philosophie und Mystik und zeichnet Grundlinien des islamischen Rechts nach. In einem zweiten Teil widmet er sich dem Verhältnis zwischen Islam und Christentum und behandelt die einzelnen orientalischen Kirchen, die muslimisch-christliche Begegnung der ersten Jahrhunderte sowie einige der tiefgehenden theologischen Unterschiede zwischen beiden Religionen, die nicht zuletzt die Frage des Heils völlig unterschiedlich beantworten. Es ist Raeder gelungen, einen kompakten wie soliden Überblick über den Islam zu vermitteln, den er immer wieder im Spiegel des Christentums betrachtet. Deutlich erteilt der Autor dabei einer Religionsvermischung eine Absage, um den „Muslim einen Muslim und den Christen einen Christen sein zu lassen“. Ebenso deutlich kommt zum Ausdruck, dass der Islam ein ganz anderes, die Konvertitenverfolgung nicht ausschließendes Menschenrechtsverständnis hat.

Geringfügige Ungenauigkeiten (z. B. Himmelfahrt Marias [54]; Unterscheidung zwischen Imamiten und Zwölferschiiten [49]; Gründung der al-Azhar im 10. statt im 11. Jh.; Glaubensbekenntnis nicht korrekt [98]) schmälern den Wert der Studie in keiner Weise. Mehr zu bedauern ist es, daß das Thema „Koran“ nur hier und da ganz kurz gestreift, bzw. die Entstehungsgeschichte des Korans überhaupt nicht behandelt wird. Wenn daher für den Koran pauschal angenommen wird, es handle sich „um lauter authentische Worte Muhammads“ (211) - was nur für Muslime unumstritten ist - während einige von biblischen Texten selbst vorgenommene Datierungen und die Autorschaft einzelner Bücher als ‘vermeintlich bibeltreu’ abgelehnt werden, dann scheinen hier unterschiedliche Maßstäbe angelegt worden zu sein; eine Ausleuchtung der Textgeschichte des Korans hätte durchaus Ansatzpunkte zu umfassender Textkritik geboten. – In jedem Fall ein wertvolles Lehr- und Studienbuch zum Islam aus christlicher Perspektive.

Dr. Christine Schirrmacher, em 2003-1.

Ramachandra, Vinoth. Gods That Fail. Mo­dern Idolatry and Christian Mission. Car­lisle (GB): Paternoster Press, 1996.

Suchen Sie etwas Erholsames für den Ur­laub? Eine erbauliche, erfrischende Lektüre? Lassen Sie dann dieses Buch lieber im Schrank stehen. Ramachandra möchte uns nicht aufer­bauen, sondern beunruhigen. Er möchte uns nicht dazu ermutigen, wie bisher weiterzuma­chen, son­dern die Botschaft unserer evangeli­stischen Arbeit in Frage stellen. Die Welt for­dert von uns Relevanz. Ramachandra fordert biblische Wahrheit. Der moderne Mensch hat sich zu seinem eigenen Götzen erklärt. Die Botschaft der christlichen Mission tendiert oft dahin, den Götzen zu ernähren, anstatt ihn zu zerstören. Glaube ohne Buße wird zum Mittel, um mate­riellen Segen und eine jensseitige Le­bensversicherung zu erlangen und ist nicht mehr dankbare Hingabe an den Gott, der sich im Leben, im Tod und in der Auferstehung Jesu Christi offenbart. So wird ein Privatglaube gepredigt, der uns selber ergötzt, nicht aber die biblische Botschaft, die Konsequenzen fordert sowohl für unser privates Leben als auch für das öffentliche Leben, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft miteingeschlossen.

Es ist laut Ramachandra das Versagen der westlichen Thelogie, daß Gott von dem Platz verdrängt (displaced) wurde, der ihm gebührt. Nicht die Person und das Werk Jesu Christi stehen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit westlicher Theologen, sondern die Forderun­gen des Rationalismus und der philosophischen Apologetik. Die Naturwissenschaften, die ihre Berechtigung aus dem biblischen Schöpfungs­bericht ableiten, werden zur Begründung der Theologie herangezogen. Dadurch verliert die Theologie ihren Sinn und ihre Vollmacht, die Naturwissenschaften verlieren ihre Grundlage, ihre Moral und ihren Halt.

Ramachandra will uns zeigen, wie das christli­che Abendland sich von der Schrift ent­fernt hat, und möchte uns zu einer biblischen Welt­anschauung zurückführen. Er untersucht die Entfernung von der Schrift durch die verschie­denen Philosopien und erläutert den Einfluß von Marx und Freud auf das christliche Den­ken, sowie die Unterschiede ihrer Ansätze zur biblischen Offenbarung. Damit liefert Rama­chandra einen wichtigen Denkanstoß für die moderne Gemeinde Jesu.

Cambron Teupe, em 1998-2.

Rapold, Walter F. Der Gott, der abends heimkommt. Die Inkulturation des christlichen Gottesbegriffs in Rwanda durch Ernst Johanssen (1864-1934) anhand der Imana-Vorstellung. Volketswil, 1999.

Das vorliegende Buch ist die von der Universität Freiburg/Schweiz 1997 im Fach Missionswissenschaft angenommene Dissertation Walter Rapolds, der 1975-79 und 1986-92 in Butare Theologie unterrichtete. Es ist ein beeindruckender Beitrag zur kontroversen Diskussion über afrikanische Gottesbilder, der von der Entscheidung des Betheler Missionars Ernst Johannssen ausgeht, Gott nicht, wie es die vor ihm angekommenen katholischen Missionare getan hatten, mit dem aus dem Swahili übernommenen Wort Mungu zu übersetzen, sondern mit dem Kinyarwanda Begriff Imana (worin ihm 60 Jahre später die katholische Kirche folgte).

Die Arbeit profitiert davon, dass der Autor alle drei nötigen Quellensprachen beherrscht. So kann er sowohl eine über das bisher geleistete hinausgehende Darstellung des Lebens und Denkens Johanssens geben als auch alle vorhandenen Quellen über Imana verwenden und neue nutzen. In diesem Prozess setzt er sich mit zwei Extrempositionen auseinander, zum einen mit Bernardin Muzungu, der unter Nutzung der scholastischen Theologie in den traditionalen Imanabegriff zu viele Elemente rückwirkend hineininterpretiert und mit André Coupez, der das traditionale Verständnis Imanas auf eine diffuse Kraft, praktisch immer mit „Chance“ übersetzbar, reduziert. Rapold argumentiert, dass Johanssen Gott nicht mit Imana übersetzt habe, sondern Imana, im Sinne Paul Ricoeurs, als Metapher verwende, die das traditionale Gottesverständnis mit dem christlichen in Beziehung setzt (S. 434f) und dadurch eine Neuprägung des Begriffs und seine Bereicherung ermöglicht, ein Prozess, der auch stattgefunden hat, sichtbar daran, dass rwandesische Theologen wie Alexis Kagame weite Bereiche des christlichen Gottesverständnisses in die traditionale Zeit zurückprojizieren.

Nach ausführlicher Darstellung und Diskussion der Quellen und der unterschiedlichen Interpretationen fragt Rapold, ob die Wahl Imanas für Gott berechtigt und geschickt gewesen sei. Er antwortet, dass Johanssen überlegt und mit guten Gründen den eher diffusen Begriff Imana gewählt habe und die (von Johanssen vorausgesehene) Anreicherung und Korrektur des Imanaverständnisses auch tatsächlich stattgefunden habe, wenn auch einige nichtchristliche Vorstellungen (z.B. Imana als unabwendbares und oft willkürliches Schicksal) noch Wirkmächtigkeit behalten haben.

Rapold beklagt aber, dass in diesem Prozess die starken dynamischen Aspekte des Imanaverständnisses nicht genügend bewahrt worden seien, was durch eine Aufnahme des Ruach-Verständnisses im AT gut hätte geschehen können. Rapold schliesst daraus, dass es rückblickend vielleicht besser gewesen wäre, wenn Johanssen für Gott Vater das Wort Rurema (oft als Schöpfer gesehen und nicht klar von Imana getrennt) genutzt hätte und Imana, der ja stark als Kraft gesehen wurde, als Metapher für Gott den Heiligen Geist genommen hätte. Da es für eine Änderung zu spät ist, empfiehlt Rapold, in Predigt und Lehre dem Heiligen Geist und seiner Kraft (aufbauend auf Ansätzen aus der Ostafrikanischen Erweckung und aus der Charismatischen Bewegung) besondere Aufmerksamkeit zu schenken und dazu geeignete Linien aus dem traditionalen Imana-Verständnis zu nutzen.

Ich empfehle das Buch gerne allen, die Johanssen oder Rwanda besser kennenlernen wollen, aber besonders denen, die sich mit den Möglichkeiten des afrikanischen Gottesverständnisses genauer auseinandersetzen wollen.

Um die grosse Arbeit besser zugänglich zu machen, empfehle ich eine französische Ausgabe und ein Buch in Kinyarwanda (über vernachlässigte Aspekte des Imanaverständnisses). Es wäre auch eine Erleichterung gewesen für die Leser, wenn englische und französische Zitate ins Deutsche übersetzt worden wären.

Das Buch kann direkt bei der Buchhandlung des Studienzentrums der AEM, Postfach 1129, 70807 Korntal, e-mail: icb@aem.de bezogen werden; für sFR. 49.90 bei W.F.Rapold@pop.agri.ch.

Klaus Fiedler, em 2003-1.

Raupp, Werner (Hg.). Gelebter Glaube. Er­fahrungen und Lebenszeugnisse aus unse­rem Land. Ein Lesebuch. Metzingen: Franz, 1993.

Der neueste Titel von G. W. Peters - Förder­preisträger Raupp enthält unter 49 biographi­schen Lese-Stücken zu württembergischen Glaubensvorfahren auch 7 zur Mission: Johann Martin Mack, Christian Gottlob Barth, Würt­temberg und Basel, Samuel Hebich, Johann Ludwig Krapf, Friedrich Autenrieth und Karl Hartenstein. Doch auch andere Beiträge erhel­len den Hintergrund, aus dem ein wichtiger Beitrag zur deutschen Missionsarbeit hervor­gegangen ist. Die aus Archiven und Büchern geschöpften Stücke sind teilweise zum Vorle­sen in Missions- und Gemeindekreisen geeig­net. Am meisten schmunzeln mußte ich über Hebich, vor dem sich ein englischer Major in Indien unter dem Sofa verkroch.

Christof Sauer, em 1994-2.

Raupp, Werner. Christian Gottlob Barth: Studien zu Leben und Werk. Quellen und For­schungen zur württembergischen Kirchen­geschichte Bd. 16. Calwer Verlag: Stuttgart, 1998.

Christian Gottlob Barth gehört zu den großen Gestalten des württembergischen Pietismus, auch wenn er im Schatten seiner Zeitgenossen, Ludwig Hofacker (1798-1828) und Johann Christoph Blumhardt (1805-1880) steht. Wie Friedrich Hegel, Christian Friedrich Spittler und Wilhelm Hoffmann gehörte auch C.G. Barth, Schriftsteller, Pädagoge, Naturforscher und Verleger zu den Nachkommen der Glau­bensflüchtlinge, die in Württemberg eine neue Heimat fanden.

Durch ein gründliches Quellenstudium rückte Raupp mit diesem hervorragenden Buch den Vertreter der Erweckungsbewegung in ein helleres Licht und schrieb ein bemerkenswertes Kapitel der reichen Geschichte des württem­bergischen Pietismus und der deutschen Er­weckungsbewegung. Nach einem allgemeinen Überblick, der bis zu seinem Tod (1862) reicht, schildert Raupp das Leben des die Grenzen des württembergischen Königreichs überschreiten­den Barth. Im zwei­ten Kapitel beschreibt Raupp kritisch als Barths traditionsgeschicht­lich-biographisches Umfeld den klassischen Pietismus ablösenden württembergischen Spät­pietismus (ca. 1780-1815) von der Zeit der Französischen Revolu­tion bis zur Neugliede­rung Württembergs nach Napoleon.

Die ersten 25 Lebensjahre lassen sich in drei große Phasen einteilen: Kindheit und Jugend­zeit in Stuttgart, wo Barth durch das Elternhaus und den Pietismus unauslöschliche Eindrücke empfängt. Dem folgt die Studienzeit in Tübin­gen (1817-1821) im Evangelischen Stift, einer der wichtigsten Keimzellen der württembergi­schen Erweckung und Ort einer hervorragen­den Ausbildung.

Im Schlußkapitel stellt Raupp als zweiten Schwerpunkt Barths Werke, Lieder und Peri­odika in einer eindrucksvollen Weise dar und dokumentiert die große Arbeitskraft Barths und seine Wirkungsgeschichte. Das neue aus Lite­ratur und Forschung gewonnene Barth-Bild geht weit über die bisherigen Hauptbiographien hinaus, indem es Barths theologische und mis­siologischen Werke kritisch untersucht und mit knappen Erläuterungen einführt. Es be­schreibt den Volks- und Jugendschriftsteller, Dichter, Publizist und Verleger und zeigt Barth als „eifrigen Förderer der Naturwissenschaften“, wegen seiner „wohl in der Welt einzig daste­henden Sammlung von Expona­ten aus dem Gebiet der Fauna und Flora, wie auch der Eth­nologie und Paläontologie.“

„Gottes Reich in Stuttgart“ prägte das Den­ken dieses schwäbischen Querdenkers, der zeitle­bens unverheiratet blieb, weil er keine Zeit zum Heiraten fand und vor untätigem „Quietismus“ warnte. Sein Blick ging jedoch weit über die Grenzen Württembergs hinaus. So wurde er zum Förderer der internationalen und die Konfessionsgrenzen sprengenden Bas­ler Mission. Barth war eine schillernde Persön­lichkeit. Der imposante und bewunderte „Reich-Gottes-Streiter“ galt als „Sonderling“ und „pietistischer Zyklop“. Er war geistreich und entschlossen und weihte sein Leben „der Ver­herrlichung des Wortes Gottes“. Barth war überzeugt: „Gottes Reich kommt in Kürze“. Dem rational denkenden Theologen war „die ganze Bibel und nichts als die Bibel“, Standort seines Denkens, Handelns und Le­bens. Durch eine „wunderbare Verwandlung“ entstehe der effektiv gerechtfertigte Mensch. Sich selbst be­zeichnete Barth als „kleinen Gott“ und „als un­nützer Knecht“, der „Gott hel­fen darf“, aber nicht einmal tue, was er zu tun schuldig sei.

Der schwäbische Reich-Gottes-Arbeiter wur­de zu einem der größten und bedeutendsten Un­ter­nehmer und Schriftsteller des 19. Jahr­hun­derts. Über 600 Schriften und Beiträge, an die 250 veröffentlichten Lieder und über 50 Ge­dichte, sowie 9 Periodika, an denen er als Be­gründer und Fortführer maßgeblich beteiligt war, gehen auf ihn zurück. Die eigentliche Größe des mit einem Bein im theokratischen „Altwürttemberg“ und mit dem anderen im verweltlichenden „Neuwürttemberg“ stehenden Barth, war seine Glaubwürdigkeit. Sie machte Barth zum Vorbild eines pietistisch gesinnten Christen und zu einer der herausragenden Ge­stalt der Erweckungsbewegung der württem­bergischen Kirche und Landesgeschichte.

Werner Raupp hat mit dieser gründlichen wis­senschaftlichen Arbeit einen wertvollen Bei­trag zur Geschichte Württembergs und der ge­samten Missionsgeschichte geliefert.

Prof. Dr. Karl Rennstich, em 1999-4.

Raupp, Werner. Mission in Quellentexten. Geschichte der Deutschen Evangelischen Mis­sion von der Reformation bis zur Weltmissi­onskonferenz Edinburgh 1910. Verlag der Liebenzeller Mission, Bad Liebenzell; Verlag der Evang.-Luth. Mission, Erlangen 1990.

Mit diesem Dokumentarband ist endlich eine bereits seit Jahrzehnten (!) bestehende emp­findliche Lücke der kirchengeschichtlichen und missionswissenschaftlichen Forschung ge­schlossen. Zum ersten Mal gibt es damit eine umfassende Zusammenstellung repräsentativer Quellen der Geschichte der älteren deutschen evangelischen Mission, die bekanntlich von der Reformation bis zu ihrem Einmünden in die internationale Missionsbewegung bei der Weltmissionskonferenz Edinburgh 1910 reicht, mit der das Zeitalter der Ökumene be­ginnt. Aus diesen vier Jahrhunderten hat der Herausgeber, der Kirchengeschichtler Werner Raupp, eine imponierende Fülle an Material zusammengetragen, das auch die Judenmission (z.B. S.448-455 Franz Delitzsch und Gustaf Dalman) und wirkungsgeschichtlich relevante außerdeutsche Beiträge (z.B. S.61-63 Hadrian Saravia; S.301-304 Hudson Taylor) ein­schließt.

Mit Ausnahme der Beiträge des 16. und 17. Jahrhunderts werden die deutschsprachigen Texte im Original wiedergegeben; fremd­sprachliche Quellen – aus dem Lateinischen, Englischen, Französischen und Jiddischen – sind übersetzt. Die Texte, die Raupp mit ein­leitenden Erläuterungen hilfreich kommen­tiert, umfassen Dokumente der Missionstheo­rie (theologische und missiologische Konzepti­on, Vorträge, kirchliche Erlasse, Utopien) als auch der missionarischen Praxis (Erlebnisbe
richte, Aufrufe, Predigten, Tagebuchaufzeich­nungen). Auswahl und Vielfalt attestieren dem Herausgeber eine profunde Kenntnis der Quel­lenlage, was sich nicht zuletzt an der Berück­sichtigung mehrerer Archivalien und Autogra­phen zeigt (z.B. S.51: Missionsfürbitte aus dem Jahre 1582). Selbst verschollen geglaubte Schriften, die der Herausgeber wieder auffand (z.B. S.238 - 240: Traktat der London Missionary Society von 1798, das zur Gründung des ersten Missionsvereins führte), werden zu­gänglich gemacht. Beachtenswert ist auch die große Anzahl der Erstveröffentlichungen in deutscher Sprache (vgl. bes. S.127-133: G. W. Leibniz) und die zu den Texten angegebe­ne Sekundärliteratur, die eine noch nie dage­wesene Bibliographie zur Missionsgeschichte darstellt. Das Werk ist sorgfältig gearbeitet und hält wissenschaftlichen Ansprüchen stand. Allerdings vermißt man (!) ein für ein solch umfangreiches Werk notwendiges Register.

Einen verhältnismäßig breiten Raum finden Texte aus den missionslosen ‚saecula obscura’ (Vorwort S.ll), dem 16. (S.13-59) und dem 17. Jahrhundert (S.61-126), wobei die Refor­matoren ausführlich zu Worte kommen. Be­deutsam aus diesem Zeitalter sind vor allem die Aufrufe und originellen Pläne von Para-celsus, Justinian von Welz und Arnos Comenius sowie der in Vergessenheit geratene erste protestantische Missionsversuch von 1557 in Brasilien. Aufschlußreich sind auch die im 17. Jahrhundert nicht verstummenden Einwen­dungen römisch-katholischer Kontroverstheo­logen, die die passive Haltung der evangeli­schen Kirchen zur Mission „zu Recht“ (Hg, S.71) heftig kritisierten. Repräsentativ sind auch die Texte des 18. Jahrhunderts (S.127-229). Sie umfassen neben Leibniz und den beiden ersten protestantischen Missionsgesell­schaften, der Dänisch-hallischen und der Herrnhuter, unter anderem auch die Aufklä­rung (Semler, Reimarus) sowie die deutsche Klassik (Goethe, Herder). Das 19. Jahrhun­dert (S.231-462), das auch als das Große Missionsjahrhundert in die Geschichte einging, beginnt mit der deutschen Erst­veröffentlichung von Auszügen aus William Careys klassischer Schrift Enquiry into the punkten, Arbeitsgebieten, Stellung des Mis­sionars und Missionsstrategie gegenüberge­stellt. Dies führt abschließend zu einer Dar­stellung von Zukunftsplänen und einer Analy­se von Faktoren, die Gemeindebau fördern bzw. hindern. Nach Bömer soll Evangelisa­tion auf die Sättigung des Landes mit lebendi­gen Gemeinden zielen. Der Anhang macht fast das halbe Buch aus: Quellentexte, Statistiken, Gemeindeordnungen und Satzungen, wichtige Briefe etc. Der Leser erhält einen guten Über­blick über die geistliche Situation Österreichs, insbesondere über Freikirchen. Auf Grund der Vielfalt werden andere Konfessionen und Gruppierungen nur kurz gestreift. Seit dem Erscheinen des Buches ist der Bund Evangeli-kaler Gemeinden gegründet worden, ebenso neue Gemeinden. Gewünscht hätte ich mir an manchen Stellen eine bessere Darstellung der Gemeindeaufbaumethodik sowie ein Register. Dennoch ist es ein nützliches Studienbuch für freikirchliche Gemeindegründer.

Dieter Trefz, em 1992-4.

Reifler, Hans Ulrich. Handbuch der Missiologie. Missionarisches Handeln aus biblischer Perspektive, Edition afem, mission academics 19. Nürnberg: VTR, 2005.

Während die erste Fassung in Schulen und Gemeinden gelesen wurde und ihre Wirkung hatte, schrieb Hans Ulrich Reifler für seinen Unterricht am theologischen Seminar St. Chrischona konsequent an seinem Buch weiter. Er integrierte jetzt auch deutsche Literatur (auch aus der edition afem und Artikel aus em), nahm weitere Themen auf, vertiefte und erweiterte die bisherigen. Ich möchte das neue Buch hier lediglich kurz vorstellen. Das neue umfangreiche Werk von 650 Seiten ist eher ein Nachschlagewerk und beansprucht, ein Handbuch zu sein. Es behandelt wichtige Themen, wenn man sie hier auch in einer eigenen Systematik eingeordnet findet. Das Kapitel Einführung in die Missiologie zählt ca. 55 Seiten, wobei Begriffe definiert und erklärt werden, Aufgabe und Umfang besprochen und das Verhältnis zur „übrigen“ Theologie untersucht werden. Das Kapitel Missionstheologie umfasst 65 Seiten und bespricht Sinn und Zweck, Ursprung, Fundament, Inhalt, Begründung, Adressat, Träger, Ziel und Ende der Mission. Missionsgeschichte ist der größte Teil des Buches, unterteilt nach Zeitepochen in 15 Kapitel mit insgesamt ca. 175 Seiten. Hier findet man die neueren Missionsverständnisse und die Entwicklung der evangelikalen Missiologie. Vergeblich sucht man hier neben Peter Beyerhaus, Klaus Bockmühl, George W. Peters, der AEM und der Schule in Korntal den Arbeitskreis für evangelikale Missiologie und andere Initiativen. Dagegen sind wichtige Konferenzen und Erklärungen zusammengefasst. Unter Missionsanthropologie (ca. 85 Seiten) werden die Herausforderungen von Mission und Kultur sowie Denkansätze in Kulturen, Sprachen und Gesellschaften besprochen. Kulturschock, Akkulturation und Kulturveränderung dürfen hier nicht fehlen. Ein Exkurs zur Frauenbeschneidung soll als Beispiel der Auseinandersetzung dienen. Mission im Zeitalter der Globalisierung ist ein wichtiges Kapitel, dem 22 Seiten gewidmet sind. Entstehung, Merkmale und Herausforderungen für die Mission sind hier besprochen. Die Interkulturelle Kommunikation umfasst 32 Seiten, wobei die Diskussion der Geschichte, Begründung und Sprachen in die Kontextualisierung einmündet. Dafür werden Modelle und Beispiele vorgestellt und die Methode des Geschichtenerzählens für das Verständnis des Evangeliums erwähnt. Missionsstrategie erhält 35 Seiten. Die Begründung, Entstehung münden in Modelle und Entwicklung von Strategien ein, wofür dann Beispiele gegeben werden, vor allem für die Gemeindegründung. Die Wege in die missionarische Praxis wenden sich an Interessenten, Kandidaten und Missionare selbst. Die Berufung und deren Bestätigung, Situationen im Missionsdienst, Voraussetzungen, aber auch Hindernisse erhalten hier ihren Platz.

Dann folgen die Missionsgemeinde, Missionarskinder und die sinnvolle Gestaltung des Heimataufenthaltes. Nach der online-Verbindung mit Freunden wird diskutiert, wie Paulus seine Missionsarbeit finanzierte. Dabei werden Kostenvergleiche mit Missionaren aus der Zweidrittelwelt angestellt und die Funktion gemeinnütziger Organisationen diskutiert. Member Care und Geistesleitung schließen das Kapitel ab.

Das letzte Kapitel (30 Seiten) enthält Übungen zu den Texten der Lausanner Bewegung von 1974 und 1989, wobei auch Horst Marquardt zu Wort kommt. Das Forum 2004 in Thailand schließt diese Diskussion ab. Weiterführende Literatur und didaktische Fragen nach jedem Kapitel sind wertvoll und regen zur Verwendung in den Schulen und Gemeinden an.

Eine intensive Diskussion, Bewertung dieses Buches sowie eine Auseinandersetzung damit erscheinen zwingend erforderlich. Der wissenschaftliche Tiefgang, die Relevanz für die Praxis sowie die Gewichtung durch den Umfang, die Einordnung der Themen und Verarbeitung der Literatur fordern geradezu zur Diskussion unter Fachleuten heraus.

Andererseits sind hier in einem Band für unsere Zeit wichtige Informationen angeboten, die man sich sonst in vielen anderen Büchern zusammensuchen muss. Wie schon angesprochen, wünsche ich Gemeinden und den Schulen, in denen die erste theologische Grundlage gelegt wird, diese Lektüre.

Prof.Dr. Klaus W. Müller, em 2006-1.

Reifler, Hans Ulrich. Missionarisches Han­deln am Ende des 20. Jahrhunderts. Eine Einführung in die Missiologie. Brunnen Ver­lag: Giessen, 1997.

Mit diesem Buch legt der langjährige Brasi­lienmissionar Hans Ulrich Reifler den beach­tenswerten Versuch vor, in einem einbändigen Werk eine „praxisbezogene und allgemeinver­ständliche Einführung in die wichtigsten Berei­che der Missiologie zu geben“ (S. XIII). Ent­standen ist das Buch aus dem Missiologie-Un­terricht, den Reifler neben seiner Tätigkeit als Gemeindeleiter nach seiner Rückkehr in die Schweiz am Theologischen Seminar St. Chri­schona erteilte. Nach einer Einführung in die Prolegomena zur Missiologie stellt Reifler das Erbe der deutschsprachigen Missiologie dar. Dem Kapitel über Missionstheologie folgen die Bereiche „Missionsanthropologie“ und „transkulturelle Kommunikation“. Danach geht Reifler auf Fragen der Missionsstrategie und der Missionspraxis ein. Abschließend stellt er die ihm wesentlich erscheinenden „Kennzeichen einer evangelikalen Missiologie für das 21. Jahrhundert“ dar (11 S.).

In den meisten Kapiteln gibt Reifler zu den jeweils angesprochenen Themen kurz zusam­mengefaßt die maßgeblichen Gedanken füh­render evangelikaler Missiologen wieder. Die die jeweiligen Kapitel abschließenden „didaktischen Fragen“ zur Wiederholung des Stoffes und der Hinweis auf „weiterführende Literatur“ lassen den Ursprung des Buches als Lehrkonzept an einem Theologischen Seminar erkennen.

An einigen Stellen des Buches läßt der Au­tor den Leser mit der bloßen Zusammenstel­lung verschiedener Stellungnahmen aus der Literatur allein, so z. B. bei der Frage, welche Voraussetzungen für den Missionsdienst wich­tig seien (S. 219ff.) Eine zusammenfassende Synthese oder persönliche Stellungnahme des Autors wäre an solchen Stellen wünschenswert gewesen.

Dadurch, daß Reifler den mutigen Versuch wagt, auf nur 288 Seiten eine Einführung in die wichtigsten Bereiche der Missiologie zu geben, ergeben sich vom Unfang des Stoffes her gese­hen einige Fragen: Kommen z. B. in den kürze­ren Kapiteln über Missionsanthropologie (24 S.) und Transkulturelle Kommunikation (12 S.) nicht manche Themen zu kurz? So wird z. B. die in der Praxis so entscheidende Frage „Wie denken und fühlen Menschen in unterschiedli­chen Kulturen?“ lediglich auf zwei Seiten ab­gehandelt. Abgerundeter wirkt hingegen das umfangreichere Kapitel über „Das Erbe der deutschsprachigen Missiologie“ (56 S.), das wertvolle Einblicke vermittelt.

Dem Buch wäre von daher in einigen Berei­chen eine Erweiterung (vielleicht auf die im Vorfeld der Veröffentlichung angekündigten 400 S.) und eine weitere Überarbeitung auch im Hinblick auf einige stilistische Mängel - zu wünschen. Eine Bibliographie, die die gesamte in den Fußnoten aufgeführte Literatur enthält, sollte zudem unbedingt am Ende des Buches abgedruckt werden.

Besonders wertvoll macht Reiflers Buch, daß ihm immer wieder die Praxiserfahrung des Autors und sein brennendes Herz für das An­liegen der Mission abzuspüren ist. So kann man das Buch zurecht als eine „hilfreiche und motivierende Einführung“ (S. XI) in die Mis­siologie bezeichnen. Missionare, Missionskan­didaten, Bibelschüler, aber auch andere an der Mission interessierte Christen werden es mit Gewinn lesen.

Andreas Baumann, em 1998-2.

Reinhardt, Wolfgang. Das Wachstum des Gottesvolkes. Biblische Theologie des Ge­meindewachstums. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1995.

Wolfgang Reinhardt analysiert in seiner Dis­sertation das Wortfeld „Wachstum des Gottes­volkes“ im Alten und Neuen Testament und exegeti­siert dann ausführlich alle damit zu­sammenhängenden Texte der Apostel­geschichte und des lukanischen Werkes über­haupt. Es ist faszinierend zu sehen, wie häufig dieses Thema in der Bibel angesprochen wird und ebenso erstaunlich, wie oft es heute über­lesen wird. Es sei gestattet, in ei­ner missiologi­schen Zeitschrift die lingustischen und exegeti­schen Metho­den, die Reinhardt anwendet, un­diskutiert zu lassen und gleich auf den in 19 Thesen ausführlich entfalteten systematischen und praktischen vier­ten Hauptteil hinzuweisen (S. 308-350), der – für eine Dissertation heut­zutage ungewöhnlich – direkt von Lukas immer wieder die Linie bis heute zieht. Reinhardt kommt zu dem Ergebnis, daß Lukas den Wachstumsge­danken aus dem Alten Testament übernimmt und dabei die hervorragende Be­deutung des Wortes und der Verkündigung für das Wachstum der Kir­che unterstreicht. Wort Gottes und Gebet sind die Hauptursachen des Wachstums und die Bitte um Wachstum, auch und gerade um quantita­tives Wachstum, gehört zum Wesen einer lebendigen Gemeinde. Das Wachstum wird von Gott allein geschenkt, aber das schließt die menschli­che Aktivität nicht aus, sondern ein. – Es ist erstaunlich, daß eine solche Untersuchung nicht längst vorgelegt wurde, auch nicht in einer anderen Sprache, aber es ist umso erfreulicher, daß sie jetzt zur Verfügung steht.

Dr. Thomas Schirrmacher, em 1996-4.

Reller, Horst; Hans Krech; Matthias Kleiminger (Hg.). Handbuch Reli­giöse Ge­meinschaften und Weltanschauungen. im Auftrag der VELKD. Gütersloher Verlagshaus: Gütersloh, 20005.

Das neben dem ‘Hutten’ (Kurt Hutten. Seher, Grübler, Enthusiasten. Quell Verlag: Stuttgart, 198212) zweite große bewährte protestanti­sche Standardwerk über ‘Sekten’ usw., das seit 1952 in Arbeit war und 1978 in 1. Auflage erschien, erscheint hiermit in einer stark aktualisierten Aus­gabe.

Im ersten Teil werden die klassischen Frei­kirchen in Deutschland vor­gestellt, dabei unter „Pfingstbewegung“ auch 9 Pfingstdenomi­nationen und dazu weitere Bewegungen, die etwas Licht in die sich ständig erweiternde Vielfalt dieser Richtung geben. Im zweiten Teil folgen Sondergemeinschaf­ten, die zwischen den Sekten in Teil 3 und den Freikirchen ste­hen, so etwa die Adventisten. (Schade ist, daß die Weltweite Kirche Gottes [S.234-244], de­ren Entwicklung von der Sekte zur Kirche mit klassischem christ­lichen Lehrgehalt beschrie­ben wird [bes. S.236-237], dennoch nicht unter ‘Freikirchen’, sondern unter ‘Sondergemein­schaften’ gelistet wird, vor al­lem wenn man bedenkt, wie großzügig der Begriff Freikirche bei zahlrei­chen Pfingstdenominatio­nen oder den Quäkern ausgelegt wurde; vgl. dazu meine Idea-Dokumentation 11/2000 „Eine Sekte wird evangelisch“.)

Im 3. Teil werden in alphabetischer Reihen­folge die 11 wichtig­sten christlichen Sekten in Deutschland beschrieben. Im 4. Teil fol­gen synkre­tistische Neureligionen, wie etwa Uni­verselles Leben oder die Mormonen. Im 5. Teil werden esoterische und gnostische Weltan­schauungen wie die Anthroposophie beschrie­ben. Im 6. Teil folgen die früher fälschlich meist ‘Jugendreligionen’ genannten reli­giösen Bewegungen, die ihren Ursprung in Asien ha­ben, wie etwa Baha’i oder Hare Krishna. Im 7. Teil werden ganz neu vier „Kommerzielle An­bieter von Lebensbewältigungshilfen und Psy­cho-Organisationen beschrieben, darunter Scientology.

Im wesentlichen ist der Aufbau der Beiträge immer gleich, was eine gute Vergleichbarkeit der Gruppen zur Folge hat. Der Hinter­grund sind die zu Beginn abgedruckten Erhebungs- und Beurtei­lungsbögen, die deutlich machen, welche Angaben und Informatio­nen erhoben wurden, ein sicher gelungenes und für den Le­ser über­sichtliches Verfahren.

Insgesamt ist die Information gründlich re­cheriert und sehr zu­verlässig. Die Darstellung beschreibt sowohl die Sicht des Insiders tref­fend, als auch die Schwerpunkte, die einem au­ßenstehenden Protestanten auffallen. Die In­formation ist auf dem neuesten Stand - auch jüngste Lehrveränderun­gen bei einigen Grup­pen sind eingear­beitet und in der Beurteilung be­rücksicht. (Dementsprechend wur­den auch vier inzwischen unwichtig gewordene Gruppen herausge­nommen.)

Hilfreich sind die Richtlinien für die lutheri­schen Kirchen für den prakti­schen Umgang mit Angehörigen der verschiedenen Gruppen, da sie damit auch die praktischen Belange des Gemeindealltags be­rücksichtigen. Sie sind im­mer gleich aufgebaut, so daß leicht zu fin­den ist, ob ein Anhänger einer Bewegung etwa als Pate in Frage kommt oder es bei der Eheschlie­ßung Probleme gibt. Problematisch und für Evangelikale unverständlich sind dagegen die Ratschläge in Bezug auf die Freikirchen, weil sich dabei zeigt, wie engstirnig die oft extrem liberalen und weitherzigen lutherischen Lan­deskirchen sind, wenn es an Sakramente und Amtshandlungen geht. Statt sich zu freuen, wenn ein aktives Mitglied einer Freikirche Pate wird oder ein Landeskirchler das Abendmahl einer Freikirche besucht, werden hier Beden­ken geäußert und Hürden aufgebaut, die sich meines Er­achtens in der Realität längst über­lebt haben.

Dr. Thomas Schirrmacher, em 2000-4.

Reller, Jobst (Hg.). „Die Mission ist weiblich“. Frauen in der frühen Her­mannsburger Mission. (Quellen und Beiträge zur Geschichte der Her­manns­burger Mission und des Ev.-Luth. Missionswerkes in Nieder­sach­sen. Band XXI) Münster: LIT Verlag, 2012.

Der vorliegende Sammelband entstand anlässlich der Jahrestagung 2010 des Ludwig-Harms-Symposiums des Ev.-lutherischen Missionswerkes in Nieder­sachsen, die sich mit der Geschichte seiner weiblichen Mitarbeiter be­schäf­tig­te. Der Herausgeber ist Vorsitzender des Kuratoriums des Symposiums und Do­zent für Kirchengeschichte und Prak­ti­sche Theologie an der Fachhochschule für Interkulturelle Theologie (Missions­seminar Hermannsburg).

Der Hauptfokus der Aufsatzsammlung liegt auf biographischen Fallstudien von Mitarbeiterinnen der ersten beiden Gene­ra­tio­nen, die aus dem Archivmaterial des Missionswerkes zusammengestellt wur­den und erstmals einem breiten Leser­kreis zugänglich werden. Durch die  ein­leitenden Beiträge werden die biogra­phischen Studien eingebettet in den Rahmen der Forschungsgeschichte zur Partizipation von Frauen in der Mis­sions­geschichte allgemein und in der 1846 gegründeten Hermannsburger Mis­sion im Besonderen. Bemerkenswert ist, dass auch einheimische Missions­mit­arbeiterinnen im Blick sind sowie  Unter­stützerinnen in der Heimat. Schließ­lich ist dem Band noch ein interessanter Rückblick auf die Welt­missionskonferenz  in Edinburgh 1910 aus der Perspektive der Hermannsburger Mission beigefügt.

Der einleitende Aufsatz von Lienemann-Perrin (S. 7-23) gibt einen prägnanten Überblick über die Partizipation von Frauen in der Missionsgeschichte seit ihren ersten Anfängen bis ins 20. Jahr­hundert. In Übereinstimmung mit ande­ren Missionshistorikern hebt die Autorin den Befund hervor, dass Frauen „in der Missionsgeschichtsschreibung größten­teils unsichtbar“ sind und bewertet diesen nicht nur als Ergebnis einer an­dro­zentrischen Geschichtsschreibung, son­dern auch als Indiz für die in der Missionsgeschichte immer wieder­keh­rende Verdrängung von missionarisch tätigen Frauen aus ihren Wir­kungs­feldern. Dieses Phänomen verfolgt die Autorin von der frühesten Missions­ge­schichte bis ins 20. Jahrhundert und be­zeichnet es als „Prototyp für die von Europa ausgehende Mission“, der „die ganze außereuropäische Christentums­ge­schichte nachhaltig geprägt“ hat (S. 7). Sie zeigt auf, dass dieser Entwicklung jeweils hermeneutische Grund­ent­schei­dungen zugrunde liegen (S. 12) und sie folgenschwere Auswirkungen für das Missionsverständnis und die Missions­praxis hat (S. 13). Dieser kluge und herausfordernde Aufsatz regt zum For­schen an und gibt den nachfolgenden Fallstudien Fokus und ein gedankliches Grundgerüst. Mit einer Aufstellung der häufigsten Problemkonstellationen und Handlungsweisen von Frauen in der Mission ist die Brücke zur Konkretion in den nachfolgenden Biographien ge­schlagen.

Der  Autor des nachfolgenden Aufsatzes konstatiert zur Anfangsgeschichte weib­licher Missionsarbeit in der Hermanns­burger Mission wiederum eine spärliche Berichterstattung. Gleichzeitig hebt der Autor die vergleichsweise große Selbst­ständigkeit Hermannsburger Missionars­frauen hervor (S. 41), die sich allerdings stets im Rahmen „eines durch biblische Unterordnungstexte untermauerten Rol­len­verständnisses und des traditionellen Bildes der deutschen Hausfrau“ (S. 39, 60) bewegten. Im biographischen Teil des Buches tritt folgendes Bild hervor: Bereits in seiner Unterteilung in „Mis­sionarsfrauen“, „Einheimische Agen­tin­nen der Mission“ und „Missions­freun­dinnen“ fällt auf, dass in jener ersten Zeit selbstständige weibliche Missionarinnen eigentlich nicht vorkamen (Vgl. S. 106). In den Lebensbeschreibungen bestätigt sich, dass das Quellenmaterial tat­säch­lich nur spärliche Informationen zu sicher bewegten Biographien hergibt, die vor allem durch die Härten eines Fa­milienlebens in den jeweiligen Pionier­situationen geprägt waren. Eine gewisse relative Selbstständigkeit der Mis­sio­nars­frauen in engen Grenzen bestätigt sich.

In den Biographien der einheimischen Mitarbeiterinnen beeindrucken ver­hal­te­ne, aber deutliche Züge einer Selbst­ständigkeit ihres Denkens und Handelns als Missionarinnen, die sie manchmal in Spannung mit Vertretern der Mission brachten, jedoch in den Berichten nach Deutschland kaum Niederschlag fanden. Über die „Missionsfreundinnen“ der frü­hen Hermannsburger Mission wird bei aller Verschiedenheit eine Gemein­samkeit ihrer Lebensgeschichte deutlich: Sie bekamen entscheidende geistliche Im­pulse durch die Brüder Harms und stellten sich aus Dankbarkeit in den Dienst der Mission.

Diese Aufsatzsammlung ist meines Er­achtens in zweifacher Hinsicht ein wert­voller Beitrag zur missiologischen For­schung: Zum Einen wurde begonnen, eine konkrete missionsgeschichtliche Lücke zu schließen und es bleibt zu hoffen, dass diese Forschungsarbeit weiter­geht. Zum Anderen gibt die Ein­bettung des biographischen Materials in den Horizont grundsätzlicher Über­legungen zur Partizipation der Frau in der Missionsgeschichte dem Werk einen besonderen Wert. Es wird ein ge­dank­liches Gerüst bereitgestellt, das zur Auseinandersetzung mit dem biogra­phi­schen Material herausfordert und zum Weiterforschen einlädt. Dabei wird der Leser auch angeregt, Bilanz zu ziehen über den heutigen Stand der Zusammen­arbeit zwischen Mann und Frau in der Mission.

Hanna-Maria Schmalenbach, em 2012-4.

Renck, Günther. Contextualization of Christianity and Christianization of Language. A Case Study from the Highlands of Papua New Guinea. (Erlanger Monographien 5). Erlangen: Verlag der Ev.-Luth. Mission, 1990.

Dieses auf der Grundlage einer Dissertation entstandene Buch will die Diskussion um das Thema der Kontextualisierung um einen Bei­trag bereichern, der Kontextualisierung als lin­guistischen Prozeß darstellt. Gestützt auf seine eigene, fast 20-jährige Missionserfahrung in Papua Neuguinea, beschreibt Renck am Bei­spiel des Volkes der Yagaria, wie sich die „Christianisierung“ der Sprache und die Kon­textualisierung der christlichen Botschaft ge­genseitig bedingen. Anhand ausführlicher lin­guistischer Studien und zahlreicher praktischer Beispiele zeigt der Verfasser auf, wie sich Sprache wandelt, um christliche Vorstellungen und Denkkonzepte ausdrücken zu können: Theologische und biblische Begriffe werden nicht mit der Hilfe von Fremdwörtern oder Lehnwörtern aus anderen Sprachen in die Sprache der Yagaria importiert, sondern bisher „heidnische“ Begriffe der eigenen Sprache nehmen eine neue, christliche Bedeutung an. An dieser Stelle, so der Verfasser, beginnt Kontextualisierung und die Entstehung einer einheimischen Theologie, wobei auch die Frage nach der Gefahr des Synkretismus nicht aus­geklammert wird. Die praxisorientierte und de­taillierte Ausführung dieser Grundaussagen wird durch eine umfassende Beschreibung der Yagaria, ihrer Welt und ihrer Sprache sowie durch Forderungen an eine kirchliche und mis­sionarische „Sprachpolitik“ ergänzt. Das ganze Buch ist in sich klar strukturiert und logisch aufgebaut. Der auf Englisch verfasste Text ist flüssig zu lesen und sprachlich nahezu fehler­frei, obwohl Englisch nicht die Muttersprache des Autors ist. Eine deutsche Zusammenfas­sung für Leser, die das Englische nicht so gut beherrschen, wäre allerdings wünschenswert gewesen, ebenso wie ein Register und eine benutzerfreundlichere Plazierung der umfang­reichen Fußnoten. Obwohl auf linguistische Fachterminologie weitgehend verzichtet wird,


setzen die ausführlichen sprachwissenschaftli­chen Analysen ein grundlegendes linguisti­sches und übersetzungstheoretisches Wissen voraus. Es ist ein Buch aus der Praxis der Sprachforschung und Bibelübersetzung für lin­guistisch interessierte Missiologen und missiologisch interessierte Linguisten. Dennoch ist es durch sein präzise herausgearbeitetes Anliegen, Sprache als einen wesentlichen Faktor in Mis­sion und Kontextualisierung darzustellen, auch über diesen Leserkreis hinaus empfehlenswert.

Silke Sauer, em 1993-3.

Rennstich, Karl. Korruption: Eine Heraus­forderung für Gesellschaft und Kirche. Quell-Verlag: Stuttgart, 1990.

Für Rennstich ist in seiner Habilitations­schrift (Teilabdruck) Korruption nicht nur ein privates oder ein wirtschaftliches Pro­blem, ist doch corruptio bei den Kirchen­vätern der Begriff für die Erbsünde. Des­wegen referiert er zahllose Beispiele von Korruption in der Geschichte und aus aller Welt und untersucht den Stellenwert der Korruption in der Bibel und in der Theolo­giegeschichte.

Sicher werden manche Evangelikale sich an Rennstichs Theologie stoßen, etwa an seinem kritischen Umgang mit Bibeltexten oder seiner Sicht anderer Religionen. Aber was an biblischer Ethik haben sie der Kor­ruption entgegenzusetzen? Was haben sie zum Umgang ihrer Missionare mit diesem weltweiten Phänomen zu sagen? Denn selbst wenn man den Bereich der Wirtschaft aus dem Zuständigkeitsbereich der Kirche ver
bannen wollte, sind doch immer noch Mis­sionsgesellschaften und Kirchen weltweit Tag für Tag persönlich betroffen.

Wohl basiert Rennstichs Arbeit stark auf dem Alten Testament, das dem Thema Kor­ruption zahlreiche Gesetze widmet und das Thema der Unbestechlichkeit vom Wesen Gottes über die Aufgabe des Staates, des Richters und des Priesters bis hin ins all­tägliche Leben verfolgt; doch die gegen­wärtige Abwertung des Alten Testaments und seiner Ethik, sei es durch die historisch­kritische Methode oder die pneumatisch-pietistische Auslegung, die weithin die Ver­bindlichkeit der alttestamentlichen Moral­gesetze im reformatorischen, insbesondere calvinistischen Sinn zugunsten einer per­sönlichen Geistesführung aufgegeben hat, beraubt die Ethik gerade in diesem Bereich m. E. der Durchschlagskraft. Denn was Rennstich in Basel letztlich an reformiertem Gedankengut als Herausforderung zusam­menfaßt, war im klassischen Calvinismus Allgemeingut, weil die biblische Ethik dort nicht auf das Privatleben beschränkt, son­dern auf alle Bereiche der Gesellschaft be­zogen wurde.

Entsprechende Literatur kenne ich nur aus dem Bereich des amerikanischen Calvinis­mus, etwa in den Werken von Rousas Roushdoony oder Gary North, die von der Irrtumslosigkeit der Bibel ausgehend zu ganz ähnlichen Ergebnissen gelangen: Wer­ke, die Rennstich leider trotz seiner Litera­turfülle nicht berücksichtigt.

Dr. Thomas Schirrmacher, em 1991-3.

Rennstich, Karl. Nicht jammern, Hand an­legen: Christian Friedrich Spittler ‑ Leben und Werk. Franz, Metzingen, 1987.

An Anfang eines neuen geistlichen Auf­bruchs im deutschsprachigen Raum um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert steht die Christentumsgesellschaft mit dem Sitz in Basel, und ihre wichtigste Persönlichkeit sowohl für die Missionsarbeit wie für die soziale Arbeit war der Württemberger Chri­stian Friedrich Spittler. Rennstich liefert auf 177 Seiten eine gut lesbare Biographie
dieses Mannes, der immer neue missionari­sche und soziale Werke gründete, meist Erfolg hatte und nichts für sich selbst suchte.

Missionsgeschichtlich interessant ist, daß er erst die Basler Mission gründete, dann Chrischona, und seine Liebe dann, obwohl er nicht an Konkurrenz dachte, doch mehr der späteren Gründung zuwandte, trotz oder wegen der Schwierigkeiten, die Chrischona mit der Arbeit in Jerusalem und mit der „Apostelstraße“ Jerusalem-Ägypten-Äthio­pien hatte. Wer sich für die Idee der sich selbst tragenden Handwerker- oder Indu­striemissionen in Afrika interessiert, findet hier interessantes Material zu ihren Vorstu­fen. Manche Details sind, weil sie heutigen Theorien widersprechen, bedenkenswert, zum Beispiel was auf S. 131 über Spittlers äthiopische Adoptivtochter Fatme steht.

Schade, daß Spittlers Frau, die so wichtig war (S.26), fast nur bei ihrer Hochzeit und bei ihrem Tod erwähnt wird. Rennstich gelingt es zu zeigen, daß so „alte Pietisten“ wie Spittler in vielem sehr modern waren; aber daß das Programm vom „Dienste in Über­see“ schon vorweggenommen wurde (S.43), überzeugt mich nicht. Interessant ist Spitt­lers konservative Haltung dem Staat gegen­über, verbunden mit seiner Ablehnung des Krieges („lieber die Pest als den Krieg!“). S.140).     

Dr. Klaus Fiedler, em 1987-3.

Riccardi, Andrea. Salz der Erde, Licht der Welt: Glaubenszeugnis und Christenverfolgung im 20. Jahrhundert. Freiburg: Herder, 2002.

Das Interesse am Thema Christenverfolgung wächst weltweit innerhalb und außerhalb der Kirchen. Doch während sich Untersuchungen zur aktuellen Gegenwart ständig vermehren, sind solche zur Geschichte eher selten. Angeregt von dem wachsenden Archivmaterial, das in Rom gesammelt wird, seitdem Papst Johannes Paul II. alle katholischen Teilkirchen und Orden aufgefordert hat, systematisch Material über Märtyrer der Gegenwart und Vergangenheit zu sammeln, hat eine Italienerin eine umfassende Geschichte der Verfolgung katholischer Christen in aller Welt verfasst. Die Autorin teilt den Stoff in neun Kapitel zur Sowjetunion, zum Dritten Reich, zum kommunistischen Osteuropa, zum asiatischen Kommunismus, zur islamischen Welt, zu Mexiko und Spanien, zu Afrika seit der Unabhängigkeit, zur Zählung und Einteilung der Märtyrer und, für Missiologen besonders interessant, in Kapitel IV. über ‚Martyrium und Mission’. Während die anderen Kapitel vorwiegend auf die einheimischen Christen und Kirchen eingehen, wird hier vor allem das Schicksal ausländischer (längst nicht nur westlicher!) Missionare und Angehöriger von Missionsorden geschildert.

Das gut ausgestattete und gründlich recherchierte und belegte Werk verwendet natürlich im Original kaum deutsche Quellen und Literatur. Aber neben die zahlreichen Belege vor allem in italienischer und französischer (erstaunlicherweise seltener in englischer) Sprache sind ungewöhnlich viele Belege auf Deutsch getreten und man hat sehr gründlich nach deutschen Übersetzungen der verwendeten Werke gesucht, wie überhaupt die Übersetzung nicht merken lässt, dass der Text gar nicht auf Deutsch verfasst wurde.

Das Buch ist historisch ausgerichtet und bietet wenig theologisches Material, etwa zur Frage, wie Christenverfolgung und Martyrium geistlich einzuordnen sind - sieht man einmal vom fünfseitigen Vorwort von Manfred Scheurer ab, der einige Stimmen aus der Kirchengeschichte zitiert und sich wie ich selbst (siehe: Christenverfolgung geht uns alle an, Idea-Dokumentation 15/1999 und Persecution Concerns Us All. VKW: Bonn, 2001) der recht weiten Märtyrer-Definition von Karl Rahner anschließt.

Märtyrer anderer Konfessionen erscheinen, wenn es sich aus dem Material oder vorhandenen Büchern ergab, am Rande ebenfalls (außer es handelt sich um berühmte Fälle wie der Genozid an den Armeniern), werden aber nirgends systematisch erfasst oder thematisiert (siehe z.B. S.60-61 über „die Lutheraner, die Baptisten und die Evangelikalen“ in der Sowjetunion der 30er Jahre) - eine eindeutige Schwäche des Werkes, spricht doch der Papst selbst davon, dass die Ökumene der Märtyrer die stärkste Ökumene sei (S. 19-20) und weitet seinen Leidensbegriff weit über seine Kirche hinaus aus (siehe dazu mein Buch ‚Der Papst und das Leiden’. VTR: Nürnberg, 2002).

Es ist bedauerlich, dass es derzeit kein ökumenisches, protestantisches oder evangelikales Gegenstück zu diesem Werk gibt und auf absehbare Zeit wohl auch nicht geben wird.

Prof. Dr. Thomas Schirrmacher, em 2003-1.

Richards, Lawrence O. Praxisbuch Hausbi­belkreis, Bd. 2: So werden Hausbibelkreise lebendig. Neu­hausen: Hänssler, 1994.

Lebendige Gespräche in Hausbibelkreisen – wie bringt man sie in Gang? Dieses Praxisbuch bietet entscheidende Hilfe für den Gesprächs­einstieg. Es enthält ausgearbeitete Fragen für verschiedene Interessengruppen und Themen­kreise, darunter auch Mission und Evangelisa­tion. In Band 2 werden ausgesuchte Texte von den Paulusbriefen bis zur Offenbarung und zwei Psalmen behandelt. Die urchristliche Si­tuation ist Vorbild für Mission und Evangeli­sation. Beides gehört zusammen und wird in die­sem umfangreichen Buch in 10 Abschnitten bedacht. Die Symbole für die Themenkreise sind gut gewählt, im Druck jedoch zu klein ausgefallen. Die 54 Studienanleitungen sind klar gegliedert in Überblick, Erläuterungen, Gliederung, Anregung zur Gruppenarbeit. Auch wenn Mission nicht so sehr im Vorder­grund des Buches steht, ist es für alle Hausbi­belkreise sehr zu empfehlen.

Dipl. Ing. Fritz H. Lamparter, em 1997-1.

Richardson, Don. Secrets of the Koran, Ventura, CA: Regal Books, 2003.

Der amerikanische Missionar und Missiologe Don Richardson wurde bekannt durch seine Bücher „Peace Child“, „Lords of the Earth“ und „Eternity in their hearts“. In diesen Büchern geht es um hilfreiche Analogien und kulturelle Brückenfunktionen für die Verkündigung des Evangeliums. In seinem neuesten Buch geht es Richardson darum, den Islam und Koran nach solchen Analogien und Anknüpfungspunkten zu untersuchen. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Richardson findet keine und macht sich daran, die negativen Aspekte und „Geheimnisse des Korans“ aufzudecken. Die Kapitelüberschriften deuten diese negativen Aspekte an: „A Book of Peace?“ (1), „The Wolf in the Fold“ (2), „Violent Verses, Violent Deeds“(3), „Critiquing the Koran“ (4), „Polygamy and Islam’s Prophet“ (5), „How Muslims Try to Defend the Koran“ (6), „Non-Muslim Attempts to Defend the Koran“ (7), „Old Testament Morals and the Koran“ (8), „New Testament Morals and the Koran“ (9), „A Warring Prophet’s Supremacist Legacy“ (10),“Islam’s Plan for World Domination“ (11), „Islam’s Penetration of Western Culture“(12), „A Twenty-First Century Plague of Locusts?“ (13), „Europe: An Auto-Genociding Continent“ (14), „Louis Farrakhan, Islam and Slavery“ (15) und „Reviewing ‘Militant Islam Reaches America’“ (16).

Warum schreibt Richardson dieses Buch, und was will er erreichen? Sein Ausgangspunkt ist der 11. September 2001: Haben hier Extremisten den Islam ungerechtfertigt und völlig falsch für ihre politischen Ziele in Anspruch genommen? Ist der Islam eine Religion des Friedens, wie westliche und islamische Politiker immer wieder betonen? Oder ist der Koran die eigentliche Quelle der Gewalt? Ruft der Koran alle, die ihn wirklich ernstnehmen, zum Jihad gegen alle Nicht-Muslime auf und zielt letztlich auf Unterwerfung der Welt durch den Islam, auch und gerade mit Gewalt? Don Richardson ist von Letzterem überzeugt und möchte seine Leser warnen. Seine hauptsächlichen Quellen sind Mark A. Gabriel, Bernard Lewis, William Muir, Maxime Rodison, Reza F. Safa, Bat Ye’or und Ibn Warraq. Richardson ist überzeugt, dass Europa im hohen Maße gefährdet ist, vom Islam beherrscht zu werden, und auch Amerika diese Gefahr ernst nehmen muß. Deswegen ist seine Intention „to wage truth on Islam, because truth is the doorway to genuine peace“ (S. 251). Er ist überzeugt, dass weder westliche Politiker noch die Mehrheit der moderaten Muslime den Koran wirklich kennen. Richardson möchte deswegen versuchen, die „dunklen Geheimnisse des Korans“ zu enthüllen, um so die Quelle des gewaltbereiten Jihadismus zu entkräften (vgl. auch Don Richardsons Webseite www.donrichardsonbooksales.com).

Vieles ist gut beschrieben und hilfreich zu wissen. Manches müßte eingehender durch Historiker und Islamwissenschaftler geprüft werden. Manches erscheint einseitig oder überbewertet (z.B. „Europe: An Auto-Genociding Continent“, S.194-198), manches ist schlicht falsch (z.B.“Muslim immigrant percentages in the population of various European nations range from 10 to 20 percent“, S.186; „The Five Pillars of Islam“, S.226). Ob das Buch im Dialog mit Muslimen weiterhilft, darf bezweifelt werden.

Dr. Dietrich Kuhl, em 2004-3.

Richter, Julius. Mission und Evangelisation im Orient. Mit Beiträgen von Eberhard Troeger und Christof Sauer. Evangelium und Islam, Band 4, Nürnberg: Verlag für Theologie und Religionswissenschaft (VTR), 2006.

Dieser Nachdruck der 2. Auflage [1930] von Mission und Evangelisation im Orient, Band II in Julius Richters umfassender Reihe Allge­meine Evangelische Missionsgeschichte, wurde erfreulicherweise in der Reihe „Evangelium und Islam“ neu herausgegeben, da es „bis heute kein vergleichbares Überblickswerk ... in deutscher Sprache gibt“ (Initiator und Mitherausgeber Eberhard Troeger im Vorwort). Richter, der von 1914 bis 1930 Missionswissenschaft an der Berliner Humboldt-Universität lehrte, beschreibt in diesem Band die Geschichte der protes­tantischen Missionen im Mittleren Osten vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis zum Jahr 1930. In einem einleitenden Kapitel setzt sich Richter zunächst mit Grundfragen der missionarischen Begegnung mit dem Islam sowie mit der strittigen Frage auseinander, ob die protestan­tische Evangelisation und Kirchenbildung unter den orientalischen Kirchen - meist Ansatzpunkt der Missionsbemühungen, die sich dann parallel oder sukzessive auch den Muslimen zuwandten - berechtigt gewesen seien. Im ersten Kapitel gibt der Autor einen kurzen Überblick der „Anfänge der protestantischen Missionsbestrebungen“ im Orient (S. 46-53) von der Reformationszeit bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts, wobei er besonders das Wirken Henry Martyns (1780-1812) in Indien und Persien, die von Malta ausgehende „Mittel­meermission“ der Church Missionary Society (CMS) sowie das Wirken der Basler Mission im Kaukasus kurz darstellt.

Die weiteren Kapitel widmen sich dann aus­führlich den Entwicklungen der protestantischen Missionen in verschiedenen Regionen des damaligen Osmanischen Reiches, bzw. des Mitt­leren Ostens: Türkei (S.54-107), Syrien und Palästina (108-160), Persien (161-193), Ägypten und Abessinien (194-232). Das Buch enthält des weiteren einen Anhang mit einer Übersicht der damaligen Bibelübersetzungen in die Sprachen des Mittleren Ostens sowie eine statistische Überblickstabelle zu den dargestellten Missions­arbeiten (S. 233-243).

In Richters Darstellung wird zunächst die herausragende Rolle des kongregationalistischen American Board of Commissioners for Foreign Mission (kurz AB) sowohl in der Türkei als auch in Syrien/Libanon und Persien betont. Richter beschreibt wie das AB sich zunächst den orientalischen Kirchen zuwandte, z.B. der kul­turell aufgeschlossenen Armenier-Kolonie in Konstantinopel. Er zeigt auf, wie die Missionare durch Literaturarbeit, die Übersetzung der Bibel und durch christliche Schulen den Glauben der orientalischen Christen beleben und vertiefen, „die Blüte der armenischen Jugend durch eine gediegene abendländische Bildung anziehen“ (S. 57) und damit auch eine wesentliche Vor­arbeit zur Erreichung der muslimischen Bevöl­kerung leisten wollten. Als katastrophale Zäsur in der Missionsgeschichte des Orients beschreibt Richter „die Vernichtung des armenischen Vol­kes“ in der Türkei ab 1895. Hier schildert er dann die großen Hilfswerke, die daraufhin in England, Deutschland und Frankreich ent­standen (vgl. die Rezension zu Sabine Thüne, Ernst Jakob Christoffel, in dieser Ausgabe). Dass das AB sich in der Folge entschloss, seine Wirksamkeit auf die muslimische Bevölkerung der Türkei zu richten, sah Richter als „bedeut­same Wendung, deren Entwicklung und Folgen wir abwarten müssen“ (S. 96). Neben der Darstellung der protestantischen Ar­beit unter den orientalischen Christen gilt Richters Interesse immer wieder der heraus­fordernden Missionsarbeit unter der muslimi­schen Bevölkerung. Er schildert z.B. den kur­zen, aber wirkungsvollen Einsatz der CMS mit Karl Gottlieb Pfander in Konstantinopel, die amerikanische Arabien-Mission Samuel Zwe-mers, Temple Gairdners Wirken in Kairo oder die Anfänge der Sudan-Pionier-Mission unter den Nubiern. Im Abschnitt über Palästina widmet Richter den deutschen Initiativen be­sondere Aufmerksamkeit wie dem preußisch­englischen Bistum in Jerusalem (in Verbindung mit der CMS) unter der Leitung Samuel Gobats sowie dem Evangelischen Jerusalems-Verein von F.A. Strauß oder dem Syrischen Waisen­haus Ludwig Schnellers. Richters Darstellung ist vom Denken seiner Zeit geprägt und somit auch als Zeitdokument zu lesen, bietet aber zugleich einen wichtigen missionsgeschichtlichen Überblick und Ein­blick. Der Wert des Buchs wird durch die ergän­zenden Beiträge der Herausgeber noch erhöht, die die Brücke zur Gegenwart schlagen. Troeger greift in einem Aufsatz den Faden der Missions­geschichte nach 1945 wieder auf und beschreibt den „Paradigmenwechsel“ von der „herkömm­lichen Missionsarbeit“ zur neuen evangelikalen Missionsbewegung im Mittleren Osten ab den 1960er Jahren. In einem englischsprachigen Beitrag (der auch Teile aus Troegers Vorwort auf Englisch wiedergibt) setzt Sauer Richters Werk in den Kontext der internationalen mis­sionshistorischen Forschung zum Mittleren Osten und bietet eine hilfreiche Gesamt­chronologie evangelischer Mission im Orient von der Reformation bis 1990. Hier findet sich auch eine (leider kaum lesbare) historische Landkarte zu den Ausführungen Richters. Das Vorwort hat Recht: Das Buch ist „Pflicht­lektüre“ für alle, die sich auf einen Dienst im Mittleren Osten vorbereiten, bzw. sich für die facettenreiche Missionsgeschichte dieser Region interessieren.

Dr. Friedemann Walldorf, em 2007-4.

Riecker, Siegbert. Mission im Alten Testament? Ein Forschungsüberblick mit Auswertung. Beiheft Inter­kul­tu­relle Theologie 10. Frankfurt: Lem­beck, 2008.

Wer sich mit der Fragestellung „Mission im Alten Testament“ auseinandersetzen will, wird an diesem Buch in der näheren Zukunft nicht vorbeikommen. Es stellt eine Neubearbeitung des einleitenden Kapitels von Rieckers Dissertation dar, die 2006 von der ETF in Leuven ange­nommen wurde und deren Hauptteil unter dem Titel Ein Priestervolk für alle Völker. Der Segensauftrag Israels für alle Nationen in der Tora und in den Vorderen Propheten in der Reihe SBB erschienen ist.

Riecker legt eine reiche Materialsamm­lung vor, die sich darum bemüht nicht nur die Beiträge zum Stichwort „Mission im Alten Testament“ zu nennen, sondern zu charakterisieren und auszuwerten. Dies geschieht nach einem kurzen Pro­blemaufriss (S. 12-16) in erster Linie durch die Einordnung einzelner Beiträge in verschiedene Kategorien: historisch-pro­gressive Ansätze (S. 17-33), thema­tische Ansätze (S. 34-49), thematisch-dialektische Ansätze (S. 50-72), kano­nische Ansätze (S. 73-83), systematische Ansätze (S. 84-98) sowie reli­gions­geschichtliche Ansätze (S. 99-108). Vor der Zusammenfassung und Auswertung (S. 128-144) stellt Riecker noch Ver­öffentlichungen zu Teilbereichen (S. 109-121) zusammen und legt einen Exkurs zu Gott als direkter Partner der Völker vor (S. 122-127). Dem Autor gilt der Dank, dass er den Lesern eine Fundgrube an Material und Frage­rich­tungen vorlegt, auch wenn Riecker be­dauer­licherweise Scheurers grund­le­gen­den Beitrag nicht um ältere inter­na­tionale Beiträge erweitern konnte (S. 15).

Die Präsentation der einzelnen Beiträge erfolgt leider uneinheitlich hinsichtlich des Umfangs und des Stils. Manchmal wird ein Beitrag mit einem kleinen Ab­satz vorgestellt (beispielsweise S. 53 oder mehrere Beiträge auf S. 85) und dann wird ein anderer Beitrag auf drei Seiten (S. 38-41) oder auf sechs Seiten (S. 65-71) breit dargestellt. Mangelnde Einheitlichkeit liegt auch in der Frage­stellung vor, mit der die einzelnen Bei­träge vorgestellt werden. Manchmal wird auf die Voraussetzungen des jeweiligen Autors und die Folgen seiner Argu­mentation eingegangen und dann findet sich nur eine kurze Darstellung der je­weiligen Argumentation. Manch­mal bie­tet Riecker Hintergrund­infor­mation zum Autor an und dann fehlt jegliche Ein­ordnung des Beitrages. Manch­mal wird der Beitrag direkt kurz ausgewertet und dann ist nichts davon zu entdecken. Manchmal wird der jeweilige Buchtitel oder Zeitschriftenartikel ge­nannt und dann findet sich lediglich eine Jahreszahl verbunden mit dem Namen des Autors. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass bisweilen die Kenntnis der Literatur vorausgesetzt wird.

Diese Uneinheitlichkeit erschwert bis­weilen das Verständnis für die ei­gent­liche Bedeutung des jeweiligen Beitrages und für eine profilierende Abgrenzung von anderen Beiträgen. Vielleicht hätte die Präsentation dadurch an Wert ge­winnen können, dass man ein Raster von wegweisenden Fragestellungen gleich­mäßig an alle Beiträge anlegt sowie ihre Voraussetzungen und Folgen reflektiert. Solch ein Vorgehen könnte es für den Leser auch nachvollziehbarer machen, wie die einzelnen Kategorien zur Ein­ordnung der Beiträge zustande kommen und was sie zu ihrem Verständnis sowie der Auseinan­der­setzung mit der Frage­stellung beitragen.

Den Aussagen und dem Ansatz von Scheurer sollte weiterhin in der Aus­wertung oder bei weiteren Forschungen nachgegangen werden. Scheurer bietet nicht nur „einen enzyklopädischen Überblick über die Thematik in der deutschsprachigen evangelischen Litera­tur des 18.Jahrhunderts bis etwa 1981“ (S. 14), sondern verweist auf „die mis­sionsbegründende Universalität Jhwhs [die] sich in allen genannten Bereichen nicht nur auf die sichtbare Welt der Völker, sondern auch auf die unsichtbare Welt der Götter bezieht“ (S. 67). Damit stehen wegweisende Fragen im Raum; z.B. inwiefern altorientalische Vor­stel­lungen der Götterwelt für die Aus­wer­tung einzelner alttestamentliche Aus­sagen zu der Fragestellung von größter Bedeutung sind. An einigen Stellen wie Ex 12,12 wird diese implizite Auseinan­der­setzung explizit. Unter Berück­sich­ti­gung dieser Dynamik können aus dem altorientalischen Kontext Frage­rich­tun­gen entfaltet werden, die Wesent­liches zur Thematik beitragen können. Bei­spiels­weise ist dies mit Rieckers Disser­tation unter dem Blickwinkel des Segens bereits geschehen.

Diese (kritischen) Anmerkungen sollen den Beitrag des Buches nicht schmälern. Vielmehr soll herausgestellt werden, wie viele wertvolle Aspekte des Buches durch weiterführende Ergänzungen und Aus­einandersetzungen mit dem Thema den Wert des Buches noch steigern kön­nen. Wo Auswertungen von Einzel­bei­trägen durchgeführt werden, regen sie zur Reflexion und zur weiteren Be­schäftigung mit den jeweiligen Frage­stellungen an. Die Zusammenfassung und Auswertung Rieckers identifiziert grundlegende Fragestellungen, wie die Frage nach der Definition von Mission (S. 128-129), dem zugrundeliegenden Paradigma (S. 129), der Entstehung des Missionsgedankens (S. 130) und der Berücksichtigung der unsichtbaren Welt (S. 130). Er stellt klar heraus, dass eine Definition von „Mission“ ebenso ver­schieden wie weichenstellend ist (S. 138-140) und als neutestamentliches oder missionstheologisches Konzept nicht einfach an das Alte Testament heran­getragen werden sollte (S. 142). Ebenso weist er darauf hin, dass mehrere The­men in ihrer Vielfalt nebeneinander stehen bleiben sollten bevor man nach einer inneren Einheit fragt (S. 143). Es ist zu wünschen, dass diese Empfeh­lungen Rieckers bei weiteren Unter­suchungen befolgt werden.

Dr. Heiko Wenzel, em 2009-3.

Riesner, Rainer. Die Frühzeit des Apostels Paulus. Wissenschaftliche Untersu­chungen zum Neuen Testament 71. J. C. B. Mohr: Tübingen, 1994.

Der Tübinger Privatdozent Rainer Riesner hat bereits in seiner Dissertation „Jesus als Lehrer“ die historische Glaubwürdigkeit biblischer Überlieferungen, hier der Evan­gelien, bei grundsätzlicher Beibehaltung der historisch-kritischen Methode zu erwei­sen gesucht. In seiner Habilitationsschrift „Die Frühzeit des Apostels Paulus“ unter­nimmt er mit einer Fülle historischen Materials und detektivischer Kleinarbeit ähnli­ches für den frühen Paulus, wobei auch vieles für die spätere Lebensge­schichte des Apo­stels abfällt. In einer missio­logischen Zeitschrift sei es jedoch gestattet, le­diglich den missiologischen Aspekt des vorlie­genden Buches darzustellen und zu beurteilen, also vor allem das mittlere der drei Kapitel mit dem Titel „Stationen paulinischer Missions­strategie“ (S.204-296). Zunächst einmal ist begrüßenswert, daß Riesner die Reise­route des Apostels minutiös nachzeichnet und dabei ins­besondere der Frage nachgeht, welche Reise- und Transportmittel dem Apostel zur Verfü­gung standen und wie die jeweilige örtliche Situation aussah, in die hinein Paulus auftrat. Dadurch wird deutlich, welchen Hindernissen die paulinische Mission zu begegnen hatte und daß hinter der Mission – wie heute – eine um­fangreiche Planungs- und Vorbereitungs­arbeit stand.

Theologisch ist von besonderem Interesse, daß Riesner die Missionsmoti­vation des Paulus vor allem in alttestamentlichen Texten sieht. Zwar könnte man we­sentlich mehr Beispiele heranziehen (siehe mein Buch „Der Römer­brief“, Bd. 1+2) und man muß den Grund dafür, daß Paulus sich nicht vorrangig auf den jesuani­schen Missi­onsbefehl stützt, nicht in der kriti­schen Sicht suchen, der Missionsbefehl sei da­für eine zu späte Basis (S.213), also wohl nicht von Jesus selbst. Aber Riesners Ex­egese und Erläuterung zu Röm 15 und der dort zi­tier­ten alttesta­mentlichen Texte ist m. E. ein we­sentlicher Fortschritt in dieser Frage. Insbeson­dere geht Riesner davon aus, daß Paulus in den geogra­phischen Angaben von Jes 66,18-21 in der zeitgenössi­schen Inter­pretationen der Septua­ginta den Weg der Aus­breitung des Evangeli­ums unter den Heiden und damit sei­nen eige­nen Reiseweg vorge­zeichnet sah (S.213-225), auch wenn andere Faktoren ebenfalls eine Rolle spielten.

Dr. Thomas Schirrmacher, em 1996-1.

Ritchie, Mark Andrew. Der Geist des Re­gen­waldes. Die Geschichte eines Ya­no­mamö-Schamanen, Lahr: St.-Johan­nis-Druckerei, 2008; übersetzt von Lothar und Gisela Käser.

Kein Indianerstamm Südamerikas ist in den vergangenen Jahrzehnten so bekannt geworden wie die Yanomamö im Grenz­gebiet von Brasilien und Venezuela durch die Ethnographie des Ethnologen Chagnon. Heute – 40 Jahre später – er­scheint in deutscher Übersetzung ein Buch, in dem die Yanomamö ihre Geschichte selber erzählen. Dieses Buch ist eine wichtige Ergänzung zu und Kor­rektur von Chagnons Darstellung. Es ist das Verdienst des Ethnologen und Ani­mismus-Kenners Lothar Käser und sei­ner Frau Gisela, uns diesen span­nenden Band in einer guten, flüssigen Über­setzung in deutscher Sprache zu prä­sentieren.

In dem Buch des Journalisten Ritchie erzählt „Dschungelmann“ von seinen Er­fahrungen als Schamane bei den Yano­mamö. Er berichtet von seinem Umgang mit seinen Schutz- und Hilfsgeistern und beschreibt seine Reisen in die jenseitige Welt, um die Menschen in seinem Scha­bo­no (eine Art Runddorf) zu beschützen und ihre Feinde zu bekämpfen. Der Leser erhält auf diese Weise aus erster Hand einen Einblick in die Lebenswelt eines Schamanen und seines animis­ti­schen Weltbilds. Die Darstellung ist sehr realitätsnah. Dschungelmann beschreibt die Erfahrung von Angst, von Kriegs­hand­lungen und der Tötung von Men­schen mithilfe von Geistern ohne dabei ins Voyeuristische abzurutschen. In der Darstellung wird die Durchdringung von sichtbarer und unsichtbarer Welt, die für das animistische Weltbild typisch ist, ebenso deutlich wie das Ineinander­grei­fen von zwischenmenschlichen Kon­flik­ten einerseits und Konflikten in der un­sichtbaren Welt andererseits. Der Leser erhält so in der Erzählung Einblick in grundlegende Charakteristika einer ani­mis­tischen Weltsicht.

Darüber hinaus entlarvt dieser Bericht den im Western immer wieder ge­äu­ßerten Appell, die christliche Mission solle die Einheimischen doch im Frieden in ihrer Religion leben lassen, als eine wirklichkeitsfremde, ideologische For­de­rung, die nicht dem Denken der Ein­hei­mischen entspricht. Dschungel­mann hat sich – nach jahrelanger Skepsis – be­dingt durch die Veränderungen, die der christ­liche Glaube in einem der Yano­ma­mö-Dör­fer bewirkt hat, von seinen Schutz­geis­tern getrennt und sich dem Gro­ßen Geist, Yai Pada, ange­schlossen. Die Ab­wendung von Gewalt und Blut­rache be­deutete für die Men­schen dieses Dor­fes eine bis dahin nicht gekannte Be­freiung aus bisherigen gewalttätigen Ver­hal­tens­mustern. Dschun­gelmann macht keinen Hehl daraus, dass er sich dringend mehr Mis­sionare wünscht, die seinen Men­schen die Botschaft des Großen Geistes brin­gen. So erscheint denn in diesem Buch auch der Missionarssohn Kiliiwa, der unter den Yanomamö aufgewachsen und später als Missionar zu ihnen zurück gekehrt ist, als wahrer Kenner und Freund der Yanomamö.

Damit wird eine weitere Konfliktebene angesprochen. Dschungelmann schildert, wie die unterschiedlichen Lebens­auf­fas­sungen und Verhaltensweisen von Eth­nologen und Missionaren, die unter den Yanomamö lebten, von den Ein­hei­mi­schen erlebt wurden. Dabei haben sich nicht alle Naba (Weißen) als wahre Freun­de der Yanomamö erwiesen. Die Schilderung dieser Konflikte aus der Sicht der Yanomamö ist eine wichtige Ergänzung und Korrektur bisheriger Dar­stellungen und zugleich ein Beitrag zur kontroversen Diskussion über die Rolle einzelner Ethnologen und ihrer Arbeit unter den Yanomamö, die Tierney durch seine Publikation angestoßen hat (Tierney, P.: Darkness in El Dorado, New York 2000).

Dieses Buch bietet die einzigartige Gele­genheit, einem Yanomamö Indianer zu­zu­hören, die Welt des Animismus aus der Sicht eines Insiders zu sehen, an den oft schmerzlichen Erfahrungen teil­zu­nehmen, die diese Menschen in ihren Begegnungen untereinander und in ihren Begegnungen mit Weißen gemacht ha­ben, Einflüsse unterschiedlichster Art von der Außenwelt auf die Lebenswelt der Indianer zu beobachten, und in all dem zu sehen, wie das Evangelium befreiend und kulturverändernd – nicht zerstörend! – wirkt. Ein sehr spannendes Buch, das das Leben in einer vom Animismus geprägten Stammeskultur aus bisher nicht gekannter Perspektive schildert.

Dr. Jürgen Schuster, em 2009-3.

Rittner, Reinhard (Hg.). Glauben Christen und Muslime an densel­ben Gott? Bekenntnis Fuldaer Hefte 34. Schriften des Theologischen Konventes Augs­burgischen Bekenntnisses. Han­nover: Lutherisches Verlagshaus, 1995.

Schwerpunkt dieses Tagungsberichtsbandes ist die biblisch-christliche und die koranisch-mus­limische Sichtweise der Dreieinigkeit Gottes. Kir­chengeschichtlich-exegetische Aufsätze christlicher Theologen stehen ne­ben religions­vergleichenden und islamwissenschaftlichen, sowie muslimi­schen Beiträgen.

Gleichermaßen interessant wie ungewöhn­lich ist die Tatsache, daß die deutlichste Aufforde­rung zum Dialog von einem muslimi­schen Theologen kommt: Mehdi Razvi bezieht hier offen die für die islamische Theologie klare Außen­seiterposition, daß nicht nur Mus­lime, sondern auch gläubige Juden und Chri­sten mit Gottes Erbarmen im Jüngsten Gericht rechnen könnten. Die christlich-islamische Kontroverse über die Trinität ist für ihn inzwi­schen „derart abgeschwächt und irrelevant ge­worden, daß wir aufhören sollten, weiterhin darüber gegen­seitig zu polemisieren“ (S. 70). – Diese Auffor­derung spiegelt allerdings wohl kaum die Wirklichkeit der missionarischen Be­gegnung von Christen und Muslimen wider.

Leider stehen die einzelnen Beiträge inhalt­lich recht isoliert nebenein­ander – dies liegt aller­dings in der Natur eines Tagungsberichtsban­des. Dementsprechend werden teilweise stärker die Unterschiede, teilweise stärker die Gemein­samkeiten zwi­schen biblischer und koranischer Dog­matik betont. Wer allerdings eine eindeu­tige – und wie ich meine, klar zu verneinende – Antwort christlicher Theologen auf die Frage nach dem­selben Gott sucht, wird sie hier höchstens ein­mal zwischen den Zeilen ange­deutet finden können.

Dr. Christine Schirrmacher, em 1997-4.

Robert, Dana L. Converting colonial­ism: visions and realities in mission his­tory, 1706-1924 (Studies in the Hist­ory of Christian Missions), Grand Ra­pids: Eerdmans, 2008.

Die Herausgeberin des Sammelbandes lehrt Kirchen- und Missionsgeschichte an der Boston University und plädiert gegen die generelle Ablehnung von Mis­sion sowie für eine Differenzierung der Vergangenheit, insofern der konkrete Kon­text zu berücksichtigen sei. Die wei­teren Autoren sind international tätige Kir­chen- und Missionshistoriker aus Af­ri­ka, den USA und Groß­bri­tannien, zu de­nen die Herausgeberin er­klärt: „They treat the modern missionary movement […] as a pragmatic product of the hist­orical encounter between Western Chri­st­ianity and local settings.“ (S.5)

Daniel Jeyaraj untersucht Berichte der Tranquebar-Mission über die indische Kul­tur mit ihrem Einfluss auf Mis­sions­gesellschaften und das westliche Denken des 18. Jahrhundert. Roy Bridges be­schreibt das Zusammenwirken von Mis­sion und Imperialismus in Ost-Afrika im Zeitraum von 1844-1890. Geografische/ ethnologische Berichte der Missionare und der Aufbau eigener Infrastrukturen seien Vorarbeiten für spätere Vorstöße Großbritanniens gewesen.

Andrew Porter beleuchtet die Wirkung von Imperien-Konzepten auf das missio­narische Denken und be­schreibt, wie die britische Besetzung des Nahen Ostens/ Nordafrikas und das Zu­sam­mentreffen mit dem Islam escha­tol­ogische Entwürfe formte und Islam-Angst bzw. missio­na­rischen Einsatz förderte.

C. Peter Williams behandelt die weg­wei­sen­den Drei-Selbst-Ideale von Henry Venn (Church Missionary Society). Die bri­tisch-anglikanische Siedlungspolitik ha­be die bestehenden einheimischen Kir­chen im 19.Jahrhundert sehr heraus­ge­for­dert und schließlich entmündigt.

Richard Elphick führt diesen Gedanken bei Entwicklungen in Südafrika von 1890-1914 weiter. Die Rassentrennung durch Teile niederländisch-reformierter Christen skizziert er als eine Antwort nationalistischer Identität auf den lokalen Kon­text, welche das Anliegen von Gleich­heit aushöhlte.

Dana Robert setzt bei der Bedeutung von Familie für die angloamerikanische Mis­sion an. Der Gedanke des „christ­lichen Heims“ habe großen Einfluss auf die protestantische Missionsarbeit unter/ durch Frauen gehabt, was wiederum lokale Gegebenheiten veränderte. Elea­nor Jackson beschreibt sodann die Rolle einheimischer Evangelisten in Bengalen/ Ostindien, analysiert ihre Arbeit und präsentiert sogar eine kommentierte Na­mensliste einheimischer Pioniere. Die Art der Bildungsangebote durch Mis­sio­nare zeige zudem, wie Missionstheorie durch den Kontext geformt wurde.

Der Sinologe R. G. Tiedemann beleuch­tet die römisch-katholische Mission im China des 19. Jahrhunderts, welche einer lebendigen Untergrundkirche begegnete. Tiedemanns These besagt, dass im Grun­de einheimische Gläubige China im 19. Jahrhundert evangelisierten.

Abschließend erfasst der afrikanische His­toriker J. F. A. Ajayi exemplarisch die Wirkung ausbildender Missions­schu­len auf westafrikanische Eliten. In Span­nung zur kolonialen Autorität galten Mis­sionare als Instrument, um Natio­na­lismus und säkulare Bestrebungen gegen eine bibel-orientierte Politik zu unter­stützen.

Formal gesehen ist der Paperback-Sam­mel­band gut gelungen und praktisch zu handhaben, die Fußnoten verweisen de­tail­liert auf einschlägige Literatur oder kommentieren den jeweiligen histori­schen Hintergrund. Eine Fundgrube mis­sio­logischer Forschung ist die Bib­lio­graphie (25 Seiten), ebenso dienlich ist das ausführliche Stichwortverzeichnis. Die verschiedenen Autoren bleiben durch­gehend dem oben genannten For­schungsansatz treu, insofern ihr Anliegen die Berücksichtigung ethnisch-kultu­rel­ler Eigenheiten, die Analyse historischer Kausalitäten sowie generell eine diffe­ren­zierte sozio-kulturelle Analysen ist. Das Interesse mancher Leser an biblisch-theologischen Bezügen wird nur in An­sätzen bedient und vielmehr auf die ge­schichtlichen Geschehnisse gelenkt. Der vor­liegende Abriss des „langen“ 19. Jahr­hunderts überzeugt letztlich durch sein Themenspektrum und die detaillier­ten Analysen.

Der Zusammenhang von Mission und Kolonialismus wird hier nachvollziehbar thematisiert, ebenso die missionarischen Vor­stöße für Menschenrechte und Ab­schaffung von Sklaverei. Auch zeigt sich die Verbindung von pragmatischen und geistlichen Anliegen, eingebettet in kon­krete historische Zusammenhänge, wel­che die ernüchternde und gleichzeitig hoff­nungsvolle Komplexität der Mis­sionsgeschichte aufzeigen. Alles in allem ein nützlicher Sammelband für Missio­logen und missiologisch Interessierte auf der Suche nach einem realistischen Bild von Mission und Kolonialismus – nütz­lich sowohl für weitere Forschung als auch für apologetische Argumentationen.

Daniel Vullriede, em 2010-4.

Robert, Dana L. Occupy until I Come: A. T. Pierson and the Evangelization of the World. Wm. B. Eerdmans: Grand Rapids (MI), 2003.

Nach mehr als einem Jahrhundert wird endlich wieder eine Biografie des legendären Missions­mannes Arthur Tappan Pierson (1837-1911) vorgelegt. Selbst nie Missionar und doch ständig in Sachen Mission auf Reisen, war Pierson die graue Emminenz der weltweiten Studentenmis­sionsbewegung des 19. Jahrhunderts und der führende Förderer und Verteidiger der Weltmis­sion im evangelischen und evangelikalen Be­reich. Die Autorin ist Professorin für Weltmissi­on in der Universität Boston und durch ihr Buch ,American Women in World Mission’ bekannt. Wie in diesem Buch legt sie auch in ihrer Pier-son-Biografie ein historisches Meisterwerk vor, sowohl was das Wirken und die theologische Entwicklung Piersons betrifft, als auch, was das theologische und soziale Umfeld seiner Zeit betrifft. Wer die Biografie an einem Stück liest, erhält ein faszinierendes Gesamtbild der angel­sächsischen Frömmigkeit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Zwar enthält das Buch leider -und angesichts der Gründlichkeit völlig unver­ständlicherweise - keine Fußnoten und keine detallierten Quellenbelege, dafür aber eine sehr gute und ausführliche Diskussion der vorhande­nen Bücher zum Thema und zum Umfeld. Fas­zinierend ist der geistliche und theologische Lebenslauf Piersons, der wie so viele Evangeli-kale seiner Zeit mehrere konfessionelle Zugehö­rigkeiten durchlief und von allen Richtungen lernte und etwas für immer festhielt. Von Haus aus Presbyterianer erbte er von seinen reformier­ten Lehrern die fundamentalistische Bibelhal­tung, den Optimismus in der Evangelisation und den Einsatz für soziale Belange. Doch durch seine weitgespannten Kontakte – vor allem in den USA und in England –, etwa durch seine Besuche bei seinen Freunden Charles H. Spurgeon (S.49-50) und Georg Müller, und durch seinen Einsatz im Rahmen der Evangelischen Allianz und des CVJM wurde aus dem refor­mierten Evangelisten ein evangelikaler Erwe-ckungsprediger. Eine Midlifekrise wegen der zunehmenden Armut in den Großstädten (S.85ff), gegen die die Evangelisation nichts aus­richten konnte, ließ ihn pessimistischer werden und führte schließlich 1876 zu einer Art zweiter Bekehrung. Pierson schloss sich der Heiligungs­bewegung an, nahm sich Charles Finney zum Vorbild (S.89ff) und wurde schließlich 1879 Prämillennialist wie Georg Müller (S.103+­106+151), bleibt dabei aber optimistisch was die Zunahme und den Erfolg der Weltmission be­trifft. 1886 schließlich beginnt die Studenten­missionsbewegung, als sich 100 Studenten auf einer seiner Bibelfreizeiten entschließen, Missi­onare zu werden. Pierson verlässt das Pastorat und wird Erweckungsevangelist in Sachen Mis­sion. Sein Buch ,The Crisis of Missions’ (S.140-144) rüttelt die evangelische Welt auf. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere lässt er sich wiedertaufen, nachdem er zwei Jahre ohne Wie­dertaufe auf der Kanzel Spurgeons gepredigt hatte. Die Baptisten weltweit warfen ihm jedoch lautstark vor, die Taufe privat im kleinen Kreis durchgeführt zu haben, die Presbyterianer ent­zogen ihm die Ordination und die ökumenisch orientierten älteren Kirchen die Unterstützung (S.245-249). Viele Freunde wandten sich von ihm ab. Doch die gewonnene Zeit nutzte er für eine Vielzahl von Veröffentlichungen, die meis­ten zum Thema Mission, einige außerdem zur Bibel. Denn - was gerne verschwiegen wird, wenn zu Recht Piersons ökumenische Gesin­nung hervorgehoben wird - Pierson war immer ,Fundamentalist’ (S.279-283) und schrieb fünf Beiträge für die namensgebende Buchserie des Fundamentalismus ,The Fundamentals’. Sein erstes Buch zur Verteidigung der Bibel verfasste er bereits 1880 (S.97), sein Buch ,God’s Living Oracle’ gilt James I. Packer bis heute als eine der bedeutendsten Verteidungen der Einheit der Bibel (S.266-267). Pierson ist ein herausragen­des Beispiel dafür, dass Bibeltreue, Evangelisa­tion, Förderung der Weltmission, weitherzige Zusammenarbeit, und Einsatz gegen die sozialen Übel dieser Welt Hand in Hand gehen können und dass auch evangelikale Christen immer Ler­nende bleiben.

Prof.Dr. Thomas Schirrmacher, em 2004-2.

Robert, Marie-Hélène, et al (eds.). Figures bibliques de la mission: Exègese et théologie de la mission, Approches catholiques et protestantes (Lectio Divina 234) Paris: CERF, 2010. Paperback, 260 Seiten.

Der vorliegende Sammelband hat seinen Ursprung in der Association Franco­phone Oekuménique de Missiologie (vgl. www.afoml.org), die katholische und protestantische Perspektiven miteinander vereint. Ziel ist es, Schriftexegese und Mis­sionstheologie miteinander zu ver­binden. Die Teile des Bandes „reflètent bien la dialectique d’ensemble, entre la missio Dei, source et fondement de toute mission, et la part qui revient à l’homme dans le travail missionaire“ (8). Im „Préface“ beschreibt P. Abadie die ein­zelnen Beiträge und setzt sie zueinander in Beziehung. Der erste Teil gilt dem Han­deln Gottes in der Mission: J.-D. Macchi, “La bénédiction dans la Bible hébraïque“ (23-48); C. Vialle, „Esther et Judith: le rôle des païens dans le plan de Dieu“ (49-72) und M.-H. Robert, „Identité d'Israël et mission dans l'Ecriture“ (73-97). Der zweite Teil ist den menschlichen Trägern der Mission (figures missionnaires) gewidmet: É. Cuvillier, „Paul missionnaire: approche historique et théologique“ (101-118); Priscille Djomhoué, „La Samaritaine, une pionnière de la mission évangéli­satrice dans le Nouveau Testament“ (119-133) und J.-F. Zorn, „L'appel du Macédonien (Ac 16,9-10): un récit biblique fondateur de la mission?“ (135-157). Teil drei beleuchtet die Mission der Gemeinde (réception communautaire): C. Paya, „Le discours missionaire de Matthieu“ (161-175, der Autor lehrt an der Faculté de théologie évangélique de Vaux-sur-Seine); M. Schöni, „Un mo­dèle centrifuge et un modèle centri‑pète? Jésus et la mission de l'Église selon Luc-Actes et selon Jean“ (177-194); P. Pou­couta, „La mission sous le signe de l'altérité: Ac 2.1-41” (195-210) und J. Matthey, “Mission et guérison: le rôle des communautés chrétiennes selon quelques textes choisis du Nouveau Testa­ment“ (210-240). Abschließend schreibt J. Matthey unter den Stich­wor­ten missio Dei, eine Mission – unter­schied­liche Missionen, missio ecclesiae, ein Zeugnis – unterschiedliche Zeug­nisse, eine „Conclusion: convergences et divergences, pôles dynamiques en mission” (241-253). Der Beiträge des ge­lun­genen Bandes sind mit wesent­li­chen Strömungen der gegenwärtigen inter­na­tionalen Missiologie im Gespräch. An wichtigen Stellen fehlt das Gespräch mit evangelikalen Beiträgen und mit neuerer exegetischer Literatur zur Mission im Neuen Testament.

Christof Stenschke, em 2012-2.

Roberts, W. Dayton & John A. Siewert, Mis­sion Handbook: USA/Canada Protestant Ministries Overseas. 14. Ausgabe, MARC/ Zondervan: Monrovia/Grand Rapids 1989.

Nachdem die dreizehnte Ausgabe dieses Werkes früher ausführlich besprochen wur­de, soll nur kurz auf die neue Ausgabe hin­gewiesen werden. Das unentbehrliche Nach­schlagewerk enthält wieder die Adressen aller Missionsgesellschaften in den USA und Kanada mit Arbeitsgebieten, Personal-


bestand und Spendenaufkommen. Die Ge­samtzahl der amerikanischen Missionsge­sellschaften ist um 31 auf 692 gestiegen, die Zahl der Missionare von 58 700 (1985) auf 70 969 (1988), darunter 30 748 Kurzzeit­missionare. Während der eigentliche Aufbau des Buches gleich geblieben ist und aus der Besprechung der 13. Ausgabe ersehen wer­den kann, wechseln die beigegebenen Auf­sätze jeweils.

Diesmal enthält der Band neben einer Ein­führung in die statistische Situation 44 Sei­ten mit vier Beiträgen: Eine Darstellung der internationalen Lage von William A. Dyrness, ein sehr kurzer Beitrag von J. Christy Wilson über „Zeltmacher“, ein Auf­satz von Arthur F. Glasser über den Beitrag der amerikanischen Missionsvereinigungen zur Weltmission und eine Untersuchung zur Frage, wie die Kirche im Laufe der Ge­schichte ihre Missionsarbeit organisierte. ‑ Die Aufnahme in das Verlagsprogramm von Zondervan hat der Haltbarkeit des Buches offensichtlich sehr gut getan!

Dr. Thomas Schirrmacher, em 1991-3.

Rommen, Edward. Die Notwendigkeit der Umkehr. Missionsstrategie und Gemeinde­aufbau in der Sicht evangelikaler Missions­wissenschaftler Nordamerikas. Giessen : TVG, Brun­nen Verlag, 1987.

Nach einer in Amerika vorgelegten kleine­ren Dissertation über Deutschland („Na­menschristentum“) legt Rommen, Professor an der Trinity Evangelical Divinity School in Deerfield/USA und Dozent am Predi­gerseminar der Freien Evangelischen Ge­meinden in Ewersbach, nun seine zweite in Deutschland (bei Bürkle in München vor seinem Wechsel zur katholischen Fakultät) eingereichte Dissertation über Amerika vor. Rommen ist also für die Verständigung zwischen den USA und Deutschland prä­destiniert.

In der ersten Hälfte des Buches referiert er über fünf entscheidende evangelikale An­sätze der Missionswissenschaft, nämlich: der systematische von George W. Peters, der anthropologische von Alan Tippett, Charles Kraft u.a., der soziologische von Donald McGavran (Gemeindewachstums­bewegung), der kommunikationswissen­schaftliche von David Hesselgrave u.a. und der strategische Ansatz von Ralph D. Win­ter. Im zweiten Teil systematisiert er die evangelikale Missionswissenschaft Nord­amerikas und vergleicht sie mit anderen Ansätzen. Dabei hebt er einerseits die Stärken hervor, von denen wir in Europa lernen können, betont andererseits aber ebenso die Schwächen, die leicht zu weit­reichenden Problemen führen können.

Diese ausgezeichnete Dissertation kann Brücken bauen und ‑ für eine Dissertation durchaus ungewöhnlich ‑ als Nachschlage­werk dem schnellen Erfassen wichtiger amerikanischer Ansätze dienen. Wer sie ge­lesen hat, wird manches Gute und Schlechte in der amerikanischen Missionswelt besser verstehen, aber auch begreifen, wieviel die evangelikale Missiologie in Deutschland aufzuholen hat. Schade, daß Rommen in Amerika lehrt und nur gelegentlich in die BRD kommt.

Thomas Schirrmacher, em 1988-1.

Roser, Markus. Hexerei und Lebensriten. Zur Inkulturation des christlichen Glaubens unter den Gbaya der Zentralafrikanischen Republik. Missionswissensch. For­schungen; NF Bd. 13. Erlanger Verlag für Mis­sion und Ökumene: Erlangen 2000.

Der Autor hat sich in seiner Heidelberger Dis­sertation ein ungemein schwieriges, weil kom­plexes Thema vorgenommen: die Hexerei, ein Phänomen, das besonders charakteristisch ist für schriftlose Gesellschaften, aber auch in den so genannten Hochkulturen vorkommt, und bis zum Zeitalter der Aufklärung in Europa eine unrühmliche Rolle gespielt hat.

Bemerkenswert an Rosers Arbeit ist die Breite, mit der sie angelegt ist, die Sachkennt­nis, mit der er die ungemein vielschichtige Materie ordnet und die Gründlichkeit, die er im Um­gang mit Details an den Tag legt. Er tut dies auf Grund einer eher selten anzutreffenden Fä­cherkombination: Der Autor ist Theologe und Ethnologe. Darüber hinaus verfügt er offen­sichtlich auch über ins Einzelne gehende lin­guistische Kompetenzen, denn er untermau­ert seine Ausführungen mit semantischen Analy­sen von Wortformen, die Schlüsselbe­griffe im gedanklichen System der Hexerei bei den Gbaya bezeichnen. Dies ist eine Grundvoraus­setzung für dichte Beschreibungen von Religi­onskomplexen überhaupt.

Wer sich einarbeiten will in das Verstehen der zahlreichen Funktionen und Wirkungen, die Hexerei als soziales Phänomen auf Men­schen ausübt, wer Zugänge sucht zu möglichen Lö­sungen für schwerwiegende Probleme, die der Glaube an die Fähigkeiten männlicher und weiblicher Hexen im Raum christlicher Ge­meinden und Kirchenorganisa­tionen schafft, der findet sie modellartig in die­ser Darstellung. Es ist zu vermuten, dass man­che Schlüsse, die der Autor als Missionar zieht und manche Vor­schläge, die er daraus ableitet, nicht den ge­wünschten Erfolg haben werden oder in der vor­ge­schla­ge­nen Form nicht reali­sierbar sind.

Nützliche Ausgangspunkte und Hand­lungs­
mo­delle (eigene Forschungen!) für andere Mis­sio­nare bieten sie auf jeden Fall, nicht nur be­zo­gen auf den afrikanischen Raum, sondern welt­weit.

Prof. Dr. Lothar Käser, em 2001-1.

Ross, Andrew C. A Vision Betrayed. The Jesuits in Japan and China, 1542 - 1742. Maryknoll: Orbis, 1994.

In diesem Buch versucht der Dozent für Missi­onsgeschichte an der Universität Edinburgh, Andrew C. Ross, vor dem Hintergrund der Geschichte der Jesuiten-Mission in China und Japan, der Fragestellung nachzugehen, wie weit es den Jesuiten gelungen war, in Ostasien ein von westlicher Kultur weitgehend gereinigtes Christentum zu etablieren.

Neben seiner sorgfältigen Darstellung und Analyse der Missionsgeschichte in der behan­delten Periode legt Ross einen Schwerpunkt auf die Untersuchung des Verhältnisses zwi­schen der theologischen Vision der „missio“, die in jener Zeit zum ersten Mal außer auf das Verhältnis von Gott-Vater zum Sohn auch auf die Sendung der Kirche in die Welt angewandt wurde, und dem erwachenden politisch-kultu­rellen Sendungsbewußtsein der Mittelmeer­länder. In diesem Konflikt zwischen Mission als Sendung im theologischen Sinn und der expansiven Machtpolitik stand die frühe Osta­sien-Mission der Jesuiten. Und nach Ross endete dieser Konflikt mit dem Verrat an der Vision, allerdings nicht nur durch die Jesuiten, sondern durch alle christlichen Missionen bis zum 18. Jahrhundert.

Den weitaus größten Teil der Monographie nimmt dabei die Darstellung einiger Abschnitte der frühen jesuitischen Missionsgeschichte in Japan und China ein. Dafür greift Ross jedoch ausschließlich auf westliche Sekundärliteratur zurück. Der Mangel an Arbeit mit den durchaus zugänglichen Quellen zu dem behandelten Thema birgt stets die Gefahr einer Mißinter­pretation der Sekundärliteratur. Daher liegt der
große Wert dieses Buches vor allem in seiner missionstheologischen Untersuchung und Be­wertung dieser Missionsepoche.

Stefan Müller, em 1995-4.

Ross-Kinsler, F. & James H. Emery (Hg.): Opting for Change: A Handbook On Evaluation and Planning for Theological Education for Extension. William Carey Library: Pasadena (CA) und World Council of Churches: Genf, 1991.

Dies Handbuch zur Überprüfung des Standards und der Qualität von TEE-Kursen und -Pro­grammen wurde von einem evangelikalen Mis­sionsverlag verlegt, aber von Mitarbeitern des Weltkirchenrates in Genf erstellt. Deswegen liegt der Schwerpunkt des Buches nicht auf der


inhaltlichen Seite. Die Frage, welche Theologie vermittelt wird, ist also nicht Gegenstand des vorgeschlagenen Weges, Stück für Stück die Trägerschaft, das Gesamtkonzept, die Einbe­ziehung der kulturellen Vorgaben, die Akzep­tanz beim Schüler und das Lehrmaterial zu überprüfen. Da die Seiten einzeln herausge­trennt werden können, ist das Buch gut geeig­net, um die einzelnen Bereiche eines TEE-Programmes mit den Betroffenen zu diskutie­ren, indem jeder den Text in Kopie vorliegen hat. Für ein Handbuch erscheint mir das Buch jedoch zum Teil zu ‘hoch’ angesetzt, werden doch teilweise pädagogische und wissenschaft­liche Konzepte in einer Fachsprache diskutiert, die bei der konkreten Überprüfung von TEE-Programmen kaum zu vermitteln sein dürfte.

Dr. Thomas Schirrmacher, em 1994-2.

Rother, Bernd. Kirche in der Stadt: Herausbildung und Chancen von Urbanen Profilgemeinschaften. Neukirchen: Neukirchener Verlag, 2005.

Das vorliegende Buch wurde ursprünglich als Disseration an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (Prof. Dr. Günter R. Schmidt) verfasst und vom Autor für die Veröffentlichung sprachlich leicht überarbeitet. Die Untersuchung richtet sich an eine akademische Leserschaft, weniger an den praxisorientierten Gemeindemitarbeiter. Die Sprache ist auch nach der Überarbeitung noch stark fachtheologisch geprägt und für den allgemeinen Leser eher schwer verständlich.

Interessant ist das Material dennoch! Rother untersuchte eine Kategorie von Gemeindegründungen im urbanen Kontext, die mehr oder weniger freikirchlich funktionieren, aber im Rahmen der Volkskirche stattfinden. Er nennt sie „Urbane Profilgemeinschaften“ (UPG). Im Gegensatz zu Gemeindegründungen, die aus der Volkskirche ausgestiegen sind – Rother beschreibt unter anderem die Anskar-Kirche (S. 23-26) – examiniert Rother das englisch-anglikanische Church Planting Movement, die Schweizer Basileia Vineyard Bern, die französische Communauté St. Nicolas in Strasbourg, die in Süddeutschland beheimate Oase Giengen, die Christliche Gemeinschaft Fürth, und besonders die HOSANNA-Dienst-Gemeinschaft in Heidelberg. Der Autor bewertet diese theologisch eher konservativen Gemeinschaften aus der Perspektive einer immanenten Christologie und Ekklesiologie, die Christus heute in Wort und Sakrament der Kirche als „Gemeinde existierend“ versteht (S. 275 u.a.). Dazu im Gegensatz steht die inkarnatorische Christologie der UPG: die untersuchten Gemeinschaften sehen die Kirche als den Leib Christi, Christus aber als ontologisch unterschieden von der Kirche, der eine Bekehrung zu sich, separat von Kirchenmitgliedschaft, dennoch innerhalb des Leibes Christi, fordert. Rother kritisiert diese inkarnatorische Christologie/Ekklesiologie als „elitäre“ Mentalität, „als könne eine Gemeinschaft als ‚vollkommenere‘ Inkarnation Christi verstanden werden als die Volkskirche“ (S.293). Für Rother scheint dieses „Elitebewußtsein“ gefährlich, weil es auf ein Erneuerungsbedürfnis der Volkskirche deutet. Dennoch intendiert ja auch Rother die Erneuerung der Volkskirche. Mit seiner Forschungsarbeit verfolgt er ja gerade die Frage, „ob durch UPG die evangelischen Landeskirchen an Handlungsfähigkeit und damit an Relevanz in der heutigen urbanen Gesellschaft gewinnen können“ (S.22, wiederholt S.274).

Über die Relevanz der erforschten Gemeinden ist nicht zu streiten. Rothers Buch macht deutlich, welche Merkmale die von ihm untersuchten UPG gemeinsam haben: (1) sie arbeiten aufgrund der theologischen Überzeugung, dass Menschen eine persönliche Bekehrung zu Christus brauchen, (2) die meisten UPG haben eine charismatische Tendenz, (3) alle waren schon vor dem offiziellen Beginn des Gründungsprojektes zielbewusst, (4) alle wurden von einer starken und visionären Leitungspersönlichkeit gegründet, (5) sie richten sich auf eine bestimmte Zielgruppe aus, (6) alle haben eine missionarische Ekklesiologie.

Besonders hilfreiche Information für urbane Gemeindebauer kommt aus dem dritten Teil des Buches, wo Rother die heutige Urbanität aus soziologischer Perspektive untersucht. Hilfreich ist dort die Information über urbane Netzwerksysteme. Auch das zweite Kapitel, mit den Beschreibungen der aktuellen Gemeinde­grün­dungen, bietet dem Gemeindegründer nicht nur hochinteressante Information, sondern auch wichtige Einsichten für die Praxis.

Abschließend bewertet Rother die Gründung von UPG im Rahmen der Volkskirche kritisch mit Hilfe der (immanent interpretierten) Confessio Augustana. Rother bejaht die Gründungen von UPG innerhalb der Volkskirche, solange angemessene Strukturen und theologische Übereinstimmung von vornherein existieren (S. 330). Aber gerade hier sehe ich das Problem: Rother will Urbane Profilgemeinschaften, die durch ihre dynamische und relevante Art Leute in die (Volks)Kirche zurücksammeln, will aber auch, dass sich die UPG der - aus meiner Sicht - reduktionistischen Ekklesiologie der Volkskirche anpassen. Diese Anpassung jedoch würde die UPG genauso „erneuerungsbedürftig“ in Dynamik und Relevanz machen wie die Volkskirche. Kirche in der Stadt ist ein Buch voller wichtiger Information, aber leider noch nicht der dringend gebrauchte theologische und praktische Wegweiser, die Stadt in die Kirche zurückzuleiten.

 Dr. Stephen Beck, em 2006-2.

Ruokanen, Miikka. The Catholic Doctrine of Non-Christian Religi­ons. According to the Second Vatican Council. Studies in Christian Missions 7. Leiden/New York: E. J. Brill, 1992.

Da die Diskussion um eine Theologie der Reli­gionen weltweit in starkem Umfang von ka­tholischen Theologen bestimmt wird, ist es un­umgänglich, sich mit der römisch-katholischen Sicht zu befassen. Die vorliegende Un­tersuchung des finnischen Dogmatikers Ruo­kanen analysiert schwer­punktmäßig all jene Dokumente des Zweiten Vatikanischen Kon­zils, die sich mit den außerchristlichen Religio­nen bzw. mit der Frage der Heils­möglichkeit außerhalb der christlichen Kirche befassen. Dieses Vorgehen hat den Vorteil, die römische Sicht nicht aus den lehramtlich unmaßgebli­chen Auffassungen einzelner Theologen zu re­konstruieren, sondern aus der noch immer neuesten Stellungnahme des römischen Lehr­amtes zu dieser Thematik, wie sie in den Do­kumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils vorliegt.

Nach einer Einführung (7-10) und einer kur­zen Darlegung der vorkon­ziliaren Sicht der nichtchristlichen Religionen (11-34) konzen­triert Ruoka­nen seine Analyse der Konzilstexte zu Recht auf die Erklärung zu den aus­serchristlichen Religionen Nostra Aetate, er be­rücksichtigt aber auch die dogmatische Kon­stitution über die Kirche Lumen Gentium, das Missions­dekret Ad Gentes und die Pastoral­konstitution Gaudium et Spes (35-113).

Ruokanens Untersuchung ist methodisch vorbildlich und in ihren Re­sultaten überzeu­gend, weil sie sehr sorgfältig an dem Wortlaut der Konzil­stexte entlanggeht und im ständigen Gespräch mit den bislang publizier­ten Ausle­gungen erfolgt. Ruokanen gelangt im Unter­schied zu vielen „progressiven“ katholischen Theologen (z.B. P. Knitter) zum Ergebnis, daß das Konzil die außerchristlichen Religionen ausdrücklich nicht als Heils­wege anerkannt habe: Zwar leiteten die Konzilstexte insofern eine Neu­entwicklung ein, als sie die Religionen nicht in erster Linie unter dem Ge­sichtspunkt der Ablehnung, sondern mit Respekt und Of­fenheit für deren religiöse und sittliche Wahr­heiten beurteilten, sie verblieben aber inhalt­lich in den Linien der vorkonziliaren Tradition, insofern sie den Religionen (im Sinne von Röm 1,19f. und 2,14f.) nicht mehr als ein gewisses Maß an natürlicher Gotteserkenntnis und ethi­scher Einsicht auf der Basis einer allgemeinen Schöpfungsgnade zuerkannten. Demnach könnten sich weder Rahners inklusive Theorie von den „anonymen Christen“ noch die heute bei katholischen Denkern beliebte pluralisti­sche Theologie der Religionen auf das Zweite Vaticanum berufen. Ruokanens für manche si­cherlich er­nüchterndes Fazit: „Insgesamt be­trachtet bestätigte das Konzil die klassi­sche katholische Position erneut und führte somit die Kontinuität in der katholischen Lehre vor Augen.“ (Übersetzung aus dem Engl.) Die Stu­die wird beschlossen durch einen umfangrei­chen Anhang, der die Textge­schichte von No­stra Aetate dokumentiert (121-131) und eine aufschluß­reiche (1990 im International Bulletin of Missionary Research erschie­nene) Kontro­verse des Autors mit Paul Knitter und William Burrows über die Berechtigung seiner Inter­pretation des Zweiten Vatikanischen Konzils widergibt. Diese Debatte unterstreicht noch einmal die Fundiertheit von Ruokanens Ana­lyse.

Werner Neuer, em 1996-3.

Rzepkowski, Horst. Lexikon der Mission. Geschichte, Theologie, Ethnologie. Graz/ Wien/Köln: Styria, 1992.

Neben dem 1975 erschienenen „Lexikon zur Weltmission“, dessen protestantische und angelsächsische Herkunft unübersehbar ist, und dem streng auf evangelisch-katholische Parität bedachten „Lexikon missionstheologischer Grundbegriffe“ von 1987 liegt nun ein drittes lexikales Nachschlagewerk vor. Verantwortlich dafür zeichnet der Ordinarius für Missionswis­senschaft an der Philosophisch-Theologi­schen Hochschule SVD St. Augustin, der es – welch herkulische Arbeit – allein verfaßte und damit „auf Fragen nach geschichtlichen Fakten und gegenwärtigen Abläufen eine schnelle Antwort“ geben will. Entsprechend bietet das Lexikon über 750 zumeist mit gut ausgewählter Literaturangabe versehene kurze Artikel, die -bedauerlicherweise - auf Querverweise ver­zichten. Ebenso vermißt man ein Register; stattdessen ist ein „Verzeichnis der Artikel“ beigefügt. Wie obige Werke, so ist auch dieses – erfreulicherweise – ökumenisch orientiert, wenngleich das römisch-katholische Element merklich vorherrscht – was freilich der Hori­zonterweiterung des evangelischen Lesers durchaus dienlich sein wird. Erfreulich ist auch die beträchtliche thematische Breite, die das Lexikon auszeichnet: Über die im Untertitel genannten Schwerpunkte hinaus schließt es wichtige Beiträge aus der politischen Zeitge­schichte (z.B. Apartheid, Club of Rome), der vergleichenden Kultur- und Religionswissen­schaft (vgl. bes. S.259-261, 358-360) wie auch vor allem aus der Entwicklungshilfe (vgl. bes. S.126-129.137-139. 343f.) mit ein.

Den Vorrang haben freilich die Theologie und darüber hinaus die Geschichte, die weniger mit geographischen Artikeln als mit einer Vielzahl von Sachbeiträgen und namhaften Gestalten zu Wort kommt. Personenartikel ma­chen überhaupt etwa ein Viertel aus; des wei­teren werden Personen auch in Sachartikeln vorgestellt. Evangelischerseits bietet sich eine recht breite Palette dar, die von Luther über Rhegius(!), Leibniz, Ziegenbalg, Gützlaff und Venn bis zu Otto, Harnack(!) und Marguli reicht. Allerdings vermißt man auch Beiträge, etwa über Jänicke, Nommensen (welcher weniger kundige Leser würde ihn unter „Ba-tak-Kirche“ suchen?) und den ruhmreichen Albert Schweitzer. Etwas weniger Beachtung als die Personen finden die Träger der Mission: Die protestantischen Organisationen werden hauptsächlich in zusammenfassenden Artikeln (Missionsgesellschaften, Glaubensmissionen, Ärztliche Mission u.a.) dargestellt. Exempla­risch werden daneben fünf deutsche und vier angelsächsische Gesellschaften einzeln aufge­führt; allerdings vermißt man dabei die Dä-nisch-Hallesche und die Herrnhuter Brüder­mission.

Die wichtigsten missiologischen, aber auch damit verwandte allgemeintheologische Be­griffe werden in prägnanter, allgemeinver­ständlicher Weise referiert, wobei sich Rzepkowski mit einer Wertung weitgehend zurückhält. In einigen Artikeln wird jedoch nicht immer ersichtlich, um wessen Meinung es sich handelt, da der Verfasser mitunter ohne Quellenangabe zitiert. Orientiert hat er sich vornehmlich an den Auffassungen des Zweiten


Vatikanums (vgl. den entsprechenden Artikel), ohne freilich die von der ökumenischen und der evangelikalen Bewegung geprägten Themen zu vergessen (Ökumenische Mission, Weltmis­sionskonferenzen, Evangelikai, Lausanner Kongress). Leider haben sich zahlreiche Druck- und Flüchtigkeitsfehler eingeschlichen; z.B. wurde die Liebenzeller Mission 1899 ge­gründet, nicht 1892 (S.303); der als bestehend aufgeführte „Deutsche Evangelische Missions­tag“ (ebd.) wurde 1974 aufgelöst. Trotz dieser kleinen Mängel wird dieses leicht lesbare Buch schon sehr bald Rang und Ruf eines Standard­werkes erlangt haben. Deshalb gehört es nicht nur in die Bibliothek des missiologischen Fachmanns, sondern stellt auch - trotz des stattlichen Preises - eine lohnende Anschaf­fung für jeden dar, der sich näher mit der Mis­sion beschäftigt.

Werner Raupp, em 1994-2.

Rzepkowski, Horst. Lexikon der Mission: Geschichte - Theologie - Ethnologie. Verlag Styria: Graz, 1992.

Einmannlexika sind heute recht selten ge­worden, aber dem katholi­schen Missionslexi­kon von Rzepkowski dürfte man wohl kaum anmerken, daß das ungeheure Fachwissen ein­schließlich der vielen Literaturverweise von nur einem einzigen Mann im Laufe seines lan­gen Lebens zusammengetra­gen wurde. Natür­lich steht die katholische Missionstheo­logie bei der Aus­wahl der Themen und Einträge im Vordergrund. Wer die bedeutenden Missionare der katholischen Kirche oder die verschiedenen päpstlichen Missionsenzyklika oder wichtige Dokumente im Gei­ste des 2. Vatikanischen Konzils kennenlernen will, wird derzeit kaum einen besseren Zugang dazu finden. Doch schon in den dogmatischen Ar­tikeln ist das katholische Element erstaun­lich zurück­haltend eingebracht worden. Die protestantische Ge­schichte der Mission und der Missi­onswissenschaft wird in vielen eigenen Arti­keln berücksich­tigt, wenn auch nicht so umfas­send, wie die katholische. Gelegentlich ha­ben sogar evan­gelikale Themen und Grup­pen Ein­gang gefunden (z. B. ‘Evangelikale’, ‘Lausanner Kongreß’), wenn auch praktisch alle Glaubens­missionen feh­len (Ausnahmen z. B. ‘Baptis­ti­sche Missionen’, ‘Jugend mit einer Mis­sion’). Die theologische Breite der Artikel und der Versuch des Verfassers, seine eigene Theolo­gie nicht zu sehr durchscheinen zu las­sen, der natür­lich grundsätzlich sehr zu begrü­ßen ist, führt aber dazu, daß das histori­sche Element sehr stark im Vordergrund steht, die theologi­sche Beschrei­bung und Differenzie­rung der einzelnen Gruppen dagegen bis­weilen zu kurz kommt und recht flach wirkt. Oft bleibt es bei Kurzurteilen, die - auch wenn man be­rücksichtigt, daß das Lexikon knapp infor­mie­ren will – der Thematik kaum gerecht werden.

Ein Beispiel muß hier genügen. So be­schreibt der Artikel „Dämon“ ausführlich auf zwei kompletten Spalten die klassische Sicht der Dämoni­sierung fremder Religionen, wie sie die Missionsgeschichte geprägt hat, sowie den Stellenwert des Dämonenglaubens in be­stimmten Religionen. An eigener Stellung­nahme erfolgt jedoch nur eingangs ein einziger Satz: „Im Bereich der Evangelisierung und der Begegnung mit den Religionen ist die Vor­stellung des ‘Dämon’ wenig hilfreich“. Was soll damit gesagt werden? Gibt es Dämonen, aber man sollte weniger von ihnen sprechen oder sie nicht in anderen Religionen sehen? Oder gibt es bestimmte sinnvolle Beschränkungen für einen zu leichtfertigen Umgang mit dem Vor­wurf der Dämonie? Oder sind Dämonen mythi­sche Beschreibungen, die heute nicht mehr an­gebracht sind?

Dr. Thomas Schirrmacher, em 1997-4.

Sahid, Ibrahim. Christen und Moslems. An­regungen zum Gespräch. Uhldingen: Stepha­nus-Edition, 1997.

Dieses kleine Taschenbuch erschien 1971 in Afrika und wurde in Indien bereits in vier Sprachen veröffentlicht. Sahid, langjähriger Islam-Missionar in Afrika, möchte Christen praktische Handreichungen geben für missio­narische Gespräche mit Muslimen. Er vermit­telt nicht nur Grundlagenwissen über gut ge­eignete Themen. Es versucht auch, Gesprächs­hilfen zu geben für die ‘heißen Eisen’ wie die Gottessohnschaft Jesu oder die Dreieinigkeit. Zusätzlich wirft er am Ende jeden Kapitels ei­nige Fragen auf, damit eigene Verhaltenswei­sen und Denkstrukturen neu überdacht werden können. Daß Jesu Liebesgebot gerade auch für Muslime gilt und die Liebe Christen von Furcht und Vorurteilen befreit, kann auch bei uns in Deutschland nicht oft genug betont wer­den. Sahid vermittelt nicht nur ‘trockenes’ Wis­sen, sondern auch seelsorgerliche Hilfen für diejenigen, die mit Muslimen im Gespräch sind. Besonders geeignet als ‘Einstiegslektüre’.

Dr. Christine Schirrmacher, em 1998-1.

Samuel, Vinay & Chris Sugden (Hg.). A.D. 2000 and Beyond: A Mission Agenda. Fest­schrift John Stott. Regnum Books: Oxford, 1991.

Diese missionswissenschaftliche Festschrift zum 70. Geburtstag von John Stott wurde nicht von evangelikalen Größen verfaßt, wenn man einmal von dem Vorwort von Billy Gra­ham absieht, sondern weitgehend von jünge­ren Theologen aus aller Welt, die sich dem Verhältnis von Mission und sozialem Enga­gement oder der Auseinandersetzung mit an­deren Religionen widmen und die seit einigen Jahren von John Stott wesentlich gefördert werden. Auch der Verlag des Buches geht auf diese Initiativen zurück. Unter den theologisch weitgestreuten Autoren finden sich aus Eng­land Christopher Sudgen und der Leiter des All Nations Christian College, aus Asien John Chew Hiang Chea, Jesudason B. Jeyaraj, Mi­chael Nai-Chiu und Vinay Samuel, aus Brasi­lien Valdir Steuernagel, aus Afrika Robert Aboagye Mensah, aus Pakistan der Leiter der Church Missionary Society, und schließlich sogar Joachim Wietzke vom Evangelischen Missionswerk in Hamburg (über das Verhält­nis zum Islam). Eine solche Breite an theolo­gischen Positionen und Themen kann natür­lich, wie es meist bei Festschriften der Fall ist, nur schwer vorgestellt und beurteilt wer­den. Die meisten Autoren beschäftigen sich mit sozialen Fragen oder mit dem Einhei­mischwerden des Evangeliums in ihrer oder anderen Kulturen. Erfreulich ist, daß zu so­zialen Fragen sehr stark auch das Alte Testa­ment herangezogen wird. Dies gilt etwa für Wrights Darstellung der Einzigartigkeit Chri­sti aus alttestamentlicher Sicht oder den le­senswerten Beitrag zum Verhältnis von Eltern und Kindern im Alten Testament und den Fol­gerungen für von der Ahnenverehrung ge­prägte Gesellschaften. Allerdings wird man bisweilen den Verdacht nicht los, daß es nur um ein Berufen auf das Alte Testament geht, wenn es gerade passend erscheint, denn ein
grundsätzlicher Ansatz, wie Christen - gerade auch in der Dritten Welt - das Alte Testament heute ethisch und missiologisch verwerten sollen, wird nirgends sichtbar.

Dr. Thomas Schirrmacher, em 1992-3.

Sandgren, David P. Christianity and the Kikuyu. Religious Divisions and Social Conflict. (American University Studies, Series IX Hi­story; vol. 45), Peter Lang: New York, 1989.

Von ihrer Qualität her zu urteilen, hätte Sandgrens Dissertation (University of Wisconsin-Madison 1976) nicht so lange (wenn man von der University Microfilm Int. [UMI] Print-on-Demand Version absieht) unveröffentlicht bleiben dürfen. In seiner gut lesbar geschriebe­nen Arbeit untersucht Sandgren für das Gebiet der Africa Inland Mission in Kenya die Begeg­nung der Kikuyu mit der christlichen Botschaft, wobei er die AIM als eine Mission schildert, die eng mit ihrer eigenen Kultur liiert ist und dieser Tatsache wenig kritisch gegenübersteht. Sandgren sieht aber - und hier unterscheidet sich sein Buch von vielen frommen wie gar nicht so frommen Büchern - die Kikuyu nicht als die passiven Empfänger bzw. Opfer des Handelns der Mission, sondern als Menschen,
die aktiv und selbständig der christlichen Botschaft begegnen und sie sich aneignen, mit, gegen oder ohne die Missionare. Zudem zeichnet sich Sandgrens Buch dadurch aus, daß über 300 Interviews mit Kikuyu den wichtig­sten Teil der Primärquellen bilden, was aber die Qualität der Bearbeitung der schriftlichen Pri­märquellen nicht mindert.

In Sandgrens Buch geht es thematisch um die Autonomie der Außenstationen (ohne wei­ße Missionare), um die Mädchenbeschneidung, um das Schulwesen und um die aus diesen drei Kontroversen hervorgehenden Afrikanischen Unabhängigen Kirchen. Da diese Fragen in der einen oder anderen Form heute noch in vielen Missionen und Kirchen brennend sind, ist das Buch für den praktischen Missionar sehr zu empfehlen, auch wenn er nicht in direktem Kontakt zur AIM steht.

Außerdem kann das Buch einer Korrektur der AIM Geschichtsschreibung dienen. Die of­fizielle Darstellung (Kenneth Richardson: Gar­den of Miracles. A History of the Africa Inland Mission, London: Victory Press 1968) münzt den Titel zwar auf Gottes Wirken, aber manche Informationen erscheinen schon sehr wun­dersam. Wenn zum Beispiel berichtet wird, daß nach der Kontroverse um die Mädchenbe­schneidung die Zahl der Christen schrittweise wieder zunahm, daß aber die Maßstäbe nie ge­senkt wurden, so ist das schlicht nicht wahr, wie nicht nur Sandgren und Jomo Kenyatta (Facing Mount Kenya) belegen, sondern auch John Gration (jetzt Professor of Missions am Wheaton College), dessen Dissertation (The Relationship of the Africa Inland Mission and its National Church in Kenya Between 1895 and 1971, PhD New York University 1974) leider auch noch der Veröffentlichung harrt (allerdings bei UMI als Print-on-Demand Version erhältlich ist).

Sandgrens Buch möchte ich Missionaren, die sich mit dem Verhältnis Kirche - Mission und Mission - einheimische Kultur beschäfti­gen, sehr empfehlen. Diese Empfehlung gilt trotz des bescheidenen Layouts, das den Ein­druck erweckt, als gäbe es in Amerika noch keine Computer.

Dr. Klaus Fiedler, em 1993-3.

Sauer, Charlotte. Johannes E. Gossner, Ein Leben für die Wahrheit. Neuhausen: Hänss­ler, 1995.

Die Lebensgeschichte Gossners (1773-1858) liest sich spannend wie ein Roman. Sehr ein­fühlsam und klar zeichnet Sauer die Stationen dieses Erweckungs­predigers nach. Während 30 Jahren tritt er als kompro­missloser Mahner für die Wahr­heit des Evangeliums im Kon­text sei­ner katholischen Umge­bung ein. Als sich von Seiten der Kirchenführung gegen den Priester Gossner starker Wider­stand regt und er mehr­fach ge­maßregelt und schließlich aus Bayern vertrieben wird, nimmt er eine Berufung nach Peters­burg an. Nach Jahren gesegne­ten Dienstes regt sich auch dort Widerstand. Wie­der wird er vertrieben und flieht in eine für ihn ungewisse Zukunft. Schließlich tritt er zum evan­gelischen Glauben über und übernimmt eine Pfarrstelle in Berlin. Jahre des außerge­wöhnlich gesegneten Dienstes für das Reich Gottes folgen. In Zusammenarbeit mit seiner treuen Haushälterin richtet er in Berlin Kinder-Warte-Anstal­ten ein, gründet das heute noch bestehende Elisabeth-Kranken­haus und ruft einen Missions­verein ins Leben. In einem Jahr­zehnt werden 80 Männer und fast ebensoviele Frauen als Missionare in die Teile der Welt ausgesandt, in denen noch keine Christenge­meinden be­standen.

Es tut uns als weitgehend an­gepaßten Chri­sten des bald 21. Jahrhunderts gut, sich von der Treue und Radikalität eines geistlichen Vaters wie Gossner inspirieren zu lassen!

Hartmut Burghoff, em 1996-3.

Sauer, Christof. Mission und Martyrium. Studien zu Karl Hartenstein und zur Lausanner Bewegung. edition afem - mission Scripts 5, VKW: Bonn, 1994.

Der Autor stellt selbst die Frage: „Warum schreibt ein junger Mensch aus der BRD über ein Thema, das sich mit der Kreuzesnachfolge befaßt, wenn er noch nie einen Krieg erlebt oder Verfolgung erlitten hat?“ Seine Antwort: „Es wird immer wieder über die Bedrängnis von Christen berichtet. Aber wie gehen wir
damit um? Wie gehen wir mit den vielfältigen Meldungen aus anderen Ländern um, die vom Tod und Leiden von Christen, Entführungen oder sogar Ermordungen von Missionaren berichten?“

Christof Sauer geht dem Problem des Mar­tyriums im Zusammenhang der Mission in drei Anläufen nach. Zunächst untersucht er, was die Schriften Hartensteins zur Frage des Leidens und Martyriums zu sagen haben. In einem zweiten Teil analysiert er die Dokumente der Lausanner Bewegung 1974 - 1989. Abschlie ßend versucht er die neutestamentlichen Aus­sagen zum Thema systematisch zusammenzu­stellen.

Besonderes Interesse dürfte der Teil über Karl Hartenstein (1894-1952) finden. Denn die Untersuchung erschien kurz nach Abschluß des 100. Geburtsjahres des früh verstorbenen Bas­ler Missionsdirektors und Stuttgarter Prälaten.

Karl Hartenstein ist in seiner pietistischen (nicht evangelikalen) Theologie geprägt durch die Tübinger Professoren Adolf Schlatter und Karl Heim, aber er hat sich auch mit der Theo­logie Karl Barths auseinandergesetzt. Nur eine einzige Schrift Hartensteins trägt den Begriff „Leiden“ im Titel. Sie heißt „Das Geheimnis des Leidens in der Mission“, wie in der Fußno­te auf S.21 richtig angeführt (nicht wie im Text fehlerhaft zitiert). In Hartensteins Ausle­gungen zum Propheten Daniel, zu Matthäus 24 und der Offenbarung finden sich viele Gedan­ken zu einer „Theologie des Martyriums“.

Sauer stellt in gründlicher Quellenarbeit die wesentlichen Aussagen Hartensteins zu Leiden und Martyrium systematisierend zusammen. Vieles findet sich zwar in anderer Zusammen­stellung auch in dem Standardwerk von Gerold Schwarz über die Theologie Hartensteins (Stuttgart 1980), das noch im Handel erhältlich ist. Doch Sauer geht weit ausführlicher auf das Thema ein.

262 Fußnoten zeigen, wieviel Hartenstein geschrieben hat und daß mehr über ihn geschrieben haben als man denkt, bis hin zum württembergischen Landesbischof i.R. D. Theo Sorg.

Fritz H. Lamparter, em 1995-4.

Sauer, Christof. Reaching the Unreached Sudan Belt: Guinness, Kumm and the Sudan-Pionier-Mission, Evangelium und Islam Bd. 2, Nürnberg: Verlag für Theologie und Religionswissenschaft, 2005.

Die Forschungsarbeit von Christof Sauer, für die er im Jahr 2002 von der Universität von Südafrika promoviert wurde, konnte endlich 2005 einem breiteren Kreis von Lesern zugänglich gemacht werden. Unter diesen werden alle auf ihre Kosten kommen, die an der Missionsgeschichte im Allgemeinen und an der Geschichte der evangelikalen Missionen im Besonderen interessiert sind.

In Kap. 1 stellt der Verfasser Ziele und Methoden seiner Arbeit vor. In ihr geht es um die wissenschaftliche Aufarbeitung der Anfänge der im Jahr 1900 in Assuan/Ägypten und in Eisenach gegründeten Sudan-Pionier-Mission (SPM, Kap. 4-7). Der Verfasser stellt diese Gründung in den weiten Rahmen der Bemühungen, Zentralafrika südlich der Sahara – damals Sudan genannt – der christlichen Mission zugänglich zu machen (Kap.2).

C. Sauer stellt die Anfänge der SPM aber auch in den Rahmen der evangelikalen Missionsbewegung im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. Er würdigt in Kap. 2 ausführlich eine Pionier-Familie, der das Erreichen Zentral-Afrikas besonders am Herzen lag: den Briten Henry Grattan Guinness (1835-1910), seine Frau Fanny (1832-1898) und seine Tochter Lucy (1865-1906). H. G. Guinness gab der internationalen Missionsbewegung starke geistliche Impulse und war der Motor bei der Gründung der SPM. Er ist heute aber nur noch in Fachkreisen bekannt. Es lohnt sich, mehr über ihn zu wissen.

Das gilt auch für seinen deutschen Schwiegersohn Karl Kumm (1874-1930), der zusammen mit Lucy Guinness die Anfänge der SPM ins Werk setzte. Der Autor hat sich besonders intensiv mit K. Kumm beschäftigt (Kap. 3 ganz und Kap. 4-6 wiederholt) und dabei eine Fülle neuer Informationen und Erkenntnisse ans Licht gebracht. K. Kumm gründete nach dem Ausscheiden aus der SPM 1904 in England die Sudan United Mission (SUM), die ihn international bekannt machte.

Der Verfasser arbeitet in erster Linie historisch, durchdringt die Fülle des Stoffs aber gleichzeitig in missiologischer Reflexion (Kap. 7-9). C. Sauers Werk macht deutlich, dass zwischen großen Zielen und ihrer konkreten Verwirklichung eine erhebliche Diskrepanz bestehen kann. Die deutsche SPM blieb lange auf das südliche Ägypten beschränkt, während die SUM den Sudan-Gürtel sofort erreichte und hier sehr erfolgreich wirkte.

Die Gründer der deutschen SPM gingen enthusiastisch, aber wenig professionell ans Werk. Menschliche Unzulänglichkeiten kamen hinzu, so dass der Verfasser kaum in Versuchung kommen konnte, die Vita von Heiligen zu schreiben. Es ist tröstlich, dass die SPM trotz ihres holprigen Starts inzwischen auf eine über hundertjährige Segensgeschichte zurückblicken kann. Die Nachfolgewerke der alten Sudan-Pionier-Mission sind die „Evangeliumsgemeinschaft Mittlerer Osten“ (Wiesbaden) und die „Mission am Nil“ (Knonau/Schweiz).

C. Sauer hat seine Arbeit auf Englisch geschrieben. Dadurch ist sie einem internationalen Leserkreis zugänglich. Dem deutschen Leser hilft ein ausführliches Inhaltsverzeichnis zur raschen Orientierung. Landkarten, Tabellen, ein ausführliches Literaturverzeichnis, ein detailliertes Stichwortregister und ein Anhang mit zitierten Texten aus der Gründungszeit der SPM (68 Seiten) machen das Werk zu einem überaus brauchbaren Arbeitsmittel.

Dr. Christof Sauer ist württembergischer Pfarrer und seit 2000 im Auftrag der Vereinigten Deutschen Missionshilfe (Bassum) in Südafrika tätig. Seit 2003 ist er Dozent für Missiologie an der University of South Africa (UNISA) in Pretoria und Academic Liaison Officer der Gesellschaft für Bildung und Forschung in Europa e.V. (GBFE).                    

Eberhard Troeger, em 2006-2.

Sauer, Silke. Oralität und Literalität – Ihre Bedeutung für Kommunikation und Bibel­übersetzung. Bonn: Verlag für Kultur und Wissenschaft, 1995.

Silke Sauers Arbeit behandelt die Bedeutung der Oralität und Literalität für Kommunikation und Bibelübersetzung. Der Unterschied zwi­schen Oralität und Literalität ist das Fehlen bzw. das Vorhandensein von Schrift in einer Gesellschaft. Allerdings ist diese Trennungsli­nie in verschiedenen Gesellschaften nicht so klar zu ziehen, da es Mischformen gibt. Orali­tät und Literalität beeinflussen Denken, Kom­munikation und Reli­gion ei­nes Volkes.

Die Übersetzung der Bibel in die Sprache einer oralen Kultur ist mit Problemen verbun­den, die über die allgemeinen Schwierigkeiten bei der Bibelübersetzung hinausgehen und die inhaltliche Verständlichkeit, die Glaubwürdig­keit und die persönliche Relevanz betreffen. Darüber hinaus geht die Autorin auf die Über­mittlung der Bibel in einer oralen Gesellschaft ein. Sie präsentiert methodische Ansätze und Gedanken zur schriftlichen Kommunikation (sprachliche, inhaltliche und formale Gestal­tung) und zur oralen Kommunikation (direkte mündliche Rede, Lied und Gesang, verschie­dene Medien). Dieses Buch sollte eine „Pflichtlektüre“ für all diejenigen sein, die sich auf dem Gebiet der Bibelübersetzung engagie­ren. Darüberhinaus ist es für alle Missionare empfehlenswert, die in einer oralen Kultur ar­beiten, denn es ist wichtig, darüber nachzuden­ken, wie eine Bibelübersetzung die Kultur be­einflußt bzw. beeinflußt hat.

Mechthild Roth, em 1997-4.

Sautter, Gerhard. Heilsgeschichte und Mis­sion ‑ Zum Verständnis der Heilsgeschichte in der Missionstheologie. Theologische Ver­lagsgemeinschaft (TVG) / Brunnen Verlag Gießen, Basel, 1985.

Sautter versucht mit dieser Arbeit, die 1984 in Tübingen bei Peter Beyerhaus als Disser
tation angenommen wurde, das Verständnis der Heilsgeschichte darzustellen und zu werten, wie es bei den Weltmissionskonfe­renzen, den ökumenischen und evangelikalen Weltkonferenzen zwischen 1910 und 1975, zu beobachten ist. Die Darstellung wird ergänzt durch einen knappen Aufriß einiger heilsgeschichtlicher Entwürfe sowie eine Zusammenfassung der ,,Antwort der Bibel“ auf diese Entwürfe.

Sautter hat damit die Herausforderung auf­genommen, zu untersuchen, inwieweit die Missionstheologie des 20. Jahrhunderts die Spannungen zwischen dem „schon jetzt“ von Auferstehung und Himmelfahrt Jesu Christi und dem ,,noch nicht“ der Wieder­kunft Jesu Christi durchhält. – Die formale Grenze dieser Untersuchung liegt in der Selbstbeschränkung Sautters: Missionstheo­logie wird reduziert auf die Erklärungen der erwähnten Weltkonferenzen.

Eine weitere Grenze der Untersuchung liegt darin, daß sie die „Antworten aus der Theologiegeschichte“ auf zehn Beispiele be­grenzt: Auf Irenäus und Augustinus folgt Joachim von Fiore; Martin Luther und Tho­mas Münzer werden auf exakt zwei Seiten abgehandelt (wobei die für diese Fragestel­lung so wichtige Zwei-Reiche-Lehre nicht dargestellt wird). Bengel wird erwähnt als Vertreter der „protestantisch-joachimitischen Tradition“; ein Exkurs zu der Darstel­lung Bengels handelt von „Heilsgeschichte bei Hegel und Marx“, was für mich nicht einleuchtend ist. Aus den letzten hundert Jahren finden nur von Hoffmann, Martin Kahler und (ohne eigenes Kapitel) Oskar Cullmann Erwähnung. Ich halte diese Zu­sammenfassung in dieser Auswahl und Kür­ze für ungenügend.

Die größte Enttäuschung für mich liegt aber in der Tatsache, daß die Spannung zwischen „schon jetzt“ und „noch nicht“ in der Darstellung nicht durchgehalten wird. Zum Kriterium einer heilsgeschicht­lichen Missionstheologie wird nicht diese Spannung, sondern die einseitig und oft ausschließlich futurische Eschatologie. Für mich bedeutet diese Akzentverschiebung auch eine christologische Entscheidung, denn wenn das Reich Gottes nur als ein kommendes erwartet wird, dann ist mit der Inkarnation, dem Leiden und dem Sterben Jesu Christi, mit seiner Auferstehung und Himmelfahrt eben nichts Entscheidendes passiert, dann hat Christus den Sieg über Sünde und Tod und Welt noch nicht errun­gen. Diese Aussage allerdings würde ich für unbiblisch halten. Ein solches Kriterium wäre für mich in seiner Einseitigkeit falsch.

Bei der Darstellung des evangelikalen Standpunktes stellt Sautter ziemlich aus­führlich die gesamte evangelikale Bewegung dar und orientiert auch über verschiedene Zweige innerhalb dieser Bewegung (Evan­gelikale, neue Evangelikale, bekennende Evangelikale, radikale Evangelikale), wobei m.E. das Spektrum der evangelikalen Be­wegung sehr viel größer ist, als es hier zur Darstellung kommt. Ich bin mir auch nicht so sicher, daß die Bezeichnungen schon so allgemein anerkannt wären, wie es bei Saut­ter den Anschein hat.

So dankbar diese Übersicht auch zur Kennt­nis genommen werden wird, so bedauerlich ist dabei doch die Tatsache, daß die ekklesiologische Frage einfach zu kurz kommt. Es wäre reizvoll und notwendig, die heils­geschichtliche Sicht in den verschiedenen evangelikalen Gruppierungen einmal vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen Ekklesiologie zu sehen und darzustellen.

Sautter stellt in seinem Buch eine mögliche und denkbare Sicht der biblischen Heils­geschichte ausführlich dar. Dafür bin ich dankbar, auch wenn diese Sicht dem bibli­schen Reichtum und dem vielfältigen Han­deln des auferstandenen Christus in Kirche und Mission nicht voll gerecht wird.

Theo Wettach, em 1986-4.

Sawatsky, Walter W.; Peter F. Penner (Hg.), Mission in the Former Soviet Union. Occasional Publications – published in cooperation with International Baptist Theological Seminary [IBTS] of the European Baptist Federation, Schwarzenfeld: Neufeld Verlag, 2005.

Die Referate in diesem Sammelband gehen auf eine im Februar 2003 vom IBTS in Prag veranstaltete Tagung zum Thema „Mission in the Former Soviet Union“ zurück. Sie wollen eine ausgewogene Darstellung fremder sowie nationaler Missionsbestrebungen seit dem Auseinanderbrechen der Sowjetunion und Entstehen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS – CIS) auf dem Hintergrund der Russisch Orthodoxen Kirche und der sowjetischen Religionspolitik vermitteln.

Als Rußlanddeutsche bleibt in den Ausführungen von Peter Penner und Johannes Dyck der Puls der slawischen Seele vernehmbar. Ihr Denken ist von zwei Welten geprägt (Kap.1, 2, 5 u. 7). Penners missiologische Perspektive zeigt, wie die missio dei unter slawischen Völkern von der Kiewer Periode bis glasnost und perestrojka unablässig gewirkt hat. Die Sowjets nahmen den Gläubigen ihre Leiter, aber nicht ihr Zeugnis (S.11-27). Flammen Gottes sind unauslöschlich. Davon zeugt auch Penners Auswertung verschiedener Missionsmittel und -methoden in der GUS (S.120-163). Dycks drei Modelle der Erweckung, die in Nachkriegsjahren zu Neuentstehungen der Gemeinde unter Deutschen in Zentralasien führten, wobei das Priestertum aller Gläubigen als Schlüssel diente, bleiben aktuell (S.74-93).

Marina Sergeyevna Karetnikova und Viktor Artemov bringen bodenständige Kenntnis aus Kultur und Geschichte ihres Volkes mit in ihre Beiträge (S.64-73; 226-248). Karetnikova beginnt ihren Beitrag zur Missionsbewegung im 19. und 20. Jahrhundert mit Felician Zaremba, Mitbegründer der Evangelikalen Rußlands, und spricht am Schluß von dem dynamischen Zeugnis einer neuen Generation gläubiger Russen, die zusammen mit einheimischen Absolventen theologischer Institutionen, Deutschen, Amerikanern, und Koreanern für die geistliche Erweckung Rußlands wirken (S.73; 64-73). Artemov ist einer der „neuen Generation“ mit einem Herzen für „Christian Camping in Russia“ (S.226-248), wobei er aus Ergebnissen von Umfragen festzustellen sucht, wie junge Menschen mit dem Evangelium erreicht, in die Gemeinde integriert, und Mitarbeiter als Nachfolger Jesu geschult werden können (S.237-238), Die Angloamerikaner, Mark Elliott und Walter Sawatsky, behandeln einige Themen, die sie als Ausländer anders wahrnehmen als Insider. Elliott spricht über ein heikles Thema, wenn er auf widergesetzliche Diskriminierung hinweist, die ein Auslandsmissionar beim Antrag eines Visums für Rußland erlebt und oft mit einer Absage abgefertigt wird (S.188-201).

Sawatsky vertieft sich in die geschichtliche Entwicklung evangelikaler Bewegungen im slawischen Raum und versteht es, den Ertrag tiefgründiger Forschung in einer verständlichen Sprache zu vermitteln. Er führt die Entstehung der Evangeliken auf ausländische sowie einheimische Quellen zurück und nennt die Jahre von etwa 1870 bis 1930 „das goldene Zeitalter“, an dem Evangeliums-Christen, Baptisten und Mennoniten teilnahmen. Jede Gruppe wurde von den Sowjets schwer verletzt, keine total vernichtet. Nach dem 2. Weltkrieg rollten geistliche Neubelebungen über das Land und gaben Anlaß zu neuen Missionseinsätzen (S.38-62). Seine Bewertung der Missionen seit den Achtzigern zeigt, dass echte Frucht weder durch Eifer noch Eingrenzung, sondern aus „Duldsamkeit und Demut unter Gottes Führung“ entstand (S.116; 94-118). Der historische Entwurf zum interkonfessionellen Dialog (S.164-186), sowie der Aufruf zu Gesprächen zwischen evangelikalen Richtungen, helfen irrtümliche Vorstellungen zu eliminieren (S.202-225). Sawatsky schließt mit einem ernüchternden Gedanken im Blick auf die Zukunft der Mission in der GUS (S.250-274): „Wir können‘s nicht ohne Gott; Gott tut‘s nicht ohne uns.“

Das Buch ist nur zu empfehlen, das Register hilfreich; verbesserungsbedürftig bleiben Format und Aufmachung.

    Prof. em. Dr. Dr. Hans Kasdorf, em 2007-2.

Schalkwijk, Frans Leonard. The Reformed Church in Dutch Brazil (1630-1654). Uitgeverij Boekencentrum: Zoetermeer, 2000.

Der Weltmissionsgedanke war bei reformierten Reformatoren wie Calvin und Bucer von Anbeginn greifbar und führte schon im 16. Jh. zu – allesamt gescheiterten – organisierten Missionsarbeiten in Übersee. Insbesondere die Niederlande brachte nicht nur bedeutende Missionsdenker wie Gisbertus Voetius hervor, sondern auch organisierte Missionsunternehmungen. Dies geschah auch schon während der blutigen Entstehungszeit der Niederlande, als der sog. 80jährige Krieg (1568-1648) bis zum Westfälischen Frieden eigentlich die Interessen in die Heimat hätte lenken müssen. Denn in Brasilien entstand 1630 nicht nur eine Kolonie, sondern auch eine ausgedehnte Missionsarbeit unter den Portugiesisch sprechenden Bewohnern (bes. S.152-167) und den Indianern (bes. S.168-185).

Die umfangreichste Untersuchung zur Geschichte der reformierten Mis­sion und Kirche in Nordostbrasilien war schon immer minutiöse, oft ge­rühmte Untersuchung des in den Niederländern geborenen Brasilianers Schalkwijk, die 1986 auf Portugiesisch erschien. Die mit ‘cum laude’ be­wertete Dissertation (Sao Paulo) erhielt sogar staatliche Ehrungen. Sie liegt nun endlich in einer überarbeiteten Fassung (mit Register) auf English vor.

Die Arbeit schildert sowohl die Vorgänge in der niederländischen Mutterkirche, als auch Theologie und Praxis in Brasilien. Die zugrundeliegende Missionstheologie, die Kirchenstruktur, die Art und Zahl der Taufen, die Katechismen, der dreisprachige Missionska­techismus und die wichtigsten Missionare und Pastoren sind nur einige der Themen.

Besonders breiten Raum nimmt die Frage des Umganges mit Lutheranern, Katholiken, Juden und Indianern ein und damit die Frage nach der Religionsfreiheit. Sie war für damalige Verhältnisse nach reformiertem Vorbild sehr groß und viel größer als in der Mutterkirche. Auch wenn die reformierte Kirche durch die Verbindung mit der Kolonialmacht Staatskir­che war, wurden Lutheraner in die Kirchen integriert und nahmen am Abendmahl teil, durften Katholiken und Juden nicht nur eigene Gottesdienste abhalten, sondern sogar ihren Glauben öffentlich darstellen und Reformierte ‘abwerben’. Der refor­mierten Gedanke einer christlichen Theokratie führte nicht zu Zwang, sondern zu einer enormen rechtlichen Gleichheit vor dem Gesetz. Für Juden – immerhin jeder siebte Einwohner – wurde die Kolonie sogar ein „Paradies“ (S.303) auf Erden. Die Indianer wurden aus der Sklaverei befreit (S.171-177), wenn auch oft gegen die Portugiesen instrumentalisiert.

Der Verfasser weist zu Recht darauf hin, dass mehrere der von ihm dargestellten Missionare einer eigenen Untersuchung harren (z. B. S.210+184). Wahrscheinlich ist der Hintergrund der fehlenden Untersuchungen ein sprachlicher, muss man dazu doch Niederländisch und Portugiesisch können. Aber auch der starke Abbau der ökumenischen Missionswissenschaft in den Niederlanden, dem nicht – wie in Deutschland – das Aufblühen einer evangelikalen Missionswissenschaft gegenübersteht, dürfte dabei eine Rolle spielen.

Dr. Thomas Schirrmacher, em 2001-4.

Scherer, James A. & Stephen B. Bevans (Hg.): New Directions in Mission and Evangelization 1. Basic Statements 1974-1991. Maryknoll: Orbis, 1992.

Diese Buch schließt eine empfindliche Lücke. Endlich liegt eine umfangreiche Sammlung von offiziellen Dokumenten vor, die zu Auftrag und Verständnis der Mission Stellung nehmen. Eine letzte vergleichbare Sammlung hat HJ. Mar­guli vor dreißig Jahren unter dem Titel „Zur Sendung der Kirche. Material aus der ökume­nischen Bewegung“ (München 1963) für die Zeit von 1910 bis 1961 herausgegeben. Vorlie­gender Band berücksichtigt die letzten zwanzig Jahre, die durch das Nebeneinander verschie­dener missionstheologischer Strömungen und Ansätze gekennzeichnet sind.

Die Texte aus der ökumenischen Bewegung („Conciliar Ecumenical Statements“) sind die Fortführung von Margulis Sammlung. Hier finden sich neben Berichten von den Vollver­sammlungen des ÖRK (Nairobi 1975, Vancou-ver 1983, Canberra 1991) und den Weltmissi­onskonferenzen (Melbourne 1980, San Antonio 1989) vor allem die wichtige ökumenische Er­klärung zu Mission und Evangelisation von 1982 und die Ergebnisse der Stuttgarter Kon­sultation zum Verständnis von Evangelisation (1987), an der auch Vertreter der Lausanner Bewegung teilnahmen. Leider fehlt die Erklä­rung des Luth. Weltbundes zum Verständnis von Mission „Gottes Mission als gemeinsame Aufgabe“ (1988).

Daneben machen die Texte aus der katholi­schen Kirche (u.a. die Enzykliken Evangelii Nuntiandi von 1975 und Redemptoris Missio von 1990) den größten Block aus. Angesichts des beginnenden Dialogs der Evangelikalen mit den orthodoxen Kirchen sind deren bisher kaum beachteten Erklärungen zur Mission besonders wichtig. Hier sind sie leicht zugäng­lich.

Der vierte Teil ist schließlich der evangeli­kalen Bewegung gewidmet. Die Lausanner Verpflichtung (1974) und das Manila-Manifest (1989) finden sich hier ebenso wie die Ergeb­nisse der Konsultationen zu homogenen Ein­heiten (Pasadena 1977), Evangelium und Kul­tur (Willowbank 1978), einfachem Lebensstil (High Leigh 1980), Weltevangelisation (Patta-ya 1980), sozialer Verantwortung (Grand Ra-pids 1982), Antwort auf menschliche Not (Wheaton 1983), Zeugnis für Juden (Willow­bank 1989 und Zeist 1991).

Um ein eigenes missionstheologisches Profil zu gewinnen, ist gerade die Auseinanderset­zung mit anderen Meinungen notwendig. Die­ses Buch gibt uns dazu das wichtigste Material in die Hand. Deshalb wäre seine weite Ver­breitung auch in evangelikalen Kreisen zu be­grüßen. Die Herausgeber, ein lutherischer und ein katholischer Missiologe aus den USA, haben neben einer allgemeinen Einleitung jedem Dokument eine kurze Einführung vor­ausgestellt. Ein Register hilft, das Werk zu er­schließen. Dem Verlag und den Herausgebern ist für diesen ersten Band einer neuen Reihe zu danken. Eine ähnliche Sammlung in deutscher Sprache wäre wünschenswert.

Dr. Johannes Triebel, em 1993-4.

Scherer, James A.; Stephen B. Bevans (Hg.). New Directions in Mission and Evangeliza­tion 2: Theologi­cal Foundations. Mary­knoll/N.Y.: Orbis Books, 1994.

Sammelbände erfreuen sich im allgemeinen keiner großen Beliebtheit. Warum eigentlich? Oft bieten sie einen guten, knappen Überblick über ein bestimmtes Fachgebiet. Dies trifft auch für diesen von zwei reno­mierten Chica­goer Professoren für Missionswissenschaft herausgegebenen Band zu.

Ziel dieser geplanten Serie von Sammelbän­den ist, die von Anderson und Stransky heraus­gegebene Reihe „Mission Trends“ fortzufüh­ren, um die sich schnell und umfas­send verän­dernde Situation der Welt­mission zu beschrei­ben.

Die insgesammt 16 Beiträge gliedern sich in fünf Bereiche auf: 1) Das Wesen der Mission (8); 2) Histori­sche Hintergründe (3); 3) Missi­onspraxis (2); 4) Das Studium der Mission (1); 5) Dokumentation (2). Wie im ersten Band der Reihe „New Directions“ kommen auch hier ökumenische, orthodoxe, katholische und evan­gelikale Stimmen zu Wort (z .B. Costas, Van Engen, Utuk, Schreiter, Gittins). Auch von den Herausgebern selbst stammt je ein Beitrag.

Nicht nur aufgrund der zwei hervorragenden Artikel von Lesslie L. Newbigin, „The Logic of Mission“ und von David J. Bosch, „The Vulne­rability of Mission“, hat man mit diesem Buch insgesamt eine wertvolle Lektüre zur verglei­chenden Missionstheologie.

Martin Sachs, em 1997-4.

Schirrmacher, Bernd. Baumeister ist der Herr. Erfahrungen göttlicher Kleinarbeit in einem Missionswerk. 1978.

Es gibt nur we
nige Darstellungen der Entwicklung der nach 1950 entstandenen evangelikalen Mis­sionen im deutschsprachigen Bereich. Eine sorgfältig aufgrund von Primärquellen re­cherchierte und gut lesbare Darstellung ist Bernd Schirrmachers Nachzeichnung der Entstehung nicht nur der deutschsprachigen Zweige des WEC, sondern auch der Entste­hung der WEC-Heimatzentren in anderen kontinentaleuropäischen Ländern. Das Buch ist kostenlos; falls Sie aus der Schweiz oder aus Deutschland bestellen, legen Sie bitte 1 DM / 1 SFr. in Briefmarken bei. Die Adres­sen lauten: WEC International, Postfach 9, D-6239 Eppstein, bzw. Falkenstraße 10, CH-8630 Rüti.

Em 1988-2.

Schirrmacher, Christine. Der Islam 1 und 2, Ge­schich­te, Lehre, Unterschiede zum Chri­sten­tum. Neuhausen: Hänssler, 1994.

Die Bonner Islamkundlerin legt mit diesen bei­den Bänden nach ihrer Dissertation (Mit den Waf­fen des Gegners. Christlich - Muslimische Kon­troversen im 19. und 20. Jahr­hundert, Ber­lin, 1992) eine weitere größere Arbeit vor, wel­che Christen zu einer sachgerechten Begeg­nung mit Muslimen helfen soll. Die bei­den Bände sind für den theologischen Fern­un­ter­richt konzipiert worden, sehr übersichtlich geglie­dert und mit tabellarischen Zusam­men­fas­sungen versehen, die als Kästen im lau­fen­den Text erscheinen. Das Werk ist all­ge­mein­ver­ständlich geschrieben, gründet sich aber auf die einschlägige wissenschaftliche Literatur. Es setzt keine Vorkenntnisse über den Islam vor­aus, möchte aber zum Weiterstudium anregen. Dem dient ein umfangreiches Lite­ratur­ver­zeich­nis.

Trotz des Umfanges der beiden Bände sah sich die Verfasserin genötigt, auf die Dar­stel­lung mancher Aspekte des Islam zu verzichten. Die durch den Islam hervorgebrachte Kultur (Kunst, Architektur, Wissenschaft und Phi­lo­so­phie) mußte unberücksichtigt bleiben, um statt­dessen auf die Unterschiede zwischen Islam und christlichem Glauben und auf die in vie­ler Hinsicht kontroverse Begegnung zwi­schen Christen und Muslimen eingehen zu kön­nen. Leider wurde auch die Geschichte der is­la­mischen Gemeinschaft nur sehr kurz be­han­delt.

Band 1 enthält die Darstellung des Umfelds Muham­meds sowie seines Lebens und Wir­kens, einen Überblick über Ausbreitung und Lei­tung des Islam (Kalifat), die Glaubenslehre, die Lebensordnung (Recht) und eine Lektion über die Frauen im Islam.

Band 2 ist zunächst den unterschiedlichen Grup­pierungen und Bewegungen innerhalb des Islam gewidmet und geht auch auf moderne Fra­gestellungen ein. Es folgen 7 Lektionen über das Verhältnis zwischen Islam und Chri­sten­tum, wobei aber nicht in erster Linie der Islam aus biblisch-theologischer Sicht betrach­tet wird. Vielmehr geht Christine Schirr­macher von der islamischen Sichtweise aus (Verständnis von Prophetie im Koran, das kora­nische und islamische Jesusbild, die isla­mi­sche Sicht der Bibel) und referiert als Bei­spiel für den islamischen Angriff auf den bib­li­schen Glauben die durch das sogenannte Bar­na­bas-Evangelium ausgelöste Kontroverse.

In einer Lektion werden wichtige lehr­mä­ßi­ge Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwi­schen Islam und ‚Christentum’ (müßte es nicht bes­ser ‚christlichem Glauben’ heißen?) tabel­la­risch aufgelistet, ohne daß eine theologische Refle­xion erfolgt. Weitere Lektionen sind der west­lichen Islamwissenschaft und Beispielen aus der Geschichte der Kontroverse zwischen Islam und Christentum gewidmet. Das Werk schließt mit einigen kurzen Lebensbildern evan­gelischer Pioniermissionare in der isla­mi­schen Welt.

Trotz der genannten Beschränkungen hat Chri­stine Schirrmacher ein solides Lehrbuch vor­gelegt, dem im deutschsprachigen Raum unter Christen, besonders unter Studierenden, eine weite Verbreitung zu wünschen ist. Das Werk drängt aber geradezu zur Weiterarbeit, beson­ders zur biblisch-theologischen Refle­xion als Hilfe zu einem angemessenen christ­li­chen Zeugnis unter Muslimen.

Eberhard Troeger, em 1996-1.

Schirrmacher, Christine. Mit den Waffen des Gegners. Christlich-muslimische Kon­troversen im 19. und 20. Jahrhundert dar­gestellt am Beispiel der Auseinandersetzung um Karl Gottlieb Pfanders „Mizän al-haqq“ und Rahmatulläh ibn Halt! al-’Utmäni al Kairänawis „Izhär al-haqq“ und der Diskussion um das Barnabasevangelium. Islamkundliche Untersuchungen Bd. 162. Berlin: Klaus Schwarz Verlag, 1992.

Diese Bonner Dissertation (1991) behandelt im ersten Teil die missionarisch-apologetische Schrift „Waage der Wahrheit“ des württember­gischen Missionars K.G. Pfander (1803-1865), die er 1829 schrieb, um Muslime für den christlichen Glauben zu gewinnen, sowie ihre Aufnahme und Erwiderung in der islamischen Welt, vor allem durch den indischen Theologen al-Kairänawi (1818-1891). In der dadurch ausgelösten literarischen Kontroverse, an der sich zahlreiche christliche und muslimische Autoren beteiligten und die die Verfasserin bis in die Gegenwart verfolgt, ging es vor allem um den muslimischen Vorwurf der Verfäl­schung der biblischen Schriften.

Im zweiten Teil des Buches steht die Kon­troverse um die Person Jesu Christi im Mittel­punkt, wie sie anhand des „Barnabasevangeliums“ (vermutlich eine spätmittelalterliche Fäl­schung) vor allem in unserem Jahrhundert von muslimischen und christlichen Autoren geführt wurde. Schwerpunkt der gesamten Arbeit ist der Nachweis, daß beide Seiten in diesen Aus­einandersetzungen die „Waffen des Gegners“ einsetzten. Kairänawi hat erstmals in großem Umfang die Schriften der europäischen ratio­nalistischen, kritischen Theologie des 19. Jahr­hunderts benutzt, um den muslimischen Vor­wurf der „Verdorbenheit“ der biblischen Schriften zu beweisen und das christliche Bekenntnis zur Gottessohnschaft Jesu zu widerlegen. Seine Methode machte Schule und wird bis heute von muslimischen Apologeten
und Publizisten angewandt, ja sie ist in der islamischen Welt überaus verbreitet. Aber auch die christlichen Missionare benutzen seit dem letzten Jahrhundert den Koran und die islami­sche Traditionsliteratur, um aus ihnen die muslimischen Vorwürfe zurückzuweisen.

Die Aufgabe der Verfasserin war eine objektive Darstellung der Kontroversmethoden. Das Urteil über deren Legitimität bleibt dem Leser überlassen. Der große Wert des Buches besteht darin, daß die Verfasserin zahlreiche literarische Quellen, die bisher teils gar nicht oder nur in Fremdsprachen (Arabisch, Urdu ua.) erreichbar waren, zugänglich gemacht und ihre Wirkungsgeschichte übersichtlich dar­gestellt hat, wodurch der deutsche Leser erst­mals Zugang zu dieser umfangreichen litera­rischen Auseinandersetzung erhält. Der in Zeugnis und Dienst unter Muslimen engagierte Leser wird herausgefordert, sich mit den Methoden der Apologetik auseinanderzusetzen. Dabei erhält er wertvolle Anregungen für sein eigenes theologisches Arbeiten sowie für seine zeugnishafte Begegnung mit Muslimen.

Eberhard Troeger, em 1994-2.

Schirrmacher, Thomas (Hg.). „Die Zeit für die Bekehrung der Welt ist reif.“ Rufus Anderson und die Selbständigkeit der Kir­che als Ziel der Mission. Mit Texten von Rufus Anderson, Theodor Christlieb, Hermann Gundert, Josef Josenhans. edition afem, mission Scripts Bd 3. Bonn: VKW, 1993.

Das Buch kreist um die zentralen Anliegen Rufus Andersons (1796-1880), des überragen­den Theoretikers und Strategen der amerikani
schen Weltmission. Titel und Untertitel machen allerdings nicht hinreichend klar, worauf das Buch zielt. Soll es primär (eschato-logisch) um die „Fülle der Zeit“ gehen oder (ekklesiologisch) um die Selbständigkeit der jungen Kirchen? Auch läßt der weitere Unterti­tel eher einen bunten Flickenteppich von Tex­ten erwarten, bei dem Anderson alphabetische Priorität zukommt. Hier hätte es im Interesse der schnellen Orientierung besser geheißen: „Mit Texten über und von Rufus Anderson“. Dies entspräche ganz dem Inhaltsverzeichnis mit seinen drei Teilen: I. Über Rufus Anderson heute; II. Über Rufus Anderson im 19. Jahr­hundert: Deusche Stimmen; III. Von Rufus Anderson.

Eigentlich handelt es sich um zwei Bücher in einem: einerseits um die Fortführung einer „literarischen Diskussion“ aus em 1990/91, auf die bereits die Widmung Bezug nimmt; und andererseits um eine Anderson-Auswahlaus­gabe. Auf beide Aspekte ist hier einzugehen.

1. Als Anderson-Auswahlausgabe wäre das Buch natürlich an der von R. Pierce Beaver herausgegebenen englischen Sammlung To Advance the Gospel (1967) zu messen. Es erhebt allerdings nicht den Anspruch, eine sol­che zu sein. Die Anderson-Schriften finden sich erst in Teil III und stellen weniger als die Hälfte der 134 Seiten. Bei Beaver dagegen sind es etwa 4/5 von dessen 217 Seiten.

Dennoch braucht sich die Sammlung mit ihren fünf Texten (Beaver hat 14) durchaus nicht zu verstecken. Zum ersten ist sie als ein­zige deutsche Anderson-Ausgabe ohnehin konkurrenzlos. Zum zweiten vermittelt sie bei aller Kürze doch einen recht geschlossenen Gesamteindruck. Zum dritten schließlich ist sie eine erfreuliche Ergänzung zur Beaverschen Ausgabe, denn von ihren fünf Texten finden sich zwei dort nicht. Es sind dies zum einen das vierte Kapitel aus Andersons grundlegendem Werk Foreign Missions, nämlich das über die Missionsprinzipien des Neuen Testaments (Beaver bringt die Kapitel 7, 8 und 9); und zum anderen der Schlußteil aus Andersons Buch über die Mission auf den Sandwich-Inseln (dem einzigen seiner Werke, das auf deutsch schon einmal, nämlich 1872, vorlag). Dieser Text ist besonders willkommen, denn Beaver klammert die großen missionshistorischen Werke Andersons bewußt aus.

Die ideale Einleitung zu diesen Texten ist der Anderson-Nachruf  Theodor Christliebs aus der Allgemeinen Missions-Zeitschrift 1881, Kernstück von Teil II des Buches, ein kleines Meisterwerk und selbst eine Primärquelle allerersten Ranges. Wer diesen Nachruf liest, profitiert außerdem gleich doppelt: nicht nur Anderson, sondern zugleich Christlieb steht zum Greifen nahe vor Augen. Eine gute Hin­führung zu diesem Beitrag ist der Anderson betreffende Ausschnitt aus der Dissertation des Herausgebers über Theodor Christlieb, abge­druckt in Teil I.

2. Am Anfang des Buches steht in Teil I (der auch eine sehr gründliche Bibliographie enthält) die überarbeitete Fassung eines Arti­kels des Herausgebers aus em 2/1990. Diesem Artikel war von Dietrich Kühl in em 4/1990 sehr dezidiert widersprochen worden. Die Punkte aus em 2/1990, die damals Anstoß erregten, seien kurz umrissen. Erstens wurde behauptet, die Venn-Andersonsche Drei-Selbst-Formel sei nur in ihrer Verankerung in einer klar umrissenen theologischen norma normata sinnvoll, bei Anderson dem Westminster-Bekenntnis, bei Henry Venn den anglika­nischen 39 Artikeln. Wer wie die Glaubens­missionen meint, nur die norma normans der Schrift zu exportieren (eine Selbsttäuschung, nebenbei bemerkt, denn man setzt lediglich an die Stelle einer expliziten norma normata eine implizite), braucht sich nicht zu wundern, wenn im Gefolge der Drei-Selbst-Formel schwere theologische Richtungskämpfe entstehen. Kontrovers war weiterhin die Kritik an dem angeblich „mystischen“ Verständnis der Beru­fung bei den Glaubensmissionen sowie der Hinweis, daß deren Prämillennialismus Ander­sons Denken wesensfremd sei. Diese Punkte sollen hier kurz anhand der zur eigenen Mei­nungsbildung abgedruckten Anderson-Texte betrachtet werden.

a. Andersons Postmillennialismus wird in einem Traktat deutlich, das dem Sammelband seinen Namen gegeben hat. Eine Abgrenzung gegen andere Eschatologien fehlt darin und war
offenbar auch gar nicht nötig. Der Amillennialismus war in Neuengland spätestens seit Jona­than Edwards von der postmillennialistischen Missionsbegeisterung fast gänzlich abgelöst worden; und der Prämillennialismus, von Edward Irving stark angeregt, hatte bei Abfas­sung des Traktats 1837/38 zwar schon verein­zelt um sich gegriffen, war aber für Anderson wohl noch kein Faktor, mit dem man sich aus­einandersetzen mußte. Eine ausdrückliche Ver­knüpfung von Drei-Selbst-Formel und Post­millennialismus erfolgt in den beigefügten Texten nicht. Eine Affinität zwischen dem Gedanken der Selbstausbreitung und der Erwartung großer missionarischer Durchbrüche ist aber nicht von der Hand zu weisen, darauf hingewiesen zu haben ist ein Verdienst des Herausgebers. Gegen denselben ist aber festzu­halten, daß der Postmillennialismus eine Abweichung von der Theologie der Reforma­toren darstellt, die sich uneingeschränkt an den Amillennialismus Augustins hielten. Hier trennte sich der Pietismus (schon ab Spener) vom Erbe Luthers und der Puritanismus (erst im Laufe der Zeit) vom Erbe Calvins.

b. Was die Frage des Rufs in die Mission betrifft, so sind genau die beiden Traktate An­dersons abgedruckt, die in dieser Frage die wichtigsten sind. Es sind die, die Robert E. Speer später in seiner weitverbreiteten Schrift What Constitutes a Missionary Call verarbei­tete. Der Ruf in die Außenmission ist laut Anderson für jeden Christen vorgegeben. Wenn das so ist, dann erledigt sich konsequenterweise die Frage einer besonderen Berufung. Ander­son ist einer Versubjektivierung der Berufung entgangen, indem er ihre Allgemeingültigkeit postulierte. Und hier gewinnt nun die Tatsache allerhöchste Bedeutung, daß er die Missions­pflicht dem einzelnen aufbürdet und nicht der Kirche als solcher. Der Ruf zur Mission ergeht also weder subjektiv an den einzelnen (so die einen) noch objektiv an die Kirche (so die anderen), sondern objektiv an den einzelnen. Man wird nicht Missionar aufgrund einer Pri­vatoffenbarung (dem umstrittenen „mystischen Erlebnis“), auch nicht aufgrund kirchlicher Abordnung, sondern aufgrund eigener rationa­ler Abwägung der Faktoren, wobei eine Regel Ausnahme-Vermutung zugunsten der Außen­mission besteht. An diesem Punkt kann man sich übrigens nur wünschen, daß das Buch eine grundlegende Diskussion auslöst.

c. Zur Verankerung der Drei-Selbst-Formel in einer klaren Bekenntnisgebundenheit geben die beigefügten Anderson-Texte wenig her. Der Kongregationalist Anderson war zweifellos Calvinist im Sinne des Westmin-ster-Bekenntnisses (bzw. dessen kongregationalistischer Überarbeitung, der Savoy-Erklärung), trug dieses Bekenntnis aber mehr im Herzen als auf den Lippen. Er war eben doch auch Kind der Erweckung, stand also den Pres-byterianern der New School nahe, die in der Mission mit den Kongregationalisten koope­rierten, nicht denen der Old School, die diese Kooperation ablehnten. Christlieb zitiert in einem Atemzug Lyman Beecher und Charles Hodge, zwei Männer, zwischen denen es theo­logisch knisterte, als Freunde Andersons. Zwei Generationen später war der Abstand schon größer. Der bereits genannte, aus dem Student Volunteer Movement hervorgegangene Robert E. Speer, für viele der kongenialste Nachfahre Andersons, wurde in einen heftigen Disput mit J. Gresham Machen hineingezogen, dem Princetoner Neutestamentier, der das Indepen-dent Board for Presbyterian Foreign Missions gründete. Die Kontroverse wurde 1932 durch den von W. E. Hocking herausgegebenen Berichtsband Rethinking Missions ausgelöst. Prominenter Gegner des Berichts war Machen, prominente Befürworterin die als Missionars­tochter in China aufgewachsene Pearl S. Bück. Das Ergebnis war (um die Charakterisierung der nachmaligen Nobelpreisträgerin zu zitie­ren), daß Machen zur Vordertür der Presbyteri-anischen Kirche hinausflog und sie zur Hinter­tür. Wer war also der legitime Erbe Andersons, der dogmatisch zunehmend weitherzige Speer oder der nach schweren inneren Kämpfen nun­mehr bekenntnisgebundene Machen? Wie stark fand Andersons Drei-Selbst-Formel bei ihm selbst tatsächlich ihr „notwendiges Korrektiv in seinem streng reformierten calvinistischen Be­kenntnis“ (Schirrmacher)? Versucht man, An­derson in deutsche Kategorien einzuordnen (allerdings hie lutherisch, da reformiert), dann
muß man wohl sagen, daß er konfessioneller empfand als Gustav Warneck, aber nicht so konfessionell wie Karl Graul. Insofern möchten wir die Wertung des Herausgebers, der ihn wohl um einiges näher an Graul heranrücken würde, verschieben. Richtig ist aber jedenfalls, daß Andersons Calvinismus sein missiologi-sches Denken wesentlich integraler bedingte, als es vor zwei Generationen Speer und heute wohl Beaver einerseits und Kühl andererseits annehmen.

Fazit: Das Buch ist quellenmäßige Fundgru­be und Herausforderung zum aktuellen Nach­denken zugleich. Wer beides oder auch nur eins von beidem liebt, ist gut bedient.

 Wolf- Christian Jaeschke, em 1995-1.

Schirrmacher, Thomas / Klaus W. Mül­ler (Hg.). Scham- und Schuld­orien­tie­rung in der Diskussion: Kultur­an­thro­po­logische, missiologische und theo­lo­gische Einsichten, edition afem – mis­sion academics. Nürnberg: Verlag für Theologie und Religions­wissen­schaft; Bonn: Verlag für Kultur und Wis­senschaft, 2006.

Die Herausgeber haben ein Team kom­petenter Fachleute um sich gesammelt und das Doppelthema vom scham- und schuld­orientierten Gewissen im missio­logischen Denken und missionarischen Handeln vielseitig diskutiert. Wer mit den Autoren näher vertraut werden möchte, dem sind die Kurzbiographien (S. 301-302) zu empfehlen. Nach Format und Inhalt ist das Buch aus vier Teilen unterschiedlichen Umfangs aufgebaut: I. Kulturelle Zusammenhänge; II. Reli­giöse Implikationen; III. Missiologische Diskussion; und IV. Theologische Grundlagen.

Diese Ansatzpunkte bilden den jewei­ligen Kontext, in welchem sich die Ver­fasser unabhängig voneinander mit dem brisanten Thema über Bedeutung und Funktion des Gewissens auseinan­der­setzen. Alle gehen davon aus, (a) dass jeder Mensch mit einer Veranlagung zu einem Gewissen geboren ist; (b) dass sich das Gewissen durch Erbanlagen, Erziehung und Umfeld grundlegend verschieden entwickelt; (c) dass das Gewissen als sozial-ethisches Organ die Menschen gesellschafts-, kultur- und religionsfähig macht; (d) dass es Völker und Kulturen gibt, in denen das Gewissen auf Verstöße vorhandener Normen mit einem Schuld- oder Schamgefühl reagiert; (e) dass die Vorkenntnis dieser Dinge bei der Vermittlung des Evangeliums vom Reich Gottes eine wichtige Rolle spielt (s. S. 5, 9, 15-17, 169-170).

Was Lothar Käser obenan im I. Teil unter „Kultur und Über-Ich” behandelt, ist m. E. das Schlüsselkapitel zum Buch (S. 7-41). Hier entschlüsselt er Fach­begriffe und Forschungsgebiete, die aus anderen Sprachen und Wissenschaften in die deutsche Missionswissenschaft ein­gedrungen und von ihr übernommen worden sind – wenn auch nicht un­umstritten. Bei der Gewissens­orien­tierung sind nach Käser zwei grund­sätzliche Dimensionen zu berück­sich­tigen: die horizontale und die vertikale. Bei der einen geht es primär um Funktionen des Gewissens auf sozialer Ebene, wobei der Mensch bei Verletzung vorhandener Regeln um Wahrung seines Prestiges ringt; bei der anderen handelt es sich mehr um religiöse Funktionen, wobei der Einfluss auf das Gewissen von Gott oder einer anderen höheren Auto­rität herkommt und sich als Schuldgefühl manifestiert. Im gleichen Teil zeigt Han­nes Wiher als Facharzt und Psychologe aus seinen Erfahrungs­bereichen in West­afrika und Europa wie zwei Ge­wis­sensorientierungen aufein­an­der­prallen und unterschiedliche Reak­tionen aus­lösen (S.42-48). Nebst Be­schrei­bung und Evaluierung brauchbarer Gewissens­modelle (S. 49-57) ist das Kapitel über „Persönlichkeit als Funk­tion der Ge­wissensorientierung” beson­ders wichtig. Dieser Beitrag mit Tabellen, Fragebogen und ausgewählter Literatur enthält Lehrstoff für ein ganzes Wochen­endseminar (S. 60-86). Die we­ni­gen Zei­len, die Wiher (S. 87-91) über „Gene­ration X” schreibt, sollte jeder Ju­gend­arbeiter lesen. Die letzten Beiträge in diesem Teil sind Reflexionen aus der Missionspraxis. Klaus Müller bringt hier eine offene Auswertung von Licht­strahlen und Schattenseiten in die Dis­kussion von dem, was er als junger Mis­sionar aus Deutschland unter den Chuuk-Insulanern in Mikronesien erlebte, deren schamorientiertes Gewissen durch poli­tische Macht belastet war und die Gemeindearbeit erschwerte (S.91-115). In der Erforschung des Themas „Die Lüge als Überlebensstrategie” bei den Totonakindianern in Mexiko zeigt die Missionsärztin, Hanna-Maria Schmalen­bach, dass die Lüge „etwas Boshaftes und Unrechtes” an sich trägt, was „das Vertrauen und das Wohlwollen der Menschen untereinander unterhöhlt”(S. 117). Ermutigend ist ihr Nachweis, wie der Einfluss des Evangeliums sich auf die Wahrhaftigkeit im Leben junger Totonakchristen auswirkt (S. 124-127).

Im II. Teil vermittelt Martin Lomen mit scharfer Klarsicht und Kenntnis der Thematik den Lesern einen durchaus hilfreichen Beitrag zum Dialog zwischen Christen und Muslimen. Wer Lomens Kapitel liest (S. 131-163) wird fortan die biblischen Berichte von Schöpfung und Fall, sowie vom Leiden, Sterben und Auferstehen Jesu mit vertieften Ein­sichten und Herausforderungen lesen. Der III. Teil ist der Missiologie gewid­met (S. 164-214). Hier tritt der Missio­loge Klaus Müller als Pädagoge auf. Meisterhaft versteht er den Begriff elengchein (beschämen; schuldig erklä­ren), sowie dessen komplexen Zusam­men­hang mit synedeisis (Gewissen, Mitwissen) aus dem Denken der antiken Welt zu heben und in der verdeutschten Form “Elenktik” heutigen Lesern als „Die Lehre vom scham- und schuld­orientierten Gewissen” zu deuten (S. 169-170). Unter dem Titel „Elenktik: Ge­wissen im Kontext” untersucht Müller Tiefe und Breite der Thematik, wie sie in verschiedenen wissenschaftlichen Dis­zip­linen besprochen wird. Anhand eth­nologischer Unterlagen konstruiert er hilfreiche Modelle (S. 192-211), um zu verdeutlichen, dass das „Gewissen im Kon­text der Kultur erfassbar [wird], in der es gebildet wurde” (S. 191). Diese These verdient weiter untersucht zu werden.

Anschließend folgen im IV. Teil „Theo­logische Grundlagen”. Dazu entwirft Wiher ein umfangreiches „biblisch-sote­rio­logisches Gewissensmodell aufgrund einer interdisziplinären Studie” (S. 215-236). Hier finden Christen wertvolle Hilfe, wie sie im Alltagsleben mit Menschen mit komplexen Gewissens­belastungen befreiend umgehen können. In seinem ausführlichen Beitrag über „Die christliche Botschaft angesichts von Schuld- und schamorientierten Gewissen und Kulturen” (S. 237-300) definiert Thomas Schirrmacher das Gewissen als „eine Instanz, die alles miterlebt und bezeugt, was ein Mensch tut und denkt” (S. 289). Seine Listen sämtlicher Schrift­stellen, wo im NT das Wort „Gewissen” und im AT der äquivalente Begriff „Niere” vorkommen, sowie eine neun­sei­tige Liste mit empfehlenswerten Schrif­ten sind eine Hilfe zum Selbst­studium.

Zusammenfassende Bemerkungen: (a) Ähnlich wie mich vor fast 50 Jahren das Thema „elenctics” in der englischen Ausgabe von Bavincks Inleiding in de Zendingswetenschap als wesentlicher Aspekt der Missionswissenschaft packte, so bin ich als lernender Leser von Tiefe und Breite der Einsichten der Autoren dieses Sammelbandes dankbar beein­druckt. (b) Laut Aussagen im Vorwort sind „andere solcher Veröffent­li­chungen” geplant, was hoffen lässt, dass das Thema von einem angst­orientierten Gewissen auch erforscht werden wird. Schmalenbach spricht es im Kontext ihrer Arbeit unter den Totonakindianern zwar an, führt es aber nicht aus. War es beim Sündenfall (Gen 3) nicht vor allem die Angst, die unsere Ureltern ins Versteck trieb? So auch unter Völkern im Bann der Geisterwelt. (c) Die Bedeutung des Beitrags über „Politische Macht...” bleibt an und für sich unumstritten; Schreibfehler, Stil und Struktur sind jedoch korrektur- und bearbeitungsbedürftig. (d) Nebst Ethno­logie und Psychologie sollte auch die Soziologie bei missionswissenschaft­lichen Forschungen wahrgenommen werden, was in diesem Buch fehlt. (e) Ein Namen- und Sachregister würde den Wert dieses so wertvollen Sammel­bandes noch um einige Stufen heben.

Prof. em. Dr. Dr. Hans Kasdorf, em 2009-1.

Schmid, Cathy. Un enfant, deux cultures … . St Legier: Editions Emmaüs & Institut Évangélique de Missiologie, 2002.

Cathy Schmid ist verheiratet. Sie lebte 14 Jahre in Afrika und gebar dort drei Kinder. Wieder in der Schweiz ist sie mit ihrer Familie im französisch sprechenden Teil des Landes zu Hause. Dort unterrichtet ihr Mann Missiologie an der Bibelschule Emmaus mit einer multikulturellen Studentenschaft. Kathy organisiert unter anderem auch Treffen mit Missionarskindern. Somit hat sich ihr Einblick erweitert und zu dem Buch geführt.

Kinder haben und in die Mission gehen, ist das überhaupt unter einen Hut zu bringen? Käthi Schmid zeigt in ihrem Buch auf, wie sie und Dutzende von Familien es erlebt haben. Die frischen, kurzen Insider-Zitate aus Kindesmund sind wie Perlen. Käthi Schmid fädelt sie auf, zusammen mit Gedanken aus den Herzen der Eltern und Einblicken von Fachleuten. Bilder und Skizzen lenken das Augenmerk auf das Wichtige. Was sagen die Fachleute? Es kann zu Schwierigkeiten kommen, wenn Kinder aufs Missionsfeld verpflanzt werden. Und bei der Rückkehr in die Heimat geht nicht alles von alleine in Ordnung. Weder beschönigt Käthi Schmid die Probleme, noch fördert sie Schuldgefühle. Eins wird beim Lesen ihres Buches klar: ohne Gottes Gnade geht es nicht. Aber auch mit der Gnade braucht man Weisheit, um die rechten Entscheidungen fällen zu können. Wünschen Sie zu erfahren, mit welchen Schwierigkeiten man rechnen kann, Sie zögern aber, darüber zu sprechen? Sie suchen nach Fakten, nicht nach Träumereien? Dann greifen Sie zu. Dieses Buch wird Ihnen viele Einsichten vermitteln. Nur ein Nachteil muss noch erwähnt werden: die Grundversion des Buches gibt es zur Zeit nur im Urtext - französisch. Welche Leser können von diesem Buch lernen?

* Missionare, die ausziehen

* Missionare, die auf dem Feld sind

* Missionare, die zurück in die Heimat kommen

* Freunde, die Familie und die Gemeinde, die Missionarskinder begleiten wollen, aber nicht ganz wissen wie.

Dr. Matthias Radloff, em 2002-2.

Schmid, Edgar (Hg.). Wenn Gottes Liebe Kreise zieht: 150 Jahre Pilgermission St. Chrischona (1840-1990). Brunnen Verlag Gießen/Basel 1990.

Am Übergang von den Klassischen Missio­nen zu den Glaubensmissionen steht St. Chrischona bei Basel, 1840 als Schulungs­stätte für Handwerkermissionäre von Chri­stian Friedrich Spittler gegründet. Zum 150. Jubiläum ist jetzt eine informative und reich ausgestattete Festschrift erschienen. Sie vermittelt einen Überblick über die ge­samte Chrischona-Arbeit: Ausbildung, Ge­meinschaftswerk, Verlag, Diäkonie, Mis­sion. Für Ekklesiologen ist interessant, daß Chrischona in der Schweiz und in Frank­reich freikirchlichen Charakter hat, in Deutschland fast ausschließlich den Cha­rakter einer Gemeinschaftsbewegung inner­halb der Landeskirche. Für Missiologen ist die historische Darstellung der Geschich­te Chrischonas (S.6-44) interessant, wo­bei besonders das Eingehen Chrischonas auf die Heiligungsbewegung unter Carl Heinrich Rappard (1874), die Chrischona für die Glaubensmissionen öffnete, zu be­achten ist.

Von besonderem missiologischem Interesse ist der Artikel von Lutz Behrends (S.106-117) „Gottes Werkzeuge in aller Welt. Die Pilgermission und die Äußere Mission“, der die wechselhafte Geschichte der ver­schiedenen mit Chrischona verbundenen Missionsunternehmen im Überblick be­schreibt. Von besonderem Interesse er­scheint mir dabei die Beschreibung der Apostelstraße (mit Karte und Faksimile­ausschnitt des Programms). Die Festschrift
ist mit ihrem niedrigen Preis (10.80 DM) allen zu empfehlen, die mehr über Chrischo­na und damit über einen der Anfänge der evangelikalen Missionsbewegung wissen möchten.

Zwei kleine Kritikpunkte zum Abschluß: Ich bezweifle, daß die Edinburgher Mis­sionskonferenz von 1910 (nicht 1890) we­sentlich neue Impulse für die evangelikale Weltmission gab (S.110); zum anderen wäre es schön gewesen, wenn in die Fest­schrift ein Verzeichnis der Literatur zu Chrischona aufgenommen worden wäre.

Dr. Klaus Fiedler, em 1990-3.

Schmid, Stefan. Mark Christian Hayford (1864-1935). Ein Pioneer aus Westafrika. VKW: Bonn, 1999 (edition afem mission scripts 15).

Obwohl er keinen Missionar je sah, gründete der Ghanaer Mark Hayford eine französische Mis­sion in der Elfenbeinküste, die Mission Bi­blique. Stefan Schmid, zwölf Jahre Mitarbeiter dieser Mission, zeichnet liebevoll das Portrait eines Mannes, der einflußreich war, aber des­sen Visionen wohl immer mit den Realitäten in Konflikt standen. Deswegen verbrachte er immer wieder Jahre im Ausland, um dort für seine Projekte zu werben und (nie genug) Geld zu sammeln.

Rev. Hayford kam aus der gebildeten Schicht Ghanas uud gab eine gute Stellung im Dienst der Regierung auf, um Pastor zu werden; zuerst als Methodist, dann als Gründer und Leiter der „Baptist Church and Mission“ in Cape Coast. 1919 gründete er in der Elfenbeinküste Ge­meinden der „Baptist Church and Mission“, für die er 1925 in Frankreich Missionare suchte. Er fand sie an der Bibelschule Nogent: Laura und Daniel Richard wurden später von der Taber­nacle Baptisten­gemeinde in Paris übernommen.

Es ist zu begrüßen, daß einer so schillernden, bedeutenden und zugleich tragischen Figur eine Untersuchung gewidmet wird, die auf Primärquellen aus mehreren Ländern beruht. Das Buch stellt gut lesbar eine vielseitige, aber insgesamt leztlich nicht voll überzeugende Karriere dar. Ste­fan Schmid macht zudem in­teressante Dokumente zu Hayford’s Leben zu­gänglich.

Dr. Klaus Fiedler, em 2000-1.

Schmidt, Cordula (Hg.). Einmal hin und anders zurück. Neukirchen-Vluyn: Aussaat/-VEM, 1993.

Einmal hin - nicht als Tourist, sondern in eine missionarisch-diakonische Aufgabe zu einer Kirche oder Organisation in Übersee. Davon berichten Entwicklungshelfer bei Einsätzen bis zu zwei Jahren. Spannend geben sie Einblick in ihre Erfahrungen von einer völlig anderen Situation. Sicher kommen sie „anders zurück“, weil sie nicht nur ihren Horizont erweitert, sondern auch für ihr geistliches Leben viel gelernt haben. Kreuz und quer geht es in den Berichten durch Afrika und Asien in die Part­nerkirchen der Vereinigten Evangelischen Mission (VEM), Wuppertal. Die aus Briefen zusammengestellten Beiträge sind thematisch unter Überschriften geordnet, die auch junge Leser motivieren können.

Fritz Lamparter, em 1994-3.

Schmidt, Norbert. Von der Evangelisation zur Gemeindegründung. Die Geschichte der Marburger Brasilienmission. Marburg: Francke Verlag, 1991.

Norbert Schmidt beschreibt in dieser gründ­lichen missionsgeschichtlichen Forschungsar­beit die Spannung zwischen Mission in einem anderen Kulturkreis im eigentlichen Sinne und der evangelistischen bzw. erwecklichen Be­treu­ung der Nachfahren deutscher Einwanderer im Süden Brasiliens. Es wird der schwierige Weg von den Anfängen der Arbeit als Gemein­schaftsarbeit, zu der die ersten Missionare nach Brasilien kamen, zu einer eigenständigen, un­abhängigen Gemeinde beschrieben. Die Basis der Marburger Brasilienmission und der von ihr ausgesandten Missionare ist der deutsche innerkirchliche Pietismus. Hieraus ergibt sich die Problematik der Gemeindegründung durch Missionare und Missionswerke mit einem mehr kul­turell als biblisch orientierten Gemeindever­ständnis, das einfach die eigene christliche Kul­tur mit ihrer spezifischen volkskirchlichen Struk­tur ins Ausland zu verlagern versucht. Ne­ben dieser Schwierigkeit wird das Ringen zwi­schen der Missionsgesellschaft der Hei­mat und der jungen brasilianischen Gemeinde um die Verantwortung für die Arbeit aufge­zeigt.

Gute, zum besseren Verständnis dienende Ergänzungen sind die Kapitel über die Ge­schichte der Gnadauer Brasilienmission mit ih­rem auch in Brasilien klar innerkirchlichen Weg, über die Mutterhausdiakonie in Brasilien sowie der ausführliche Anhang.

Ein interessantes Werk, insbesondere für den mit den kulturellen und kirchlichen Ver­hältnissen Südbrasiliens vertrauten Leser.

Heinrich Finger, em 1998-1.

Schmied, Martina. Familienkonflikte zwi­schen Scharia und Bürgerlichem Recht. Pe­ter Lang: Frankfurt, 1999.

Martina Schmied geht in ihrer rechtswissen­schaftlichen Dissertation der Frage nach, wie im Raum Wien lebende Muslime Ehe- und Familienkonflikte angesichts ihres Herausge­rissenseins aus ihrem großfamiliärem Umfeld lösen, da im Einwanderungsland traditionelle Konfliktlösungsmöglichkeiten nicht im selben Maß wie im Heimatland zur Anwendung ge­bracht werden können. Welche Wege zur Kon­fliktlösung in Familienstreitigkeiten werden beschritten, welche stehen im Immigrations­land überhaupt zur Verfügung? Die Autorin hat zur Beantwortung dieser Fragen Interviews sowie einschlägige Gerichtsurteile verwendet.

Drei Dinge scheinen mir aus der Fülle der wertvollen Informationen zum islamischen Recht bemerkenswert:

1. Wie selten sich muslimische Familien hilfe­suchend an österreichische Gerichte wenden, mag im Vergleich mit der Zahl der in Öster­reich ansässigen Muslime zunächst erstaunen, öffnet jedoch den Blick dafür, daß es auch in einer muslimischen Ehe - in der aus westlicher Perspektive die Frau unterdrückt und entrechtet scheinen mag – für sie Möglichkeiten des Pro­testes und Widerstands gegen unangemessene Behandlung und Verstöße gegen den einmal geschlossenen Ehevertrag gibt. Dieser Protest ist allerdings eingebettet in die Werte und Handlungsspielräume der islamischen Kultur. Es drängt sich die Schlußfolgerung auf, daß ein Schlüssel zum Verständnis des Islam eine ver­mehrte Erforschung seiner kulturellen Werte, Rechtsnormen und gesellschaftlichen Maßstäbe sein müßte, um den Islam nicht nur punktuell, sondern als ganzes, geschlossenes System be­greifen zu können.

2. Muslimische Immigranten versuchen, auch im westlichen Ausland im Ehe- und Familien­recht soweit wie möglich der Befolgung isla­mischer Rechtsnormen nachzukommen. Ist dies einerseits aus dem Anspruch des Islam er­klärlich, nicht nur religiöses, sondern auch po­litisches und gesellschaftliches System zu sein, gibt es doch andererseits zu Bedenken Anlaß, daß ein aktives Befürworten und Eintreten für westliche Rechtsnormen in größerem Umfang bei muslimischen Immigranten keinesfalls in Sicht ist - was sicherlich nicht nur für Öster­reich Gültigkeit haben dürfte.

3. Und schließlich stellt die Autorin fest, daß das Wissen bei Vertretern des österreichischen Rechts über islamische Rechtsnormen im all­gemeinen als recht gering einzuschätzen ist - und das, obwohl Muslime in großer Zahl seit vielen Jahrzehnten in Österreich leben und ar­beiten. Diese Feststellung ließe sich sicher fast unbesehen auf deutsche Verhältnisse übertra­gen und macht den dringenden Bedarf nach (günstigstenfalls christlichen) Juristen deutlich, die gleichzeitig profunde Kenntnisse des isla­mischen Rechts aufweisen. Viele Gerichtsent­scheidungen der kommenden Jahre werden wohl andernfalls fast zwangsläufig im „Dunkel der Unwissenheit“ gefällt werden. – So scheint heute mehr denn je eine tiefgreifende Beschäf­tigung mit Islam das Gebot der Stunde zu sein.

Dr. Christine Schirrmacher, em 2000-2.

Schmutterer, Gerhard. Tomahawk und Kreuz. Fränkische Missionare unter Prärie-India­nern 1858-1866. Freimund-Verlag, Neuen-dettelsau/Verlag der Ev.-Luth. Mission, Er­langen (Erlanger Taschenbücher Band 79).

Man sollte heute nicht meinen, daß Amerika auch einmal deutsches Missionsgebiet ge­wesen ist. Schmutterer vermittelt einen Einblick in die nur acht Jahre währende Geschichte der von der deutschen Auswan­dererkirche der Iowa Synode unter den In­dianern betriebenen Mission, in der u.a. der in Crimmitschau geborene und in Neuendettelsau ausgebildete Moritz Bräuninger zum Märtyrer wurde. Das Buch beruht auf Primärquellen und leistet deshalb auch ei­nen Beitrag zur Missionsforschung.

Em 1988-2.

Schnabel, Eckhard J. Das Reich Gottes als Wirklichkeit und Hoff­nung. Neuere Entwick­lungen in der evangelikalen Theolo­gie. Wupper­tal/Zürich: Brockhaus, 1993.

Eckhard Schnabel, bis vor kurzem Dozent am Missionshaus Bibel­schule Wiedenest, jetzt Do­zent an der Freien Theologischen Akademie in Giessen, veröffentlicht hier seinen Beitrag zur Jahrestagung der „Konferenz Bibeltreuer Aus­bildungsstätten“ im Oktober 1990. Die Jah­restagung behandelte neuere Entwicklungen in der evangelikalen Theolo­gie zum Thema „Reich Gottes“.

Zunächst skizziert der Autor in einem histori­schen Rückblick das theo­logische Erbe der Evangelikalen seit der Reformation. Im zwei­ten und längsten Kapitel beschäftigt er sich mit „sozialethischen Fragen“ der sog. „radikalen Evangelikalen“. Er erläutert insbe­sondere, wie die Lausanner Bewegung in ihren Veröffentli­chungen zu sozialethischen Fragen das Kon­zept „Reich Gottes“ rezipierte. Im dritten bis fünften Kapitel betrachtet Schnabel die Posi­tionen der sog. „bekennenden“, „restaurativen“ und „charismatischen“ Evange­likalen. Am Ende eines jeden Kapitels bewertet der Autor die geschilderte Position. Im letzten Kapitel präsentiert Schnabel mit Belegen aus dem Neuen Testament seine eigene Position zum Thema „Reich Gottes“. Er untermauert sie mit Hinweisen auf wichtige anderwei­tige Veröf­fentlichungen zum Thema und weist auf die Relevanz der Ergeb­nisse für den ersten Teil seines Buches hin.

Schnabel gelingt es, dem Leser anhand von Beispielen die zwei Gefah­renpunkte beim Thema „Reich Gottes“ im evangelikalen Lager klar vor Au­gen zu stellen: Die „radikalen“, die „restaurativen“ und die „charismatischen“ Evangelikalen stehen in der Gefahr, das Reich Gottes zu stark in seiner jetzigen Verwirkli­chung zu sehen bzw. zu erwarten. Die „bekennenden“ Evangelikalen hingegen neigen eher zu einer starken Ver­jenseitigung des Rei­ches Gottes, was auch nicht dem neutesta­mentlichen Befund entspricht.

Hier ist eine klare Darstellung gelungen, die so manchen zum Nach­denken anregen sollte. Nur scheint mir das 135seitige Büchlein für 29,80 DM etwas überteuert.

Andreas Wieland, em 1997-2.

Schnabel, Eckhard J. Das Reich Gottes als Wirklichkeit und Hoffnung. Neuere Ent­wicklungen in der evangelikalen Theologie. Wuppertal/Zürich: Brockhaus, 1993.

Schnabel, bis vor kurzem Dozent an der Bibel­schule Wiedenest und jetzt an der FTA Gießen, skizziert zunächst in einem historischen Rück­blick das theologische Erbe der Evangelikaien zum Thema seit der Reformation. Im zweiten und längsten Kapitel beschäftigt er sich mit „sozialethischen Fragen“ der sogenannten „radikalen Evangelikalen“. Er zeigt, wie die Lausanner Bewegung das Konzept „Reich Gottes“ in ihren Veröffentlichungen zu sozial­ethischen Fragen rezipierte. Im dritten bis fünften Kapitel betrachtet Schnabel die Posi­tionen der „bekennenden“, „restaurativen“ und „charismatischen“ Evangelikalen. Am Ende
eines jeden Kapitels bewertet der Autor die geschilderten Positionen. Im letzten Kapitel präsentiert Schnabel seine eigene, vom Neuen Testament her belegte und mit Literatur unter­mauerte Position.

Schnabel gelingt es, dem Leser die beiden Gefahrenpunkte zum Thema „Reich Gottes“ klar anhand von Beispielen im evangelikalen Lager vor Augen zu stellen. Die „radikalen“, die „restaurativen“ und die „charismatischen“ Evangelikalen stehen in der Gefahr, das Reich Gottes zu stark in seiner jetzigen Verwirkli­chung zu sehen bzw. zu erwarten. Die „beken­nenden“ Evangelikalen hingegen neigen eher zu einer starken Verjenseitigung des Reiches Gottes, was auch nicht dem neutestamentlichen Befund entspricht.

Schade, daß die anregende Darstellung mit DM 29,80 für 135 Seiten etwas überteuert ist.

Andreas Wieland, em 1995-3.

Schnabel, Eckhard J. Sind Evangelikale Fundamentalisten? R. Brockhaus Verlag: Wuppertal/Zürich, 1995.

Schnabel hat in dieser Schrift die wichtigste Literatur der neueren Fundamentlismus-De­batte verarbeitet und stellt mit Recht ferst, daß es keine allgemein anerkannte Definition des Fundamentalismus-Begriffs gibt, weshalb bes­ser auf ihn verzichtet werden sollte (29). Trotz der Gefahr, als Fundamentalist bezeichnet zu werden, sind Fundamente nötig. Schnabel be­nennt aus der Sicht eines „konservativen Evan­gelikalismus“ (51) vier: den Glauben an den Einen Gott und die Wahrheit des Evangeliums, das Bekenntnis zur Autorität der Heiligen Schrift und die Aufgabe von Mission und Evangelisation. „Vielleicht ist es besser, wenn man als evangelikaler Fundamentalist diffa­miert und damit wenigstens wahrgenommen wird, als wenn man … wegen argumentativer Unsichtbarkeit ignoriert wird“ (50). Er betont aber auch, daß die Wahrheit nicht ohne Liebe vertreten werden darf. Wer sich mit dem Fun­damentalismusvorwurf gegen sich selbst aus­einandersetzen will, mag hier Trost finden. Mir selbst, der ich kein „konservativer Evangelika­ler“ bin, erscheinen in der Tat einige Ansichten Schnabels „fundamentalistisch“.

Dr. Johannes Triebel, em 1996-4.

Schnabel, Eckhard. Paul, the Mission­ary: Realities, Strategies and Methods, Nottingham: IVP/Apollos, 2008.

Dieser Band ist größtenteils eine Kurz­fassung des Paulusteils von Schnabels umfangreicher Studie Urchristliche Mis­sion (Wuppertal: R. Brockhaus, 2002, 887-1424). Doch geht er auch darüber hinaus, indem er neben dem Ver­lauf der paulinischen Mission stärker nach Stra­tegien und Methoden des Apos­tels fragt.

Zunächst diskutiert und definiert Schna­bel die Begriffe Missionsstrategie und Me­thode, beschreibt das Ziel der Mis­sion, zeigt die Problematik der Suche und Anwendung von Missionsmethoden auf und spricht grundlegende her­me­neu­tische Fragen an. Inwieweit han­delt es sich bei den Berichten von der Mis­sion des Paulus schlicht um Be­schrei­bung? Was und wie viel davon hat mit welchen Gründen gleichzeitig auch nor­mativen Charakter für christliche Mission?

Kapitel zwei gibt einen Überblick über den Ablauf der paulinischen Mission (39-122). Nach einführenden biographi­schen Angaben und der Betonung, dass es sich bei dem Damaskusereignis um eine Bekehrung und Berufung des Paulus gehandelt hat, geht es um das Verhältnis des Paulus zu Jerusalem. Dann wird sein Dienst in fünfzehn Phasen beschrieben, wobei darauf hingewiesen wird, dass der Begriff „Missionsreise“ irre­füh­rend sei. Im Dienst des Evangeliums hat Paulus um die 25.000 km zurückgelegt. Im dritten Kapitel zeichnet Schnabel nach, wie Paulus in einzelnen Briefen von seiner Missionsaufgabe spricht (123-54). In ihnen erweist sich Paulus als Mis­sionar, Pastor und Theologe (151-54, we­nig zu den programmatischen Aus­sagen in Röm 11 und zu Röm 14f).

Anschließend beschreibt Schnabel die Missionsverkündigung des Paulus (155-208) vor jüdischen und heidnischen Hö­rern sowie die Entfaltung des Evan­ge­liums vor Behörden. Zur ideologischen Kon­frontation gehört die Verkündigung Jesu als Messias und Herr (kyrios). Die kulturelle Konfrontation geschieht in der Erläuterung des Evangeliums. Pastorale Kon­solidierung findet in der Er­mu­ti­gung und Ermahnung der Gläubigen statt. Zu­dem ereignet sich apologetische Kon­fron­ta­tion in der Verteidigung des Evan­ge­li­ums. So verstanden ist die Mis­sions­ver­kün­digung nicht auf die mis­sio­na­ri­sche Erstverkündigung begrenzt, sondern er­streckt sich auf die ganze Ver­kün­di­gung einschließlich derjenigen im ge­meindlichen Kontext, die als Frucht der Mission von ihr nicht zu tren­nen ist.

Zu den Missionszielen des Paulus (209-55) gehören die Verkündigung des Evan­ge­liums an Juden und Heiden, die Mo­bi­lität der Missionare, die Bekehrung Ein­zel­ner, die Gründung von Ge­mein­den, die Unterweisung der Bekehrten und Wei­tergabe des Missionsauftrages an die Ge­meinden indem neue Mis­sio­nare aus­gebildet und gefördert wer­den.

Weiter beschreibt Schnabel ausführlich die Missionsmethoden des Paulus (258-373). Dazu gehört die Bedeutung von Städten, Regionen und Provinzen sowie von Synagogen, Marktplätzen, Schul­räu­men, Werkstätten und Privathäusern. Pau­lus war sich der ethnischen Herkunft, Schicht und Kultur seiner Hörer bewusst und hat sie in seinem Dienst berück­sich­tigt. Ferner geht es um seine Rolle als Ver­kündiger in der Öffentlichkeit, um die Überzeugungskraft der Botschaft und die Art ihres Vortrags, um die Glaub­wür­digkeit des Botschafters und um zwölf Erklärungen für den Erfolg der Bot­schaft, die allerdings dem Gebet der Mis­sionare und dem Wirken Gottes nicht Rech­nung tragen (370-73).

Abschließend umreißt Schnabel auf diesem Hintergrund die Aufgaben der Mission im 21. Jh.: Berufung und Sen­dung von Missionaren, der Inhalt der Missionsverkündigung, Evangeliumsver­kün­di­gung und Gemeindegründung, die Unterweisung der Nachfolger Jesu, Zweck und Auftrag örtlicher Gemeinden, die Herausforderung durch Kultur und die ungeminderte Macht Gottes, sein Heil bis an die Enden der Erde durch­zu­setzen. Ein ausführliches Literatur­ver­zeichnis und verschiedene Register be­enden den Band.

Schnabels Studie besticht durch ihre Gründlichkeit und Nüchternheit. Er zeigt, wie viel und wie wenig wir von der Mission des Paulus tatsächlich wis­sen. Wiederholt setzt er sich mit ver­schiedenen Thesen und Programmen auseinander, die den Apostel vor ihren Kar­ren spannen wollen. Insofern ist das Buch heilsam für Missionare und Mis­sio­logen, die schnell und hermeneutisch unreflektiert von ihrer eigenen Praxis, Er­fahrung, Strategie und Vision her auf Pau­lus zurückgreifen, teilweise sehr se­lek­tiv den Paulus des NT wahr­nehmen, auf wenige einfache Prin­zipien redu­zie­ren und manche paulinische He­raus­for­derung und Kor­rektiv über­sehen. Auch die Fehlanzeigen sind heil­sam: Man­ches, was heute hoch gehandelt wird, spielte anscheinend für Paulus kei­ne Rolle.

Vielleicht ist Schnabels Buch in Man­chem zu zurückhaltend. Dennoch bietet gerade die gründliche Arbeit an den neu­testametlichen Texten viele neue Ein­sich­ten in die damalige Mission und reich­lich Inspiration für Missionare, Mis­siologen, Studierende und Neu­tes­ta­ment­ler. Durchweg zeigt sich, dass Schnabel selbst einige Jahre als Missionar ge­ar­bei­tet hat und bis heute der Mission in viel­fältiger Weise verbunden und mit ihren Herausforderungen vertraut ist.

Prof. Dr. Christoph Stenschke, em 2010-4.

Schnabel, Eckhard. Urchristliche Mission, Wuppertal: Brockhaus TVG., 2002.

Das vorliegende Buch hat 7 Teile, 35 Kapitel und 1806 Seiten (davon 110 Seiten Bibliographie). Hinter dem kurzen Titel „Urchristliche Mission“ verbirgt sich ein so umfassendes und komplexes Werk, wie es seit A. v. Harnacks „Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten“ (4. Aufl. 1924) nicht mehr angegangen worden ist. Dabei konzentriert Schnabel sich vor allem auf die neutestamentliche Zeit. Sein Ziel: „Eine Studie, die missionsstrategisch … relevante Fakten darstellt und missionstheologisch relevante Aspekte erläutert und dabei die Ergebnisse der vielen größeren und kleineren Studien der letzten Jahrzehnte zu einem Gesamtbild integriert“ (S.8).

Der Autor definiert Mission als praktische „Aktivität einer Glaubengemeinschaft…, die darauf hinarbeitet, andere Menschen… zu gewinnen“ (S.11). Diese Aktivität könne sich als „expansive Proklamation“ (zentrifugale Dimension) oder als „gewinnende Präsenz“ (zentripetale Dimension) äußern. Diese historisch-praktische Definition ist für eine vorwiegend historische Arbeit durchaus sinnvoll. Vielleicht könnte sie missionstheologisch noch ergänzt werden um die Dimension der missio Dei, die missionarische Aktivität Gottes selbst, auf die Schnabel immer wieder Bezug nimmt (vgl. z.B. S.1517), zu berücksichtigen. Hilfreich ist eine Aufschlüsselung und Darstellung des neutestamentlichen Wortfeldes zum Sachfeld „Missionspraxis“ (Träger, Adressaten, Orte, Verkündigung, Inhalte, Ziele, Tat-Mission, Interpretation, Mühen, Missverständnisse).

Die sieben aufeinander aufbauenden Teile des Buches spannen den Bogen von der altestamentlichen Urgeschichte bis zu heutigen Fragen der Missionsstrategie.

In Teil I: Verheißung (S.57-178) beschreibt Schnabel die Vor-Geschichte der urchristlichen Mission. Anhand alttestamentlicher, früh- und diasporajüdischer Texte zeigt er die universale (internationale) Dimension des vorchristlichen Judentums als „heilsgeschichtliches Fundament der späteren urchristlichen Mission“ auf (S.62). Er übernimmt E. Scheurers Schlussfolgerung, dass im AT zwar deutlich Missionsgedanken zu finden seien, aber „von praktischer Sendung … wie dies im Neuen Testament berichtet wird, ist im Alten Testament nichts zu finden“ (S.59). Stimmt das so? Waren die Propheten nicht in einer praktischen Sendung (v.a. an Israel) aktiv? War nicht Israel als ganzes Volk gesandt und beauftragt, den lebendigen Gott vor aller Welt zu bezeugen – auch mit praktischen Dimensionen (z.B. 1Kön. 8,41-43), die in ihrer zentripetalen Grundausrichtung auch im NT weiter gültig bleiben, z.B. Mt. 5,13-14?

In Teil II : Erfüllung (S.179-380) untersucht der Autor die „Mission Jesu“ und seiner Jünger in der Spannung zwischen der primären heilsgeschichtlichen Sendung an Israel und der aufleuchtenden Sendung auch an die Nichtjuden mit ihrer Kulmination im nachösterlichen Missionsbefehl.

Teil III: Die Anfänge (S.381-542) widmet sich der Mission der Apostel in Jerusalem. Besonders ausführlich untersucht und belegt Schnabel hier die mögliche missionarisch-geographische „Maximalperspektive“ der Apostel, die nicht nur bis Spanien (Paulus), sondern sogar bis nach Indien (Thomas) gereicht haben könnte.

Der zweitlängste Teil IV: Aufbruch (S.543-886) erzählt die Geschichte der von Jerusalem ausgehenden missionarischen Aktivitäten der Apostel und Gemeinden. Schnabels Schilderung zeichnet sich durch großes Interesse am konkreten historischen Kontext dieser Mission aus, der kenntnisreich bis in Einzelheiten hinein beschrieben wird (Stadt u. Land, Baden u. Bäder, Reisen, Buchwesen, Schulen, Sprachen, Mysterienkulte etc.). Schwerpunkte bilden dabei die Mission des Petrus und die Mission der Judenchristen. Immer wieder fällt auf, dass es heißt: Missionare unbekannt, leider keine Informationen.

Dennoch wendet Schnabel viel Mühe und Akribie darauf, zumindest die historischen Ränder des missionsgeschichtlichen Schweigens der Quellen genau zu dokumentieren: so listet er auf vier kleingedruckten Seiten ca. 80 Dörfer im 25km-Umkreis Jerusalems auf, in denen christliche Gemeinden „entstanden sein … könnten“ (S.720-725). Entsprechendes tut er auch für Samarien (S.745-749), die Mittelmeerküste (S.750-759) etc. Wie sinnvoll solche „Ausflüge in die Umgebung“ sind, sei dahingestellt. Hilfreich jedoch sind Schnabels umfassende Auswertung und Integration neuester Studien zu einzelnen Zügen dieser missionarischen Epoche, die er wie Puzzleteile in das große Gesamtbild einfügt, so beispielsweise A. v. Dobbelers Studie zum Evangelisten Philippus (Tübingen, 2000), dessen Mission er in 11 Beobachtungen beschreibt und in 7 Punkten ihre Bedeutung für das Verständnis der urchristlichen Mission zusammenfasst (S.657-665).

Gleichzeitig geht der Autor immer wieder unmittelbar zum Text des NT und nimmt den Leser mit in exegetische Detailstudien, die den Gang der Missionsgeschichte erhellen. In dieser Hinsicht erweist sich Schnabels Werk immer wieder als detailreiches und aktuelles Forschungskompendium zu historischen und theologischen Facetten der urchristlichen Mission.

Der „Löwenanteil“ von Schnabels Werk ist unter Teil V: Pioniermission (S.887-1426) der Mission des Apostels Pauls gewidmet. Hier kondensiert und verarbeitet Schnabel die Ergebnisse der Paulus-Forschung im Blick auf sein Verständnis, seine Wirken und seine Wirksamkeit als herausragender Missionar. Im Blick auf das Selbstverständnis des Missionars Paulus vermittelt der Autor unmittelbare exegetische Einblicke in Texte der Korintherbriefe, des Römer- und Kolosserbriefes. Er zeigt Paulus im Netzwerk der Beziehungen zwischen Absprache und Konflikt. Auf gut 250 Seiten beschreibt Schnabel geographisch geordnet das Missionswerk des Paulus von Damaskus bis nach Spanien. Er setzt sich ausgehend von der Clemens-Notiz, dass Paulus bis an die „Grenze des Westens“ gelangt sei, für die Wahrscheinlichkeit einer Spanien-Mission des Apostels ein. Von hier ausgehend sammelt Schnabel viele interessante Informationen über Bedingungen und mögliche Missionsorte in Spanien (Liste wichtiger spanischer Städte der Epoche, S.1219-1224). Auch wenn hiermit nichts bewiesen ist, werden doch interessante Perspektiven im Blick auf missionsgeschichtliche Möglichkeiten eröffnet.

Die missiologische Strategie und evangelistische Kommunikation des Apostels beschreibt Schnabel auf knapp 200 Seiten. Besonders interessant und evangelisationstheologisch aufschlussreich ist seine ausführliche Analyse der Missionspredigt bei Paulus, die er in sechs Kategorien beschreibt: (1) Christologische Kommunikation vor Juden, (2) theologische Kommunikation vor Heiden, (3) dialogische Kommunikation, (4) ideologische Konfrontation gegenüber Heiden und Juden, (5) apologetische Konfrontation in den Gemeinden, (6) pastorale Konkretion in den Gemeinden. Auf die Frage, warum Paulus den Gemeinden keine Missionsbefehle gegeben habe, folgt Schnabel weitgehend der Argumentation von O`Brien zur missionarischen „Logik des Evangeliums“, die bei Paulus eine Sendung der Gemeinden als Missionszentren impliziere.

In Teil VI: Wachstum beschreibt Schnabel die missionstheologischen Gedanken bei Matthäus, Markus, Lukas, Johannes und Petrus, die er als Beitrag zur Konsolidierung und zum weiteren Wachstum missionarischer Gemeinden sieht. War das NT bisher als Quelle für die Geschichte der Mission benutzt worden, so wird es nun als Ausdruck und Interpretation dieser Mission gelesen.

Teil VII fasst den Ertrag (S.1477-1528) der Studie zusammen. Selbstverständnis, Praxis (Wort, Dialog, Rahmenbedingungen) und Botschaft (Evangelium, neue Identität, Verheißung der Vollendung) der urchristlichen Mission werden profiliert auf den Punkt gebracht. Das letzte Kapitel versucht den Brückenschlag in die gegenwärtige missiologische Diskussion vor allem im Sinne eines Gesprächs zwischen historisch-exegetischen Erkenntnissen und strategisch-praktischer Missiologie. Hier sei bei der Übertragung vermeintlicher biblischer Prinzipien auf die heutige Situation exegetisch genauer hinzuschauen. So könne z.B. das Zeltmacher-Konzept sich nicht auf Paulus berufen, was aber auch nicht notwendig sei, da Gott immer innovative Ideen genutzt habe, um das Evangelium weiterzutragen. Nicht „alle Aktionen und Initiativen“ müssten mit einer Bibelstelle begründet werden. Andererseits identifiziert Schnabel eine Reihe von missiologischen Themen, die sich aus seiner Sicht zu weit vom biblischem Befund entfernen, wie z.B. das von ihm beobachtete Ersetzen der Begriffe „Mission“ und „Evangelisation“ durch „Offenheit“ oder „Attraktivität“ (findet das wirklich so in der Missiologie statt?): Die urchristlichen Gemeinden seien nicht nur attraktiv und offen gewesen, sondern hätten aktiv missioniert. Hier spielt Schnabel m.E. unnötigerweise im biblischen Missio Dei –Verständnis zusammengehörige Aspekte gegeneinander aus. Die Argumentation von A. Köstenberger aufgreifend wendet sich Schnabel auch gegen den Begriff der „Inkarnation“ als Beschreibung der Mission (z.B. bei J. Stott). Hier werde ein einzigartiger biblischer Vorgang beschrieben, den die christliche Mission nicht nachvollziehen, sondern bezeugen solle. Besser seien Begriffe wie „Kontextualisierung“ oder „Inkulturation“. Auch hier steht m.E. wieder ein auf die Praxis verengter Missionsbegriff im Hintergrund, da die Inkarnation neben der Schöpfungstheologie die missionstheologische Grundlage für „Inkulturation“ und „Kontextualisierung“ bildet. Ein weiterer Kritikpunkt Schnabels: das ganzheitliche Heilsverständnis z.B. bei D. Bosch gehe von einer zu optimistischen Sicht des kosmos aus, die mit der johanneischen Sicht nicht übereinstimme. Auch hier stellt Schnabel wichtige Fragen, führt die Diskussion allerdings auch wieder etwas verkürzt, was auch insgesamt für den „Brückenschlag“ des letzten Kapitels in die gegenwärtige missionstheologische Diskussion gilt.

Die spannende Frage bleibt: Was können wir heute von der urchristlichen Mission lernen? Wie lässt sich der „Erfolg“ der urchristlichen Mission erklären? Schnabel zeigt auf, dass bereits v. Harnacks soziologisch geprägte „praeparatio evangelica“-Erklärung nicht ausreicht.

V. Harnacks Sichtweise wird heute wesentlich differenzierter weitergeführt. Man sieht die wichtigsten Gründe für die schnelle Ausbreitung in (1) Wundern und Dämonenaustreibungen, (2) im Mut der Märtyrer und (3) in der Nächstenliebe und Praxis christlicher Wohltätigkeit. Doch auch diese Erklärungen greifen zu kurz. Schnabel hat recht: „Vielleicht ist es mehr als ein ‘christliches Vorurteil’, wenn man das Wachstum der Kirche … als Resultat des Wirkens Gottes sieht“ – ein Geheimnis der göttlichen Gnade (S.1498). Dieser implizite Hinweis auf die Missio Dei und die damit verbundene Betonung, dass alleine das von Gott geoffenbarte Evangelium Jesu Christi zur Vergebung der Sünden Grund und Inhalt der Mission der Gemeinde Jesu sein kann, schließt dieses neue und empfehlenswerte Standardwerk treffend ab.

Der Anhang enthält neben der Bibliographie 40 Seiten mit Karten und verschiedenen Abbildungen zum Text sowie ein Stellenregister zu AT, NT, frühjüdischer Literatur, neutestamentlichen Apokryphen, apostolischen Vätern, Kirchenvätern, heidnischen antiken Schriftstellern, Inschriften und Papyri, sowie ein geographisches und ein Personen- und Sachregister.

Dr. Friedemann Walldorf, em 2004-4.

Schockehoff, Eberhard. Zur Lüge ver­dammt? Politik, Medien, Medizin, Justiz, Wissenschaft und die Ethik der Wahrheit. Herder: Frei­burg, 2000.

Der katholische Ethiker Schockenhoff liefert hier sowohl eine detaillierte Geschichte des Wahrheits- und Lügeverständnisses in Theolo­gie und Phi­losophie des Abendlandes, als auch eine Darstellung der aktuellen Dis­kussion in den verschiedenen Bereichen unserer Gesell­schaft. Wenn er auch nicht die Heilige Schrift als letzte Norm versteht, sondern eher histo­risch-kritisch und vom katholischen Lehramt ausgehend vorgeht, sind auch seine Ausfüh­rungen zum Alten und Neuen Testament hochin­teressant. Da es leider weder auf Eng­lisch noch auf Deutsch eine aus­führlichere evangelikale Darstellung zu Lüge und Wahr­heit, geschweige denn über deren Aktualisie­rung in auch für Missionare wichtigen Berei­chen wie Politik, Medien oder Kultur gibt, ist das Buch als Einstieg zu empfehlen, auch wenn es bisweilen sehr breit und technisch über die Ge­schichte bestimmter Begriffe und Sichtwei­sen referiert. Wahrheit ist ge­rade für Evangeli­kale ein Kernbegriff ihres biblischen Gottes- und Glau­bensverständnisses. Deswegen kön­nen wir uns nicht einem nebulösen Empfinden für Wahrheit und Lüge überlassen, sondern müssen in unse­rer Ethik einer Welt, die vom Vater der Lüge regiert wird, begründet und deutlich verkündigen, was Wahrheit und was Lüge ist und wie sich dies auch in den kompli­zierten Situationen unserer Welt, etwa vor Ge­richt, am Kranken- und Sterbebett, im Nach­richtenwesen (also auch im Rundbrief des Mis­sionars) oder im Umgang mit Gerüchten in un­seren Gemeinden bewährt.

Dr. Thomas Schirrmacher, em 2001-2.

Schott, Hanna. Matomora Matomora: Der längste Umweg führt nach Hause, Schwarzenfeld: Neufeld Verlag, 2012.

Hanna Schott arbeitet als freie Jour­nalistin und Autorin mit einem Schwer­punkt auf Biografien und „Afrika“. Nach einem Vorwort von Dr. Horst Deich­mann entfaltet sie in 15 Kapiteln an­schaulich den Lebensweg des tan­sanischen Arztes Dr. Matomora Kibwana Saidi Matomora (geb. 1944) und sein Wirken im südlichen, eher wenig ent­wickelten Tunduru-Distrikt an der Grenze zu Mosambik.

Aufgewachsen in einer muslimischen Familie schlägt Matomora eine (für damalige Verhältnisse) ungewöhnlich lange Schullaufbahn ein und bekehrt sich als Jugendlicher durch den Einfluss deutscher und tansanischer Christen zum christlichen Glauben. Diese Ent­schei­dung eröffnet ihm zwar neue Per­spektiven, stellt ihn aber auch vor neue Herausforderungen. Statt eine afrika­ni­sche Universität zu besuchen, tritt er mit Unterstützung des Missionshauses Wie­de­nest nach einigen Umwegen ein Medizinstudium in Köln an, um später als Missionar in sein Heimatland zurück­zukehren. Neben der fremdartigen deut­schen Kultur und mancher neuer Freund­schaft hinterlässt auch das ereignisreiche Jahr 1968 seine Spuren bei Matomora – es weckt sein politisches Anliegen für Afrika, was ihn jedoch mit der deutschen Missionsleitung in Konflikt bringt. Das letzte Drittel des Buches beschreibt sodann Matomoras Weg nach seiner Los­lösung von Wiedenest, sein Engage­ment im Bereich public health sowie die Zusammenarbeit mit deutschen Unter­stützern und tansanischen Behörden im Aufbau des christlichen Projektdorfes KIUMA. Das letzte Kapitel fasst noch einmal die spannenden Entwicklungen im Tunduru-Distrikt zusammen, skizziert aber ebenso die Rückschläge und Ge­duldsproben, mit denen die Mitarbeiter dort zu kämpfen hatten.

Die Biografie, die mit Unterstützung des Hilfswerkes wortundtat entstanden ist, bietet neben zwei Landkarten und 21 Schwarz-Weiß-Fotos aus Matomoras Le­ben auch 16 Farbfotos von KIUMA. Durch den guten Schreibstil der Autorin ist das Buch angenehm zu lesen, auch weil die biografischen Fakten immer wieder in thematische Exkurse und Schlüsseldialoge eingeflochten sind. Über das reine Lesevergnügen hinaus weisen die Beschreibungen von Mato­moras persönlicher Entwicklung den aufmerksamen Leser auf diverse Themen hin: gelungene Partnerschaften und Miss­verständnisse zwischen einhei­mi­schen und ausländischen Christen; die Herausforderungen einer wachsenden Glo­balisierung; geistliche und praktische Nöte von abgelegenen Volksgruppen; der Einfluss von Kultur und historischem Kontext auf die eigenen Entscheidungen; das Ringen um Gottes Führung; die Frage nach Kompetenz und Integrität im christlichen Dienst, u.v.m.

Insgesamt wirkt Matomoras Lebensbild solide recherchiert, doch wäre es über­trieben, Schotts Buch als missio­lo­gi­schen Quellen- oder Forschungstext he­ran­zuziehen. Während man gerade im ersten Drittel einen guten Eindruck vom Leben und Denken der geschilderten Personen bekommt, verlieren die Dar­stellungen im Laufe des Buches etwas an Substanz. Die Erzählungen und Pro­blem­stellungen wirken übermäßig gerafft oder stark vereinfacht dargestellt und auch mögliche Hintergründe, die dem Leser vorher geschickt vermittelt wur­den, werden seltener. Während Lite­ra­turhinweise für Tansania-Interessierte gänz­lich fehlen, wäre z.B. ein Verweis auf das Buch „Meine afrikanischen Jah­re“ von Ulrich Bockemühl (Wiedenester Missionar und väterlicher Freund Mato­moras) sinnvoll gewesen, an dem Schott auch selbst mitgewirkt hat.

Wer Dr. Matomora selbst einmal ken­nengelernt hat, wird bestätigen können, welche Faszination seine Person aus­strahlt. Im Klappentext formuliert der Verlag daher durchaus treffend: „Eine Geschichte vom Suchen und Finden des eigenen Weges, von Berufung und Zwei­fel, von großen Hoffnungen und vor­läufigen Enttäuschungen. Ein Buch, das Mut macht, groß zu denken und im alltäglichen Kleinen den langen Atem zu bewahren.“ In diesem Sinne informiert Schott zwar über den verändernden Ein­fluss des Evangeliums in Südtansania, doch soll der Leser vielmehr für das eigene Leben inspiriert werden. Wer das Buch also mehr aus einer persönlichen und weniger aus einer fachlichen Mo­tivation heraus zur Hand nimmt, wird trotz mancher Knappheiten nicht ent­täuscht werden.

Daniel Vullriede, em 2014-3.

Schreiber, Annelie. Mit Zauberrassel und Bambusstab. Erlebnisse bei den Guarani-India­nern. Hänssler: Holzgerlingen, 1999.

Annelie Schreiber, von 1984-1993 als Missio­narin unter den Guarani-Indianern Brasiliens und Pa­raguays tätig, erzählt tagebuchartig und leicht verständlich von ihren vielen Aha-Erleb­nissen im Urwald. Da liest man von Patricio, der sowohl bei den Missionaren als auch bei den Schamanen seines Stammes Hilfe für sein eiterndes Bein sucht. In einem anderen Kapitel wird Felipa geschil­dert, wie sie ein Kind gebo­ren hat, aber ihr Mann das Kindbett hütet, um so die Geister irrezufüh­ren. Dann ist da auch der Bericht über Frauenstunden auf der Missi­onsstation, die zum allgemei­nen Familienfest werden und wie die Autorin sich müht, nicht nur die Guarani-Sprache, sondern auch den Dialekt der Mbya zu erlernen, um noch besser die Kultur dieses Volkes zu verstehen.

Die Guarani haben einerseits große Sehnsucht nach spirituellen Werten und leben andererseits in ständiger Existenzangst. Sie führen z. B. die meisten Krankheitssymptome auf den Einfluß böser Mächte zurück. Und einen schlafenden Menschen solle man nicht wecken, da die Seele beim Schlafen den Körper verläßt. Die Harmonie nach einem Streit wird hergestellt, indem einer der Beteiligten den Wohnort wechselt. Die Deutsche Indianer-Pioniermis­sion ver­sucht, einen Teil der etwa 50.000 in Paraguay lebenden Indianer zu erreichen. Denn entgegen der Meinung mancher Ethnologen, man solle den Indianern ihre Kultur und Reli­gion lassen, glaubt Annelie Schreiber an die befreiende Macht des Evangeli­ums, welches auch diesen Indianern neue Identität und Hoff­nung geben kann.

Wilma Neufeld, em 2000-1.

Schröder, Sabine. Konfessionslose erreichen. Gemeindegründungen von freikirchlichen Ini­tiativen seit der Wende 1989 in Ostdeutsch­land. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Ver­lag, 2007.

Die vorliegende Arbeit wurde im Herbst 2005 von der Theologischen Fakultät der Ernst-­Moritz-Arndt Universität in Greifswald als Dis­sertation angenommen. Das Thema ist äußerst wichtig und bisher wenig beleuchtet: Die Neu­gründung von Freikirchen nach der Wende in Ostdeutschland. Bei einer Konfessionslosigkeit von 70% sahen sowohl Kirchen als auch Frei kirchen die Chance, das religiöse Vakuum neu zu füllen. Sabine Schröder geht explizit der Frage nach, wie Freikirchen in Form von Ge­meindegründungsprojekten in den Jahren 1989 bis 2003 auf diese Herausforderung reagiert haben. Bevor sie dies empirisch erhebt, setzt sie sich mit der Geschichte, dem Begriff der Freikirchen besonders im historischen Kontext Ostdeutschlands auseinander. Dabei legt Schrö­der wert darauf, dass Freikirchen nur aus der geschichtlichen Sichtweise verstanden werden können und beschreibt daraufhin wichtige in­haltliche Einflussfaktoren der Freikirchen. Zu diesen zählt sie unter anderen den ekklesiologischen Ansatz Bonhoeffers, das Priestertum aller Gläubigen, starke Bibelorientierung und kontextualisierte Ausdrucksformen (S.45-­114). Da die Identität der Freikirchen eng mit ihrem Auftrag verbunden ist, legt die Autorin im Hinblick auf Gemeindegründung einen beson­deren Fokus auf den missionarischen Auftrag der Gemeinde. Daraus resultierend entwickelt Schröder Fragen wie: Ist die neue Gemeinde eine Christus hörende, Christus thematisierende und auf Christus hoffende Gemeinde? Wer ist wirklich wichtig – Christus oder die Gemeinde selbst? Weist sie auf ihn hin oder auf sich selbst? Ist ein neu entstandener Hauskreis, der zu keiner Gemeinde gehört, in dem aber das Wort Gottes verkündet und das Abendmahl ge­feiert wird, eine neue Gemeinde? Sollte eine Ge­meinde einen rechtlichen Status besitzen? Bevor sie das Thema Gemeindegründung aufgreift, legt sie herausfordernde Kriterien für eine sicht­bare Kirche fest, die den missionarischen Auf­trag der Kirche widerspiegelt. Dabei stellt sie fest, dass die ausgewählten Strategien und Pro­gramme vieler Gemeinden an der nichtchrist­lichen Zielgruppe vorbeizielen. Sabine Schröder nimmt in ihrer Darstellung der Gemeindegrün­dung immer wieder Bezug auf Gemeindepflan­zungsprojekte (church planting) der anglikani­schen Kirche. Denn anhand der Kirchenge­schichte Englands ließe sich erkennen, wie die „Pflanzung" von Gemeinden für eine beständige Erneuerung der Kirche Sorge tragen könne. Im vierten Kapitel wird die empirische Er­hebung vorgestellt. Planung, Methoden, Kon­zeption der Fragebögen und die entsprechende Durchführung der Erhebung werden umfang­reich mit vielen Tabellen und Statistiken be­schrieben. Die zentralen Forschungsfragen bei der empirischen Erhebung von Gemeindegrün­dungsprojekten in den Jahren 1989 bis 2003 lauten: Wie wird Gemeinde gegründet? Wie ver­stehen sich die Gemeinden? Sind Freikirchen ein geeignetes Mittel um Konfessionslose zu er­reichen? Ist Wachstum in den Gemeindeini­tiativen zu beobachten? Unter Zuhilfenahme eines Marktforschungskonzeptes (nach Bereko-ven) und des Kirchenmarketings (nach Tscheu-lin/Dietrich) wurde ein quantitativer Fragebogen erarbeitet, der an alle bekannten freikirchlichen Bünde und Gemeindegründungsinitiativen aus­gegeben wurde. Die Briefwechsel (E-Mails) und die angewandten Methoden (Fragebogen) sind im Anhang einzusehen. Nicht klar nachzuvoll-ziehen ist die Methodologie des empirischen Ansatzes. Warum ausgerechnet ein Marketing­konzept? Und nach welchen methodologischen und soziologischen Paradigmen wird verfahren? Hier wäre eine höhere Transparenz hilfreich ge­wesen. Die inhaltlichen Ergebnisse werden in statistischer Form ausführlich dargestellt. Von der Fülle der Ergebnisse seien nur ein paar her­ausgegriffen: 73% der durch Gemeindegrün­dungsinitiativen erreichten Bevölkerungsschicht kamen aus der Mittelschicht und davon waren die Mehrheit weiblich. Dabei hatte „Gemein­schaft“ den höchsten Stellenwert, sowohl hin­sichtlich der Gemeindeaktivitäten als auch der evangelistische Methoden. Interessant ist, dass sich kein einheitliches Konzept oder eine beson­dere Methode herauskristallisiert hat. Im fünften Kapitel werden nun die Schlussfol­gerungen aus den Ergebnissen der empirischen Erhebung und der theoretischen Vorarbeit ge­zogen und Prinzipien für eine Gemeindegrün­dung in Ostdeutschland erarbeitet. Dabei werden vier Konzeptionen von Gemeindegründung skiz­ziert und jeweils mit den Ergebnissen der empi­rischen Studie verglichen. Dabei kommt Schrö­der zu der Feststellung, dass sich alle vier Kon­zepte nicht mit der Frage der Inkulturation des Evangeliums beschäftigen, denn sie scheinen zu stark von der eigenen Denomination der Initia­toren geprägt zu sein. So kommt sie folgerichtig zu dem Schluss, dass eine stärkere Auseinan­dersetzung mit der Gesellschaft den Konzeptio­nen gut tun würde.

Zusammenfassend bietet dieses Buch interessan­te Anregungen, Erkenntnisse und Reflexionen rund um das Thema Gemeindegründung in Ost­deutschland und darüber hinaus viele Anregun­gen die eigene – missionarische – Gemeindepra­xis zu hinterfragen, besonders was die Frage der Kontextualisierung und Inkulturation von unter­schiedlichen Milieus betrifft.

Dr. Tobias Faix, em 2008-3.

Schrupp, Ernst. Gott macht Geschichte. Die Bibelschule und das Missionshaus in Wie­denest. Wuppertal: R. Brockhaus, 1995.

Ernst Schrupp, langjähriger Leiter des Wie­denester Werkes, beschreibt die bewegte Entste­hungsgeschichte und den Wer­degang des Missionshauses Bi­belschule Wiedenest. Das Buch erscheint im 90. Jahr des Be­stehens die­ses Glaubenswerkes. Auf dem Hintergrund der Zei­tereignisse in kriegs- und kri­sen­ge­schüt­tel­ter Zeit, zeigt Schrupp das Wir­ken Gottes im Leben und durch das Leben der prägenden Gründer - und Leiterpersönlichkei­ten des Wer­kes auf. Christoph Köhler und Jo­hannes Warns eröffneten 1905 in der damali­gen Reichs­hauptstadt Berlin den ersten Bibel­schulkurs mit 12 Schü­lern. Nach 14 Jahren wurde die Schule nach Wiedenest verlegt.

Während Köhler die Autorität der Heiligen Schrift besonders betonte, galt das Interesse Jo­hannes Warns hauptsächlich aller Förderung des Priester­tums der Gläubigen in der Ge­meinde nach dem Neuen Te­stament. Es war das Verdienst von Erich Sauer, wegweisende Akzente in der Entwicklung ei­ner biblisch-heilsgeschichtli­chen Sicht zu entwickeln.

Im 2. Teil des Buches entfaltet der Verfasser ein weiteres, zentrales Anliegen der Wiedene­ster Arbeit: Im Chor der Bibel­schulen setzt Wiedenest den Akzent auf eine starke Gemein­deverbundenheit und die Inte­gration von Ge­meinde und Mis­sion.

Schrupp liefert in diesem Buch einen wert­vollen Beitrag zum Verständnis der Schwer­punkte, Überzeugungen und deren Umsetzung in die Praxis der „offenen Brüder“ im deutsch­sprachigen Raum.

Zahlreiche Hintergrundinfor­mationen, eine fleißige Quellenar­beit, sowie 38 Abbildungen le­gen ein beredtes Zeugnis davon ab, daß Gott auch in schwieri­gen Zeiten Geschichte macht. Das Buch macht Mut zu Ge­meinde und Mis­sion.

Hartmut Burghoff, em 1996-3.

Schultz, Tobias. Faszination, Enttäuschung, Wut: Wie Araber den Westen sehen – Per­sönliche Begegnungen und Medienberichte. Band 3 der Reihe: Orient et Occident 3, hrsg. von Dr. Christine Schirrmacher. Bonn: Verlag für Kultur und Wissenschaft, 2002.

Tobias Schultz (– neuer Leiter von OM Deutschland –) lebte mehrere Jahre in Ägypten. Im Laufe der Zeit wurde ihm bewusst, dass die Menschen aus dem Westen meistens kein Gefühl dafür haben, wie sie auf die Bevölkerung der arabischen Welt wirken. Deshalb beschreibt er in seinem Buch aufgrund von persönlichen Begegnungen und Medienberichten, wie bei den Arabern der Mann auf der Straße den Westen erlebt, was ihn fasziniert und was ihn abstößt. Schultz will „deutschen Lesern so gut es geht die Brille aufsetzen, durch die sie von ihren arabischen Nachbarn gesehen werden.“ (S.9).

In einem ersten Kapitel („Die glitzernde Welt“, S.15ff) beschreibt er die große Faszi­nation, die der Westen auf die arabische Welt ausübt. Der westliche Wohlstand, die technolo­gischen Errungenschaften, aber auch politische Werte – wie etwa Demokratie und persönliche Meinungsfreiheit – üben durchaus auf viele Araber eine starke Anziehungskraft aus.

Demgegenüber stehen aber eine Vielzahl von kritischen Punkten, die der Araber am Westen beobachtet, wie z.B. der Verfall der Familie („Gemeinschaft – die Armut der Rei­chen“, S.24ff) und vor allem der Verfall der Moral („Die große Schamlosigkeit“, S.29ff).

So kommt es, dass man sich kulturell, sittlich und religiös gegenüber dem Westen für weit überlegen hält: „Ihr habt mehr Wohlstand als wir, wir dagegen haben Religion. Ihr seid uns technolo­gisch und militärisch überlegen – aber wir sind euch sittlich und charaktermäßig überlegen. Ihr habt viele Kenntnisse auf dem Gebiet der Wissenschaft – wir dagegen kennen Gott“ (S.45). Eine wichtige Rolle spielt dabei der Umstand, dass im Westen die Religion weithin aus dem öffentlichen Leben in die Privatsphäre des Einzelnen verbannt ist, eine Tat­sache die für das allumfassende Religionsverständnis von Muslimen undenkbar ist („Die Welt der Gottlosen“, S.45ff). In einem weiteren Kapitel („Wer sind die wahren Terroristen“, S.51ff) geht Schultz vor allem auf politische Fragen ein und zeigt, wie Araber den Westen (und hier vor allem die USA) als voreingenommen und voller Doppelmoral erleben: So weist man z.B. darauf hin, dass niemand aus dem Westen ernsthaft versucht habe, die UN-Resolutionen gegen Israel zur Durchsetzung zu bringen, während man z.B. gegenüber dem Irak bereit sei, Gewalt anzuwenden. Das letzte Kapitel („Von wem geht die Bedro­hung für Frieden und Si­cherheit aus?“, S.80ff) besitzt gerade durch die Geschehnisse am Golf eine besondere Aktua­lität. Denn obwohl viele Araber Saddam Hussein nicht besonders mochten, sind sie der festen Überzeugung, dass die stärkste Bedrohung eher von George Bush (oder Ariel Scharon) aus­geht. So weisen sie z.B. darauf hin, dass die Amerikaner lange vor den arabischen Staaten Massenvernichtungswaffen gebaut (und eingesetzt) haben.

In einem Schlussteil (S.86ff) stellt Schultz die Frage, wie man mit solchen Vorwürfen gegen den Westen umzugehen habe? Die menschliche Reaktion ist die Verteidigungshaltung. Und sicher gibt es viele Gegenargumente und auch Fehler auf arabischer Seite, auf die man hinweisen könnte. Aber der ausgestreckte Zeigefinger hilft nicht wirklich weiter. „Was im wahrsten Sinne des Wortes notwendig ist, ist ein ehrlicher, gründlicher, und wahrscheinlich schmerzhafter Blick in den Spiegel“ (S.88), bei dem wir nicht nur die Politik, sondern auch das soziale, kulturelle und geistliche Leben in unseren Gesellschaften einmal selbstkritisch betrachten sollten. Es kann sicher nicht darum gehen, einfach dem Westen die Schuld für alle möglichen Entwicklungen in die Schuhe zu schieben. Aber tatsächlich gibt es auch auf unse­rer Seite Versagen, dem wir uns stellen sollten.

Schultz gelingt es dem Leser die sonst ungewohnte Sichtweise der Araber von der westlichen Welt deutlich zu machen. Er vermittelt so ein Stück der heute so wichtigen Fähig­keit, die Welt mit den Augen des anderen sehen zu können. Zwar gab es schon bisher Litera­tur zu ähnlichen Fragestellungen (z.B. das Buch: Khoury & Hagemann, Christentum und Christen im Denken zeitgenössischer Muslime, Würzburg / Altenberge: 2. Aufl. 1994; oder den zweiteiligen Aufsatz von C. Schirrmacher, „Wie Muslime Christen sehen“ aus der Zeit­schrift des Instituts für Islamfragen, Nr. 0 + 1 / 2001), das Besondere hier ist jedoch, dass Schultz seine eigenen Erlebnisse und persönliche Erfahrungen zur Sprache kommen lässt. Das macht seine Ausführungen lebendig und interessant. Erfreulich ist, dass Schultz keine Schwarz-Weiß-Malerei betreibt, sondern z.B. auch auf mancherlei Wi­der­sprüch­­lich­keiten der arabischen Einschätzung des Westens hinweist.

Das Buch ist ein echter Augenöffner! Deshalb ist ihm weite Verbreitung zu wünschen. Jedem, der die „arabische Seele“ besser verstehen möchte oder mit Menschen aus der arabi­schen Welt zu tun hat, wird dieses Buch eine wichtige Hilfe bieten. Gerade manchem Politi­ker hätte man diese Lektüre gewünscht … Aber schauen wir nicht auf andere: Jedem Christen, der dieses Buch mit offenem Herzen liest, wird mit Erschrecken auffallen, dass viele der Kri­tikpunkte, die Araber an unseren westlichen Gesellschaften äußern, auch aus christlicher Sicht sehr berechtigt erscheinen (Verfall der Familie, Verfall der Moral, Geringschätzung des Alters, Anbetung des Mammon …). Einziger Wermutstropfen: Ein niedrigerer Preis (als 15 Euro für 90 Seiten) hätte dem Buch sicher eine weitere Verbreitung erleichtert.

Andreas Baumann, em 2003-4.

Schulze, Heinz. Arbeitsgemeinschaft Sozialpolitischer Arbeitskreise (Hrsg.), Menschenfischer ‑ Seelenverkäufer. Evangelikale und fundamentalistische Gruppen und ihr Wirken in der Dritten Welt, München 1987.

Wenn man bedenkt, welche Rolle Kritik an den Institutionen einer freien Gesellschaft spielt und welches Ausmaß sie unter Um­ständen erreichen kann, erreichen muß, um ihrer gesellschaftlichen Kontrollfunktion ge­recht zu werden, dann kommen evangelikale und fundamentalistische Gruppen in der Bundesrepublik vergleichsweise ungescho­ren davon.

Der Grund dafür ist nun keinesfalls darin zu sehen, daß es an ihnen nichts zu kriti­sieren gibt, sondern vielmehr darin, daß ihre Aktivitäten und Initiativen im Inland oder auch in Übersee von einer breiteren Öffentlichkeit bei uns eher selten wahr- und noch seltener ernst genommen werden.

Kritik an evangelikalen und fundamenta­listischen Organisationen allerdings zeigt sich, wenn sie überhaupt auftaucht, gern in zweierlei Art und Weise merkwürdig. Die eine Art findet sich meist in Berichten, die für Tageszeitungen geschrieben werden, deren Autoren Denkweisen und Strukturen solcher Organisationen nur selten einiger­maßen genau oder gar von innen heraus kennen. Solche Art Kritik wirkt daher auf Insider eher etwas naiv.

Die andere Kritik ist zwar seltener und auch weniger naiv, hat aber dafür größere Wirkungen bei denen, die sie nicht nur lesen, sondern sich ihre Argumente zu eigen machen, auch wenn darin gar nicht echt oder sogar manipulativ argumentiert wird. Diese Art der Kritik findet sich in der hier besprochenen Publikation von Heinz Schul­ze.

Sie ist nicht die erste dieser Art. Da war, überaus problematisch, vor einigen Jahren schon „Die Frohe Botschaft unserer Zivili­sation“ (Herausgeber: Gesellschaft für be­drohte Völker, Göttingen und Wien 1979). Was Heinz Schulz und andere hier nun zu­sammengestellt haben, liest man zunächst mit Stirnrunzeln, bald aber nur noch mit fassungslosem Erstaunen.


Um Mißverständnissen vorzubeugen: Ich leide nicht unter dem Bedürfnis, die mit großem Fleiß zuwege gebrachte Arbeit eines anderen herabzuwürdigen oder hämisch zu kommentieren. Auch ist Schulzes ständiger Hinweis auf die Tatsache, daß Evangelikale und Fundamentalisten dazu neigen, korrup­ten Regierungen in der Dritten Welt und anderswo gegenüber eher indifferent zu bleiben, durchaus berechtigt, und die Kri­tisierten täten gut daran, der Kritik zuzu­hören, wie immer sie auch ausfallen mag. Aber: Wenn Kritik in einer Form vorge­bracht wird, wie es hier geschehen ist, dann beraubt sie sich selbst jeglicher Wirkung auf denjenigen, an die sie sich richtet. Das Ganze ist in der Tat so schlimm, daß es mir bei der gebotenen Kürze schwer fällt, Sym­ptomatisches so herauszugreifen, daß ein repräsentatives Bild vom Ausmaß der Män­gel entsteht, die Schulzes Arbeit kenn­zeichnen.

Abgesehen davon, daß der Autor die Tätig­keit evangelikaler und fundamentalistischer Organisationen in Deutschland als Griff nach der Macht mißversteht und sie in ihren diesbezüglichen Möglichkeiten völlig über­schätzt, ist ausgeprägte Einseitigkeit ty­pisch für die Auswahl seiner Fakten. Auch besteht die Dritte Welt, von der im Unter­titel die Rede ist, fast ausschließlich aus Lateinamerika.

Zwar betont der Autor im Vorwort, es sei nicht sein Anliegen, die Ausnahmen vorzu­stellen, sondern die Regel (S.5). Gerade das aber tut er dann in der Folge ständig.

Völlig verwirrend sind die „Klärungsver­suche zu Beginn“ (S.7). Wenn ich nicht gewußt hätte, was die Begriffe „Fundamen­talismus“ und „evangelikal“ bedeuten, wäre ich trotz größtmöglicher Bereitschaft zum Verstehenwollen nicht in der Lage gewesen zu erkennen, was damit gemeint ist.

Immer widerwilliger folgt man den Ausfüh­rungen des Autors, wenn man auf so merkwürdige Formulierungen stößt, in denen von den „bösen, selbstherrlichen Männern der Evangelischen Allianz und des Gnadauer Bundes“ die Rede ist (S.9), wenn man sinnlose Sätze lesen muß wie „ … für die Mehrheit ist die Religion eine Bestätigung ihrer Existenz als Individuum mit einer ganz persönlichen Erlösungsgeschichte in der Ewigkeit“ (S.60), oder salbungsvolle wie dieser: „Viele der fundamentalistischen Missionsgesellschaften sind Kinder der Kri­se und die Frucht ihres Leibes ist krisen­bringend“ (S.43).

Auffallend ist die geringe Sorgfalt, mit der die Namen von Organisationen und Perso­nen zitiert werden. Der „Gnadauer Bund“ (S.9,14 usw.) heißt erst gegen Ende richtig „Gnadauer Verband“ (S.120), und ein in die Schlagzeilen geratener amerikanischer Fernsehprediger erscheint auf ein und der­selben Seite als „Jimmy Swaggart“ und „Swaggard“ (S.87). Die Liste ist leicht fort­zusetzen, es wimmelt von Beispielen.

Schwer fällt es auch, eine Abhandlung über die Rolle des amerikanischen Präsidenten im Rahmen des Themas ernstzunehmen, die den Titel „Ronnies Jesus-Mission“ trägt (S.15). Hier ist das Niveau einer Schüler­zeitung erreicht.

Besonders bedenklich ist das Verfahren, Tatsachenbericht und Kommentar nicht deutlich erkennbar zu trennen oder von Zitat zu Zitat zu springen, wobei der Zu­sammenhang zuweilen völlig verloren geht (S.28). Einen in anderer Weise zusammen­hanglosen Eindruck macht der Beginn der Ausführungen über „Die elektronische Kir­che“ (S.23). Mitten in einer Buchbespre­chung über dieses Phänomen in den USA und Lateinamerika erscheint das Signet des (deutschen) Evangeliumsrundfunks, dann wird das ursprünglich begonnene Thema weitergeführt, um wiederum durch ein be­langloses Photo, den Ausriß des Programm­zeitschrift-Titels des ERF und zwei völlig nichtssagende Sätze über diesen, unter­brochen zu werden.

Viel zu oft benützt der Autor unklare Be­griffe wie „die nordamerikanische Erobe­rung“ (S. 7) oder, höchst seltsam im Zusam
menhang mit William Cameron Townsend, die Konstellation „presbyterianische Adven-tisten“ (S.44). Wer das wohl sein mag?

Problematisch sind die Verbindungen zwi­schen Ereignissen und Fakten, die durch die viel zu starke Verkürzung von Informatio­nen suggeriert werden, im Zusammenhang mit Bildmaterial (S.67) und mit Katastro­phen (S.48). Im letzteren Fall muß ein nichtinformierter Leser, der laut Vorwort informiert werden soll, schließen, das ILV selbst habe die Flugzeugabstürze inszeniert.

Die Argumentation, wenn sie überhaupt ge­führt wird, ist selten überzeugend (S.33 ist ein Graffito als „starker Protest“ gegen ein christliches Hilfswerk bezeichnet), manch­mal in eindrucksvoller Weise realitätsfern: Wie will der Autor im Ernst einer Mutter aus den Slums von Lima, deren Kind anders keinerlei Chancen hätte, oder gar einem elternlosen Kind selbst einsichtig machen, daß „Kinderpatenschaften … entwicklungs­politisch abzulehnen“ (S.57) und „die Ar­beit des Kinderhilfswerks Lima … europä­isch ausgerichtet und nicht in die Struktur der Basisorganisationen eingebunden“ seien (S.93)?

Selbst einfachsten Maßstäben für Wissen­schaftlichkeit genügt Schulzes Arbeit nicht. Zitiert werden fast keine Primärquellen, viel zu oft Berichte aus Zeitungen und Blät­tern von höchst begrenzter Bedeutung, mit dem längst unüblichen Kürzel „a.a.O.“ oft weder auffind- noch nachprüfbar. Die im Impressum als Mitherausgeber firmierenden Organisationen, darunter besonders die stu­dentischen, täten daher gut daran, sich, falls noch nicht geschehen, umgehend von der insgesamt blamablen Publikation zu distan­zieren.

Lothar Käser, em 1988-4.

Schuster, Jürgen, Volker Gäckle (Hg.). Der Paradigmenwechsel in der Welt­mission. Chancen und Heraus­for­derun­gen nicht-westlicher Missions­bewegun­gen (Interkulturalität & Religion 1), Berlin: LIT-Verlag, 2014.

Der vorliegende Sammelband doku­mentiert das erste Symposium (2014) der Forschungsstelle Interkulturalität und Religion an der Internationalen Hoch­schule Bad Liebenzell. Thematisch geht es um nicht-westliche Missions­bewe­gungen, die als Paradigmenwechsel verstanden und als „Chance und Heraus­forderung“ für westliche Christen dis­kutiert werden. Damit knüpft der Band an aktuelle Diskurse zur Wahrnehmung „veränderter Landkarten“ des globalen Christentums und seiner polyzentrischen Geschichte (K. Korschorke, A. F. Walls u.a.) sowie zur Reverse Mission der Migrationskirchen in Europa (B. Dümling, C. Währisch-Oblau, A. Bünker u.a.) an. Was genau unter „nicht-westliche Missionsbewegungen“ ver­stan­den wird, bleibt allerdings recht vage: Es geht um „Missionare aus der südlichen Hemisphäre“ „vor unserer eigenen Haustür“ (Einführung, S. 3). Der Sammelband umfasst neun Fachbeiträge, die von Länge, thematischer Relevanz und Qualität her recht unterschiedlich ausfallen.

Die ersten beiden Beiträge befassen sich in systematischer und geschichtlicher Perspektive mit der Hermeneutik und den Motiven der evangelischen Mission. Rolf Hille spürt dem Konzept des „reinen Evangeliums“ nach und argu­mentiert, dass die Identifizierbarkeit und Wesenhaftigkeit des Evangeliums kei­nen Gegensatz zu seiner Kultur­be­zogenheit und Kontextualität darstelle. Allerdings nicht im Sinne des Idealismus als Unterscheidung zwischen einer ab­strakten Idee und deren historischer Um­setzung. Vielmehr sei das Evangelium als heilschaffende Offenbarung Gottes in der Inkarnation Christi „Fleisch“ ge­worden und als „Text“ in der Bibel in konkreten sprachlich-kulturellen Formen bezeugt. Dieser „Text“ habe Vorrang vor allen „Kontexten“. Erst durch „das gründ­liche Studium des biblischen Tex­tes“ „ergibt sich eine souveräne Freiheit gegenüber dem Kontext. Dieser darf den Text nicht verschlingen“ (S. 16). Darüber hinaus verortet Hille sein normatives Verständnis vom Wesen des Evangelium in der Reformation, in der der Anspruch einer „reinen“ Verkündigung („evange­lium pure docetur“, CA VII) eine Schlüs­selrolle spielte und kritisierbar wurde durch die Normen des sola gratia und sola fide – eine Einsicht, die für evan­gelische Theologie seitdem „konsti­tutiv und aufgebbar“ (sic! S. 18) sei (hier hat sich ein offensichtlich ein Druck­fehler eingeschlichen, da es sicherlich „unauf­gebbar“ heißen sollte.) Gerade die sich wandelnden Kontexte christlicher Mis­sion stellten Christen immer neu vor die Aufgabe „zu klären, was das Wesen des Evangeliums ausmacht“ (S. 17).

Bernd Brandl bietet eine Analyse der „historischen Sendungsmotive“ west­li­cher Mission von der katholischen Kolonialmission in Lateinamerika bis zu den Glaubensmissionen des späten 19. Jahrhunderts (S. 26–60). Ausgehend vom neutestamentlichen Motiv des „Gesandt wie Christus“ stellt er in der Geschichte verzerrende imperiale, koloniale und kulturzivilisatorische „Überlagerungen“ des „biblischen Sendungsmotivs“ fest.  Genuin biblische Motive findet Brandl u.a. bei Las Casas, Ricci, Eliot, vor allem aber in der Mission von Pietismus, Er­weckungsbewegung sowie bei den Glau­bens­missionen. Im Pietismus (Ziegen­balg etc.) sei eine „grundlegende  Wen­de“ (S. 35) zu einem geistlichen Grund­motiv erfolgt. Auch die unlösbare Ein­heit von Evangelisation und humanitären Aktivitäten in der Erweckungsmission sei aus heutiger Sicht vorbildlich. Im Blick auf die Glaubensmissionen betont Brandl mit Recht deren stärkere Un­ab­hän­gigkeit von kolonialistischen und natio­nalistischen Verflechtungen, zu we­nig kritisch – gemessen am biblischen Motiv der Sendung Christi – wird aller­dings das an der ewigen Verdammnis aller Unerreichten orientierte Missions­motiv der Glaubensmissionen betrachtet. 

Nach dieser hermeneutischen und his­torischen Grundlegung gehen die fol­genden fünf Beiträge auf die nicht-westliche Thematik des Sammelbandes ein. Bernd Dinkelaker setzt sich am Beispiel des Ghanaer Theologen Kwame Bediako mit afrikanischen Theologien auseinander. In acht Thesen zeigt er wesentliche Merkmale sowie Anfragen an westliche Theologie und Mission auf. Afrikanische Theologie sei eine Her­meneutik afrikanischer Identität, in der sich heute widersprüchliche Tendenzen zeigten: Während traditionelle AICs afrikanische Religion integrieren, lehnen neue pentekostale Kirchen dies als synkretistisch ab, vertreten aber zugleich ein Weltbild der unsichtbaren Mächte und Geister verbunden mit Wohlstands­kon­zepten. Die Übersetzung der Bibel werde von afrikanischen Theologen als wesent­licher Beitrag westlicher Mission gese­hen. Dies mache deutlich, „dass die universale Gültigkeit des Evangeliums von Jesus Christus … konkret und partikular Ausdruck finden muss, in der Begegnung …. zwischen dem Evan­gelium und der jeweiligen Kultur (S. 73).

Norbert Schmidt versucht einen Per­spektivenwechsel und reflektiert „die kommende Christenheit“ aus der Sicht des brasilianischen Neopentekostalismus und der Befreiungstheologie. Die Bilanz ist ernüchternd: Westliche Theologie werde als irrelevant erlebt für die „drin­genden Fragen des Alltags“ (S. 86). Im Neopentekostalismus erhalte die „Pra­xis“ nicht nur Priorität (wie in der Hermeneutik der Befreiungstheologie), sondern werde „zum fast alleinigen Faktor“ eines „willkürlich erscheinenden Pragmatismus.“ Eine fruchtbare Ausein­ander­setzung mit dem brasilianischen Neopentekostalismus in der westlichen Theologie sieht Schmidt bisher kaum. Dafür macht er einen „theologischen Imperialismus“ (S. 88) sowohl auf evan­gelikaler wie liberaler Seite verant­wortlich, dem diese Ausprägung „sus­pekt“ sei. Die Bewegung der „Iglesias Iniciadas por Latinos“ sei allerdings längst „ungefragt fröhlich“ in Europa an­ge­kommen. Während Schmidt nicht in die „vernichtende Kritik“ einstimmen will, sieht er die Bewegung kritisch als „postprotestantisch“, da sie die Bibel nicht mehr brauche und das sola gratia der Reformation durch das Wohlstands­evangelium auf den Kopf stelle.

Der Beitrag von Jürgen Schuster befasst sich mit ekklesiologischen Grundlagen der Begegnung zwischen westlichen und neuen nicht-westlichen Missions­be­we­gungen. Ausgehend von ekklesio­lo­gischen Einsichten Lesslie Newbigins sieht Schuster als wichtigste Zukunfts­aufgabe, einen „Gesprächsraum zu schaf­fen“ für „gemeinschaftliches Theo­logisieren“ in einer globalen herme­neutischen Gemeinschaft (S. 121). Nicht nur angesichts der Begegnung mit „sozio-zentrischen“ Kulturen sei eine stärkere Integration von partizipativen Modellen von Kirche für die Zukunft wichtig. Um die von Newbigin hervor­gehobene Einheit der Kirche (und Mission) angesichts der kulturellen Diversität zu ermöglichen, betont Schus­ter zwei Aspekte: die Herstellung einer interkulturellen theologischen Basis durch eine dynamische (anstatt einer sta­tischen) Hermeneutik sowie eines ge­mein­samen Rahmens durch die Ak­zeptanz größerer Vielfalt unter einem gemeinsamen Dach („mixed economy church“).

Klaus Wetzel analysiert „heilsge­schicht­liche Denkansätze in nicht-westlichen Missionsbewegungen“ (z.B. das „Back to Jersualem“-Motiv der chinesischen Kirchen), nimmt allerdings einen sehr langen Anlauf über die westliche Theolo­gie­geschichte und die Geschichte der nicht-westlichen Missionen, so dass der Beitrag unübersichtlich und deutlich zu lang gerät (64 Seiten). Er bietet aller­dings quasi nebenbei verschiedenste Ein- und Überblicke zum Thema des Sam­mel­bands und verarbeitet viel relevante Literatur (z.T. in sehr langen Fußnoten).

Jean-Georges Gantenbein widmet seinen Beitrag einem wesentlichen Zielgebiet nicht-westlicher Missionsbewegungen und fragt, ob die Sicht von „Europa als Missionsland“ einen Anachronismus oder einen Ansatz zur Innovation dar­stellt. Angesichts der längst erfolgten Überwindung eines geographischen Missionsverständnisses sieht er das Konzept zwar als Anachronismus, die Perspektive nicht-westlicher Missions­bewegungen könne jedoch durch die kulturelle Außenperspektive und das Fehlen der unglücklichen Trennung zwi­schen „Mission“ und „Evange­lisation“ neue Sichtweisen anregen.

Welchen Beitrag die Aufsätze von Idar Kjolsvik (Norwegen) und Maik Arnold zum Thema des Sammelbands leisten sollen, bleibt unklar. Kjolsvik schreibt über die Geschichte der skandinavischen Kirchen und Erweckungs- und Missions­bewegungen vom Mittelalter bis zur Gegen­wart. Ein interessantes Thema, allerdings fehlt jeglicher Bezug zu nicht-westlichen Missionen. Der Beitrag des Kulturwissenschaftlers Maik Arnold zum Selbstverständnis von westlichen Mis­sio­naren bietet anhand eines qualitativen Interviews mit einer deutschen Kurzzeit-Missionarin bei Jugend-mit-einer-Mis­sion zwar wichtige (wenn auch wenig überraschende) interkulturell-psycho­lo­gi­sche Einsichten. Der Bezug zur nicht-westlichen Missionsbewegung fehlt auch hier. Warum der Aufsatz als einziger in (einem recht umständlichen) Englisch geschrieben ist, bleibt unklar.

Fazit: Die Stärke des lesenswerten Sammelbandes liegt in der wichtigen Auseinandersetzung mit hermeneu­ti­schen und ekklesiologischen Fragen nach Einheit und Vielfalt, die durch die Begegnung zwischen (in sich höchst diversen) westlichen und nicht-west­lichen Missionsbewegungen aufge­worfen werden. Diese normative Frage­stellung stellt den eigentlichen roten Faden des Bandes dar („reines Evan­gelium“, „legitime Missions­motive“, „postprotestantische Bewegung“, „her­me­neutische Gemeinschaft“, „dyna­mi­sche Hermeneutik“, „mixed economy church“). Was fehlt, sind empirische Bestandsaufnahmen, zumindest jedoch ein empirischer Überblick über die nicht-westlichen Missionsbewegungen in ih­rem Bezug zum deutschsprachigen Raum. Wetzel verweist auf S. 142 auf einen solchen Überblick im Rahmen des Symposiums, der aber offensichtlich keinen Eingang in das Buch gefunden hat.

Prof. Dr. Friedemann Walldorf, em 2014-4.

Schwarz, Christian A. Die natürliche Ge­meindeentwicklung nach den Prinzipien, die Gott selbst in seine Schöpfung gelegt hat. C & P: Emmelsbüll & Oncken: Wuppertal, 1996. (Kurzfassung: ders. Das 1 x 1 der Gemeindeentwicklung. C & P: ebd. 34 S. geheftet.).

Das in zehn Sprachen und 12 Länderausgaben erscheinende Buch geht auf eine breitangelegte Untersuchung von 1000 Gemeinden in 32 Län­dern auf al­len 5 Kontinenten zurück. Dazu ha­ben Gemeindeleiter und Mitar­beiter ebenso wie ‘normale Mitglieder’ und Besucher detaillierte Fragebo­gen über ihre Gemeinden ausgefüllt. In seinem graphisch ausgezeichnet aufgemachten, übersichtlichen und flüssig geschriebenen Buch belegt Schwarz acht Qualitätsmerkmale ‘guter’ Gemeinden, in denen Gebet und Seel­sorge, Evangelisation und Schulung eine wich­tige Rolle spielen und die zugleich wachsen: (1) „Bevollmächtigende Leitung“, wobei die Leiter stark auf persönliche Bezie­hungen set­zen und sich von außerhalb der Gemeinde be­raten lassen, (2) „Gabenorientierte Mitarbeiter­schaft“ mit gründlicher Schulung der ehren­amtlichen Mitarbeiter, (3) „Leidenschaftliche Spiritualität“ wie intensives Gebetsleben, Be­geisterung für den Gottesdienst und klare theologische Überzeugungen, (4) „Zweckmäßi­ge Strukturen“, in der die Struktu­ren den Men­schen angepaßt werden und nicht umgekehrt, (5) „Inspirierende Gottesdienste“, wobei es in­teressanterweise auf das Wachtum und die Qualität praktisch keinen Einfluß hat, wenn der Gottesdienst sich vorran­gig an Nicht­christen wen­det (S. 31), (6) „Ganzheitliche Kleingrup­pen“, (7) „Bedürfnisorientierte Evan­gelisation“ und (8) „Liebevolle Beziehungen“. Diese Prin­zipien bringt Schwarz dann mit sechs „bio­ti­schen“ Prinzipien in Verbindung, also Prin­zipien, mit denen sich die Schöpfung erhält und vermehrt und die seines Erachtens nur zum Schaden der Gemeinde durch techni­sche Prin­zipien ersetzt werden können. Es sind „Ver­netzung“, „Multiplikation“, „Energieum­wand­lung“, „Mehrfachnutzen“, „Symbiose“, „Funk­tio­na­li­tät“. Schwarz fordert einen zwei­poligen Gemeindebegriff, der dy­namische und statische Elemente gleicherma­ßen berücksich­tigt (S.84ff). Reiner Spiri­tualismus ist genauso eine Gefahr wie Techno­kratie. Be­reitschaft zur Ver­änderung und Spontanität haben genauso ihren Platz in der Gemeinde Jesu wie Festhal­ten an Bewährtem und gründliche Pla­nung.

Mit seinen erfreulichen und studierenswer­ten Ergebnissen entfernt sich Schwarz immer weiter von der klassischen Gemeinde­wachs­tums­bewegung, deren Expo­nent er war und ist. Als herausragendste Entdec­kung der Untersu­chungen bezeichnet Schwarz die Feststellung, daß Ge­meinden, die einen bestimmten Quali­tätsindex übersteigen, ausnahmslos auch wach­sende Gemeinden sind (S.39). Qualitatives Wachstum und quantita­tives Wachstum stehen nicht ge­geneinander, sondern bedingen einan­der – ein Ergebnis, das die biblische Offenba­rung eindrucksvoll be­stätigt. Schwarz schreibt: „In vielen Gemein­dewachstumsbüchern läßt sich ein hartnäcki­ger Mythos aufspüren: Eine Gemeinde, die wach­sen will, brauche ganz konkrete numerische Wachs­tumsziele … Keine andere For­derung hat sich im Bewußtsein der christli­chen Öffent­lichkeit so sehr mit dem Wesen von ‘Gemeindewachstum’ ver­bunden wie diese. Ein Ergebnis unserer Studie ist, daß nur 31 Prozent aller überdurchschnittlich wach­senden Gemein­den mit derartigen Zielen ar­beiten.“ (S.44).

Nun mag man sagen, daß viele Ergebnisse für den Praktiker immer schon auf der Hand lagen. Daß größere Gemeinden meist schlech­ter ab­schneiden als kleinere (S.46), weiß je­der, der sich vor Ort umgeschaut hat. Größere Ge­meinden haben eben oft nur eine größere Presse. Aber dem Mythos der möglichst großen Gemeinde konnte nur eine Untersu­chung dieser Art abhelfen. Auch, daß die ‘schlechtesten’ und zudem schrump­fenden Gemeinden durchweg Pastoren haben, die Theologie stu­diert ha­ben (S.23), da das Theologiestudium offensichtlich oft zu beziehungsar­men Gemeindeleitern führt, ist zwar eine sattsam bekannte Erscheinung, die aber nun belegt ist und dringend zur radi­kalen Reform des Theologie­studiums - auch des bibeltreuen - führen müßte! Daß nur we­nige wachsende Gemeinden einen sogenannten ‘Seeker-Service’, also einen ganz auf Außen­stehende ausgerichteten Gottesdienst, haben (S.30), ist ebenso nicht verwunderlich, denn der Gottesdienst ist nun einmal zu­erst dafür da, daß die Gemeinde Jesu sich von ganzem Herzen auf Gott ausrichtet, und nicht als Evangelisati­onsveranstaltung. Fehlt der gemein­same Got­tesdienst der Christen, fehlt der Gemeinde meist auch ein Stück echter Lebendigkeit.

Ich glaube, daß die Gemeindewachstums­bewegung nun mit ihren eige­nen Waffen ge­schlagen wurde. Ich habe mit vielen anderen Missionswis­senschaftlern schon vor Jahren vertreten, daß die Gemeindewachstums­bewegung zu falschen Schlußfolgerungen kommt, weil sie nur über ein eingeschränktes Wissen verfügt. Geographisch war sie meist auf eine Ge­meinde oder eine Region be­schränkt. Sie interessierte sich selten für den Gesamtzustand der Ge­meinde, sondern stellte nur bestimmte Fragen. Und sie war meist auf kurze Zeiträume beschränkt, untersuchte also bei­spielsweise selten, warum vorübergehend stark wachsende Gemeinden oft Jahre später wie­der kollabierten. Damit ist nun Schluß: Eine weltweite Untersuchung, die in 1000 Gemein­den ein möglichst breites Spektrum an Berei­chen erfaßte und möglichst viele Menschen be­fragte (Pastoren, Gruppenleiter, Mitglie­der, Besucher) zeigt, daß Gemeinden eben am natür­lichsten wachsen, wenn sie gesund sind. Wer sich um die umfassende Ge­sundheit einer Ge­meinde kümmert, kümmert sich automatisch auch um ihr zahlenmäßiges Wachstum. Dabei darf man unter gesund eben nur nicht einfach ‘rechtgläubig’ verstehen - worin Schwarz voll zuzustimmen ist, sondern alle im Neuen Te­stament vorgegebenen Qualitätsmerkmale wie Gebet, Gemeinschaft, Förderung, erhebender Gottesdienst, Evangeli­sationsdrang usw., Dinge, mit denen gerade ‘rechtgläubige’ Ge­meinden - zumindest in Deutschland - oft wahrhaftig Probleme haben. (Daß bei Schwarz die Frage der ‘Rechtgläubigkeit’ dafür fast ganz unter den Tisch fällt, ist aller­dings bedauer­lich.)

Vieles von dem, was Schwarz beschreibt und fordert, könnte der Ge­meindewachstums­be­we­gung eine neue, m. E. gesündere Richtung geben. Es ließe sich natür­lich fragen, ob nicht Schwarz selbst früher als Redak­teur der Zeit­schrift ‘Gemeindewachstum’ der von ihm kriti­sierten Ent­wicklung Vorschub geleistet hat und seinerzeit nicht Kritik am Kurs der deutsch­sprachigen Gemeindewachs­tumsbewegung vorschnell als Kritik an Ge­meindewachstum überhaupt verstanden wurde. Aber jedenfalls kün­digte sich schon lange an, daß Schwarz die Qualität einer Gemeinde im­mer weniger aus den reinen Zahlen ableiten wollte und den in­neren Zu­sammenhang zwi­schen qualitativem und quantitativem Wachs­tum immer stärker betonte. Wenn er schreibt: „Es scheint mir ei­ner der großen Irrtü­mer der Gemeindewachs­tumsbewegung zu sein, daß sie Gemeinde­wachstumsdenken als eine ‘a-theolo­gische Methodologie’ zu präsentieren versucht“ (S. 94), so bleibt dabei offen, ob er sich auch selbst damit meint oder nicht. Aber angesichts des­sen, was Schwarz heute präsentiert, ist diese Frage von rein historischem Interesse. Wichti­ger ist jetzt, daß die Gemeindewachstumsbe­wegung auf Schwarz hört und mit einer geän­derten Zielsetzung auch jene Christen für einen neuen Aufbruch gewinnen kann, für die bisher gewisse theologische Probleme der Gemeindewachstumsbe­wegung Alibi für den toten und schrumpfenden Zustand der eigenen Ge­meinde waren!

Dr. Thomas Schirrmacher, em 1997-3.

Schwatlo, Winfried. Das Verständnis der Reilsge­wissheit in Afrika: Wege zu ihrer Kontextualisierung unter den Christen der Wakaguru. Evange­lische Missiologie Monographien Bd. 2, hg. v. Heinzpeter Hempelmann, Bad Liebenzell: Ver­lag der Liebenzeller Mission, 2001.

In dieser „Korntaler-Abschlussarbeit“ nimmt der Autor die „nahezu gänzlich fehlende Einsicht“ der Christen in Afrika auf, „dass Gott Heilsgewissheit schenken kann“. Am Beispiel der Wakaguru, einer Ethnie in Tansania wird in die Problemstellung eingeführt und werden Lösungswege gesucht, die dann als Kontextualisierung vorgestellt werden. Dem voraus geht eine exegetische Studie zu Römer 8,3-8f. Schwatlo hält diesen Text für den Schlüssel zum Thema Heilsgewissheit, weil die für Afrika so wichtige Dimension der „Mächte und Gewalten“ berücksichtigt wird. Darauf folgt ein kleiner theo­logiegeschichtlicher Überblick zum Thema. An­schließend führt Schwatlo in die Kaguru-Kultur ein, wobei er auch Einflüsse der Missionsgeschich­te berücksichtigt. Die Ähnlichkeit der Kaguru zu anderen Bantu-Kulturen ist offensichtlich, weswe­gen diese Studie auch über die Kaguru-Kultur hin­aus Relevanz besitzt. Das darauffolgende Kapitel 4 ist eine allgemeine Erörterung zum Thema Kontex­tualisierung der biblischen Botschaft in Afrika. Der Fokus fällt dabei auf die Christologie, die präsen­tisch verstandene Soteriologie und die Bekehrungs­theologie afrikanischer Evangelikaler. Im abschlie­ßenden Kapitel 5 kontextualisiert der Autor die biblische Lehre der Heilsgewissheit für die Chris­ten der Wakaguru. Interessant ist sein breit ange­legter Ansatz: Angefangen von traditionellen Ka-guru-Texten, bis zu dem auf Kiswaheli vorhande­nen theologischen Schulmaterial, über den Einsatz von Dramen und relevanten Kirchenliedern bis hin zu symbolischen Zeremonien versucht er das Ver­ständnis für die Heilsgewissheit zu wecken. Dieser Ansatz überzeugt. Jedoch bleiben Fragen offen. Ist mangelnde Heilsgewissheit das Hauptproblem oder sind andere theologische Inhalte defizitär? Über­blickt man das ostafrikanische Christentum, so kann man beispielsweise in Kenia Christen sagen hören: „I’m saved“ mit dem hastigen Zusatz „today“, als ob sie sich ihres Heils morgen nicht mehr sicher sein könnten. In Tansania lassen sich bei Evangelisationsveranstaltungen Scharen von Gemeindeglieder zum wiederholten Male nach vor­ne rufen. Was sie verbindet ist ihre „Heilsunsicherheit“. Aber warum sind sie sich ihres Heils nicht gewiss? Man wird vermuten dürfen, dass Sünde trotz Errettung als bleibende, negative, lebenseingreifende Macht erfahren wird, mit der man nicht fertig wird (übrigens fehlt die Sünde in der Aufzählung von Rom 8,3-8f). Deswegen wäre eine andere reformatorische Lehre vonnöten, näm­lich die (selbst in der deutsch-protestantischen Theologie kontrovers diskutierte) Einsicht des simul Justus et peccator (gerecht und Sünder zugleich). Wie sich aber eine konsequente Anwen­dung dieser Einsicht auf afrikanisches Christsein auswirken könnte, wirft viele Fragen auf. Könnte es zu einer ethischen Gleichgültigkeit, gar zum Libertinismus führen? Könnte sich dann trotz Schamkultur Buße bzw. Beichte in Theologie und Praxis ändern? Könnte sich dann auch ein Bischof einer konkreten Tatsünde bezichtigen ohne dabei sein Gesicht zu verlieren, denn er ist Sünder und Gerechter zugleich? Fragen zu deren Erörterung Schwatlos Buch schweigt, weil es sich einerseits auf den schmalen Brennpunkt der Heilsgewissheit beschränkt, andererseits aber in unrelevante Rand­themen wie z.B. die Spannung zwischen Glaube und Werke und der Streit um die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ verliert. In diesem Zusammenhang sei außerdem auf die un­verhältnismäßig umfangreichen Fußnoten hinge­wiesen. Schwatlo häuft in den Fußnoten seitenwei­se Literatur an und man fragt sich als Leser irritiert, ob alle angeführte Literatur für sein Thema Rele­vanz besitzt.

Trotzdem ist dieses Buch eine empfehlenswerte Lektüre, die zum Weiterdenken und Forschen gera­dezu anregt.

Elmar Spohn, em 2003-3.

Scott, James M. Paul and the Nations: The Old Testament and Jewish Background of Paul’s Mission to the Nations with Special Refe­rence to the Destination of Galatians. Wissenschaftli­che Unter­suchungen zum Neuen Testament 84. J. C. B. Mohr: Tübingen, 1995.

Die vorliegende Dissertation gehört eigent­lich in den Bereich der Ein­leitungs­wissenschaf­ten und will die Frage be­antworten, an wen der Gala­terbrief geschrieben wurde. Dazu holt der Verfasser zunächst aber auf 180 Seiten unge­heuer weit aus, um dann auf den letzten 40 Seiten die Konse­quenzen für die Einleitungs­fragen zu ziehen. Es sind diese 180 Seiten, die das Buch für den Missiologen interessant ma­chen. Scott will nämlich seine These belegen, daß Paulus den Begriff für Volk/Völker (‘ethnos’) und die Geogra­phie sei­ner Missi­onstätigkeit im Lichte der Völkertafel von 1Mose 10 ver­stand, also davon ausging, daß sich das Evangelium genau an die Völker der Welt wendet, die sich seit der Sintflut von Gott abge­wandt haben. Dazu geht Scott minutiös auf die Verwendung des Begriffes Volk/Völker (‘ethnos’) und auf die Auslegungsgeschichte von 1Mose 10 im Judentum ein. Außerdem disku­tiert er die einschlägigen Stellen bei Pau­lus, besonders Röm 15,19 und Apg 17,26.

Ich denke, daß Scott der Beweis seiner These gelungen ist, womit wie­der einmal mehr feststeht, wie stark das Missionsverständnis des Paulus vom Alten Testament her bestimmt wurde. Ähnlich hat Rainer Riesner ja erst kürz­lich die Bedeutung der geogra­phischen Anga­ben von Jes 66,18-21 in der zeitgenössi­schen Interpretation der Septuaginta für den Weg der Aus­breitung des Evangeliums unter den Hei­den durch Paulus und damit für dessen eigenen Reiseweg belegt (siehe meine Rezension von Rainer Ries­ner. Die Frühzeit des Apostels Paulus aus derselben Buchreihe in em 12 (1996) 1: 25-26). Im übrigen dürfte Scotts Werk die der­zeit gründlichste und wichtigste Darlegung des jüdischen und neutestamentli­chen Ver­ständnisses des Völkerbegriffes (‘ethnos’) sein.

Die Sicht der Bedeutung von 1Mose 10 für die paulinische Missions­strategie ist für Scott schließlich die Grundlage dafür, sich bei der um­strittenen Frage, an welche ‘Galater’ Paulus schrieb, für die sog. ‘südgalatische Theorie’ und gegen die ‘nordgalatische’ Theorie zu entschei­den. Daß der Galaterbrief im Jahr 49 n. Chr. an die Gemeinden in Südgalatien ge­schrieben wurde, die Paulus bei seiner ersten Missions­reise gründete, dürfte tatsächlich auch aus an­deren Gründen die richtige Sichtweise sein (s. Helge Sta­delmann. „Die Vorgeschichte des Galaterbriefes“. Bibel und Gemeinde 82 [1982] 2: 153-165), weswegen diese erneute Bestäti­gung sehr erfreulich ist.

Dr. Thomas Schirrmacher, em 1997-3.

Seung-Pil Na. Das Evangelium und die Mission vom Apostel Paulus unter heilsgeschichtlichem Aspekt, Bonn: Verlag für Kultur und Wissenschaft, 2010.

Nach der umfangreichen Darstellung der Mission des Paulus durch Eckhard J. Schnabel (Die urchristliche Mission; Wuppertal, Zürich: R. Brockhaus, 2002 und Paul, the Missionary: Realities, Stra­tegies and Methods; Nottingham: IVP/Apollos, 2008; vgl. meine Re­zen­sion in em 26, 2010, 218–220) liegt nun eine weitere umfangreiche Untersuchung der paulinischen Mission vor. Sie geht auf die Doktoraldissertation des Ver­fas­sers unter Betreuung von Thomas Schirr­macher am Whitefield Theological Se­mi­nary zurück und kombiniert theo­logische und historische Perspektiven.

Im ersten Teil (25–354) beschreibt Na die missionstheologischen Grundlagen der paulinischen Mission. Zu Recht weist der Verfasser auf den engen Zu­sam­menhang zwischen Mission und Theo­logie des Paulus hin. Die einzelnen Kapitel untersuchen Bedeutung und Gel­tungsbereich des Evangeliums in der Bibel, Gott als Urheber der Rettung des Menschen (hier u.a. auch die paulinische Anthropologie und Hamartologie), den Heilsplan und die Heilsgeschichte Got­tes, Gottes Verheißung in der Form eines Bundes, die typologische Bedeutung der Heilsgeschichte durch Jesus Christus, Jesus als wahrer Gott und wahrer Mensch sowie die Erlösung des Men­schen durch Christus. Trotz teilweise langer Zitate fehlt die Aus­ein­ander­setzung mit der neueren Paulus­for­schung, die die Arbeit an vielen Stellen profiliert hätte und gerade mit ihrer Be­rück­sichtigung der alttesta­ment­li­chen/ frühjüdischen Prägung des Paulus und seiner Theologie dem Anliegen des Ver­fassers gedient hätte. Bei der großen Be­deutung, die Na der Heilsgeschichte bei­misst, hätte man eine gründlichere Re­flek­tion dieses Konzeptes erwartet (vgl. S. 101–116).

Teil zwei gilt der Mission als Ver­heißung unter heilsgeschichtlichem As­pekt (355–630). Na beleuchtet das Mis­sions­verständnis des Paulus (355–476; Gott als Urheber und Initiator der Mis­sion, die Mission als das alt­tes­ta­ment­liche Ziel und die Verheißung in der Heils­geschichte, Jesus als der erste Mis­sio­nar, Paulus als Apostel und Mis­sionar), die Gestaltung und Inhalt der Ver­kündigung und der Gemeinde­grün­dung (477–550; die Verkündigung des Evangeliums, Darstellung des Evan­ge­liums des Paulus, Gemeindegründung als Missionsertrag, die Verkündigung des Evangeliums vor Juden und Heiden, hier auch knappe Überlegungen zu Mission und Kontextualisierung) sowie die Mis­sion und Missionsstrategie des Paulus (551-630). Zunächst zeichnet Na den bekannten Verlauf der paulinischen Mis­sion nach seinen Briefen und der Apos­telgeschichte nach, stellt dann die daraus erkennbare „Missionsstrategie“ des Pau­lus dar und betont abschließend, wie sehr die Mission des Paulus unter der Füh­rung des dreieinigen Gottes stand. Der Band schließt mit einem ausführlichen Literaturverzeichnis (631–662).

Das sehr detaillierte Inhaltsverzeichnis (7–11) erlaubt die schnelle Orientierung und Verwendung des umfangreichen, groß­formatigen Bandes als gründliches und anregendes Nachschlagewerk. Lei­der fehlen bei den einzelnen Kapiteln, den beiden Teilen, aber auch für den ganzen Band Zusammenfassungen und Würdigungen, so dass es mühsam ist, die hier vorgelegte theologische Inter­pre­ta­tion der paulinischen Mission zu erfassen und ihre eigenen Akzente zu erkennen. Der Band folgt den Themen evan­ge­li­ka­ler Missionstheologie und befragt von daher das Neue Testament (ein legitimes Vorgehen); ausgehend von Paulus selbst und der Apostelgeschichte wäre man zu anderen Akzentsetzungen gekommen. Zur Mission des Paulus gehören sicher auch die vielen Mitarbeiter und Mitar­bei­te­rinnen in unterschiedlicher Nähe zum Apostel, die Rolle der Gemeinden in der Mission (sowohl in der Unterstützung des Apostels als auch durch ihr eigenes missionarisches Engagement vor Ort), die Bedeutung und Funktion der Kol­lekte für die Heiligen in Jerusalem sowie die Frage nach den materiellen Grund­lagen der Mission (vgl. dazu C. R. Little, Mission in the Way of Paul: Biblical Mission for the Church in the Twenty-First Century, Studies in Biblical Literature 80; New York, etc.: Peter Lang, 2005). Durchweg hätte der Band von der Auseinandersetzung mit Schna­bels Paul the Missionary profitiert, der an vielen Stellen zu ähnlichen Ergeb­nissen kommt. Ferner vermisst man eine aktualisierende Reflektion für Mission heute, wie sie etwa die erwähnten Bände von Schnabel bietet. Dies wäre gerade aus der Feder eines in Deutschland unter Ausländern wirkenden koreanischen Mis­sio­nars von Interesse gewesen.

Christof Stenschke, em 2012-3.

Shenk, Calvin E. Who Do You Say That I Am? Christians Encounter Other Religions. Herald Press: Scottdale (USA), 1997.

Das Buch des mennonitischen Religionswis­senschaftlers Calvin E. Shenk ist in erster Linie für Christen im Westen geschrieben, die sich angesichts einer zunehmenden religiösen Plu­ralität fragen, wie sie Menschen anderer Reli­gionen begegnen können. Mit der schon klassi­schen Aufteilung in Exklusivismus, Inklusi­vismus und Pluralismus zeigt Shenk die ver­schiedenen christlichen Modelle im Verhältnis des Christentums zu den anderen Religionen auf. Einer Definition der verschiedenen Posi­tionen folgt eine ausführliche Beschreibung und Auseinandersetzung mit den Sichtweisen. Shenks Maßstab ist dabei das heilvolle Han­deln Gottes in Jesus Christus, das es zu bezeu­gen gilt. Ohne die Einzigartigkeit der Person Jesu Christi gibt es weder Evangelium noch Mission.

In zwei weiteren Kapiteln werden die Perspek­tive des AT und NT über die Religio­nen ver­handelt. Die Bibel selbst kennt ver­schiedene Begegnungen des biblischen Glau­bens („biblical faith“) mit anderen Glaubens­formen („other faiths“), ohne eine systemati­sche Theologie der Religionen zu entwickeln. Die Religionen erscheinen multidimensional und ambivalent. Es finden sich gute wie böse Aspekte in den Religionen. Sie reflektieren damit Gottes Handeln in der Welt, die Suche des Menschen nach Gott und seine Flucht vor Gott. Wie stehen nun Schöpfungs- und Chri­stusoffenbarung, Universalismus und Partiku­larismus zueinander? Shenk stellt beides in eine dialektische Spannung.

Nachdem Shenk bereits mehrmals auf die Normativität Christi in der Begegnung des Christen mit anderen Religionen verwiesen hat, führt er dies aus: Wer ist Christus? Die Heils­bedeutung des inkarnierten Christi und damit seine Einzigartigkeit werden in Beziehung zur Trinität Gottes aufgezeigt. Dabei verweist Shenk auf die Bedeutsamkeit der Inkarnation. Wo die Partikularität der Inkarnation zugunsten einer einseitigen Logoschristologie oder eines kosmischen Christus aufgegeben werden, geht auch das einzigartige Heil in Jesus Christus verloren. Das heilschaffende Handeln Gottes in Jesus Christus verlangt nach dem Zeugnis der Gemeinde in aller Welt. An dieser missionari­schen Ausrichtung muß sich jede Theologie der Religionen messen lassen.

Auffällig bei Calvin E. Shenk ist die Offen­heit gegenüber den Spuren Gottes in den Religio­nen und der deutliche Verweis auf die missio­narische Dimension des Evangeliums von Je­sus Christus, das es gilt, allen Menschen zu be­zeugen. Hier stehen sich Offenheit und Be­kenntnis nicht diametral gegenüber, sondern verlangen einander.

Martin Reppenhagen, em 1999-4.

Silva,
Moisés. God, Language and Scripture: Reading the Bible in the Light of General Lingustics. Foundations of Contemporary Inter­pretation Bd. 4. Zondervan: Grand Rapids (MI), 1990.

Silva, Moisés. Biblical Words and Their Meaning: An Introduction to Lexical Se­mantics. überarbeitete Ausgabe. Zondervan: Grand Ra­pids (MI), 1994.

Kaiser, Walter C. & Moisés Silva. An Intro­duction to Biblical Herme­neutics: The Se­arch for Meaning. Zondervan: Grand Rapids (MI), 1994.

Silva, Moisés (Hg.). Foundations of Contem­porary Interpretation: Six Volumes in One. Zondervan: Grand Rapids (MI), 1996.

Moisés Silva, langjährig Professor für Neues Testament am Westminster Theologi­cal Semi­nary, hat sich maßgeblich für eine eindeutig bibeltreue, aber auch am modernsten For­schungsstand ori­entierte Erforschung der bibli­schen Sprachen und der Bedeutung des bibli­schen Textes ein­gesetzt.

In ‘God, Language and Scripture’ will Silva die allgemeine Lingustik (Erforschung der Sprachen) für die Auslegung der Bibel nutzen. Er geht zwar davon aus, daß die Lingustik der Bibel selbst untergeordnet werden muß und beginnt deswegen mit einem Kapitel über die Sprache aus bibli­scher Sicht. In einer dienen­den Funktion kann aber die Lingustik vor Irr­wegen bewahren. Dazu stellt Silva die Grund­lagen der modernen Lingu­stik dar und wendet sie dann an, indem er die biblischen Sprachen nach Aussprache, Wortformen und -bedeutung, Satzbau und weiteren Aufbau darstellt. Im Ge­gensatz zu den anderen Bänden der Reihe ‘Foundations of Contemporary Interpretation’ setzt dieser Band gewisse Kenntnisse der bibli­schen Sprachen voraus. Der Stoff ist etwas trocken, wird aber gut aufgebaut dargeboten.

In ‘Biblical Words and Their Meaning’ will Silva den für die Auslegung vielleicht wichtig­sten Teilbereich der Linguistik, die Semantik (Lehre von der Bedeutung) der Worte, darstel­len und auf die Bibel anwenden. Es handelt sich dabei um die derzeit beste Darstellung der biblischen Wort­bedeutungslehre aus evangeli­kaler Feder. Nur wenigen Bibellesern ist be­wußt, welchen Einfluß die lexikale Semantik auf die Auslegung hat, aber von der Frage, wie man die Bedeutung eines Wortes – dazu noch antiker Sprachen – gewinnt, hängt oft entschei­dendes für die Bedeutung einer bi­blischen Aussage ab. Silva wendet sich immer wieder gegen die auch heute noch weit verbreitete Vorgehensweise, die Bedeutung eines Wortes zu stark von seiner ursprünglichen Herkunft (Etymologie) und von seinen theoretisch mög­lichen Bedeutungen her zu verstehen und zu wenig vom Sprachgebrauch im Zusammenhang eines Satzes her. Das Buch arbeitet sehr stark mit Beispielen und ist zur Einführung für Theologiestudenten geschrieben, setzt also ge­wisse, wenn auch nicht gründliche Kenntnisse der biblischen Sprachen voraus.

Die zusammen mit einem der maßgeblichen bibeltreuen Alttestament­ler, Walter C. Kaiser, verfaßte biblische Hermeneutik (Verstehens­leh­re) Silvas verzichtet weitgehend auf eine Geschichte der Hermeneutik und auf eine Aus­einandersetzung mit historisch-kriti­schen Ent­würfen und be­schreibt stattdessen, wie man unter Einbezug des neuesten Forschungs­standes der Lingustik, aber auch unter Berück­sichtigung seiner Inspi­riertheit die Bedeutung des Textes der Heiligen Schrift er­arbeiten kann. Wer sich keine Rechenschaft ablegt, wie er mit dem Text umgeht, neigt dazu, sich für jeden Bibelvers eine eigene Auslegungsme­thode zurechtzu­legen und die Sprache zu miß­brauchen. Dabei wird die Her­meneutik von vorne herein in eigenen Kapiteln zu den litera­rischen Gattungen (z. B. Evange­lien, Prophe­ten, Briefe) dargestellt. Diese aus­gezeichnete Herme­neutik sollte unbedingt ins Deutsche übersetzt werden.

Der Sammelband ‘Foundations of Contem­porary Interpretation’ enthält sechs Bücher der gleichnamigen, von Moisés Silva herausgege­benen Serie. Es handelt sich um folgende Titel bibeltreuer Theologen:  
* Moisés Silva, Has the Church Misread the Bible: Eine Geschichte der bi­blischen Herme­neutik, die zugleich die Bedeutung der in der Kirchenge­schichte diskutierten Fragen (Was ist Allegorie? Gibt es einen mehrfachen Schrift­sinn?) für heute darstellt und beantwortet.   
* Tremper Longman III, Literary Approaches to Biblical Interpretation: Eine gründliche Kri­tik bibelkritischer literarischer Methoden, die aber zugleich fragt, wie bibeltreue Ausleger mit den verschiedenen literarischen Stilen wie Poesie, Prosa usw. umgehen.           
* Moisés Silva: God, Language and Scripture: wurde oben besprochen.   
* V. Philips Long, The Art of Biblical History: Eine gründliche Kritik der unhistorischen Vor­gehensweise historisch-kritischer Methoden bei gleich­zeitiger Betonung der Bedeutung der Ge­schichte in der Bibel selbst und für den Um­gang mit der Bibel.  
* Vern S. Poythress, Science and Hermeneu­tics: Poythress diskutiert, wie die falsche und richtige Rolle, die die Wissenschaft bei der Auslegung der Bibel spielt, aussah und ausse­hen sollte. (Leider geht er auf die Frage Schöp­fung oder Evolution nicht ein und scheint kein ‘Kreationist’ zu sein.)        
* Richard A. Muller, The Study of Theology: Muller stellt die große Gefahr dar, daß die ver­schiedenen theologischen Disziplinen (z. B. Auslegung, Bi­blische Theologie, Systemati­sche Theologie, Seelsorge) auseinandergeris­sen werden und kein Gesamtbild des geistli­chen Lebens oder einer christ­lichen ‘Kultur’ entsteht, schlägt dann aber auch vor, wie dem entgegenge­wirkt werden kann.

Dr. Thomas Schirrmacher, em 1997-4.

Simatupang, Tahi Bonar. Gelebte Theologie in Indonesien. Zur gesellschaftlichen Ver­ant­wortung der Christen. Göt­tin­gen: Van­denhoeck & Ruprecht 1992.

Während die Werke deutscher Theologen in alle Länder auch der sogenannten Dritten Welt expor­tiert und übersetzt werden, kommt der umge­kehrte Verkehr eher langsam in Gang. Hier füllt die Aufsatzsammlung T.B. Simatu­pangs eine wichtige Lücke. Gerade die kurzen, pro­grammatischen Aufsätze aus der „pabrik cera­mah“ („Vortragsfabrik“ – so der indonesi­sche Spitzname dieses wohl bekanntesten indo­nesischen Laientheologen) eignen sich hier­für besonders gut. Der Hamburger Missi­ons­theologe Prof. Olaf Schumann und der lang­jährige Mitarbeiter der Evang. Zentralstelle für Entwicklungshilfe, H.J. Fischer, sind beide her­vorragende Indonesienkenner und haben das Buch mit vielen Erläuterungen auch für den weni­ger Indonesienkundigen Leser sehr gut auf­bereitet. Auch die oft schwierige indonesi­sche Begrifflichkeit wurde von Dorothea Reiß fast immer treffend übersetzt; einzig die Über­set­zung des Begriffes „kemakmuran“ (Wohl­er­ge­hen, Wohlfahrt, Gedeihen) mit „Wohlstand“ mag in unserer Wohlstandgesell­schaft etwas miß­verständlich klingen, läßt sich aber schwer bes­ser übersetzen.

Wie schon der Untertitel der Sammlung zeigt, liegen S. sozialethische Fragen besonders am Herzen. Gerade durch den religiösen Sozi­a­lismus Reinhold Niebuhrs hatte General Sima­tupang in den 50er-Jahren einen neuen Zugang zum christlichen Glauben gefunden. Die­se Prägung schimmert z.B. durch, wenn sich nach S. die Kirche auf dem „‘langen Marsch’ … von Pfingsten bis zur Wiederkunft Chri­sti“ befin­det. (61) So hat er gerade evan­geli­kalen Chri­sten zu sagen, „Christen dürfen sich nicht da­mit begnügen, die Seelen der Men­schen zu retten … , in der Hoffnung, daß gute Menschen auch eine gute Regierung her­vor­bringen wer­den.“ (73) Demgegenüber sieht S. die Verant­wortung der Kirchen für die Ent­wick­lung („pembangunan“) in Indonesien.

Unter diesem Vorzeichen versteht S. auch sein vielfältiges Engagement in der ökumeni­schen Bewegung. Angesichts der Vielzahl der indo­nesischen Kirchen ist S. der Meinung, „daß ein gemeinsam formuliertes Bekenntnis … kei­ne Lösung des Problems bringen wird.“ Viel­mehr sieht S. eine Chance für die Einheit der Kir­che allein darin, „vom gemeinsamen Auf­trag der Kirchen auszugehen, den Glauben inmit­ten der gegenwärtigen indonesischen Gesell­schaft zu bekennen.“ (85) Dieses Glau­bens­bekenntnis findet nach S. seinen Ausdruck vor allem in der gesellschaftlichen Verantwor­tung.

Dieser politische Auftrag führt Simatupang dann auch zur Zusammenarbeit und zum Dia­log mit den indonesischen Muslimen. Aller­dings ist sich S. dabei bewußt, daß auch „etwa­i­ge Gemeinsamkeiten unter dem Aspekt der grund­sätzlichen Verschiedenheit der Reli­gi­o­nen gesehen werden müssen, da sie sonst nur Miß­verständnisse hervorrufen. … So ist es nur natür­lich, wenn die Zusammenarbeit die Di­men­sion des Bekennens enthält.“ (112) Nur auf dem Hintergrund dieses deutlichen mis­sio­na­ri­schen Bekenntnisses kann S. einen Dia­log mit den Muslimen bejahen.

Damit erweist sich S. letztlich als ein theo­lo­gisch konservativer Denker, wenn auch sein pro­vozierender religiöser Sozialismus evange­li­kale Leser zunächst vor den Kopf stoßen mag und er den Schwerpunkt seines Denkens allzu­sehr auf den politischen Auftrag der Kirchen legt. Daher verwundert es nicht, wenn seine frü­her so viel zitierte Formel von einem posi­ti­ven, kreativen, kritischen und realistischen gesell­schaftlichen Beitrag der Kirchen (50f) heu­te immer öfter kritisiert wird. Alle Anzei­chen deuten darauf hin, daß die von Simatu­pang wesentlich mitgeprägte „Pembangungan- (De­velop­ment-/Entwicklungs-) Theologie“ in Indo­nesien immer mehr von stärker befrei­ungs­theologischen Ansätzen verdrängt wird. Doch gerade deshalb hat es der am 1.1.1990 ver­storbene Simatupang verdient, daß sein Werk auch der außerindonesischen Öffent­lich­keit er­halten bleibt.

Dr. Christian Goßweiler, em 1996-1.

Smalley, William A. Translation as Mission. Bible Translation in the Modern Missionary Movement. Macon, Georgia: Mercer Univ. Press, 1991.

Wer war zuerst da: die Bibelübersetzung oder die Kirche? Hat die Übersetzung in die Sprache einer Volksgruppe deren Kirche entstehen las­sen oder hat eine bereits bestehende Kirche die Bibelübersetzung nötig gemacht? Beides ist in der Missionsgeschichte vorgekommen, wie die Übersetzung der Bibel z.B. ins Chinesische oder Malayische zeigt. Jesu Missionsauftrag lautet zwar nicht: „Übersetzt!“, aber um ihn zu erfüllen ist, indirekt, Bibelübersetzung als Mit­tel zur Festigung der Lehre notwendig. Trans­lation as Mission hat dieses Mittel zum Inhalt: seine Geschichte, seine Ausführenden, die Em­pfänger, die Wirkung. Für William Smalley sind die Empfänger ein wichtigerer Faktor als ich es anderswo gelesen habe. Da die Kultur eines Volkes der Sattel ist, auf dem die bibli­sche Aussage den Sitz im Leben findet, ergeht an den Übersetzer die Herausforderung: stu­diere nicht nur die alten Sprachen, sondern auch die Kultur und Sprache deiner Empfänger.

Der Autor, selbst Übersetzer und langjähri­ger Mitarbeiter der Bibelgesellschaften, spricht aus Missionserfahrung. Ich schätze seinen pragmatischen Ansatz, denn wozu ist eine noch so geschliffene Exegese nütze, wenn die Hörer und Leser sich nicht in die Jüngerschaft rufen lassen, weil sie den Ruf überhaupt nicht ver­standen haben? Smalley scheut sich nicht, hei­ße Eisen anzupacken, - wie z.B. Kirchenspal­tungen aufgrund von Übersetzungen oder Kul­turveränderung durch Mission - er stellt mis­sionarische Übersetzungsbemühungen in Frage, erklärt aber auch, warum einheimische Über­setzer in ähnliche Fehler verfallen können. Sei­ne Sicht ist realistisch und fair. Er kreidet nichts an, ohne auch Wege zur Verbesserung der Übersetzungsqualität zu zeigen. Seine wichtigste Empfehlung an die Übersetzer ist die der Absage an jegliche Überheblichkeit.

Der rote Faden durch das weitgefächerte Angebot des Verfassers ist die Frage, inwieweit eine Übersetzung den Zugang zur Bibel gibt, oder inwieweit sie gezwungenermaßen die ur­sprüngliche Aussage verändert.

Im einzelnen kann der Leser schnell in einer Übersicht nachschlagen: wer war der Überse­tzer ins Melanesische, ins Twi, oder ins Kikongo? Wie wurde Gottes Reden bekannt in Indien, in China, oder Peru? Dabei gibt das Buch Einblick in die Werkstatt von William Carey oder die von Maurice Leenhardt, und es beschreibt die weltumspannende Arbeit der Bi­belgesellschaften, des Sommerinstituts für Lin­guistik, sowie anderer Übersetzergemein­schaften. Es ist ein Buch zur Orientierung, zur Selbstprüfung für Übersetzer oder zur Vorbe­reitung auf diese Art von Missionsarbeit und zum Unterricht in Missiologie. Selbst wenn je­mand nicht übersetzt, wird er auf Fragen sto­ßen, die Smalley aufwirft: Wie lange hält der
Gebrauch einer Ausdrucksweise an, bevor sie modernisiert werden muß? Wann kann man sagen: eine Übersetzung liest sich gut? Wann ist sie eher hölzern, schwerfällig, wörtlich? Wann dynamisch, idiomatisch? Ist es möglich, den Lesern einen emotionalen Unterton zu ver­mitteln? Wie praktikabel sind Vorschläge, die Kommunikationsweise der oralen Tradition zu erhalten oder für die Bibelverbreitung auszulo­ten, wie z.B. Lieder, Drama, Rezitation?1

Christa Link, em 1994-2.

Smith, David W. Against the Stream. Christianity and Mission in an Age of Globalization. Leicester: IVP, 2003.

Der Autor dieser Aufsatzsammlung ist Missionswissenschaftler und lehrt Urban Mission and World Christianity am International Christian College in Glasgow, Schottland. In seinen bisherigen Veröffentlichungen hat er sich mit der sozialmissionarischen Kompenente im britischen Evangelikalismus (Transforming the World) und mit der missionarischen Verkündung im postmodernen Umfeld (Crying in the Wilderness) befasst. Hier legt er nun acht Aufsätze zu aktuellen missiologischen Themen vor: „Globales Christentum und die Heilung der Nationen“ (S.11-26) beleuchtet die Bedeutung des Evangeliums für die Globalisierung und die Versöhnung zwischen den Nationen. In „The Shape of Holiness in the Twenty-First-Century“ (S.27-43) geht es um historische Aspekte der Heiligungsbewegung und die missiologische Bedeutung von Heiligkeit in der Postmoderne. Weiterer Aufsätze befassen sich mit dem Zusammenhang zwischen Fundamentalismus und christlicher Mission (S. 80-99), der Mission in Afrika (100-113) und dem Islam in der westlichen Kultur (65-79). Die Aufsätze bieten auf knappem Raum interessante historische und zeitgenössisch-missiologische Perspektiven und regen zum Weiterdenken an. Eine informierte und pointierte Einführung in aktuelle missiologische Themen.

Dr. Friedemann Walldorf, em 2006-1.

Smith, David W. Transforming the World? The Social Impact of British Evangelicalism. Paternoster Press: Carlisle, UK, 1998.

Dies ist ein wichtiges Buch, das die Diskussion über das rechte Verhältnis von Evangelisation und sozialer Verantwortung befruchten kann, unabhängig davon, ob man Smith’ Aussagen und Schlußfolgerungen immer zustimmt oder nicht. Der Autor, seit 1990 Direktor des Nor­thumbria Bible College, geht von der These aus, daß die evangelikale Bewegung in Großbritan­nien aus der Erweckung des 18. Jahrhunderts hervorging und ihrem Wesen nach weltverän­dernd (world-transformative) war. Ihr gelang es, die Bekehrung des Einzel­nen als zentrale Mitte des Evangeliums festzu­halten und mit der Betonung sozialer Verant­wortung zu ver­binden.

Smith führt das darauf zurück, daß viele der leitenden Persönlichkeiten der ersten Genera­tion Calvinisten waren, die ihre geistli­chen Wurzeln bewußt in der Reformation Calvins und im Puritanismus suchten. Sie gin­gen grundsätzlich davon aus, daß die Verkün­digung des Evangeliums zunehmend wesentli­che so­ziale Konsequenzen haben würde und haben muß.

Smith weist darauf hin, daß die führenden Evangelikalen der ersten Generation über­zeugte Postmillennialisten waren, was wie­derum ihre Ansicht bestärkte, daß die Verbrei­tung des Evangeliums soziale Auswirkungen hat und haben muß. Sie erwarteten den An­bruch eines goldenen Zeitalters kurz vor der Wiederkehr Jesu. Die sozialen Veränderungen im Zuge der Erweckungsbewegung unter John Wesley deuteten sie als Zeichen der Zeit und als Kün­der eines globalen Zeitalters, in dem Frieden und Gerechtigkeit herrschen würden.

Smith geht der Frage nach, ob die evangeli­kale Bewegung in Großbritannien die Welt tatsäch­lich verändert hat oder ob sie selbst durch den Einfluß der Moderne verän­dert wurde. Er stellt damit die gleiche Frage im Blick auf den Evangelikalismus, die Soziolo­gen wie Max Weber, Emile Durkheim und Bryan Wilson allgemein im Blick auf die Rolle der Religion gestellt haben. Die Mehrzahl der Soziologen geht davon aus, daß die Bedingun­gen und Faktoren der modernen, industriali­sierten Kul­turen die soziale Bedeutung der Re­ligion not­wendigerweise unterhöhlt. Die Reli­gion und die religiöse Überzeugungen werden auf die private Sphäre zurückgedrängt.

In fünf faszinierenden Kapiteln untersucht Smith diese Fragen anhand von Aussagen, Veröffentlichungen und sozialen Bemühungen der britischen Evangelikalen in den letzten bei­den Jahrhunderten; der sich verändernde Me­thodismus nach dem Tode John Wesleys 1791; die Entstehung des anglikanischen Evangeli­kalismus; die Bemühungen um die politisch Einflußreichen und die wachsende Mittelklasse mit der Gefahr, die bestehende soziale Ord­nung der Herrschenden zu zementieren und die Aspirationen der Armen zu enttäuschen; den abnehmenden Einfluß eines optimistischen Postmillennialismus und die zunehmende Be­deutsamkeit eines mehr apokalyptischen Ver­ständnis der Geschichte (Prämillennialismus, John Nelson Darby); die Spaltung der evange­likalen Bewegung in eine Mehrheit, die das Establishment als Bollwerk gegen das Chaos sahen, und in eine Minderheit, die es als größ­tes Hindernis für die Ausbreitung der Herr­schaft Christi sahen; die einsamen Rufer in der Wüste (Edward Miall, Thomas Guthrie, An­drew Mearns, William Booth und Charles Haddon Spurgeon); viktorianischer Evangeli­kalismus im Zeitalter Charles Darwins und Charles Dickens; abnehmender Einfluß, Wie­dererstarken und Gefährung des Evangelika­lismus im 20. Jahrhundert.

In einem letzten Kapitel beschreibt Smith die Haltung zur sozialen Frage in sechs verschie­denen Strömungen des Evangelikalis­mus in Großbritannien (mainstream of modern Evan­gelicalism, evangelical Anglicans, evan­gelicals committed to Reformed theology, cha­rismatic House Churches, neo-Anabaptist Mo­vement and the Fundamentalists). Zum Ab­schluß zeigt der Autor die Aufgaben auf, die sich heute dem Evangelikalismus im Blick auf die soziale Veantwortung stellen.

Das Buch wirft eine Reihe hochinteressanter Fragen auf und fordert zur Auseinandersetzung heraus, gerade auch dort, wo man dem Autor nicht folgen will, z. B. bei der Bewertung des negativen Einflusses der Betonung der Unfehl­barkeit der Schrift auf die soziale Verantwor­tung. Manche soziale Entwicklungen werden wohl zu einseitig oder vorschnell auf be­stimmte theologische Überzeugungen zurück­geführt. Nicht alle Kapitel sind gleich gut re­cherchiert oder dargestellt.

Das Buch ist sorgfältig ediert. Ich habe nur einen Druckfehler gefunden. Mit 36.00 DM ist das Buch für ein Paper­back mit 146 Seiten al­lerdings nicht ganz billig.

Dr. Dietrich Kuhl, em 1999-3.

Smith, Marilyn B.; Ingrid Kern (Hg.). Ohne Unterschied? Frauen und Männer im Dienst für Gott. Brunnen: Gießen, 2000.

Diese Studie der Kommission für Frauenfragen der Weltweiten Evange­lischen Allianz (World Evangelical Fellowship) hat bereits in ihrer engli­schen Fassung viel Staub aufgewirbelt, wurde sie doch als einseitiges Plä­doyer der WEA für die Frauenordination verstanden oder besser mißver­standen. Denn weder erhebt die Studie irgendeinen Autoritätsanspruch - sie will lediglich als Diskussionsbeitrag von füh­renden evangelikalen Frauen aus allen Erdtei­len verstanden werden - noch stellt sie irgendwel­che konkreten Forderungen wie die Frauenordination, sondern bittet nur darum, die Auslegung einschlägiger Schriftstellen neu zu überdenken und zu über­prüfen, ob die Rolle der Frau in evangelikalen Gemeinden und Werken wirklich der Würde der Frau und dem biblischen Zeugnis gerecht wird. Dazu werden einerseits Bibeltexte behandelt, die die Würde der Frau als Geschöpf und als Kind Gottes un­terstreichen, andererseits ausführlich die tradi­tionelle (im Buch wird ‘traditionalistisch’ ge­sagt, aber ‘traditionell’ wäre besser, denn das englische ‘traditional’ hat keinen negativen Beige­schmack) Auslegung der klassischen Bi­beltexte zur Rolle der Frau (bes. 1Mose 1-3, 1Kor 11+14 und 2Tim 3) mit der inzwischen verbreiteten ‘gabenorientierten’ Sichtweise verglichen (vgl. bes. die übersichtliche Ge­genüberstellung S.149-152). Die traditionelle Sichtweise wird korrekt und nicht polemisch be­schrieben. Die ‘neue’, ‘gabenorientierte’ Sicht, wie sie hier vorgetragen wird, verzichtet völlig auf bibelkritische Ansätze (z. B. Texte gelten als zeitbedingt oder später eingefügt), sondern geht ebenfalls von der Gültigkeit der biblischen Normen aus, meint aber, dass viele Texte bisher mit außerbiblischen Vorurteilen gelesen wurden. Das Buch bietet einen ausge­zeichneten Vergleich zwischen den beiden evangelikalen Sichtweisen und benennt die konkreten exegetischen Entscheidungen, die beiden Sichtweisen zugrunde liegen. Es bietet sich daher als Gesprächs­grundlage für ein sachliches und konkretes Gespräch an.

Dr. Thomas Schirrmacher, em 2001-1.

Solheim, Magne. Im Schatten von Haken­kreuz, Hammer und Sichel. Judenmissionar in Rumänien 1937-1948. Erlangen: Verlag der Ev. Luth. Mission 1986.

Dies ist der erste Teil einer aus dem Norwegi­schen übersetzten Autobiographie. Der junge norwegische Theologe Solheim trat 1936 in den Dienst der Norwegischen Israelmission, bereitete sich am Institutum Judaicum Delitzschianum in Wien vor und wirkte von 1938-1948 in Galatz, Rumänien missionarisch unter Juden. Dabei wurde er für viele in den 6 Jahren nationalsozialistischer Herrschaft zum Lebens­retter. Nach 4 Jahren Kommunismus wurde er wie alle verbliebenen ausländischen Missionare des Landes verwiesen und zog nach Israel. Daß er Missionar war und auch jüdische Gedanken und Gefühle zum Ausdruck bringen konnte, unterscheidet ihn wohl von vielen anderen Helfern der Juden in jener Zeit. Als wertvolles Zeitzeugnis und ein Stück rumänischer Ge­schichte durchaus aktuell!

Gundula Richter, em 1993-1.

Solon, Gidada. Jenseits der Dunkelheit, Hrsg. Gerd Röhm, Köln: Rüdiger Köppe Verlag, 2003.

Es ist die faszinierende Geschichte der Ausbreitung des Evangeliums in West-Äthiopien zwischen 1920 und 1975. Faszinierend, weil ein Einheimischer sie erzählt. Das besondere daran: der Einheimische ist ein Blinder, der zum „Apostel der Oromo“ wurde. Der „blinde Apostel“ Gidada Solon (1901-1977) ist der Vater des vorletzten Staatspräsidenten Äthiopiens, Dr. Negasso Gidada (von 1995 bis 2001).

Das Buch beschreibt die Lebensgeschichte und die Missionstätigkeit Gidadas, wie er sie zwei Missionarinnen erzählte. Mit 5 Jahren erblindet, entwickelte er eine erstaunliche Fähigkeit, Einzelheiten im Gedächtnis zu behalten und viele Gespräche in wörtlicher Redewendung wiederzugeben. Das macht diese besondere ‘Autobiographie’ abwechslungsreich und leicht zu lesen. Wie nebenbei erfährt man vieles über die Kultur der Oromo in dieser Zeit und auch einiges über allgemeine geschichtliche Ereignisse in Äthiopien. Die Missionare der Sudan Missionary Association, die 1919 die erste Missionsstation in West-Äthiopien aufbauten, spielen in der Erinnerung Gidadas keine Hauptrolle. Hauptakteure dieser Missionsgeschichte sind die einheimischen Evangelisten und späteren Pastoren, die sich unermüdlich und ohne Furcht für die Ausbreitung des Evangeliums einsetzten. In den ersten Jahren zogen sie als Laien mit brennendem Eifer von Dorf zu Dorf und bezeugten ihren Glauben. Später erhielten einige eine Ausbildung und wurden ordiniert, darunter auch Gidada.

Als blinder Bettler kam er in Kontakt mit den Missionaren und nach seiner Bekehrung evangelisierte er zuerst unter den Bettlern. Viele Menschen nahmen das einfache Zeugnis des Blinden ernst und fanden zu Christus. Später lernte er bei den Missionaren Englisch und die Brailleschrift. Die Bibelteile in Braille wurden ab da seine ständigen Begleiter. Es ist beeindruckend zu lesen, wie der „Apostel Gidada“, ähnlich wie die Apostel in neutestamentlicher Zeit, Wochen und Monate zusammen mit Begleitern zu Fuß von Ort zu Ort zog, evangelisierte, Gemeinden gründete, Älteste einsetzte und die Gemeinden erneut besuchte und ihnen in schwierigen Situationen zur Seite stand.

Gidada schildert die Ereignisse chronologisch, aber der aufmerksame Leser entdeckt dabei nebenbei die Grundzüge des Gemeindeaufbaus der sog. ‘Bethelkirchen’, ihre kulturellen Besonderheiten, die Widerstände und Rückschläge, aber auch das beständige Wachstum. Wer in dem Buch thematisch etwas zur angewandten Missionsstrategie, zu Gemeindewachstumsfaktoren, zur Auseinandersetzung mit dem Schamanentum oder Ähnlichem sucht, muss mühsam zwischen den Geschichten und Erzählungen danach suchen, aber er wird fündig werden. Interessant ist die Entwicklung dieser unabhängigen Gemeinden, wie sie sich behutsam aber überzeugt neben der Äthiopisch Orthodoxen und der Römisch-Katholischen Kirche behaupten.

Auch wenn Gidada die Ereignisse seines Lebens und seiner missionarischen Tätigkeit aus subjektiver Sicht schildert, ist es ein wichtiger Beitrag zur Missions- und Kirchengeschichte Äthiopiens. Das Vorwort und die Anhänge (Zeittafel, Fotos, Landkarte) enthalten hilfreiche Ergänzungen zur Geschichte Äthiopiens und Daten über wichtige missionarische und kirchliche Entwicklungen bis heute.

Friedhelm Haas, em 2004-3. 

Spartalis, Peter James. Karl Kumm - Last of the Livingstones. Pioneer, Missionary, Statesman. Nachwort von E. Troeger. Deu­tsche Zusammenfassung von C. Sauer, edition afem - mission Scripts 2. Bonn: VKW 1994, 116 S., DM 19,80.

Noch immer ist das Kenntnisdefizit zur Person Hermann Karl Wilhelm Kumms in Gemeinde- und Missionskreisen auffallend groß. Nur wenigen Insidern ist sein Leben und Werk bekannt. Nur wenige wissen, daß Kumm vor der Gründung der Sudan United Mission (SUM, heute: Action Partners) auch die deut­sche Sudan-Pionier-Mission (SPM) ins Leben gerufen hat. Dies soll sich nun durch die in Englisch abgefaßte Kurzbiographie ändern.

Dabei empfiehlt sich der Australier Peter James Spartalis als Autor für diese Studie. Als Missionshistoriker doziert er an der Nairobi Evangelical Graduate School of Theology, Kenia. Seine umfassenden Kenntnisse zur Per­son Kumms bezieht Spartalis aus seiner inten­siven Einarbeitung in das SUM-Archiv, zahl­reichen Besuchen und missionarischen Kurz­zeiteinsätzen in den Ländern, in denen Kumm wirksam war und aus seiner Zugehörigkeit zum Heimatvorstand der SUM in Australien / Neu­seeland.

In den ersten zehn Kapiteln stellt der Autor das Leben und Werk Kumms vor, bevor er seine Studie mit einer kurzen Auswertung abrundet. Die sich anschließende Bibliogra­phie, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, stellt ein wertvolles Hilfsmittel für die weitere For­schungsarbeit dar. Das Nachwort von E. Troe­ger, dem Leiter der Evangeliumsgemeinschaft Mittlerer Osten (EMO), bietet einen Abriß der historischen Entwicklung der SPM nach der Trennung von Kumm. Eine deutsche Zusam­menfassung erleichtert sicher manchem Leser den schnelleren Zugang zum Inhalt der Lektüre.

Wer ist nun H.K.W. Kumm? Ein bahnbre­chender Visionär, ein leidenschaftlicher Pio­nier, ein opferbereiter Leiter, ein unaufhaltsa­mer Missionsstratege, ein überzeugter Inter-denominationalist, ein feuriger Redner und begabter Autor.

Jeder, der die feine Studie von Spartalis in die Hand nimmt, wird Mühe haben, sie beiseite zu legen, ohne sie bis zu Ende gelesen zu haben. Es gelingt dem Autor, den Leser zu fes­seln und herauszufordern, indem er Kumms Vision für die noch unerreichten Völker vom Niger bis zum Nil und dessen Bereitschaft, jedes Opfer für die Verwirklichung seiner Vision zu bringen, herausstellt.

Das erklärte Ziel des Autors ist, die breite christliche Öffentlichkeit über die herausra­genden Leistungen des Missionspioniers zu informieren. Grundsätzlich könnte die in gut lesbarem Stil abgefaßte Arbeit dies auch lei­sten. Praktisch allerdings muß dieses Ziel für die anglophone Welt nur ein Wunsch bleiben, solange die Auflagenhöhe nicht drastisch gesteigert werden kann. Für die deutschspra­chige Leserschaft müßte der größeren Breiten­wirkung wegen eine deutsche Version dieser Studie, oder besser eine unabhängige deutsche Kumm-Biographie erstellt werden. Mit der vorliegenden Fassung werden bestenfalls stark missionsinteressierte Leser bzw. die Fachwelt erreicht. Dies wird sich auch durch die deut­sche Zusammenfassung am Ende der Biogra­phie nicht wesentlich ändern.

Auf einige inhaltliche Schwächen sei abschließend noch hingewiesen. Leider hat Spartalis die Quellen der deutschen SPM und auch der englischen Nordafrikamission (NAM; heute Arab World Ministries, AWM) nicht mit eingearbeitet, worunter die Darstellung des „frühen Kumm“ (1898-1902) erheblich leidet. So kommt z.B. das seelsorgerliche Ringen des SPM-Vorstandes um den jungen Kumm im Vorfeld der Trennung überhaupt nicht zur Sprache. Ebenso könnte das Quellenmaterial der NAM einen wichtigen Beitrag zur Erhel­lung der frühen Missionstätigkeit Kumms und seiner Persönlichkeit leisten.

Auffallend ist auch, daß Spartalis sich über die letzten Lebensjahre Kumms in den USA ziemlich ausschweigt, sodaß auch der „späte Kumm“ größtenteils im Dunkeln bleibt. Auch wenn der Autor hier und da auf Schwierigkei­ten der Arbeit Kumms und auch auf Kritik an seiner Person hinweist, muß die gesamte Dar­stellung als relativ unkritisch bezeichnet wer­den. Den Anspruch, eine wissenschaftlich
erschöpfende und ausgewogene Darstellung des Lebens und Werkes Kumms zu präsentie­ren, kann diese Studie somit nicht erheben (was sie auch nicht tut). Sie kann aber wohl Anstoß und Grundlage für eine solche sein.

Es bleibt das Verdienst von Spartalis, das lange Schweigen zur Person Kumms gebrochen zu haben und als Vertreter der SUM in einer beispielhaften Kooperation mit der EMO das Erscheinen dieser Kurzbiographie ermöglicht zu haben. (Dadurch konnten auch historische und geographische Unrichtigkeiten, verbunden mit der Anfangszeit der SPM und der späteren Entwicklung der EMO und der Schweizeri­schen Evangelischen Nilland Mission, SENM, korrigiert werden.) Damit hat er einen wichti­gen Beitrag zur Aufarbeitung des Kummschen Erbes und der historischen Entwicklung beider Missionen geleistet.

Gerald Lauche, em 1995-3.

Spartalis, Peter James. Karl Kumm - Last of the Livingstones: Pioneer, Missionary, Sta­tesman, Nachwort von Eberhard Troeger, deutsche Zu­sammenfassung von Christoph Sauer, edition afem - mission scripts 2, Verlag für Kultur und Wissenschaft: Bonn, 1994.

Noch immer ist das Kenntnisdefizit zur Person Hermann Karl Wilhelm Kumms in Gemeinde- und Missionskreisen auffallend groß. Nur we­nigen Insidern ist sein Leben und Werk be­kannt. Nur wenige wissen, daß Kumm vor der Gründung der Sudan United Mission (SUM, heute: Action Part­ners) auch die deutsche Su­dan-Pionier-Mission (SPM) ins Leben gerufen hat. Dies soll sich nun durch die in Englisch abgefaßte Kurzbiographie ändern.

Dabei empfiehlt sich der Australier Peter James Spartalis als Autor für diese Studie. Als Missionshistoriker doziert er an der Nairobi Evangelical Graduate School of Theology, Kenia. Seine umfassenden Kenntnisse zur Per­son Kumms bezieht Spartalis aus seiner inten­siven Einarbeitung in das SUM-Archiv, zahl­reichen Besuchen und missionarischen Kurzzeitein­sätzen in den Ländern, in denen Kumm wirksam war und aus seiner Zu­gehörigkeit zum Heimatvorstand der SUM in Australien/ Neuseeland.

In den ersten zehn Kapiteln stellt der Autor das Leben und Werk Kumms vor, bevor er seine Studie mit einer kurzen Auswertung ab­rundet. Die sich anschließende Bibliographie, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, stellt ein wertvolles Hilfsmittel für die weitere For­schungsarbeit dar. Das Nachwort von E. Tro­eger, dem Leiter der Evangeliumsgemeinschaft Mitt­lerer Osten (EMO), bietet einen Abriß der historischen Entwicklung der SPM nach der Trennung von Kumm. Eine deutsche Zusam­menfassung erleichtert manchem Leser den schnel­leren Zugang zum Inhalt der Lek­türe.

Wer ist nun H. K. W. Kumm? Ein bahnbre­chender Visionär, ein leiden­schaftlicher Pio­nier, ein opferbereiter Leiter, ein unaufhaltsa­mer Missions­stratege, ein überzeugter Interde­nominationalist, ein feuriger Redner und be­gabter Autor.

Jeder, der die feine Studie von Spartalis in die Hand nimmt, wird Mühe haben, sie beiseite zu legen, ohne sie bis zu Ende gelesen zu ha­ben. Es gelingt dem Autor, den Leser zu fes­seln und herauszufordern, indem er Kumms Vision für die noch unerreichten Völker vom Niger bis zum Nil und dessen Bereitschaft, je­des Opfer für die Verwirklichung seiner Vision zu bringen, herausstellt.

Das erklärte Ziel des Autors ist, die breite christliche Öffentlichkeit über die herausra­genden Leistungen des Missionspioniers zu in­formieren. Grundsätzlich könnte die in gut les­barem Stil abgefaßte Arbeit dies auch leisten. Praktisch allerdings muß dieses Ziel für die an­glophone Welt nur ein Wunsch bleiben, so­lange die Auflagenhöhe nicht drastisch gestei­gert werden kann. Für die deutschsprachige Leserschaft müßte der größeren Breitenwir­kung wegen eine deutsche Version dieser Stu­die, oder besser eine unabhängige deutsche Kumm-Biographie erstellt werden. Mit der vorliegenden Fassung werden bestenfalls stark missionsinteressierte Leser bzw. die Fachwelt erreicht. Dies wird sich auch durch die deut­sche Zu­sammenfassung am Ende der Biogra­phie nicht wesentlich ändern.

Auf einige inhaltliche Schwächen sei ab­schließend noch hingewiesen. Leider hat Spartalis die Quellen der deutschen SPM und auch der engli­schen Nordafrikamission (NAM; heute Arab World Ministries, AWM) nicht mit eingearbeitet, worunter die Darstellung des „frühen Kumm“ (1898-1902) erheblich leidet. So kommt z.B. das seelsorgerliche Ringen des SPM-Vorstandes um den jungen Kumm im Vorfeld der Trennung überhaupt nicht zur Sprache. Ebenso könnte das Quellenmaterial der NAM einen wichtigen Beitrag zur Erhel­lung der frühen Missionstätigkeit Kumms und seiner Persönlichkeit leisten.

Auffallend ist auch, daß Spartalis sich über die letzten Lebensjahre Kumms in den USA ziemlich ausschweigt, so daß auch der „späte Kumm“ größtenteils im Dunkeln bleibt. Auch wenn der Autor hier und da auf Schwierigkei­ten der Arbeit Kumms und auch auf Kritik an seiner Person hinweist, muß die gesamte Dar­stellung als relativ unkritisch bezeichnet wer­den. Den Anspruch, eine wissenschaftlich er­schöpfende und ausgewo­gene Darstellung des Lebens und Werkes Kumms zu präsentieren, kann diese Studie somit nicht erheben (was sie auch nicht tut). Sie kann aber wohl Anstoß und Grundlage für eine solche sein.

Es bleibt das Verdienst von Spartalis, das lange Schweigen zur Person Kumms gebro­chen zu haben und als Vertreter der SUM in einer beispiel­haften Kooperation mit der EMO das Erscheinen dieser Kurzbiographie ermög­licht zu haben. (Dadurch konnten auch histori­sche und geographi­sche Unrichtigkeiten, ver­bunden mit der Anfangszeit der SPM und der späteren Entwicklung der EMO und der Schweizerischen Evangelischen Nilland Mis­sion, SENM, korrigiert werden.) Damit hat er einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung des Kummschen Erbes und der historischen Ent­wicklung beider Missionen geleistet.

Gerald Lauche, em 1996-1.

Spohn, Elmar. Mission und das kommende Ende: Karl Hartensteins Verständnis der Eschatologie und dessen Auswirkungen auf die Mission. Verlag der Liebenzeller Mission: Bad Liebenzell, 2000.

Prälat Karl Hartenstein war der Basler Mission eng verbunden und ein großer Förderer von Mission und weltweiter Ökumene. In dieser vom AfeM preisgekrönten Arbeit wird zwar auch sein Leben kurz skizziert und grundsätz­lich seine Theologie aus den Quellen erhoben, aber der Schwer­punkt liegt auf seiner Escha­tologie und ihrer Aktualität (S. 47-87+129-167) und auf der Auswirkungen auf die Missi­onstheologie Hartensteins und auf die Welt­missionskonferenzen 1938-1952. Die Arbeit ist gut aus den Quellen recheriert und flüssig ge­schrieben.

Hartenstein grenzte sich nach Spohn gegen vier Bewegungen ab (S.30-35): 1. die Keryg­matheologie Bultmanns, 2. den Fundamenta­lismus, 3. den Dispensationalismus und 4. ge­gen „die lutherische Individualisierung des Erlösungswerkes Christi“ (S.30). Israel spielte in seiner Eschatologie eine große Rolle, aber gegen den Dispensationalismus lehnte er die Fort­dauer der Landverheißung für Israel - ebenso wie die Vorentrückung der Gläubigen - ab (S.65-78). Von der reichsgeschichtlichen Offenbarungs­auslegung geprägt, verstand er die Kirche vor allem als leidende Minder­heitenkirche, weswegen die Theologie des Martyrium seine Eschatologie und Missiologie bestimmte (bes. S.54-59). Seine fehlende Grundsatzkritik am Dritten Reich verhinderte allerdings die Anwendung dieser Sicht auf die Kirche unter dem Nationalsozialismus (S.62-63). Der Martyriums­theologe Hartenstein wurde – je länger desto mehr – im Gegensatz zum frühen Hartenstein mehr und mehr zu ei­nem Verfechter der Allversöh­nungslehre württembergischer Prägung (S.79-87).

Etwas mühsam scheint mir der Versuch, die Auswirkungen der Escha­tologie und Missiolo­gie Hartensteins über die Weltmissionskonfe­renzen hinaus bei George W. Peters und der Lausanner Verpflichtung ebenso wie im 2. Va­tikanischen Konzil oder den Pfingstmissionen (S.92ff) und manch anderen Stellen zu zeigen. Zumal sich in allen Fällen nur die Parallele er­gibt, daß die Eschatologie für die Missions­theologie wichtig ist, während die jeweils kon­krete Eschatologie sich stark von Hartenstein unterschei­det. Zwar wird zugegeben, daß es sich praktisch immer um selbstständig entstan­dene parallele Aussagen und Bewegungen handelt, aber es wird von „Auswirkungen“ und „Aufnahme“ der Sicht Hartensteins gesprochen und dadurch der Eindruck erweckt, als hätte Hartenstein über den würt­tembergischen Be­reich hinaus großen Einfluß gehabt. Hier hätte man sich eine klare Unterscheidung zwischen echter und nachweisbarer Beeinflus­sung durch Hartenstein und von ähnlich denkenden Bewe­gungen ge­wünscht. Auch die zitierte Aussage, daß Hartenstein mit Barth und Brun­ner zu Leb­zeiten die theologische Szene Westeuropas dominiert hätte (S. 19), scheint mir doch zu weit zu gehen. Dazu war Hartenstein einfach nicht bibelkritisch genug!

Dr. Thomas Schirrmacher, em 2000-4.

Spohn,Elmar. Die Allianz-Mission und der Bund Freier Evangelischer Ge­meinden. Die Geschichte ihrer Be­zie­hung und deren theologische Begrün­dung (Geschichte und Theologie der Freien Evangelischen Gemeinden, Band 6.1), Witten: Bundes Verlag, 2011.

Die Geschichte der Allianz-Mission (AM) als einer der frühen deutschen Glaubensmissionen ist bis heute noch weitgehend unerforscht. Es ist daher von großem wissenschaftlichen Interesse, dass der Verfasser des vorliegenden Buches einen Teilaspekt dieser noch sehr im Dunklen liegenden Vergangenheit der AM erforscht hat und sie ans Licht bringt. Er konzentriert sich dabei si­cherlich auf eine der interessantesten Ent­wicklungen innerhalb der AM: Ihr Weg von einer dezidiert interdeno­mina­tionellen Glaubens- und Allianzmission hin zu einer im wesentlichen denomina­tionellen Mission des Bundes Freier Evan­gelischer Gemeinden (FeG) in Deutsch­land. Diese Entwicklung ist in Deutschland einzigartig und von daher doppelter Aufmerksamkeit wert. Dem Autor ist es weiter wichtig, seine Arbeit auch in einen größeren Horizont der theologischen und kirchenpolitischen Aus­einandersetzungen zu stellen, die um eine adäquate Zuordnung von Mission und Kirche geführt wurden. Gut doku­mentiert ist diese Diskussion im Raum der evangelischen Landeskirchen. Die parallel dazu verlaufende Geschichte innerhalb der Freikirchen und ihren Missionen bildet dagegen noch eine Forschungslücke. Die vorliegende Arbeit beleuchtet nun eindrücklich diese Ent­wicklung für den speziellen Bereich der FeG. Dabei hatte der Autor mit ver­schiedenen Hindernissen zu kämpfen. Vor allem ist die Quellenlage zur Geschichte der AM sehr schwierig, da durch den Zweiten Weltkrieg wichtige Primärquellen vernichtet wurden. Es ist nun ein besonderes Verdienst Spohns, dass er zum ersten Mal überhaupt für die AM die ihm noch verfügbaren Archi­valien sinnvoll ordnend zusammen­stellte, dokumentierte und in Bezug auf sein Thema auswertete. Dadurch wurde wichtige Vorarbeit geleistet, um später einmal eine Gesamtdarstellung der Ge­schichte der AM zu schreiben.

In den vier Hauptkapiteln gelingt es dann dem Autor unbekanntes Quellenmaterial sinnvoll zu verarbeiten, Verknüpfungen herzustellen, Personen in ihrer Prägung und Bedeutung für die AM zu skizzieren und kreativ (da, wo er nur auf Ver­mu­tungen angewiesen ist) eine plausible Entstehungs- und Entwicklungs­ge­schich­te der AM und ihre Beziehungen zu den FeGs herzustellen.

Spohn erkennt auch richtig die theologie- und erweckungsgeschichtlichen Hinter­gründe, Zusammenhänge und Prägungen der AM in ihrer Frühphase (Heilungs- und Heiligungsbewegung) und zeigt die wachsende Denominationalisierung der AM und auch der FeG auf. So entsteht eine spannende Darstellung der sehr wechselvollen Geschichte der Be­zie­hungen zwischen der AM, der FeG und anderer Missionen (z.B. der Neu­kir­chener oder der China-Inland-Mis­sion) und verschiedener Kirchen auf. Über­raschend ist am Ende das Ergebnis der Untersuchung Spohns: Es waren auf Seiten der AM keinesfalls theologische oder ekklesiologische Gründe, die zur Eingliederung der AM in den Bund der FeG führten. Vor allem pragmatische Gesichtspunkte leiteten die Verant­wort­lichen, um den Zusammenschluss zu vollziehen, wobei auf Seiten des Bundes der FeG die wachsende Kirchwerdung eine wichtige Rolle spielte; man wollte als FeG auch selber Mission betreiben und als Gemeindebund mitbestimmen. Richtig bemerkt der Autor jedoch in seiner kritischen Würdigung, dass die recht schwache theologisch-ekklesio­lo­gische Grundlegung des Verhältnisses von Gemeinde und Mission bis heute im Bund der FeG noch weiterer theo­lo­gischer Reflexion bedarf. Schade ist, dass Spohn es versäumte, die umfang­reichen Archive der Neukirchener und der Vereinigten Evangelischen Mission in Wuppertal-Barmen und Neukirchen zu konsultierten. Beide Missionen lagen der AM geographisch und im Falle der Neukirchener Mission auch theologisch und erweckungsgeschichtlich sehr nahe. Hier schlummert sicherlich noch manche Primärquelle, die dazu beitragen könnte, die verlorengegangenen Archivalien der AM zu ersetzen und das Dunkel über manche Aspekte ihrer Geschichte zu erhellen.

Mit der vorliegenden Arbeit gelingt es Elmar Spohn, einen weiteren Baustein zur umfassenden Aufarbeitung der Ge­schichte der Glaubensmissionen beizu­steuern, welche Ende des 19. Jahr­hun­derts entstanden und der deutschen Mis­sions­bewegung neue Impulse gaben.

Prof. Dr. Bernd Brandl, em 2013-4.

Spuler-Stegemann, Ursula. Muslime in Deutschland – Nebeneinander oder Mitein­ander. Herder: Freiburg, 1998.

Ursula Spuler-Stegemanns Bestandsaufnahme des Islam in Deutschland ist sowohl kenntnis­reich als auch sehr anschaulich geschrieben. Der Schwerpunkt des Buches liegt auf dem türkischen Islam und seinen unterschiedlichen Gruppen und Strömungen, was an­gesichts der Zahlenverhältnisse (2,1 Mill. Türken von 2,7 Mill. Muslimen in Deutschland) durchaus ge­rechtfertigt ist.

Die Autorin bemüht sich um eine faire, aber zugleich realistische Darstellung der Lage. Ei­nerseits weckt das Buch bei seinen Lesern Ver­ständnis für die besonderen Schwierig­keiten der Muslime in Deutschland. Andererseits er­stickt es nicht in politischer Korrekt­heit, denn U. Spuler-Stegemann wagt es, auf existierende Probleme, etwa bei den hierzu­lande weitge­hend ungehinderten Aktivitäten extremistischer Gruppen deutlich hinzuwei­sen.

Gleichermaßen positiv überrascht der nur sel­ten gezogene Vergleich zwischen den weitrei­chenden Rechten der Muslime in Deutschland und der beängstigenden Lage der Christen in der islamischen Welt ebenso wert­voll die Er­örterung des gespaltenen Verhält­nisses der Muslime zur deutschen Verfassung, sowie die nüchterne Betonung der Tatsache, daß der Is­lam überall – auch in Deutschland – das Ziel verfolgt, die Scharia (das islamische Gesetz) durchzusetzen. Und schließlich muß eine Pro­fessorin für Türkisch und Religions­geschichte allzu dialogbereite Kirchenvertreter in unserem Land über muslimische Missi­onspraktiken un­ter Christen aufklären: „Die verständnisvolle Haltung mancher wohlmein­dender Kirchen­vertreter wird mit Wonne aus­genutzt“ (301), da oft gerade mit denjenigen muslimischen Grup­pen der Dialog gepflegt werde, die unter Be­obachtung des Verfas­sungsschutzes stehen. „Blauäugiger geht es wohl nicht“, so der mus­limische Original­kommentar. Stattdessen plä­diert die Autorin dafür, endlich die Unter­schiede zwischen Is­lam, Christentum und Ju­dentum „in aller Klar­heit herauszuarbeiten“. Der faire Eindruck des Buches wird unterstri­chen durch das andernorts gegebene Verspre­chen der Autorin, die verein­zelten pauschalen Aussagen über die „Aggressionen der Evange­likalen“ für eine weitere Auflage sorgsamer zu prüfen.

„Muslime in Deutschland“ – ein unentbehrli­ches Nachschlagewerk für jeden, der die vielen muslimischen Gruppen und ihre Aktivitäten in unserem Land besser verstehen möchte.

Dr. Christine Schirrmacher, em 1998-4.

Staats, Reinhart. Das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel. Historische und theologische Grundlagen. Darmstadt: Wis­senschaftliche Buchgesellschaft, 1996.

Das in seiner endgültigen Form 381 n. Chr. verabschiedete Glaubensbekenntnis der Kon­zile von Nizäa und Konstantinopel, das die meisten Kirchen an hohen Feiertagen im Got­tesdienst bekennen, spielt in der ökumenischen Diskussion eine immer größere Rolle, da es (bis auf einen kleinen Zusatz zum Heiligen Geist – „filioque“) das identische Bekenntnis der abend- und morgenländischen Kirchen ist. Der Kieler Kirchengeschichtsprofessor Rein­hart Staats hat in diesem Band das sonst nur verstreut zu findende Wissen über dieses Be­kenntnis allgemeinverständlich und dennoch gründlich belegt zusammengetragen. Vorge­schichte und Geschichte, liturgische und kir­chenrechtliche Funktion, sowie Theologie und Auslegung der einzelnen Aussagen ihrer histo­rischen Bedeutung entsprechend sind auf diese Weise sinnvoll unter einem Dach versammelt. Ein entsprechendes Werk zum Apostolischen Glaubensbekenntnis wäre wünschenswert.

Dr. Thomas Schirrmacher, 1997-1.

Stackhouse, John (Hg.). No Other Gods Before me: Evangelicals and the Challenge of World Religions. Grand Rapids: Baker, 2001.

Yong, Amos. Beyond the Impasse: Toward a Pneumatological Theology of Religions. Grand Rapids: Baker Academic, 2003.

„Evangelikale Theologen haben bisher über das Schicksal der vom Evangelium Unerreichten nachgedacht. Diese Frage, die an den Nerv evangelikaler Theologie und Mission rührt, ver­dient tatsächlich volle Beachtung. Aber es ist mit Sicherheit nicht die einzige Frage, die wir im Blick auf die Weltreligionen zu stellen ha­ben. Außerdem kann auch diese Frage außerhalb einer umfassenderen Theologie der Religionen nicht voll beantwortet werden. Dieses Buch will evangelikale Theologen zu diesem größeren Unterfangen anregen“ (aus dem Vorwort von John Stackouse in No Other Gods, meine Über­setzung). Nicht nur dieses Anliegen verbindet die beiden oben genannten Bücher von Stack­house und Yong, vielmehr hat Yong auch ein wichtiges Kapitel in dem von Stackhouse he­rausgegebenen Sammelband No other Gods geschrieben. No other Gods ist kein geschlosse­ner Entwurf. Vielmehr- hat J. Stackhouse, Pro­fessor of Theology & Culture am Regent Col­lege in Vancouver, eine Reihe prominenter evangelikaler Missiologinnen und Theologen aus den USA gebeten, ihre Perspektiven anzu­bieten.

Gerald R. McDermott, Professor elf Religion and Philosophy am Roanoke College, Salem, Virgi­nia, eröffnet den Reigen mit der provokanten Frage: „What if Paul Had Been from China? Reflections on the Possibility of Revelation in Non-Christian Religions“. Er vertritt die These, dass Juden und Christen immer auch von Men­schen aus anderen Religionen lernen konnten (Abraham lernt von Melchisedek, Petrus lernt durch die Begegnung mit Cornelius, Paulus zi­tiert heidnische Dichter). Von Jonathan Edward entlehnt er die Anschauung, dass sog. „Offenba­rungsmuster“ (revealed types) wie Tieropfer auch in anderen Religionen vorkommen, die sowohl als Anknüpfungspunkte: als auch als Verständnishilfe für biblische Aussagen helfen können. Ein weiterer wichtiger Beitrag stammt von Arnos Yong, einem charismatisch-evangelikaler Theologen, der aus Malaysia stammt, in Ameri­ka lebt und Professor am Bethel College, St. Paul, Minnesota ist. Sowohl in seinem Bei­trag „Discerning the Spirit(s) in the World of Religions“ in No other Gods als auch in seinem eigenen Werk Beyond the Impasse: Toward a Pneumatological Theology of Religions (Baker, 2003) plädiert Yong für eine evangelikale und pneumatologische Theologie der Religionen. D. h. der universal gegenwärtige Schöpfergeist Gottes ist in jedem Menschen aktiv und spielt darum auch in den Weltreligionen eine bewah­rende, offenbarende und heilsame Rolle. Im Vertrauen auf den Heiligen Geist können Chris­ten im Dialog mit Andersgläubigen deren Reli­gion besser verstehen, eigene Probleme erken­nen, zwischen Dämonischem und Göttlichem unterscheiden und Menschen zum Glauben an Jesus führen. Sein Ansatz ist komplex und kann hier nicht ausführlich gewürdigt werden, bietet aber wichtige Anstöße, und regt an, sich tiefer damit auseinanderzusetzen. Miriam Adeney, Anthropologin und Professorin für Global and Urban Ministries an der Seattle Pacific University stellt in ihrem Beitrag „Rajah Sulayman Was No Water Buffalo“ die Frage, ob Muslime Christen werden können, ohne den Islam als kulturell-religiöses System zu verlas­sen und ob sie in diesem System auch als Chris­ten wachsen können. Auf die erste Frage findet sie ein Teil-Ja, da der Islam als Kultur und Reli­gion auch Wahrheiten enthalte, die als Schritte zum Glauben dienen könnten. Auf die zweite Frage findet sie ein „Nein“, da das islamische System grundlegende biblische Wahrheiten (Gottessohnschaft Jesu, Kreuz und Auferste­hung Jesu etc.) ablehne und keine Gemeinschaft im Evangelium bieten kann. Sechs weitere Kapitel u.a. von dem indischen Theologen Ken R. Gnanakan (Generalsekretär der Asian Theological Association, Bangalore), Stanley J. Grenz (Professor am Carey Theologi­cal College und Regent College, beide Vancou­ver), Paul J. Griffiths (Buddhologe und Religi­onsphilosoph an der University of Illinois at Chicago) bringen Licht in die Thematik und werfen weitere Fragen auf.- Der Band lädt nicht zu uneingeschränkter Übereinstimmung ein, sondern stellt einen mutigen und sicherlich auch provokanten Versuch dar, einerseits eine erste Bilanz evangelikalen Denkens zum Thema zu bieten, andererseits die „Baustelle auszumessen“ und zur weiteren Bearbeitung anzuregen. Dabei scheuen sich manche Autoren nicht, auch ein­mal ungesicherten Boden zu betreten, um neue gangbare Wege zu finden.

Dr. Friedemann Walldorf, em 2005-4.

Stadler, Jürgen. Die Missionspraxis Christian Keyßers in Neuguinea 1899-1920: Erste Schritte auf dem Weg zu einer einheimischen Kirche, edition afem, Nürnberg: VTR, 2006.

Nach seinem Theologiestudium in Neu­en­dettelsau und Tübingen absol­vierte der Verfasser ein Gastvikariat und wurde 1992 Pfarrer in der Bayerischen Landes­kirche. Sein theologisches Interesse ver­tiefte er mit dieser biographisch-missio­logischen Untersuchung des Neuendet­tels­auer Missionars, Christian Keyßer (1877-1961), der von 1899 bis 1920 in Neuguinea tätig war. In 15 Kapiteln mit einer Fülle von Unterteilen zeichnet Stadler nach, wie Keyßer “sein Mis­sionskonzept intuitiv-situativ […] ent­wickelte und entfaltete” (S.31), was ich hier unter Berücksichtigung größerer Abschnitte versuche anzusprechen. (Zah­len zwischen runden Klammern (…) geben fortan Buchseiten an.)

Stadler skizziert Keyßers missio­na­ri­sches Werden von seiner Kindheit bis zum Abschluss der theologischen Aus­bildung (32-72). In seinem dritten Le­bens­jahr starb sein Vater, 10 Jahre später die Mutter, die ihn „immer wieder zum Guten ermahnte und zu GOTT wies“ (33). Trotzdem begann er „seelisch zu ver­wahrlosen“ (71) bis er nach Nürnberg kam. Bei seinem Oberlehrer der Indus­trieschule einquartiert, sah Keyßer diesen „Betbruder“, ohne Buch, „frei und frisch von der Leber weg“ beten (37). Hier kam er zum Glauben und vernahm den Ruf: „Du mußt Missionar werden“ (40-41). Darauf schrieb er an Inspektor J. Deinzer am Missionsseminar Neuendettelsau: „[Ich] möchte gerne in Ihre Anstalt eintreten, um dem Herrn als Missionar allein und mit allen Kräften zu dienen“ (44). Unter Bedingung einer doppelten Probezeit wurde er aufgenommen und erwarb sich „eine gründliche theolo­gische Ausbildung“ (55).

1899 traf Keyßer in Neuguinea ein. Sein erster Eindruck von den „braunen Spitz­buben [war] schauderhaft“ und die Ein­ge­wöhnungsphase auf der Station Sattel­berg schattenreich, jedoch nicht ohne Lichtstrahlen (73-146). „Wie wohl wir von Natur untüchtig und nichts sind, so kön­nen wir doch durch die Gnade Gottes etwas werden“, sagte er in seiner Or­di­nationspredigt (89). In diesem Bewusst­sein stürzte er sich mit Eifer in die Erforschung der Sprachen, Kultur, Re­ligion und Sitten der Papua und begann sich in kontextgemäßer Mis­sions­arbeit zu entfalten. Auch seine Ehe mit Emilie Heumann, die sich „als echte Mis­sio­narsfrau in den Dienst der Mission ein­brachte“ (90-91), der Kontakt mit an­de­ren Missionaren sowie Gustav War­necks Evangelische Missionslehre und die AMZ vertieften seine innovative Mis­sionspraxis.

In Kapitel 7-10 gibt Stadler detaillierte Nachzeichnungen über die Entwicklung der Sattelbergmission unter Keyßers Leitung von 1904 bis zur Haupt­kon­ferenz 1914. Dazu gehören Be­keh­rung und Erweckung der Papua (147-164); Taufunterricht und -praxis der Sattel­berg­gemeinde bis 1920 (165-183); Ent­stehung und Entwicklung der Sat­tel­berger Gemeindemission (184-250); die Sattelbergordnung bis 1914 (251-318). Stärker als andere Missionare stellte Keyßer seine europäische Kultur hinten an, tauschte manche Grundsätze Neuen­dettelsaus durch neue Akzente aus, adop­tierte melanesische Kommuni­ka­tions­for­men und suchte Zugang zu den Herzen der Heiden als Familie und Volk, ohne aber Kraft und Inhalt des Evan­ge­liums zu schmälern. Er rang um kollek­tiven „Stimmungsumschwung unter den Ein­hei­mischen“, die anfingen über die in ihrer Kultur verwurzelten Anschauungen wie balum (Initiationsritus und Geis­terkult unter den Jabêm; ngosa unter den Kâte), Krieg, Blutrache, Zauberei, Ah­nenkult und was sonst zu ihrer heid­ni­schen worldview gehört, nach­zu­denken (147; 478-482). „Das Gewissen wacht allmählich auf“, berichtete Key­ßer, wenn er „bei seinen Dorf­be­suchen vom Ver­söh­nungstod Jesu, vom Gericht und von letzten Dingen zu den Papua sprach“ (148; vgl. 99; 253). Ihm ging es weniger um Einzelbekehrung als um Klan- und Stammesbekehrungen, wie sie auch von Missionaren der Rheinischen Mission unter den Batak in Sumatra angestrebt wurden. An diesem Punkt bedauerte Keyßer, dass die Neuen­det­telsauer nicht als Missionare, sondern als Pastoren ausgebildet worden seien. „Das ist in etwa so, wie wenn man einen, der Offizier werden will, als Maurermeister ausbildet“, schrieb er (214-215). Daher investierte er alle geistigen, seelischen und physischen Kräfte, den „braunen Spitz­buben“ das Wort Gottes in ihrem sozial-kulturellen Kontext zu vermitteln, selbst wenn er von seinen Kollegen oft nicht verstanden wurde, wie Stadler ausführlich nachweist (253-318).

In den nächsten drei Kapiteln registriert der Verfasser die Entwicklung der Mis­sion in Neuguinea von der Konferenz 1914 bis Keyßers Rückkehr nach Deutsch­land sechs Jahre später: (a) Ver­lauf, Verhandlungen und Ent­schei­dun­gen der Hauptkonferenz erwiesen sich über­wiegend für Keyßer als Bestä­tigung, Anerkennung und Aufwertung seiner bis­herigen Arbeitsweise, wobei Karl Stecks Besuch und Verkündigung auf dem Sattelberg nicht übersehen wer­den dürfen (319-354). „Die Diskussion der Neuen­dettelsauer Missionare in den fol­genden Jahren zeigt jedoch, daß der Grundentscheidung und ihren missions­theo­logischen und -methodischen Impli­ka­tionen nicht ohne weiteres gefolgt wurde“ (354). (b) Das Ringen um Ver­ständnis missionstheologischer und -me­tho­discher Fragen, wie sie sich im in­di­ge­nen Kontext auf dem Missionsfeld unter Keyßers Leitung der Sattelberger Muttergemeinde und Umgebung mani­fes­tierten, hat sich im Rückblick mehr als eine Verhärtung als eine gegenseitige An­näherung der Position heraus­kris­tal­li­siert (355-444). (c) Auch zeigt Stadler, dass nach Ausbruch des 1. Welt­krie­ges die deutsche Kolonie „Kaiser-Will­helms-Land“ in Neuguinea an Australien ab­ge­geben wurde und wie die Mission sich unter der neuen Regierung bis Keyßers Rückkehr nach Deutschland 1920 ent­wickelte (445-467; 15-31). 

Die letzten Kapitel stehen unter den Themen „Ergebnis“ und „Anhang“ (468-559). Unter Ergebnis gewährt Stadler den Lesern ein einsichtsreiches Profil von „Christian Keyßer als Missionar“ (468-470) und „Christian Keyßer als Missionstheologe“ (471-477), was nur durch Keyßers eigenes Schriftgut über­troffen werden kann. Der „Anhang“ be­steht aus hilfreichen Texten, Karten, Begriffs- und Abkürzungs­verzeich­nis­sen. Der gesamte Text ist mit einer An­zahl von Zitaten aus primären und sekundären Quellen sowie mit 1998 Fuß­noten und einem 36seitigen Lite­ra­tur­nachweis untermauert. Das spricht für Umfang und Gründlichkeit der Arbeit, die sowohl Studierenden und Lehrenden als auch Pastoren und Missionaren bes­tens zu empfehlen ist. Nur schade, dass dem Buch ein Sach- und Namenregister fehlt.

Prof. em. Dr. Dr. Hans Kasdorf, em 2009-3.

Stark, Rodney. Der Aufstieg des Christen­tums: Neue Erkenntnisse aus soziologischer Sicht. Beltz Athenäum: Weinheim, 1997.

Selten war eine soziologische und eine auf die frühe Kirchengeschichte bezogene Studie so aufschlußreich für die Missionswissenschaft, wie diese 1996 an der Princeton University er­schienene Studie „The Rise of Christianity“. Die Thesen Starks sorgen seit­dem für viel Dis­kussionsstoff. Einige Thesen seien kurz ge­nannt:   

1. Das Christentum breitete sich in den ersten vier Jahrhunderten fast ausschließlich inner­halb des Freundes- und Bekanntenkreises ent­lang soziologischer Strukturen durch Einzelbekeh­rungen aus. Persönliche Beziehun­gen waren das Geheimnis des Erfolges der Christen.    

2. Die ersten Christen waren größtenteils nicht arm, sondern stammten aus dem wohlhabenden Mittelstand, was auch die Finanzierung der Missionsarbeit sicherstellte.

3. Der entscheidende Faktor waren die Frauen, die dann oft anschließend ihre Männer für das Christentum gewannen. Sie bekehrten sich nicht nur häufiger, sondern waren auch unter den christlichen Kindern in der Überzahl, da Mädchen und Jungen bei Christen als gleich­wertig galten, während die Heiden soviele Mädchen töteten, daß es statistisch einen enormen Männerüberhang gab.           

4. Das Christentum wuchs in den ersten vier Jahrhun­derten statistisch verhältnismäßig gleichmäßig, so daß die Suche nach außeror­dentlichen Wachstumsfaktoren zu bestimmten Zeiten überflüssig ist.           

5. Ein wesentlicher Wachstums­faktor war die höhere Kinderzahl der Christen, da diese gegen Abtreibung und Kindesausset­zung - namentlich von Mädchen - waren, was zudem Adoptionen einschloß, und intakte Familien hatten.

6. Ein weiterer we­sentlicher Faktor war der so­ziale Einsatz von Christen zu Zeiten von Seu­chen, der mehr Christen überleben ließ als Heiden und viele Heiden zu Christen werden ließ.

7. Konstantin machte das Christentum zur Staatsreligion, da dieses sich durch Bekehrun­gen schon soweit aus­gebreitet hatte, daß ihm gar nichts anderes üb­rigblieb, um das römische Reich zu retten.

8. Das Christentum wuchs nach Konstantin nicht schneller als vorher, so daß die Sicht, nach Konstantin seien die Massen in die Kir­chen ge­strömt, weil sie sich irdische Vorteile erhofften, falsch ist.

Sicher bezieht Stark seine soziologischen Kenntnisse, wie religiöse Gruppen heute wach­sen, die er dann als Modell an die ersten drei Jahrhunderte der Kirchengeschichte heranträgt und überprüft, von überall her, etwa von den Mormonen, hinduistischen Sekten und anderen religiösen Gruppen. Auch ist Stark die Frage, ob die Aus­breitung des Christentums ein Glück oder ein Unglück für das römische Reich war, gleich­gültig. Auch mag man Stark manchmal widersprechen, wenn er das Neue Testament auslegt und überhaupt nimmt Stark auf die re­ligiösen Gefühle von überzeugten Chri­sten we­nig Rücksicht. Und trotzdem fühlt man sich zum Teil in eine moderne missiologische De­batte unter Evangelikalen versetzt, etwa wenn es um die Frage geht, welche Rolle medizini­sche oder sozialethische Arbeit (z. B. im Ein­satz gegen die Abtreibung oder das Kastenwe­sen) in der Mission spielt oder wenn darauf hingewiesen wird, daß Großevangelisa­tionen wie ProChrist nur erfolgreich sind, wenn Chri­sten ihre Verwandten, Freunde und Nach­barn einladen. Das Buch von Stark zeigt, daß viele der heute diskutierten Fragen zur Mission auch schon die frühe Kirchengeschichte be­stimmt haben und daß manches von uns müh­sam im­mer wieder neu entdecktes ‘Geheimnis’ der Evangelisation schon zu Beginn der Christen­heit die entscheidende Rolle gespielt hat.

Dr. Thomas Schirrmacher, em 1999-3.

Staub, Brigitte. Trommeln, Palmwein, He­xen. Erlebnisse im Grasland von Kamerun. Sternberg: Metzingen, 2000.

Als „Fraternal Worker“ der Basler Mission ar­beitete Schwester Brigitte von 1984 bis 1988 in einem Töpfereiprojekt, das mit „Brot für die Welt“ aufgebaut wurde. Es ging dabei um die Wiederbelebung einer traditionellen Hand­werkskunst, die im Plastikzeitalter verkümmert ist. Brigitte Staub erhebt nicht den Anspruch, eine wissenschaftliche Arbeit präsentieren zu wollen, sondern sie möchte die Leser mit dem Alltag in Kamerun bekannt machen, der sich typisch interreligiös-afrikanisch gestaltet.

Anhand vieler kleiner Begebenheiten mit den Lehrlingen der Töpferei und ihren Familien, dem stolzen Mercedesbesitzer und Häuptling, mit dem respektierten Moderator der Presbyte­rianer und dem hilflosen weißen Pastor und vielen Einheimischen schildert sie mit viel Humor ihren Alltag als „White Man“ unter Schwarzen.

Die Problematik der Hexen, Zauberer und Me­dizinmänner ist auf dem Erfahrungshintergrund einer „ungläubigen Deutschen“ ehrlich und an­schaulich beschrieben. Was für die afrikani­schen Christen selbstverständlich erscheint, will ihr absolut nicht einleuchten. In einer kriti­schen Situation und ohne ärztliche Hilfe läßt Schwester Brigitte sich schließlich auch auf eine undruchsichtige Kräuterbehandlung ein. Obwohl sie von der Bevölkerung angenommen ist, bleiben ihr als Weiße die letzten Geheim­nisse verschlossen.

Die spannend geschriebenen Erlebnisse bieten sich als ausgezeichnete authentische Beispiele im Bereich der Anthropologie an. Vermißt werden Beiträge über das geistliche Leben, die es außer dem peinlichen Auftritt des weißen Pastors wohl auch gegeben haben muß.

Konrad Brandt, em 2000-4.

Stearns, Bill und Amy. Catch the Vision 2000. Bethany House: Minneapolis, 1991.

Die Unerreichten in den Blickpunkt der Chri­sten zu rücken, ist der Wunsch von Bill und Amy Stearns, den Mitarbeitern der Adopt-A-People-Bewegung in Colorado Springs, USA. Anhand praktischer Beispiele zeigen sie, wie Gott jeden in der Mission gebrauchen kann. Als Schöpfer hat er schon Großes in der Welt getan und will es weiterhin durch jeden Christen tun. Mission ist keine „Dennoch-Aufgabe“ für Unerschütterliche, die nur aus Gehor­sam gegen den Missionsbefehl getan werden muß. Das beweisen folgende Beispiele: Täglich werden 20.000 neue Christen in Afrika gezählt. Auf jeden Christen kommen heute statistisch nur noch 7 Nicht-Christen, während es im Jahre 100 noch 360 waren. Um wie Abraham ein Segen für die Völker zu sein und den Auf­trag als Priester in dieser Welt zu erfüllen, muß sich jeder für Weltmission engagieren. Welt­mission ist die größte Herausforderung für die Christen. Es gilt, 11.000 Unerreichte Volks­gruppen zu erreichen, besonderes Gewicht wird auf das 10/40 Fenster gelegt.

Diese Aufgabe kann nur wahrgenommen werden, wenn neue Wege bzw. Strategien gewählt werden. Neue Strategien, wie z.B. den „Non-Residential Missionary“ (der Missionar, der nicht in seinem Missionsgebiet wohnen kann), und andere Methoden werden an kon­kreten Beispielen vorgestellt. Es gilt die Heimatgemeinde mobil zu machen, nicht nur zu beten, sondern sich konkret zu informieren und sich Zeit für die Weltmission zu nehmen, damit Mission nicht nur ein frommer Wunsch bleibt. Konkrete Vorschläge werden gemacht, wie man den eigenen Lebensstil umkrempelt und sich, seine Freunde und die Heimatge­meinde für Mission offen hält. Sogar ein „Catch the Vision-Seminar“ für die Gemeinde wird angeboten.

Das Buch hat in Australien, Neuseeland und anderen englisch-sprechenden Ländern ein sehr gutes Echo gefunden, sodaß sich Gemein­den und einzelne Christen neu für Weltmission interessiert und engagiert haben. Im deutsch­sprachigen Raum wird es sich schwer tun, da es zu „amerikanisch“, enthusiastisch und pragma­tisch geschrieben ist, obwohl es auch auf viele missionstheologische Aspekte eingeht. Es gibt positive Anstöße und informiert den Leser über die großen Dinge, die sich zur Zeit in der Weltmission ereignen, stellt neue Strategien vor und weitet den Blick für Mission, ohne Fachchinesisch zu sein. Die Rückschläge und Schwierigkeiten, die es in der Weltevangelisa­tion auch gibt, werden für deutsche Ohren sicher zu wenig herausgestellt, da das Buch bewußt jeden Christen zum frohen Engagement in der Weltmission aufrufen will.

Als Leserkreis eignen sich alle Gemeinde­mitglieder, die Englisch können und Schlüssel
personen sind, um die angeregten Vorschläge mit der Gemeinde in die Praxis umzusetzen.

Dr. Veronika J. Elbers, em 1995-4.

Steer, Roger. Georg Müller. Vertraut mit Gott. Bielefeld: CLV, 1995.

Ein Unbekannter ist er nicht: George Müller. Dieses Buch aus der CLV-Biographien-Reihe beschreibt ein spannendes, langes und unge­wöhnliches Leben. Auf seine ungestüme und unchristliche Jugendzeit folgen nach seiner Bekehrung einige Wanderjahre im christlichen Dienst. 1837 gründet er sein Glaubenswerk: die Waisenhäuser in Bristol. Ohne Startkapital und nur im Vertauen auf Gottes Fürsorge begegnet er der großen sozialen Not seiner Zeit. Ein aus­gedehnter Reisedienst um die ganze Welt be­schließt sein erfülltes Leben, bis er 1898 im Alter von 93 Jahren stirbt.

Eine inspirierende Biographie, die zum Ge­bet und zu festem Gottvertrauen ermutigt. Al­lerdings darf man nicht in den Fehler verfallen, Müllers Leben zum Maßstab für geisterfülltes Christsein zu machen. Durch den Berichtsstil des Verfasser wird diese Neigung, aus christli­chen Leitern geistliche „Übermenschen“ zu ma­chen, leider unterstützt.

Martin Sachs, em 1997-3.

Steer, Roger. Im Herzen Chinas. J. Hudson Taylor. Ein Mann des Glaubens. Gießen: Brunnen, 1994.

Noch ein Buch über Hudson Taylor? Sollten das Vorwort von Billy Graham und Nachwort von James Hudson Taylor III etwa Zeichen dafür sein, daß auch der Autor, Roger Steer, diese Bedenken hatte? Nötig wären sie nicht gewesen, denn diese Biographie mit ihrem lebendigen Stil ist es durchaus wert, gelesen zu werden. Das Leben des bekannten China Mis­sionars Hudson Taylor (1832-1905) wird vom „Gebet der Eltern“ bis zu seinem „Weg in den Himmel“ Schritt für Schritt in den gängigen Bahnen nachgezeichnet. Der guten Überset­zung von A. Findeisen ist es zu verdanken, daß auch der deutsche Leser auf fast 400 Seiten einen bewegenden Anteil an den täglichen Glaubenssiegen Hudson Taylors, seinen Sorgen und seiner Freude an den wunderbaren Füh­rungen erhält.

Trotz aller Recherchen des Autors erhebt sein Buch nicht den Anspruch, eine wissen­schaftliche Biographie zu sein. So arbeitet er mit allen bekannten Bildern und Assoziationen - und leider auch allen Vorurteilen über China und die China Mission, wie sie sich seit den Tagen Hudson Taylors bis heute hartnäckig halten. Will man sich also über China, über die Person des Missionars oder Mission in China informieren, wird man besser zu anderen Büchern greifen.

Diese Biographie hat aber auch ein anderes Ziel: Hudson Taylor soll als ein Mann des Glau­bens vorgestellt werden. Es wird hier ein Ideal­bild an Glaubensstärke und geistlicher Haltung gezeichnet, wie es eigentlich nur in erbaulichen Biographien vorkommen kann. Mit diesem Bewußtsein gelesen, kann das Buch zur Berei­cherung des eigenen Glaubenslebens werden.

Stefan Müller, em 1995-4.

Steer, Roger. Mit Hudson Taylor unterwegs. Mut zur Nachfolge. Brunnen Verlag: Giessen, 1998.

In acht großen Themenkreisen geht es in die­sem Buch um Fragen des persönlichen Glau­benslebens: Gott kennen, Gottes Werk - nach Gottes Willen getan, das Geheimnis des Gebe­tes, der Segen des Kreuzes, Mission und Re­spektierung fremder Kulturen.

Das Buch ist in 100 Lektionen (oder Leitge­danken) unterteilt. Dort finden sich Zitate oder Briefauszüge von Hudson Taylor selbst, von seinen Freunden oder auch Zusammenfassun­gen des Herausgebers.

Ihm ist unbedingt zuzustimmen, wenn er schreibt: „Man muß das ganze Buch lesen, um die Lektionen im Zusammenhang zu verste­hen“. Erst das neunte Kapitel vermittelt einen Überblick über die wichtigsten Ereignisse im Leben Hudson Taylors und die von ihm neuge­gründete Mission, wodurch viele zuvor er­wähnten Geschehnisse und Erlebnisse ver­ständlich werden.

Die Person Hudson Taylors wird bei alle­dem mit viel Liebe, aber nicht überzogen darge­stellt. Es geht um seinen Glauben an den einen großen Gott, der durch Höhen und Tiefen seine Leute ans Ziel bringen will und wird.

Das Buch ist ein hilfreiches Handbuch für das persönliche Glaubensleben, aber auch für die Motivierung und Zurüstung von Missiona­ren.

Diakonisse Renate Binder, em 2000-3.

Steinbach, Jürgen u. Klaus W. Müller (Hg.). Theologie – Mission – Verkündigung. Fest­schrift zum 60. Geburtstag von Helmuth Egelkraut. edition afem - mission academics 6. Verlag für Kultur und Wissen­schaft: Bonn, 1998.

Mit dieser Festschrift zum 60. Geburtstag von Helmuth Egelkraut erscheint erstmals seit der Festschrift für Goerge W. Peters 1988 ein Sammelband, der einen repräsentativen Quer­schnitt zur akademischen und missionarischen Arbeit an der Freien Hochschule für Mission (FHM) in Korntal gibt. Auf 145 Seiten tragen sämtliche Dozenten des Studienzentrums zu der thematischen Trias bei, die das theologi­sche Lebenswerk Helmuth Egelkrauts markiert. Die Herausgeber, Jürgen Steinbach und Klaus W. Müller, stellen den Themen Theologie, Mission und Verkündigung jeweils ausge­wählte Aufsätze von Helmuth Egelkraut voran, die dann durch eine Reihe weiterer Artikel der Fakultät und einiger früherer Kollegen ergänzt werden. Die Beiträge werden durch einige Kurzfassungen ausgewählter Ma­gisterarbeiten von Studenten der FHM abge­rundet.

Die thematischen Schwerpunkte reichen von der exegetischen und missiologischen Bedeu­tung der Apstelgeschichte, der Bedeutung der Lehre von der Jungfrauengeburt, dem Stellen­wert des theologischen Studiums im Pietismus, über den Beitrag von heilsgeschichtlicher Theologie, Anthropologie und Ethnologie zu einer evangelikalen Missiologie, bis hin zu ei­ner weltweiten Missionspraxis, die dem mo­dernen Menschen die Zuwendung Gottes über­zeugend nahebringt.

Dieses Spektrum von exegetischen, missiologi­schen und praktisch-theologischen Beiträgen spiegelt in vorzüglicher Weise die Vielfalt der Akzente und zugleich die Einheit der Perspek­tive in der wissenschaftlichen Ar­beit der FHM wieder. Die 21 Artikel der Fest­schrift werden durch eine Biographie sowie eine ausführliche Bibliographie von Helmuth Egelkraut abge­rundet, die erstmals seine zahl­reichen Veröf­fentlichungen vor allem in Aufsatzsammlun­gen, Zeitschriften und Lexika dokumentiert. Die aufgeführten Monographien, überarbeite­ten Übersetzungen, Andachten und Rezensio­nen vervollständigen das Bild seines literari­schen Schaffens.

Somit erhält der Leser dieses empfehlens­wer­ten Buches einen Einblick in die Spann­breite theologischer Arbeit an der FHM und zugleich eine Dokumentation des theologi­schen Schaf­fens ihres nun emeritierten Dekans Helmuth Egelkraut.

Dr. Markus Piennisch, em 1998-4.

Stine, Philip C. (Hg.). Bible Translation and the Spread of the Church. The last 200 years. (Studies in Christian Mission, Bd. 2), Leiden: Brill, 1992.

Der Herausgeber kommt aus den USA und ist seit 1984 Translations Service Coordinator der United Bible Societies. Davor war er Überset­zungsberater bzw. Übersetzungskoordinator für Afrika. Das von ihm herausgegebene Buch beinhaltet die Hauptreferate einer Konferenz, die 1988 in Princeton, New Jersey, stattfand. 50 Kirchenführer, Theologen, Missiologen und Wissenschaftler waren dort zusammengetrof­fen, um sich über den Zusammenhang zwi­schen Bibelübersetzung und der Ausbreitung der Kirche in den letzten 200 Jahren Gedanken zu machen. Die Einleitung gibt einen Über­blick über die wichtigsten Fragestellungen der Konferenz, sowie über Reihenfolge und Inhalt der einzelnen Referate. Das Spektrum der Referate reicht von kulturellen Themen bis hin zu einheimischen Theologien (z.B. Befrei­ungstheologie). Bei allen Referaten war die Herausforderung, den Zusammenhang zwi­schen Bibelübersetzung und dem Wachstum der Kirche darzustellen. Am deutlichsten wird dieses Anliegen in Darrel Whitemans Beitrag, der sich mit Bibelübersetzung und Entwicklung befaßt. Dabei geht er weniger auf konkrete Fallstudien ein, sondern versucht vielmehr, das theoretische Rüstzeug für weitere Studien die­ser Art zu geben. Dieser Artikel ist ein Muß für jeden, der sich mit der Situation der dritten Welt und mit Entwicklungshilfe befaßt. Das Referat Louis Lutzbetaks streicht die Bedeu­tung anthropologischer Studien für die Arbeit des Übersetzers heraus. Nur wer wirklich lernt, auf die Kultur zu achten, wird in der Lage sein, eine kulturell relevante Übersetzung zu produ­zieren. Lamin Sanneh betont, wie wichtig es für die Ausbreitung des Christentums war und ist, daß es nicht an eine spezifische Sprache oder an einen Ort gebunden ist, sondern daß es in andere Sprachen und Kulturen übersetzbar ist. Daniel Archea befaßt sich in seinem Referat
mit den theologischen Fragen, die eine Über­setzung beeinflussen. Er geht dabei sehr stark von den Erkenntnissen und Aussagen der modernen, kritischen Bibelwissenschaft aus. Mit der Rolle der Bibelübersetzung für die Entwicklung einheimischer Theologien aus südamerikanischer bzw. asiatischer Sicht set­zen sich Samuel Escobar und Kosuke Koyama auseinander. Für Andrew Walls ist die Grund­lage und Voraussetzung aller Übersetzungsar­beit die Inkarnation: Gott wurde Mensch in Christus. Stephen Bälden beschäftigt sich mit dem geschichtlich - politischen Hintergrund der Bibelübersetzung in Rußland. Das mit gro­ßer Sachkenntnis bearbeitete Thema öffnet das Verständnis für die oft schwierige Situation in diesem Land. Ulrich Ficks Referat über die Bibelübersetzung und die Zukunft der Kirche bildet Abschluß und Ausblick eines im großen und ganzen aufschlußreichen und informativen Buches. Man merkt beim Lesen, daß die jewei­ligen Autoren aus der Praxis kommen und wis­sen, wovon sie reden, obwohl an der einen oder anderen Stelle ein konkretes Beispiel aus dem Übersetzungsalltag als Illustration hilfreich gewesen wäre.

Christiane Lauschitzky, em 1993-4.

Stöckle, Johannes. Du warst mir fremd, jetzt bist du mein Bruder. Als Missionar in Afrika. Verlag Ernst Franz: Metzingen, 1997.

Die Autobiographie des 1911 geborenen schwäbischen Missionars ist ein Stück Missi­ons- und Zeitgeschichte. Nach gründlicher be­ruflicher, theologischer, pädagogischer und sprachlicher Ausbildung reist. J. Stöckle 1938 mit der Basler Mission nach NW-Kamerun. Der Krieg führt ihn in die Internierung. Seine Missionsarbeit geht weiter in Deutschland in ökumenischen Begegnungen zwischen Jugend und Kirchenleuten v. a. aus Afrika und Asien, dann in Ghana und später von Deutschland aus in zahlreichen kurzen Aufenthalten in Kamerun und Ghana.

Der Autor erzählt lebendig und mit interessan­ten Details von seinem Lernen, sei­nen Erleb­nissen, seiner vielseitigen Arbeit, sei­nen rei­chen Erfahrungen und Begegnungen. Sein In­teresse für die fremde Kultur wirkt ansteckend.

Stöckle beweist Respekt vor der Religion und den Bräuchen der animistischen und muslimi­schen Volksgruppen. Zugleich berich­tet er von seinem unermüdlichen Bemühen, Muslimen Gott als den Vater zu bezeugen und Animisten Jesus Christus als den zu zeigen, der alle Gei­stermächte besiegt hat.

In Deutschland trägt er den Missionsgedan­ken in die Gemeinden und arbeitet aktiv daran, durch gegenseitige Besuche eine Brücke zwi­schen afrikanischer und europäischer Kirche zu bauen.

Das Buch ist reich bebildert. Die letzte Epi­sode stammt von 1964. Ein kurzer Rückblick und biographische Hinweise bilden den Schluß des Buches. Es wäre interessant gewesen, mehr von der weiteren inneren Entwicklung der Kir­chen in West-Kamerun und in Ghana zu erfah­ren. - Ein lesenswertes Buch für Missionare und Missionsinteressierte.

Hanna Weiberle, em 1998-4.

Stolle, Volker. Wer seine Hand an den Pflug legt. Die missionarische Wirksamkeit der selbständigen evangelisch-lutherischen Kirchen in Deutschland im 19. Jahrhundert. Oberursel/Gross-Oesingen, 1992.

Zum 100jährigen Jubiläum der Bleckmarer Mission legt der Oberurseler Professor V. Stolle eine nur von außen schmal wirkende Abhandlung über die Mission der luth. Freikirchen im 19. Jahrhundert vor. Interessant ist sein Ansatz, gleichermaßen historische Abläufe und theologische Denkstrukturen sowie deren gegenseitige Beeinflussung darzustellen.

Stolle mißt verschiedene missionstheologi sehe Konzepte an einer lutherischen Worttheo­logie und dem Modell der „Integration von Kirche und Mission“ und gelangt so zu einer kritischen Perspektive, die keineswegs nur Rückblick ist. Kritisiert werden insbesondere eine überzogene (konfessionelle) Rückbindung des Missionars an die „sendende Kirche“ und eine ethische oder geschichtstheologische Be­gründung von Mission.

Schwierigkeiten beim Lesen bereitet leider die Komplexität des historischen Stoffes. Hier wäre eine kurze, übersichtliche Einführung in die Entstehung der Freikirchen und in die Mis­sion im 19. Jahrhundert hilfreich gewesen. Ohne eine solche zerfallen die vielen exakt re­cherchierten Einzeldaten und die in langen Fußnoten beigegebenen Zitate leicht in Bruch­stücke. Auch kann die ausschließliche Be­schränkung auf selbständige Kirchen zu ver­zerrenden Ausschnitten führen.

Hinsichtlich des Materialreichtums und der theologischen Denkanstöße halte ich das Buch für empfehlenswert.

Christian Weber, em 1993-1.

Stone, Frank A. Academies for Ana­to­lia: A Study of the Rationale, Pro­gram and Impact of the Edu­cational Institu­tions Sponsored by the American Board in Turkey, 1830-2005. San Francisco/ USA: Caddo Gap Press, 2006.

Frank Stone war Professor für „Inter­na­tio­nal Education“ an der University of Con­necticut und unter­richtete davor von 1953 bis 1966 in der Türkei am Tarsus Ame­rican College. Bei der vorliegenden Stu­die handelt es sich um eine aktua­li­sier­te Version der gleichnamigen Ver­öf­fent­lichung aus dem Jahr 1984. In dieser Aus­gabe nun gibt Frank Stone einen Ein­blick in die inzwischen 175-jährige Ar­beit der vom American Board gegrün­de­ten Erziehungseinrichtungen in Ana­to­lien.

In den ersten vier Kapiteln des Buchs wird zunächst das Umfeld und die frühe Ent­ste­hungsgeschichte der Schularbeit des American Board in Anatolien be­handelt. Dabei wird nicht nur das ana­to­li­sche Umfeld der Schulen unter die Lu­pe genommen, sondern auch das Hei­mat­umfeld der Missio­nare. Stone zeigt auf, wie stark die Schularbeit in der An­fangs­phase beeinflusst war von der Herkunft der Missionare aus den erweckten re­for­mierten Kreisen in den ländlichen Gebie­ten Neu-Englands: So brachten sie u.a. ei­ne starke Betonung der praktischen Ar­beit für die Charakterbildung mit sich, eine Sen­sibilisierung für die Freiheits­rechte aller Menschen, sowie ihre anti­katholische Einstellung.

Im zweiten Teil der Studie werden zahl­reiche Einblicke in die einzelnen Schul­gründungen in Anatolien gegeben. Auf­ge­gliedert ist dieser Teil nach geo­graphischen Gesichtspunkten in die drei Ka­pitel: Westtürkei, Zentraltürkei und Ost­türkei. Ging es der Schularbeit zu­nächst darum, die alten orien­talischen Kir­chen zu beleben, bekam sie bald ei­nen neuen Schwerpunk: Nach der Ex­kom­munikation der mit dem Protes­tan­tismus sympathisierenden Armenier aus der Armenisch-Apostolischen Kirche, ging es ab 1846 hauptsächlich darum, die Ausbildung für die neu entstandene ar­me­nisch-evangeli­sche Denomination zu ge­währleisten.

Im dritten Teil des Buches werden die sieben höheren Bildungsanstalten behan­delt, die vom Ame­rican Board in Aintab, Marash, Harput, Marsovan, Tarsus, Kon­ya und Smyrna gegründet wurden. Die Initiative zur Gründung dieser Colleges ging auch von den einheimischen Chris­ten selbst aus, unter de­nen ein deutliches Be­wusstsein gewachsen war: „Wenn Men­schen gute Christen sein sollen, gute Väter und Mütter und nützliche Mit­glieder der Gesellschaft, müssen sie aus­ge­bildet werden!“ Neben der Be­schrei­bung der eigentlichen Schularbeit ent­hal­ten die einzelnen Kapitel eine Fülle von historischen und biographischen De­tails, wie etwa die interessante Ge­schich­te der „Boston Rat Trap Factory“ in Bebek oder die Geschichte des „Caesa­rea Boys’ Club“, einer Art CVJM, der ab 1905 zeitweise von täglich bis zu 100 Jungen aus allen Bevölkerungsgruppen (Türken, Armenier, Griechen etc.) be­sucht wurde. Dabei weitet Frank Stone allerdings das Feld seiner Untersuchung nicht zu weit aus, so dass etwa die Evan­ge­lisa­tions­arbeit oder die medizinische Ar­beit des American Board weitgehend unbe­rück­sichtigt bleiben.

Im vierten und letzten Teil wird schließ­lich ein Überblick gegeben über die ge­schichtliche Ent­wicklung der American-Board-Schulen in der türkischen Repub­lik bis in das Jahr 2005 hinein. Der Völ­ker­mord an den Armeniern während des Ersten Weltkrieges und die weitgehende Ver­treibung der ver­bliebenen Christen im Zuge der chaotischen Folgejahre be­deu­teten einen klaren Schnitt in der Ge­schich­te der Bildungsinstitutionen. Eini­ge der Einrichtungen wurden in die Nach­barländer Griechenland, Syrien und in den Libanon verlegt (So können heute etwa noch die Amerikanische Universität und die Near East School of Theology in Beirut als Nachfolgeinstitutionen be­trach­tet werden). Da aber auch die türki­sche Republik dringend höhere Bil­dungs­einrichtungen benötigte, wurden ei­nige der Einrichtun­gen in der Türkei weitergeführt – allerdings unter sich än­dern­den Vorzeichen. Nun war es nicht mehr möglich in den Schulen zu evan­ge­lisieren und die Schulen kamen stärker unter staatliche Kon­trolle. Bereits 1927 waren etwa nur noch ein Viertel der Schüler in den verbliebenen neuen Schu­len Mitglieder einer christlichen Minder­heit. Zunehmend war die Arbeit Kritik ausgesetzt – sowohl in der Türkei als auch in der amerikanischen Heimat. Die Not­wendigkeit der Schulen begründete man nun damit, dass sie durch ihre Er­ziehung zur Demokratie befähigen wür­den: Man lerne dort Verantwortung zu über­nehmen, Entscheidungen zu treffen, konstruktive Problemlösungen zu finden und Vorurteile abzubauen. Stone sieht in dieser Schwerpunktverschiebung u.a. ei­nen Einfluss des „Social Gospel“. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu wei­te­rer Professionalisierung und Internatio­na­lisierung der Schulen. Die verbes­ser­ten amerikanisch-türkischen Beziehun­gen trugen in dieser Zeit zu einer bes­seren Akzeptanz der Schulen bei. Nach­dem türkische Pädagogen mehr und mehr Verantwortung übernommen hat­ten, wurden schließlich die Schulen in die Trägerschaft einer türkischen NPO mit dem Namen Saglik ve Egitim Vakfi (Stiftung Gesundheit und Erziehung) übertragen. Die Leitung der Schulen lag nun end­gültig nicht mehr bei Mis­sio­na­ren, sondern bei Leuten, die in inter­na­tio­naler Pädagogik ausgebildet wa­ren und die oft keine engere Verbindung mehr zur United Church of Christ hatten.

Stone widmet sich mit seiner Studie über die Bildungseinrichtungen des American Board in Anatolien einem wichtigen Ka­pitel der Missionsgeschichte des Nahen Ostens. Das Ausmaß der geleis­teten Ar­beit war enorm: Schon 1855 hatte man 44 Schulen in der Türkei gegründet, dazu neun kleine theo­logische Seminare. 1909 gab es 337 Schulen in der Türkei. Nicht zu Unrecht spricht Stone geradezu von ei­ner „educational explosion in Ana­tolia“.

Ohne Frage hat sich die Schularbeit des American Board in mehrerer Hinsicht große Verdienste erworben: Der gegen­seitige Bezug von Gemeinde und Schule war in der Armenisch-Evangelischen Kir­che von Anfang an sehr stark. Im Ge­fol­ge neu entstehender armenisch-evan­ge­lischer Gemeinden kam es immer zur Grün­dung neuer Schulen. Und die äu­ßerst gute Ausbildung ihrer Mitglieder stärkte im Ge­genzug die Armenisch-Evan­gelische Kirche. So ist es beacht­lich, dass schon im Jahre 1872 bereits 82% der evangelischen Armenier lesen und schreiben konnten. Dass die evan­ge­lischen Armenier nach dem Ausschluss aus der Armenisch-Apostolischen Kirche durch das Anathema von 1846 überhaupt überle­ben konnten, hatte eine Ursache darin, dass sie darin geschult waren, un­ab­hängig ihren eigenen Lebens­unterhalt zu verdienen. In späterer Zeit dann war die gute Bildung auch für diejenigen ein großer Vor­teil, die infolge des Arme­ni­schen Völkermordes zu Flüchtlingen ge­worden waren und sich in der Fremde eine neue Existenz aufbauen mussten. Auf diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass bis heute die Arbeit der Union der Armenisch-Evangelischen Kir­chen im Nahen Osten stark von der Ver­bindung von Gemeinde und Bildung geprägt ist und dass man noch heute Mis­sion primär als Lehrauf­trag versteht.

Die Geschichte dieser Schulen ist aber auch für die allgemeine osmanische und tür­kische Bildungs­geschichte von großer Bedeutung. Die Bildungsarbeit des Ame­rican Board führten viele Innovationen in das osmanische Bildungswesen ein, die später von anderen Ausbildungs­institu­tionen im Land über­nommen wurden. So z. B. im Bereich der frühkindlichen Er­zie­hung durch die Eröffnung der ersten Kin­dergärten im osmanischen Reich ab dem Jahr 1884 und die daraus resul­tierende Ausbildung von Kin­der­garten­leh­rerinnen, sowie durch die Eröffnung der ersten öffentlichen Kinderspielplätze. Im Bereich der Frauenbildung leistete man ebenfalls Pionierarbeit – so ist es kein Zufall, dass sowohl die erste aus­ge­bildete Krankenschwester osma­ni­scher Her­kunft als auch die erste Ärztin aus den Institutionen des American Board stamm­ten. Auch in der Son­der­pä­dagogik für Blinde und Taube und in Be­zug auf handwerkliche und land­wirt­schaftliche Ausbildung waren die Mis­sions­schulen Vorreiter im türkischen Bil­dungssystem. Außerdem bekam ein be­acht­licher Strom von einflussreichen Per­sönlichkeiten in den unterschied­lich­sten Bereichen der türkischen Gesell­schaft seine Grund­la­gen in einer der ame­rikani­schen Inter­nats­schulen ver­mit­telt.

Aufgrund dieser großen Verdienste der untersuchten Schularbeit enthält das Buch von Frank Stone sowohl für Mis­siologen als auch für Pädagogen viel­fäl­tige interessante Informationen. Die Aus­sa­gen des Buches werden unterlegt mit zahlreichen Quellenhinweisen und Kom­men­taren in Fußnoten. Ein umfang­rei­ches Literaturverzeichnis, ein 13-sei­ti­ges Na­mens- und Begriffsregister und eini­ge „Fragen zur Diskussion“ regen zu einer wei­teren Beschäftigung mit den The­men der Studie an. Etliche Bilder und Zeich­nungen lockern das Buch auf, leider lässt die Wiedergabequalität dieser Ab­bil­dun­gen jedoch zu wünschen übrig.

Aus missiologischer Sicht ist die Ent­wick­lung einer Frage in der Studie be­son­ders spannend: Wie haben sich Ziel­setzung und Arbeitsweise der Schulen ver­ändert, inmitten des Spannungsfeldes von Änderungen im soziokulturellen Um­feld, sich ändernden staatlichen Vor­gaben, ökonomischen und fi­nanziellen Rah­menbedingungen, aber auch des ei­ge­nen Missionsverständnisses der Han­deln­den. So ist schwer vorstellbar, dass etwa die Gründergeneration der Mis­sions­schulen sich mit einer Zielsetzung wie dem „Austausch von Über­zeu­gun­gen und Einsichten“ (wie in jüngerer Zeit formuliert) zufrieden gegeben hätte.

Dr. Andreas Baumann, em 2009-4.

Strobl, Anna. Islam in Österreich. Eine reli­gionssoziologische Untersuchung. Peter Lang: Frankfurt u. a., 1997.

Anna Strobl entwirft in ihrer Dissertation ein umfassendes Bild des österreichischen Islam. Die beiden Schwerpunkte des Buches sind a) der Islam in Glauben und Leben der 300.000 Muslime in Österreich und b) die Reaktion der nachchristlich-säkularisierten Bevölkerung auf die muslimische Präsenz. Gleichzeitig möchte die Arbeit einen „Beitrag zur christlich-islami­schen Ökumene leisten“ und durch sachliche Informationen zum „Abbau bestehender Span­nungen und Ressentiments beitragen“ (15). Die sachlichen, breit angelegten und gründlich re­cherchierten Informationen, die außerordent­lich dicht angeordnet sind, vermitteln ein abge­rundetes Gesamtbild des österreichischen Is­lam, das zugleich von großer Tiefenschärfe ge­kennzeichnet ist. Sehr sachlich werden Themen wie Menschenrechte und Rolle der Frau in Is­lam und Christentum angegangen. Viele Grundlageninformationen zum Islam werden nebenher vermittelt, so daß das Buch nicht dazu verurteilt ist, nur von Insidern verstanden zu werden.

Vielleicht hätten mehr Zwischenüberschrif­ten oder ein Register die vielen im Text ange­schnittenen Themen leichter auffindbar ge­macht. – Auf jeden Fall ein sehr empfehlens­wertes Buch für alle, für die die religiöse Si­tuation in Österreich von Interesse ist.

Dr. Christine Schirrmacher, em 2000-1.

Sundermeier, Theo. Konvivenz und Diffe­renz. Studien zu einer verstehenden Mis­sionswissenschaft. Erlangen: VELM, 1995.

Anläßlich seines 60. Geburtstages am 12.8.1995 wurden diese missionstheologischen Studien Theo Sundermeiers von Volker Küster herausgegeben. Ihm ist auch das Schriftenver­zeichnis des Jubilars und das Vorwort zu ver­danken, das in sehr guter Weise zur Person hin- und in die Sache einführt.

Will man nur einen Aufsatz herausgreifen, so ist es Sundermeiers „Plädoyer für eine ver­stehende Missionswissenschaft“. Er sieht sowohl ein heilsgeschichtliches Verständnis der Mission (d. h. Mission geschieht zwischen dem ersten und zweiten Kommen Jesu als kirchliche Aktivität) als auch ein Missionsver­ständnis im Sinne der ‚Missio Die’ (Mission als Sache Gottes zur Aufrichtung seines Schalom; die Kirche ist daran nur mitbeteiligt, nicht aber Subjekt) an ein Ende gekommen. Einen neuen Ansatz sieht S. in einem Missionsverständnis, das in Theorie und Praxis „Begegnung der Kir­che mit den ihr Fremden“ (S.32) bedeutet. Kirche ist Kirche mit anderen, d. h. Kirche im Gegenüber und in der Begegnung mit Frem­den, mit fremden Menschen, Kulturen und Theologien. Davon handelt vor allem der zweite Teil, der Zeugnis von Sundermeiers rei­chem, vor allem afrikanischen Erfahrungs­schatz gibt.

Als Fachtheologe wird man an der einen oder anderen Stelle Kritik anmelden. Nach neutestamentlichem Verständnis etwa wäre es doch wohl unvorstellbar, das Abendmahl für Nichtchristen zu öffnen. Ebendies möchte Sundermeier (S.102-112). Als Praktischer Theologe freue ich mich, in welchem Maß die Kategorie der Konvivenz für die Missions­theologie entdeckt wird. Nirgendwo wird ver­merkt, daß sie aus der Liturgie stammt. Diese Kritik u. a. Nachfragen dürften durchaus im Sinne des Jubilars sein. Denn sich begegnen schließt ja sich befragen und sich in Frage stel­len nicht aus, sondern gehört zur Konvivenz.

Dr. Gerhard Maier, em 1996-3.

Sundermeier, Theo. Mission – Geschenk der Freiheit. Bausteine für eine Theologie der Mis­sion. Frankfurt a. M: Verlag Otto Lembeck, 2005.

Der Autor lebte jahrelang in Afrika und ist Professor em. der Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg. Neben zahlreichen Arbeiten zur Hermeneutik und zur christlichen Kunst hat er missions- und religionswissen­schaftliche Essays veröffentlicht. Der Ertrag seiner erfahrungsreichen und wissenschaft­lichen Vielfalt ist in diesem Buch stark reflektiert, wie schon die Überschriften der Hauptteile erwarten lassen: „Zur Grundlegung der Mission“ (S.11-74); „Zur Praxis der Mission“ (75-192); „Mission im Dialog“ (193-294).

Unter dem ersten Thema versucht der Ver­fasser zunächst den Titel des Buches biblisch zu begründen, systematisch einzuordnen und durch religionsgeschichtlich gewonnene Ein­sichten zu beleuchten. Davon ausgehend, dass das Wort „mission“ im angelsächsischen Sprachraum nicht so viel negative Rückwir­kungen auslöst wie der Begriff „Mission“ im deutschsprachigen Bereich, verwendet er den Terminus „Freiheit“ als eigentlichen Kern der Mission. Damit hofft er, die Mission von den „negativen Reaktionen“ zu befreien und ihr „die Würde zurückzugeben, die ihr zukommt“ (S.13-14).

Er versteht Mission nicht primär als Gehor­samsakt, der auf den sogenannten Missions­befehl des auferstandenen Christus in Mt. 28,18-20 zurückgeführt wird, sondern viel­mehr als „das Kirchesein“ der Jünger, das nach Mt. 5,13-14 in der „Gründungsurkunde der Kirche“ beruht. „Jesus spricht den Jüngern das Kirchesein zu. Es ist ein Geschenk“, und daher frei. „Die Jünger sind 'das Salz der Erde', sie sind 'das Licht der Welt'„ (S.17). In „Salz“ und „Licht“ sieht der Verfasser sowohl „die zentrifugale Dimension der Kirche“ als auch ihre „zentripetale Funktion“ versinn­bildlicht (S.18,19). Wie Salz und Licht nur für andere da sind und zur Freiheit führen „so besteht Freiheit nur in Relation zum Anderen. Sie verwirklicht sich so, dass andere durch sie frei werden. Freiheit ist immer missionarisch“ (S.21). Demzufolge besteht das Herzstück der Mission mehr im Sein als im Tun. An diesem Punkt fordert der Verfasser Leserinnen und Leser auf, das Missionsverständnis als ge­schenkte Freiheit sorgfältig „durchzubuch-stabieren“ (S.21): Dabei spielen die unter schiedlichen Interpretationen des Missio dei-Begriffs in der heutigen Diskussion evange-likaler und ökumenischer Missionstheologie (S.31ff.), sowie „missionstheologische Aspek­te“ der Moltmannschen „Theologie der Hoff­nung“ (S.59-74) eine zentrale Rolle. Der zweite Teil des Buches ist dem prak­tischen Bereich gewidmet. Hier greift der Ver­fasser auf Texte und Referate zurück, die er sonstwo veröffentlicht oder vorgetragen hat. Ihre besondere Bedeutung liegt im inhalt­lichen Charakter der einzelnen Gegenstände, die ein breites Spektrum abdecken, wie es Teilnehmer an Missionssymposien und ähn­lichen Tagungen erwarten. Dazu gehören u.a. herausfordernde Themen wie „Verstehen und Übersetzen als Grundproblem missionarischer Existenz“ (S. 77-104); „Heil und Heilung“ (125-139); „Kulturelle Sensibilität und Kreuzestheologie“ (169-192). Im letzten Teil, „Mission im Dialog“, werden im Rahmen von Theologie und Religions­geschichte aktuelle Themen wie „Das Chris­tentum im Spiegel anderer Religionen“ (S. 195-227) und „Zusammenleben mit Menschen verschiedener Religionen und Kulturen“ (265­-295) behandelt. Sundermeier schlussfolgert, dass „Mission, Dialog [und] Konvivenz“ zu­sammengehören, und dass der Dialog nur im Zusammenleben geschieht und missio­narisches Zeugnis möglich ist (271). Wer bereit ist, Mission – Geschenk der Frei­heit „durchzubuchstabieren“ kann Bausteine für eine Theologie der Mission entdecken.

Prof. em. Dr. Dr. Hans Kasdorf, em 2007-3.

T’ien Ju K’ang. Peaks of Faith. Protestant Mission in Revolutionary China. Leiden: Brill, 1993.

Hinter diesem Titel verbirgt sich eine brillante Studie über die Geschichte der protestantischen Mission unter sieben Völkern im Süden Chinas (Miao, Yi, Lahu, Wa, Lisu, Hani, Jingpo/ Karen). Den Rahmen dieser bis in die gegen­wärtige Situation der dortigen Kirche reichen­den Studie bildet eine Beschreibung der geo­graphischen und geschichtlichen Situation der Völker Südchinas.

In der gelungenen Kombination von zahlrei­chen konkreten Beispielen aus der Mission und ihrer Analyse anhand der ethnologischen, sozialen, politischen und geographischen Ver­hältnisse unter den Völkern in der Provinz Yünnan wird der Leser in den aufopfernden Dienst der Missionare und einheimischen Christen mit hineingenommen.

Die genaue Analyse der Erfolge und Mißer­folge in den knapp 100 Jahren der Missionsge­schichte führten den Autor zu konkreten Anre­gungen für weitere evangelistische Bemühun­gen zum Aufbau der Kirche unter den Völkern Südchinas. Neben der offen anklingenden Freude über die Ausbreitung des Evangeliums dürfen aber auch die Warnungen des Autors nicht überhört werden. Anhand vieler histori­scher Beispiele wird sehr deutlich gezeigt, an welchen Punkten Gefahren für die Entwicklung der aufblühenden Kirchen lauern.

Der Autor, Tien Ju-K’ang (Tian Jukang) gilt im In- und Ausland als einer der berühmtesten Gesellschaftswissenschaftler der Volksrepublik China. Er ist Professor für Geschichte und der Direktor der Fakultät für Gesellschafts­wissenschaften an der Fudan-Universität von Shanghai. Tiens genaue Kenntnisse der behan­delten Völker, seine monatelangen Reisen durch die abgelegenen Regionen der Völker Südchinas, persönliche Erfahrungen mit den Christen in diesen Regionen und eine Fülle an hochwertigem chinesischen Material verarbei­tet er unter starker innerer Beteiligung in dieser missiologischen Studie. Sie ist ein beach­tenswertes Beispiel dafür, mit welcher Selbst­verständlichkeit missiologische Forschungen bekennender Christen in der Volksrepublik China ihren Platz innerhalb der akademischen Gesellschaftswissenschaften gefunden haben.

Eine klare Gliederung der vielen thematisch aufgebauten Kapitel, eine Fülle an Tabellen und Graphiken machen das Buch zu einem wertvollen Handbuch über die behandelten Völker.

Die Ergebnisse von Tiens Analyse der Mis­sion und Entwicklung der Kirche unter den Völ­kern Chinas sind aber durchaus auch auf andere Völker Südost- und Ostasiens zu übertragen. Daher sollte jeder Christ, der ein Anliegen oder eine Verantwortung für Ost- oder Südostasien hat, dieses Buch sehr genau studieren und diese einmalige Gelegenheit nutzen, Gedanken und Anregungen zur Mission aus der Sicht eines einheimischen Fachmannes zu erhalten.

Stefan Müller, em 1995-4.

Tang, Edmond und Jean Paul Wiest (Hg.). The Catholic Church in Modern China. Perspectives. Maryknoll: Orbis, 1993.

Durch eine jahrhundertelange isolierte Ent­wicklung der katholischen Kirche in China ist dort eine Form von Kirche entstanden, die mit dem, was im Westen als katholische Kirche bekannt ist, kaum noch etwas zu tun hat. Leider fehlt jedoch in diesem Sammelband von 17 Aufsätzen hochqualifizierter katholischer Chinaexperten und chinesischer Geistlicher eine grundlegende Aufklärung darüber, was „katholische Kirche“ in China bedeutet.

Dafür gehen die Aufsätze sofort in eine Darstellung der römisch-katholischen Sicht zu den katholischen Kirchen in der Volksrepublik China über. Die drei Teile des Bandes behan­deln die Entwicklung des Verhältnisses der katholischen Kirchen zum chinesischen Staat seit 1949, das Recht einer von der Autorität des Papstes unabhängigen, chinesisch-katholischen Kirche neben der papsttreuen römisch-katholi­schen Kirche und Zukunftsperspektiven für die katholische Kirche in China.

Auf wissenschaftlich sehr hohem Niveau wird die alte Frage des Verhältnisses der römisch-katholischen Kirche zur papstfreien chinesisch-katholischen Kirche verhandelt. Dabei stehen die strukturellen und organisato­rischen Entwicklungen der katholischen Grup­pen in China im Mittelpunkt, ihre Theologie bleibt völlig außerhalb des Blickfeldes.

Interessant sind im Zusammenhang dieses Sammelbandes dennoch einige Aufsätze, die sich mit der Inkulturation und den Chancen des spezifisch Chinesischen in der katholischen Kirche in China beschäftigen. Ihnen gelingt es, zumindest einige positiven Seiten der Entwick­lung einer chinesisch-katholischen Kirche zu würdigen und damit das Spektrum der in die­sem Buch vertretenen Positionen zu erweitern.

Stefan Müller, em 1995-4.

Tariq Ramadan. What I Believe. Oxford: Oxford University Press, 2010.

Der islamische Reformer Tariq Ramadan geht mit seinem Buch What I Believe in die Offensive. Als kurze Zusammen­stel­lung führt es in seine Ideen ein (S.7). So kann der Leser sich mit Ramadans Ge­danken vertraut machen kann (S.1). Er will zeigen, dass man ganz Muslim und ganz in der westliche Welt integriert sein kann (S.20). Nachdem er über Jahre Kri­tik von vielen Seiten einstecken musste (vgl. seine Zusammenstellung auf S.96-111) dreht er den Spieß explizit um. Der Vorwurf der Doppelzüngigkeit (double­speak) wird kurzerhand als selektives Hö­ren (double hearing; S. 4) zurück­gegeben.

Ramadan beginnt mit seiner per­sön­lichen Geschichte, die ihn vom Schul­lehrer zum umstrittenen Intellektuellen führte (Early Years; S.8-16; A Muslim, and a ‚Controversial Intellectual; S.17-19). Überhaupt bindet er wiederholt ei­ge­ne Erfahrungen in seine Argu­men­tation ein (z.B. auch S. 119-121), was seinen Lebensweg und seine persönliche Betroffenheit zeigt. Er begreift sich als Brücke, als Mediator, zwischen zwei Welten (S.14), die beide mit Krisen, Zwei­feln, Widersprüchen und Macht­spielen zu kämpfen haben (S.16). Dies entfaltet er auf den folgenden 100 Seiten aus verschiedenen Perspektiven, indem er z.B. die Krisensituationen der Kul­turen (S.24-29), die Fortschritte (S.51-55) oder die Herausforderungen des Pro­jektes (S.56-61) skizziert oder zum The­ma Frauen beispielhaft beschreibt (S.62-66). Ramadans Rolle bringt zwangs­läufig Anfeindungen mit sich, und zwar von beiden Seiten. Viele Zeitgenossen be­greifen ihn aus­schließ­lich als Teil der einen oder der anderen Welt. Aus ihrer Sicht ist Ramadan dann natürlich ein Verräter, Heuchler oder die Speerspitze einer Verschwörung. Bei dieser Kritik spielt die Voraussetzung, dass diese beiden Welten grundsätzlich unvereinbar sind, auf beiden Seiten eine wei­chen­stellende Rolle. Wie kann Ra­ma­dan auch versuchen etwas zu verbinden, was nicht verbunden werden kann oder darf?! Wenn man genauer hinschaut, kann man sich also nicht mehr sicher sein, ob Ra­ma­dan das Problem ist oder auf un­übersehbare Probleme im Selbst­ver­ständ­nis seiner Leser hinweist. Wer den einen zu westlich und den anderen zu muslimisch ist, kommt seinem Ideal, eine Brücke zu sein, wohl recht nahe.

Sicherlich sind viele Aspekte seines Brückenbauprojektes kritisch zu hinter­fragen. Ramadan geht davon aus, dass beide Welten gemeinsame Werte haben, die einen gemeinsamen Weg möglich machen. Er plädiert in diesem Zu­sam­menhang für Demut, Respekt und Kon­sequenz (S.22). Demut, dass keine Zivi­li­sation oder Nation ein Monopol auf uni­ver­selle Werte oder „das Gute“ hat. Re­spekt vor dem anderen in der Über­zeu­gung, dass der andere uns bereichern kann. Konsequenz („consistency“), weil die Anwesenheit des anderen als Spiegel meine Widersprüche und Unzu­läng­lich­keiten aufdeckt. Diese Konsequenz for­dert Treue zu den eigenen Werten sowie die Bereitschaft zur Kritik und Selbst­kritik. Dies ist für Ramadan selbst­ver­ständlich, denn Widersprüche und Mehr­deutigkeiten gibt es auf beiden Seiten reich­lich (S.22-23). Doch wie rea­gieren Beteiligte auf diese Voraus­set­zung und auf diese Forderung? Zeigen die Reak­tionen nicht, dass viele auf bei­den Seite sich darauf nicht einlassen kön­nen oder wollen? Wie ernst ist Ra­ma­dan als mus­limische Stimme zu neh­men, wenn er wenig Rückendeckung von Muslimen bekommt?

Woher kommen diese (ge­mein­samen) Wer­te? Für Muslime ist es selbst­ver­ständ­lich, dass diese Werte re­ligiös ange­bun­den und begründet sind. Alles andere würde für die Mehrheit von ihnen dem Abfall vom Glauben gleich­kom­men. Die Allgemeine Er­klä­rung der Men­schen­rechte verzichtet ganz be­wusst auf eine religiöse Begründung. In der Ent­wick­lung der westlichen Welt in den letzten Jahrzehnten ist eine religiöse An­bindung schon pro­ble­ma­tisch. Wie soll mit dieser grundlegenden Frage ver­fah­ren werden? Soll es einfach prag­ma­tisch gehandhabt werden? Nicht zu­letzt stehen dabei wei­chenstellende Fra­gen im Raum, ob pri­mär von Menschen­rechten oder mensch­lichen Pflichten zu sprechen ist. Oder die Frage, welche Rol­le das In­di­viduum im Ver­hältnis zur Ge­mein­schaft hat. Ra­ma­dans Argu­men­ta­tions­linie und explizite Aus­sagen (S.88) legen eine hohe Wert­schätzung und „Unab­hän­gig­keit“ des Individuums nahe. Ist das für die Mehr­heit der Mus­lime akzep­tabel?

Ramadan weiß, dass er für die Ver­wirk­lichung seines Projektes nichts weniger als ein „neues Wir” benötigt: „A ‚We‘ that would bring together men and wo­men, citizens of all religions – and those with­out religion – who would undertake to­gether to resolve the contra­dictions of their society: the right to work, to hous­ing, to respect, against racism and all forms of discrimination, all offenses ag­ainst human dignity” (S.130). Muslime müs­sen dazu die Opfermentalität auf­ge­ben, Verant­wor­tung übernehmen und sich in die Ge­sellschaft einbringen. Dies sollte von west­lichen Gesellschaften an­er­kannt und dazu ermutigt werden (S.70). Ein großes Projekt – aber findet Ra­madan ausrei­chende Unterstützung auf beiden Seiten? Weil das Projekt so groß ist, legt er wohl so großen Wert auf die lokale Ebene. Eine Revolution von unten?!

Aber diese Anfragen ändern nichts da­ran, dass Ramadan zum Nachdenken pro­voziert. Die Vielfalt und die Gegen­sätz­lichkeit der Kritik an Ramadans Werk zeigen unzweifelhaft, dass er den einen oder anderen Nerv getroffen hat. Und dazu gehört sicherlich nicht zuletzt die Identitätskrise, mit der die westliche und die islamische Welt zu kämpfen haben. Auf der Suche nach der eigenen Identität oder deren Vergewisserung ist Abgrenzung vom Anderen ein einfacher und beliebter Weg. Beide Seiten ver­schließen dabei gerne die Augen vor un­er­wünschten Aspekten der Vergangen­heit und Gegenwart. Deswegen liegt Ramadan sicherlich richtig, wenn er für einen gemeinsamen Weg eine Revo­lu­tion des Selbstvertrauens und gegen­sei­tiges Vertrauen fordert (S.29). Wenn ein friedliches Zusammenleben möglich sein soll, wird es wohl kaum anders gehen.

Dr. Heiko Wenzel, em 2011-1

Taylor, William D., Antonia van der Meer, Reg Reimer. Sorrow and Blood – Christian Mission in Contexts of Suffering, Persecution and Martyrdom, Pasadena: William Carey Library, 2012.

Es ist eine düstere Realität, dass in 64 Ländern der Erde heute Christen dis­kriminiert, unterdrückt, verfolgt, ja um­gebracht werden. Darunter sind etliche große Länder, in denen 70 % der Welt­bevölkerung leben, und 200 Millionen. Christen sind davon betroffen. Ver­fol­gung ist somit keine seltene Rand­erscheinung, ein dunkler Alptraum aus längst vergangenen Zeiten, sondern bitte­rer Alltag von vielen. Christen sind sogar ganz besonders Verfolgung ausgesetzt: 75% aller religiös Verfolgter weltweit sind Christen (S. 3). Dies passt gar nicht in unser Bild von einer modernen, zivi­li­sierten Welt, der Erwartung von Gesund­heit, Erfolg und menschlichem Glück – und unserem Verständnis von Gottes Güte und Bewahren.

Mit dieser bedrückenden Realität befasst sich der vorliegende Sammelband. Er enthält 75 Beiträge von 68 Autoren aus 22 Ländern; die Mehrheit kommt aus dem Globalen Süden und viele pub­lizieren erstmals in Englisch. Ein fas­zinierendes Werk, das mit einigen ein­führenden Grundsatzartikeln beginnt:

Christof Sauer und Thomas Schirr­macher zeigen die vielfältigen Ursachen für Christenverfolgung auf, die oft im erstaunlichen Wachstum der örtlichen Gemeinden, ihrem Engagement für De­mokratie und Menschenrechte sowie ge­gen Korruption liegen, und in der engen Verbindung zwischen Nationalismus und Mehrheitsreligion. Oft wird das Evan­gelium auch als Religion des Westens, der Kolonialmächte angesehen – als fünfte Kolonne der US-Politik.

Beram Kumar benennt einige kritische Be­reiche in der Mission, die auch zu Ver­folgung führen können, wenn etwa Kin­der ohne Zustimmung ihrer Eltern evangelisiert werden, soziale Strukturen übergangen, konfrontativ gepredigt, man­gel­haft kontextualisert oder beson­ders „kreativ“ verkündigt wird, so dass Zu­hörer sich getäuscht fühlen. Auch das müs­sen wir selbstkritisch berück­sich­tigen.

Reg Reimer erläutert die drei grund­sätz­lichen Reaktionen auf Verfolgung an NT-Beispielen: Flucht, geduldiges Er­tragen und Inanspruchnahme der Rech­te/po­li­ti­sche Lobbyarbeit. Todd Johnson schätzt die Anzahl der christlichen Mär­tyrer in den verschiedenen Ge­schichts­epochen ab und kommt auf insgesamt 70 Millionen; Thomas Schirrmacher unter­zieht diese Schätzwerte einer kritischen Analyse und ver­mutet erheblich ge­ringere Zahlen. Charles Tieszen befasst sich mit der De­fi­nition von religiöser Verfolgung – in vie­len Fällen liegen eth­nische, wirt­schaft­liche oder per­sönliche Gründe vor – formuliert als Kriterium: würde die Per­son anders behandelt, wenn sie nur einer anderen Religion an­ge­hören würde?

Im theologischen Teil bemerkt Bill Taylor, dass 99,4% der Bibeltexte aus oder in eine Situation von Unsicherheit, Gewalt, Exil geschrieben wurden. Rose Dowsett entfaltet eine Theologie des Leidens anhand der Lehre und des Leben Jesu sowie der frühen Kirche, Antonia van der Meer anhand der Evangelien und NT-Briefe. Wolfgang Häde und Glenn Penner beschreiben Verfolgung als ein zentrales Thema der ganzen Bibel. Mar­vin Newell betrachtet Mt 10, Margaretha Adiwardana 2.Kor 11 und 1.Petr 4 sowie Offenbarung.

Isaiah Dau vergleicht die westliche und afrikanische Sicht von Bösem und Lei­den. Miriam Adeney fragt, in welchem Umfang Biographien auch die dunklen Seiten einer Persönlichkeit beleuchten sollten. Grant LeMarquand und Femi Adeleye entlarven das Wohlstands­evan­gelium als Irrlehre. Weitere Beiträge erörtern, wie der Glaube durch Ver­folgung reift (Ronald Boyd-MacMillan), betrachten die Themen Menschenrecht (Thomas Schirrmacher, Thomas L. John­son), politische Lobbyarbeit für Ver­folgte (Reg Reimer, Chris Seiple), empirische Forschung (Christof Sauer, Thomas Schirrmacher, Steve Moon) und Gebet für verfolgte Gemeinde (Mindy Belz, Faith J. McDonnell), wofür Yvonne C. Taylor eine Liturgie vorstellt.

Einen Schwerpunkt bilden die Fall­bei­spiele aus der frühen Kirchengeschichte (Bill Taylor, Kelley Magill), aus der Tür­kei (Car­los Madrigal), aus Japan (How Chuang Chua), Russland (Mark Elliott, Johannes Reimer, Eugene Bakh­mutsky), bewe­gen­de Erfahrungs­berichte aus Ko­rea (David Tai-Woong Lee), aus dem Orient (An­drew Ed­ward), dem säkularen Westen (Janet Epp Buckingham), aus Angola (Antonia van der Meer), Ruanda (Antoine Rutayisire, Célestin Musekura), China (Bob Fu, Wright Doyle), Sri Lan­ka (Godfrey Yo­ga­rajah , Roshini Wickre­mesinhe), In­dien (Richard Howell, Ab­hijit Nayak, Iris Paul), Vietnam (Reg Reimer, Dave Thompson), Iran (Maryam Rostampour, Marzieh Amirizadeh), Af­ghanistan (Da­vid Tai-Woong Lee, Steve Moon) sowie von brasilianischen (Anto­nia van der Meer) und nigerianischen Missionaren (Reuben Ezemadu).

Missionsleiter berichten über ihren Umgang mit Krisen. Was bedeuten diese für die Vorbereitung und Betreuung von neuen Missionaren global (Rob Bryn­jolf­son), aus Nigeria (Stephen Panya Baba) Kanada (Paul Estabrooks), Brasilien (Paulo Moreira Filho, Marcos Amado) und USA (Kent Parks)? Wie kann Seel­sorge und Traumaverarbeitung angebo­ten werden (Laura Mae Gardner, Kyle Miller, Patricia Miersma)?

Besonders wertvoll sind auch die Richtlinien für Besuche bei ein­hei­mi­schen Verfolgten und für deren Unter­stützung sowie zum Krisenmanagement von Missionswerken. Diese muss sich jeder Missionar und Leiter zu Herzen nehmen.

Die einzelnen Beiträge unterscheiden sich in Stil, Format und Tiefgang; oft findet sich jeweils ein Beitrag aus westlicher und südlicher Perspektive, doch sind diese Beiträge leider nicht zueinander in Beziehung gestellt. Einige Bibeltexte werden sehr häufig genannt und kurz ausgelegt, andere dafür gar nicht erwähnt. Hier hätten die Her­aus­geber etwas mehr Regie ausüben kön­nen. Jeder Beitrag schließt mit einigen Fragen zur persönlichen Reflektion, Literaturhinweisen sowie einem Gedicht, Zitat oder eindrücklichen Foto. Im An­hang findet sich eine umfassende Bib­lio­graphie, Buchbesprechungen, Links zu einschlägigen Websites und Member Care Ressourcen. Dort ist auch die Bad Urach-Erklärung zur Verfolgung abge­druckt. Das Buch ist Pflichtlektüre für alle Missionare und Missionsleiter – ja alle Christen, denn Nachfolge Jesu hat überall ihren Preis.

Dr. Detlef Blöcher, em 2013-3.

Tejirian, Eleanor H. und Simon, Reeva S. Conflict, Conquest, and Con­version. Two Thousand Years of Christ­ian Missions in the Middle East. New York: Columbia University, 2012.

Eleanor H. Tejirian (Forschungs­assis­tentin) und Reeva S. Simon (stellver­tretende Direktorin) arbeiten beide am Middle East Institute der Columbia University in New York City. In der Einleitung stellen sie fest (S. ix): „bis vor ganz Kurzem, sind die Missionare in der Geschichte des Mittleren Ostens an den Rand gedrängt worden, und in der Geschichte der Missionare der Mittlere Osten.“ Angesichts dieses Mangels und des kürzlich erwachten Forschungs­interesses an Missionaren im Mittleren Osten versuchen die Autorinnen mit ihrer Studie „Zweitausend Jahre christlicher Mission im Mittleren Osten“ einen weit angelegten Überblick zu geben.

2000 Jahre auf weniger als 300 Seiten abzuhandeln ist sowohl Stärke als auch Schwäche des Buches. Es ist eine Stärke, weil die Autorinnen Entwicklungsstränge und Themen aufzeigen können, die Christen in dieser Region immer wieder beschäftigt haben. Ein solcher mit Längs­schnitten operierender Ansatz scheint mir hilfreich zu sein, um die Tatsache besser verstehen und einordnen zu können, die im letzten Satz des Buches als Resümee erscheint: „Der Mittlere Osten ist mehr als je zuvor zur Islamischen Welt geworden“ (S. 207).

Tejirian und Simon konzentrieren sich auf die geschichtliche Periode zwischen der „Ersten Großen Erweckung“ (David Brainerd, Jonathan Edwards) in den damals noch britischen nordameri­ka­nischen Kolonien während der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts und dem nachfolgenden Start der protestantischen Missionsbewegung des 19. und 20. Jahr­hunderts. Die Autorinnen weisen jedoch zu Recht darauf hin, dass alle, die die Ankunft der ersten Missionare des „Am­e­rican Board of Commissioners for For­eign Missions“ in Izmir im Jahr 1820 als Beginn der christlichen Mission im Mitt­leren Osten betrachten, „die lange Ge­schichte der Beziehung zwischen dem, was wir heute als West und Ost be­trachten, ignorieren“ (S. 68).

Kapitel 1 behandelt „Die ersten tausend Jahre“ auf 24 Seiten (S. 1–24), be­ginnend mit der Mission der Apostel (im Mittleren Osten!) und reicht bis zum großen Schisma zwischen Ost- und Westkirche im Jahr 1054. Positiv fiel mir auf, wenigstens einige Bemerkungen (z. B. S. 17.21) über die oft vernachlässigten großartigen missionarischen Unter­neh­mungen bis nach China durch die Nestorianer, die „Kirche des Ostens“, zu finden. Kapitel 2 (25–44) berichtet über die Begegnungen von Christen aus dem Westen mit dem Mittleren Osten durch Pilgerfahrten zu den „heiligen Orten“, durch die Kreuzzüge und die daran anschließende und nie gänzlich abbre­chende katholische Präsenz in der Re­gion. Kapitel 3 (44–68) lässt den Höhe­punkt und den beginnenden Niedergang der Osmanischen Herrschaft Revue pas­sieren, die katholischen Bemühungen, orien­talische Christen in „volle Ge­mein­schaft mit Rom“ unter dem Supremat des Papstes zu bringen und das zögerliche Verhalten der verschiedenen aus der Reformation hervorgegangenen Strö­mungen in Bezug auf Mission im Mittleren Osten.

Kapitel 4 (69–93) beschreibt den Beginn der neuen protestantischen Missions­bewegung und ihre Auswirkungen auf die Region. Kapitel 5 (94–114) und 6 (115–137) stellen die Missionare und ihre Arbeit in den Kontext europäischer Diplomatie und imperialistischer Ziele bis zum Ersten Weltkrieg. Kapitel 7 (138–166) versucht eine Zusammen­fas­sung der „Errungenschaften und Folgen“ dieser Zeitperiode. Besonders gegen Ende dieses Zeitraums wurde innerhalb der Missionsbewegung dis­ku­tiert, ob die Bekehrung des Einzelnen oder die Um­wandlung der Gesellschaft im Vorder­grund stehen sollten. Dieses Kapitel geht auch auf die Rolle der Missionare bei der Entstehung und Entwicklung von Nationalgefühlen und Unabhängig­keits­bewegungen unter den christlichen Min­der­heiten ein. Kapitel 8 (167–186) zeigt, wie der Erste Weltkrieg eine Katastrophe für die einheimischen Christen darstellte und eine äußerst schwierige Heraus­for­derung für die Mis­sionare aus krieg­führenden Natio­nen. Das abschließende Kapitel 9 zieht die Linien bis zur Gegen­wart. Es zeigt, wie Teile der großen Kirchen (mainline churches) fast den Ruf zur Bekehrung abgeschafft haben. Die Autorinnen fügen jedoch hinzu: „die wirkliche Expansion weltweit hat in der evangelikalen und der pfingstkirchlichen Gemeinschaft statt­gefunden“ (S. 206). Trotz dieser neuen missionarischen Be­wegungen habe die christliche Bevöl­kerung im Mittleren Osten beständig abgenommen. Eine ausführliche Bib­lio­grafie und ein hilf­reicher Index be­schließen das Buch.

Die Schwächen des Buches liegen, wie ich schon erwähnte, zum Teil auch in seiner Kürze. Natürlicherweise können Tejirian und Simon nicht in jedes Detail der aufgeworfenen Fragen gehen und müssen ihre Thesen weitgehend auf Se­kundärquellen stützen. Die Beziehung zwi­schen der Missionsbewegung und Po­litik, Diplomatie sowie Kolonialismus ist von solcher Wichtigkeit, dass weitere tiefer schürfende Studien nötig er­schei­nen. An vielen Stellen wird der Einfluss von Prämillenarismus bzw. Postmille­na­rismus auf die Missionsbewegung be­hauptet (vgl. z. B. 72), ohne diesen schlüs­sig zu erklären. Die heutige Anti­mis­sio­nars-Kritik in Ländern des Mitt­leren Ostens (vgl. kurz 196 für Ägypten) und ihr Verhältnis zur Geschichte der Missionsbewegung ist ein weiteres De­sideratum für Forschung.

Nur am Rande sei bemerkt: Dort wo Te­ji­rian und Simon über den Konflikt zwi­schen Jakobus und Paulus schreiben, scheinen sie sich auch eher auf Se­kun­därliteratur als auf den biblischen Text zu stützen. Insgesamt aber ist die Arbeit ei­ne sehr wertvolle Quelle für ein bes­seres Ver­ständnis von Mission im Mittleren Osten in ihrem historischen Kontext.

Wolfgang Häde, em 2014-3.

Teuffel, Jochen. Mission als Namens­zeugnis. Eine Ideologiekritik in Sachen Religion, Tübingen: Mohr Siebeck, 2009.

Der Autor des vorliegenden Buches ist Pfar­rer der Evangelisch-Lutherischen Kir­che in Bayern und war von 2002 bis 2008 Dozent für Systematische Theo­logie am Lutheran Theological Seminary in Hongkong. Ausgehend von gegen­wärtiger und historischer Missionskritik (William Hocking, Pearl S. Buck) ent­fal­tet Teuffel eine zeitgenössische Apo­lo­getik christlicher Mission, die eine hohe Achtung vor dem biblischen Text mit postmoderner Geschichts- und Reli­gions­kritik und lutherischen theolo­gi­schen Perspektiven verbindet. Das Buch bietet drei thematische Schwerpunkte: eine kulturelle Apologetik der Mission, die den konstruktiven Beitrag christ­li­cher Mission in der interkulturellen Be­gegnung aufzeigt (Kapitel 1 – 5), den Ansatz einer „Mission als Namens­zeug­nis“ (Kapitel 6 – 10) und Anstöße für die „Zukunft der missionalen Kirche“ in Deutschland (Kapitel 11).

In seiner Apologetik christlicher Mission weist Teuffel auf die kulturell überholte Eurozentrik westlicher Missionskritik und die Selbstbestimmtheit asiatischer und afrikanischer Missionsbewegungen hin, „die auf ihre eigene Weise die christliche Botschaft weitertragen, ohne sich dabei um irgendwelche europäi­schen Vorbehalte in Sachen Mission zu kümmern.“ Menschen erlebten die Bot­schaft von der Erlösung und Sün­den­vergebung durch Christus als Befreiung aus existentiell erlebtem Unheil. Christ­liche Mission sei rezeptorbestimmt, d.h. die Aufnahmebereitschaft und Bedeu­tung der christlichen Botschaft im Kon­text asiatischer oder afrikanischer Reli­gion und Kultur lege nicht der Missionar, sondern die Empfängerkultur fest: „Was man­chen Christen in Europa als Funda­men­talismus erscheinen mag, ist … eman­zipatorische Schriftlektüre in der ei­genen Muttersprache.“ „Kulturelle Aus­wirkungen der Mission“, wie die Ver­schriftlichung von Stammessprachen, die Einführung von Schulen und Kran­kenhäusern sowie die Relativierung des Machismo durch lateinamerikanische Pfingstbewegungen seien von (meist mar­ginalen) Volksgruppen oder Ge­sell­schaftsschichten begrüßt und als be­frei­en­de Alternative zu dominanten religiös-kulturellen Einflüssen gewählt worden. Ethnische Gruppen seien in der Lage, für sich selbst zu entscheiden, ob eine „neue Heils­botschaft lebensdienlich“ sei oder nicht. Umgekehrt könne christliche Mis­sion zu grenzüberschreitender Solidarität beitragen. Gerade die „evangelikale Mis­sion, die auf eine Rettung einzelner Men­schen durch deren eigenes Christus­be­kenntnis aus ist, [führt] zu einer welt­weiten Solidarität der Christusbekehrten“ und könne so vor Tribalismus bewahren.

Seinen eigenen Ansatz einer „Mission als Namenszeugnis“ (Kap. 6-10) ver­bin­det Teuffel mit einer postmodernen Kri­tik historisch-kritischer Standard­po­si­tio­nen akademischer Theologie. Teuffel de­finiert christliche Mission als „na­mens­bestimmt“, „was nichts anderes heißt, als Jesus Christus mit eigenen Worten und Taten anderen gegenüber zu bezeugen, so dass diese durch den Na­men Jesu IHM ihr Vertrauen schenken können.“ Dies begründet er mit der alt­tes­ta­ment­lichen Gottesoffenbarung, die nicht einen allgemeinen Gottes­begriff zum Inhalt habe, sondern den konkreten Namen JHWH, der sich jeder religiösen Ver­all­gemeinerung und Ver­ein­nahmung verweigert. Offenbarung und Heil sind an den konkreten Namen und die kon­krete Geschichte JHWHs und Jesu Christi ge­bunden. Von da aus ent­faltet sich Mis­sion dreifach (1) als keryg­matisches Na­menszeugnis, (2) als dia­konisches Na­menszeugnis und (3) als „ge­schwis­ter­li­che Gemeinschaft, die ‚Kir­che des Got­tes‘“. Dadurch entfalle „die ver­meint­liche Dichotomie zwischen in­di­vidueller Seelenrettung als evan­ge­li­ka­ler Mission und gerechtig­keits­bezoge­ner so­zialer Aktion als konziliarem Öku­me­nismus“.

Die historisch-kritische und religions­geschichtliche Einebnung der Einzig­ar­tig­keit des JHWH-Namens und seines geschichtsmächtigen Handelns zu einem „endogenen Kulturprodukt“ als „eine lo­kale Berg- und Wettergottheit aus der Re­gion nördlich des Golfes von Akaba“ in weiten Bereichen der alttestament­li­chen Bibelwissenschaft kritisiert Teuffel als literarische „Fiktion“. Demgegen­über betont er das „Vergangensein der Ver­gan­gen­heit“ und – mit der postmodernen Geschichtskritik Richard Rortys – die Un­möglichkeit einer objektiven histo­ri­schen Forschung und Geschichts­schrei­bung. Erforderlich sei vielmehr eine „fides historica“, eine Glaubenslektüre, die „das Erzählgeschehen einfach gelten lässt.“ Die Idee einer historischen Welt oder einer erforschbaren Universal­ge­schichte sei zu verabschieden. Allein der „Schriftkanon“ könne Grundlage des Na­mens­zeugnisses sein.

Dieser (stellenweise wohl zu steilen) post­modernen Geschichtskritik folgt die theologische Kritik religiöser und inter­religiöser Konzeptionen. Teuffel dekon­struiert die Universalidee „Religion“ als „neuprotestantische, antikirchliche Ideo­lo­gie“, die weder dem Selbstverständnis des christlichen Glaubens noch den reli­giösen und kulturellen Wirklichkeiten der Völker gerecht werde. Lessings Na­than, der Weise sei „die literarische Fik­tion eines kirchenentfremdeten ehe­ma­li­gen Theologiestudenten aus der Ober­lausitz“. Einen auf dieser Grundlage ideo­logisch verstandenen interreligiösen Dia­log, der „keine Namensbindung, son­dern die erfahrungsbezogene Aus­for­mung einer allgemeinmenschlichen Re­li­gion“ als Grundlage habe, stellt er in Frage (womit er zumindest teil­weise an der Vielfalt interreligiöser Dia­log­praxis vor­bei argumentieren dürfte, da Glau­bens­perspektive und menschliche Reli­gions­erfahrung sich kaum pauschal aus­einander dividieren lassen). Die pla­to­ni­sche Dialektik als Grundmethode mache einen solchen Dialog zu einem eigenen Sprachspiel, das die Namensbindung der jeweiligen Religionen hintergehe. Süd­li­che Christen hätten dafür oft ein klares Ge­spür, da es „mit ‚Buddhisten‘ oder Mus­limen … eben kein gemeinsames Namensspiel geben“ könne. Dies be­deu­tet jedoch keine Abwertung von „na­mens­gebundene[n] Praktiken von Nicht­christen“, da die biblische Götterpolemik nicht an die Völker, sondern an das Volk Gottes gerichtet sei. Auch führe dies nicht zu Intoleranz, sondern zu einer ver­tieften Toleranz im Sinne einer theologia crucis: „Christen müssen daher ertragen, dass andere Menschen nicht den NA­MEN für sich selbst anerkennen kön­nen.“ Die eigentliche Herausforderung sei nicht der Bau von Moscheen und Tempeln, die in „dieser Weltzeit“ ihren Platz hätten, sondern „dass Menschen egal welcher kulturellen Herkunft nicht den Namen anzurufen wissen“.

Trotz der Wertschätzung evangelikaler Mis­sion finden sich auch kritische Anfragen z.B. an Mission als „mensch­li­ches Seelenrettungsunternehmen“ oder an die „Bekehrung“ als die „eigene Ent­schei­dung“ als Maß aller Dinge. Vor dem Hintergrund buddhistischer Höllen­konzepte und eines religiösen Denkens im Tun-Ergehens-Zusammenhang habe dies in Asien auch zur Gesetzlichkeit von deathbed conversions und „mora­li­scher Regeltreue“ mit dem Ziel der Seg­nung durch Gott beigetragen. Den­noch könne nicht auf den Ruf zur Be­kehrung verzichtet werden, da das NT kein ano­nymes Christsein kenne. Heil in Christus könne nur dem konkret an Christus Glau­benden zugesprochen wer­den, das eschatologische Heil bleibe jedoch Sache der „göttlichen Heils­ökonomie“, da al­lei­ne Gott das Urteil zustehe.           

Abschließend (Kap. 11) skizziert Teuffel unter der Überschrift „Zukunft der mis­sio­nalen Kirche“ Perspektiven christ­li­cher Mission in der westlichen Kultur, die nicht unter Ausnutzung „geo­po­li­ti­sche[r] Kalküle“ eine Re-Christia­ni­sie­rung des Abendlands zum Ziel haben kön­ne, sondern aus der Versammlung der Gemeinde und „aus der liturgischen Chris­tus­anamnese …de[n] NAMEN an­de­ren Menschen bezeugt.“ Dem Buch sind ein Bibelstellen- sowie ein Namens- und Sachregister beigefügt, eine Bib­lio­graphie fehlt leider, die biblio­gra­phischen Angaben finden sich verstreut in den Fußnoten.

Fazit: Teuffel setzt spannende und kon­troverse Akzente und rückt das christ­liche Bekenntnis als Zentralperspektive gegenüber philosophischen Konzepten neu ins Blickfeld. Ein lesenswertes Buch, das die missionstheologische Dis­kussion mit herausfordernden Thesen aus systematisch-theologischer und inter­kultureller Sicht an wichtigen Punkten vertieft und anregt.

Friedemann Walldorf, em 2011-4.

Thiede, Carsten Peter (Hg.). Bibelüberset­zung zwischen Inkulturation und Manipula­tion. Symposion des Deutschen Instituts für Bildung und Wissen vom 2. bis 4. Juni 1993 in Pader­born. Paderborn: Deutsches Institut für Bildung und Wissen 1993.

Vorliegender Band versteht sich als ‚Beitrag zur Diskussion’, und das leistet er auch. Theo­logen, Linguisten und Altphilologen zweiein­halb Tage im Gespräch über Bibelübersetzung im allgemeinen und deren theoretische Grund­lage im besonderen. Einleitend kommen neben den Theologen K. Haacker und H. Riesenfeld die Linguisten Th. Bearth, A. Findeisen und A. Holzhausen in Form von Arbeitspapieren zu Wort. Im Anschluß werden vier Gesprächsrun­den als Tonbandnachschrift geboten. Es geht um die Frage der Inkulturation, also um das Problem, die jahrtausendealte von jüdischer Kultur geprägte Botschaft in andere Kulturen umzusetzen. Während die in der Feldarbeit ste­henden Bibelübersetzer sich zum Fürsprecher der Zielgruppen machen, heben die Philologen im Gespäch immer wieder auf die Ausgangs­sprachen ab. Im Blick auf konkrete Überset­zungsprobleme im AT wie NT werden zahlrei­che Einzelbeispiele erörtert. Zuletzt steht noch einmal die Diskussion um Nida/Taber im Mit­telpunkt und die Überzeugung von der Not­wendigkeit eines ‚Übersetzungspluralismus’.

Das Buch zeigt, ohne es zu wollen, die noch immer tiefe Kluft zwischen Altphilologie und moderner Linguistik. Aber gerade darin liegt auch die Stärke. Ungeschminkt treffen die un­terschiedlichen Ansätze aufeinander. Hier die vom Linguisten geforderte ‚pragmatische Äquivalenz’ als Kriterium einer guten Überset­zung und dort die sog. Intuition des Altphilolo­gen. Hätte die ‚Missionssituation’ mehr im Mittelpunkt gestanden, bzw. die säkularisierte Gesellschaft, wären die (lediglich) mit Revi­sionen innerhalb des europäischen Sprach­raums tätigen Altphilologen deutlicher heraus­gefordert gewesen, sich den brennenden Fragen der ‚cross-cultural-communication’ zu stellen. Nichtsdestotrotz: das Buch selbst ist eine wichtige Standortanalyse.

Ralf Richter, em 1996-1.

Thiessen, Elmer John. The Ethics of Evangelism: A Philosophical Defense of Proselytizing and Persuasion. Dow­ners Grove, IL: IVP Academic, 2011.

Durch meine Arbeit in den evangelikalen Gemeinden in der Türkei musste ich mich schon oft mit den in der türkischen Öffentlichkeit massiv erhobenen Vor­wür­fen, Missionsarbeit arbeite mit „unethi­schen“ Methoden, auseinandersetzen. So erregte Thiessens Buch leicht meine Aufmerksamkeit. Zwar spricht Thiessen in seiner „Ethik der Evangelisation“ in erster Linie zu einem westlichen, post­modern beeinflussten Publikum. Seine Monografie behandelt aber das Problem des Proselytismus [Das englische „proselytizing“ ist im Deutschen nur schwer wiederzugeben, weil das Verb „pro­selytieren“ im Deutschen quasi nicht vorhanden ist. Ich übersetze mit dem Substantiv „Proselytismus“, um wiederzugeben, dass Thiessen bewusst an einem eher negativ klingenden Wort festhält.] auf einer generell philosophischen Ebene. Daher finde ich es hilfreich auch dafür, zum tieferen Nachdenken über die Frage nach ethisch be­gründeter christlicher Mission in ei­nem islamischen Kontext anzuregen.

John Elmer Thiessen lehrte 36 Jahre lang Philosophie am Medicine Hat College in der kanadischen Provinz Alberta. Seit seiner Emeritierung im Jahr 2007 ist er nun als Dozent für Philosophie und Theo­logie an verschiedenen Univer­sitäten mehrerer Länder tätig.

Selten habe ich ein Buch gelesen, das so klar strukturiert ist wie The Ethics of Evangelism. Bei jeder neuen Stufe seiner Argumentation gibt der Autor aus­drück­lich und nachvollziehbar Aus­kunft über seine Strategie. Aufgrund der großen Klarheit seiner Argumentation ist es leicht, den Inhalt des Buches kurz zu­sammenzufassen:

In Teil I (S. 3-50) gibt Thiessen einige grundlegende Begriffsdefinitionen und er­klärt den Hintergrund der Aus­ein­an­dersetzung über Proselytismus. Teil II (53-129) behandelt „Einwände gegen Proselytismus“, Teil III (133-153) liefert Gründe für eine Verteidigung des Rechts auf Proselytismus. Bis zu diesem Punkt ist es Thiessens ausdrückliches Ziel zu beweisen, dass Proselytismus (für die Definition s.u.) nicht „an sich falsch“ ist (53, Hervorhebung von Thiessen), wie manche Kritiker vorauszusetzen schei­nen (vgl. 19). Er glaubt, philosophisch gut begründet, für ein Recht, ja sogar eine Pflicht, zum Proselytismus eintreten zu können.

Nachdem Thiessen festgestellt hat, dass Proselytismus nicht an sich unethisch ist, bemüht er sich in Teil IV (157-211), Kri­terien für eine Unterscheidung zwischen ethischem und unethischem Prosely­tis­mus aufzustellen. Das Ab­schlusskapitel (Teil V, 215-233) zielt auf die praktische Anwendung und bietet Vorschläge, wie ethische Richtlinien für den Prose­ly­tis­mus auch durchgesetzt werden können.

Thiessen ist sich der Tatsache bewusst, dass der Begriff „Proselytismus“ oft „in einem abwertenden Sinne gebraucht wird, um evan­ge­listisches Fehlverhalten zu bezeichnen“ (12, Hervorhebung durch Thiessen). Er zieht es jedoch vor, das Wort „in einer neutralen Weise, die die Möglichkeit für ethische und unethische Arten des Proselytismus zu­lässt“ (13) zu gebrauchen. Thiessen benutzt oft nahezu synonym „Beein­flussung/Überzeu­gungs-arbeit“ (persuasion) und definiert Prose­lytismus als „jede Aktivität, die versucht zu einer Konversion zu führen“ (15). Zwar schreibt Thiessen vor allem über reli­giösen Proselytismus und im noch engeren Sinne über christliche Mission, wie schon der Buchtitel „Ethik der Evan­gelisation“ andeutet. Er lenkt aber immer wieder die Aufmerksamkeit darauf, dass Proselytismus/Über­zeu­gungs­arbeit „ein na­türlicher Teil menschlicher Existenz“ (58) ist und außerdem auch regelmäßig in säkularen Lebensbereichen, wie etwa in der Erziehung, der Werbung oder der Politik angewandt wird.

Im Wesentlichen richtet Thiessen seine Aus­führungen an zwei Gruppen von Ad­ressaten. Zum einen spricht er zu einem weiten Spektrum von Gegnern des reli­giösen Proselytismus. Einige von ihnen argumentieren von einem postmodernen Hin­ter­grund her gegen jeglichen Wahr­heits­an­spruch, andere richten sich in ihrer Kritik gegen vorgeblich falsche Methoden der Überzeugungsarbeit. Oft tun sie das, so Thiessen, auf eine Weise, die nicht mehr viel Raum für „guten Pro­selytismus“ zu lassen scheint. Zum Zwei­ten richtet sich Thiessen an evan­gelikale Christen, für die das Evan­gelisieren ein Wesensbestandteil ihres Glaubens ist. Thiessen fühlt sich dieser Aus­prägung des Christseins zugehörig, stellt jedoch fest, dass Evangelikale „die Frage der Ethik der Evangelisation kaum ernsthaft durchdenken“ (ix).

Thiessen legt seinen eigenen Standpunkt als Christ deutlich offen. Wenn er für das Recht zum Proselytismus plädiert, so be­müht er sich jedoch um eine ethische Grundlegung, die, so hofft er, auch von Menschen anderer oder keiner religiösen Überzeugung akzeptiert werden kann. Beispielsweise geht der Autor in seiner Argumentation vom christlichen Glau­ben aus, der die Würde des Menschen darin begründet sieht, dass er im Bild Gottes geschaffen wurde (45). Gleich­zeitig baut er jedoch philosophisch auf Immanuel Kants säkulare Version der Menschenwürde und zitiert zustimmend Hans Küng, der „Kants kategorischen Im­perativ im Wesentlichen als eine Mo­dernisierung und Säkularisierung der Goldnen Regel sieht“ (48). Neben Kant ist der von Thiessen am häufigsten zi­tierte Gewährsmann Aristoteles, ins­besondere seine „Rhetorik“ (vgl. z. B. 186, 187, 208). Einige beachtenswerte Er­gebnisse von Thiessens Studie:

Der Autor tritt sehr überzeugend für das Recht des Menschen ein, anderen davon überzeugen zu wollen, wovon man selbst überzeugt ist. Der Versuch, andere zu überzeugen, ist für ihn Bestandteil der Menschenwürde, denn „Proselytismus schließt wesenshaft eine Aussage zur ei­genen Identität ein“ (145) und diese Ab­grenzung gehört zum Menschsein. Pro­se­lytismus im guten Sinne weist sogar darauf hin, dass man die Würde dessen achtet, den man zu überzeugen sucht, indem man seine Suche nach Wahrheit ernst nimmt. „Ich werde danach streben, die Suche des anderen nach Wahrheit zu unterstützen“ (147). Der Versuch, falsche Konzepte von Toleranz, bzw. Intoleranz zu entkräften (105-114) ist ein weiterer Höhepunkt in der Argumentation des Autors.

Thiessen listet sehr differenziert Kri­terien für ethische Evangelisation auf. Dazu gehören für ihn z. B. die Achtung vor der Menschenwürde des anderen, der Verzicht auf Zwang und Verführung und die wahrheitsgetreue Angabe von Grün­den, die den anderen in die Lage ver­setzen sollen, eine fundierte Ent­schei­dung zu treffen. Wer überzeugen will, soll demütig sein und das kulturelle Umfeld dessen respektieren, den er zu überzeugen sucht.

All diese und einige weitere Kriterien (vgl. auch ihre kurze Zusammenfassung im Anhang 1, 234-237) sollten weiter entwickelt und praktisch angewendet werden, und zwar besonders von denen, die in der Evangelisierung tätig sind. Thiessen warnt dabei aber (nach meiner Meinung zu Recht) vor einem rigo­ris­tischen und dann unrealistischen Ge­brauch dieser Kriterien. Das könnte nämlich leicht wieder zu einer voll­ständigen Ablehnung des Proselytismus führen. So ist z. B. Wahrhaftigkeit beim Überzeugen Bestandteil ethischen Ver­haltens. Allerdings soll man, so Thies­sen, berücksichtigen, dass jeder bei der Darstellung seiner/ihrer Überzeugungen in einem gewissen Maße selektiv vorgeht (188-190). Ähnlich gilt: Liebe gehört zu den unbedingten Anforderungen für ethi­sches Evangelisieren; aber „unsere Moti­vation ist niemals absolut rein“ (200).

Thiessen fordert sehr deutlich eine spe­zifischere Weiterentwicklung von Krite­rien für ethisches Evangelisieren inner­halb des Rahmens der jeweiligen Re­ligion selbst (219-223). Er warnt ande­rer­seits vor der Illusion, mit gesetzlichen und staatlichen Mitteln die rigoros aus­gelegte Idee von ethischem Pro­se­ly­tismus durchsetzen zu können (226-230). Die Grenze zwischen ethisch und un­ethisch kann nicht immer exakt definiert werden. Eine zu rigorose Anwendung ethischer Maßstäbe könnte außerdem den Grundwert der Religionsfreiheit ge­fährden, zu der eben auch das Recht auf Proselytismus gehört.

Als Thiessen sein Buch schrieb, war die gemeinsame Erklärung des Öku­me­ni­schen Rates der Kirchen, des Päpstlichen Rates für Interreligiösen Dialog und der Weltweiten Evangelischen Allianz mit dem Titel „Das christliche Zeugnis in einer multireligiösen Welt“ noch nicht veröffentlicht worden, auch wenn Thies­sen erwähnt, dass daran gearbeitet werde (247). Der Untertitel dieser Erklärung zu ethisch verantworteter Evangelisierung, die 2011 erschien, schlägt allerdings den gleichen Ton an wie Thiessen: „Emp­fehlungen für einen Verhaltenskodex“. Ethische Maßstäbe für Evan­gelisa­tions­methodik sind notwendig in einer Welt, in der Menschen unterschiedlichen Glau­bens immer näher zusammenleben. Um nicht gleichzeitig das Recht auf Pro­se­lytismus zu gefährden, ist es jedoch ratsam, von „Empfehlungen“ zu spre­chen.

Zwei vorsichtige kritische Anfragen habe ich an Thiessens Studie. Zum einen stellt sich die Frage, ob die allgemeine Of­fen­barung, auf die ja Thiessen in seiner philosophischen Argumentation aufbaut, umfassend genug und ob der Bezug auf Kant und Aristoteles wirklich über­zeu­gend genug ist, um zu einer welt­weiten Übereinkunft über Regeln für ethisch be­gründetes Evangelisieren zu kommen. Thies­sens „Glaube und Hoff­nung, dass andere letztendlich auf Ideale, die positiv und gut sind, reagieren wer­den“ (233) ist eine der mich weniger überzeugenden An­sichten in diesem Buch.

Zum Zweiten möchte ich aus biblisch ge­gründeter theologischer Perspektive an­merken, dass in Thiessens Buch die escha­tologische Dringlichkeit, jeden zu Christus zu rufen, nicht in die Be­trach­tun­gen einbezogen wird. Die Aufgabe der Christen, Menschen in das Reich Gottes zu rufen, bevor der König wie­der­kommt, erfordert manchmal möglicher­weise prophetische Aufrufe, die sich nicht so leicht in das einordnen lassen, was Außenstehende als wohl­unter­rich­teten Austausch von Ideen definieren würden. Allerdings war es ja auch nicht Thiessens Absicht, eine biblische Theo­logie der Evangelisation zu schreiben.

Ich bin allerdings davon überzeugt, dass der Ruf nach einer „Ethik der Evan­gelisation“ nicht nur deshalb notwendig ist, damit Menschen verschiedenen Glau­bens in Frieden zusammenleben, sondern dass eine solche Ethik ein Erfordernis dafür ist, Jesus Christus in der Welt an­gemessen zu repräsentieren.

Wolfgang Häde, em 2015-3.

Thomas, Norman E. (Hg.). Classic Texts in Mission and World Christianity. Maryknoll: Orbis Books, 1995.

Dieser Textband ist als Ergänzungsband (Reader’s Companion) zu David Boschs Missionstheolo­gie „Transforming Mission“ ge­dacht. Ursprünglich wollte Bosch ein zweibän­diges Werk mit etlichen historischen Quellen herausbringen. Da dies seitens der Verleger nicht möglich war, entschloß sich Norman E. Thomas zur Herausgabe eines eigenen Quel­lenbandes, der sich an der Kapiteleinteilung von Boschs Werk orientiert. Jedem Kapitel und jedem Dokument ist eine Ein­leitung des Her­ausgebers vorangestellt. Auszüge aus Doku­menten verschiedener ökumenischer Konferen­zen und des Vaticanums II stehen neben Theologen der verschiedensten Strömungen. Auch evangelikale Stimmen sind berücksichtigt. Damit liegt eine eindrückliche Sammlung vor, die neben nordaltlantischen Autoren auch eine ganze Reihe von Theologen aus der südlichen Hemisphäre zu Wort kom­men läßt. Jeder, der mit Boschs Missionstheo­logie arbeit, wird auch gern zu dieser Samm­lung greifen, die eine gute „literarische Illu­stration“ zur Darstellung Boschs bietet. Ein Arbeitsbuch zur Missionsgeschichte und -theologie!

Dr. Johannes Triebel, em 1999-4.

Thomas, Norman. Readings in World Mis­sion. London: SPCK, 1995.

Hedlund, Roger E. Roots of the Great Debate in Mission. Mission in Historical and Theological Perspective. Bangalore: Theolo­gical Book, 19932.

Bei beiden Büchern handelt es sich um Quellensammlungen. ‘Readings in Worldmis­sion’ ist der ergänzende Band zu David J. Boschs missionstheologischem Monumental­werk ‘Transforming Mission’. Das parallele Le­sen beider Bücher bietet sich daher an. Neben historischen Texten von Diognet bis hin zu John R. Mott findet der Leser die wesentlichen Texte missionstheologischer Diskussion des 20. Jahrhunderts. Besonders hilfreich ist dabei die in Anlehnung an Bosch systematische An­ordnung der Quellen nach Stichworten, z. B. ‘Mission als Kirche für andere’ oder ‘Mission als Evangelisation’. In Kombination mit ‘Transforming Mission’ erhält der Leser ein profundes Wissen über die missionstheologi­schen Entwicklungen von der Zeit Jesu bis zum Ende des 20. Jahrhunderts und Einblick in we­sentliche Dokumente der verschiedenen Epo­chen. Für den deutschen Leser bemerkenswert ist die Berücksichtigung von reformatorischen und pietistischen Texten. Wer jedoch beson­ders nach evangelikalen Texten sucht, wird ein wenig enttäuscht sein. Hier bietet sich für das 20. Jahrhundert Hedlunds Buch als Ergänzung an. Von New York 1900 bis Canberra 1989 hat Hedlund die wichtigsten ökumeni­schen, katho­lischen, evangelikalen und charis­matischen Dokumente und Veröffentli­chungen zusammengestellt. Dabei geht Hedlunds Werk weit über eine einfache Quellensammlung hin­aus, da er wichtige Zusatzinformationen über das Zustandekommen der Texte gibt. Damit erhält der Leser einen guten Einblick in die Abläufe der verschiedenen Konferenzen und Diskussionen. Hier und da wäre eine gründli­chere theologische Auseinandersetzung hilf­reich gewesen. Ob dies allerdings in der gebo­tenen Kürze zu leisten ist, ist zu bezwei­feln. Die ausführliche Bibliographie bietet je­denfalls genug Anregungen zum Weiterstu­dium.

Martin Reppenhagen, em 1997-4.

Thompson, T. Jack. Christianity in Northern Malawi. Donald Fraser’s Missionary Me­thods and Ngoni Culture. Leiden/New York/Köln: Brill, 1995.

Malawi ist als ursprünglich pres­by­teria­nisch/reformiertes Missionsgebiet für den deutschsprachingen Raum als Missionsland weniger wichtig. Aber die Kirchengeschichte Malawis, eines Staates dessen heutige Grenzen (wenn nicht sogar seine politische Existenz) auf die Church of Scotland Mission (Blantyre Mission) zurückgeht, hat dem Missiologen zu Fragen der Missionsmethode und zu Fragen des Verhältnisses Kirche und Staat viel zu bie­ten, und sie ist auch – besonders von Schotten – gut erforscht worden.

Jack Thompson’s Buch ist eine Frucht sol­cher Forschung. Es stellt einen der bedeutend­sten frühen Missionare der Livingstonia Mis­sion der Free Church of Scotland vor, der als einer der Pioniere unter den kriegerischen Ngoni im Norden Malawis arbeitete. Unter Frasers Leitung kam es um 1898 (bis etwa 1910) unter den Ngoni zu einer großen Erwek­kung mit Versammlungen von Tausenden von Teilnehmern, die u. a. zu einer bedeutenden missionarischen Bewegung nach Zambia hin­ein führte. Die Erweckung knüpfte in vielen ih­rer Formen an die traditionelle Kultur der Ngoni an, zB. hatten die großen „Conventions“ (88ff) manche Ähnlichkeit mit dem traditio­nellen Fest der Erstlingsfrüchte (incwala). Für die Missiologen besonders interessant bei die­ser Erweckung sind die prägenden Kräfte der Keswick-Bewegung, deren Einfluß nicht nur auf die Glaubensmissionen, sondern auch auf die klassischen Missionen groß war.

Das Buch kann dem Leser, der sich mit dem Verhältnis des Evangeliums zur afrikani­schen Kultur beschäftigt, gute Anregungen bieten: Fraser ließ sich tief auf die Ngoni Kul­tur ein (1935 wurde er wie ein Häuptling im Viehkraal bestattet), verband dies mit der un­konventionellen Theologie der Heiligungsbe­wegung und blieb dabei noch ein richtiger Presbyterianer.

Thompson leistet auch einen guten Beitrag zur Diskussion über das Verhältnis zwischen Kolonialismus und Mission. Die Livingstonia Mission begann in Malawi 1875, über zehn Jahre vor dem Beginn der britischen Kolonial­herrschaft. Sie half den Ngoni auf der einen Seite, länger unabhängig zu bleiben, auf der anderen Seite ermöglichte sie, den Übergang zur Kolo­nialherrschaft (friedlich) zu bewälti­gen.

Das Buch ist sehr gut lesbar und zeichnet sich durch sorgfältige Analyse und treffende Darstellung aus. Die Ausstattung entspricht dem Preis.

Thompson schreibt, daß Frasers Frau, wie viele Missionarsfrauen ihrer Zeit, für ihre Ar­beit viel zu wenig Anerkennung erhielten. Das ist wahr. Thompson selbst erwähnt Frau Dr. Agnes Fraser, „eine sehr fähige und eigenstän­dige Frau“, nur viermal, und davon dreimal als Witwe!

Dr. Klaus Fiedler, em 1996-4.

Thune, Sabine. Ernst Jakob Christoffel: Ein Leben im Dienst Jesu. Evangelium und Islam, Band 3. Nürnberg: Verlag für Theologie und Religionswissenschaft (VTR), 2007.

Die Serie „Evanglium und Islam“ möchte einen Beitrag leisten zur Erforschung der Begegnung zwischen biblischer Verkündigung und islami­schem Glauben. Der nun erschienene Band 3 dieser Serie widmet sich der Person Ernst Jakob Christoffels. Bekannt sein dürfte er vor allem als Gründer der heutigen Christoffel-Blindenmission in Bensheim, einem der führenden Christ­lichen international tätigen Werke für Menschen mit Behinderungen.

Während dieses Werk heute weithin bekannt ist, kennen vermutlich nur Wenige das missionari­sche Umfeld, aus dem heraus Ernst Jakob Chris­toffel seine Arbeit begonnen hat: Die deutsch­sprachige evangelische Armenierhilfe. Bis heute ist diese Bewegung in Deutschland in ihrer Bedeutung weder erkannt noch hinreichend gewürdigt worden, vor allem in ihrer Funktion als Vorbild für viele spätere Entwicklungen auf dem Gebiet international tätiger Hilfswerke und Menschenrechtsorganisationen. Was heute zu wenig bekannt ist: Auch auf diesem Gebiet waren die damals „Frommen im Lande“ wesent­liche Vorkämpfer und Impulsgeber; denn es waren bewusste Christen, die damals als erste und mit dem größten Engagement auf die Armenier-Massaker in der Türkei, den „ersten Genozid des 20. Jahrhunderts“, reagierten. Die von Christoffel gegründete Christliche Blin-denmission im Orient (1908) kann deshalb ursprünglich als „jüngere Schwester“ neben Ernst Lohmanns Christlichem Hilfsbund im Orient (1896) und Johannes Lepsius Deutscher Orient-Mission (1895/1900) betrachtet werden. Gleichzeitig gehören diese Werke gewisser­maßen als Untergruppe zu der größeren Gruppe der neuen deutschen „Orientmissionswerke“, die um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert entstanden sind (Evang. Karmelmission, Sudan­Pionier-Mission u.a.).

Auch diese Geschichte der deutschsprachigen evangelischen Missionsarbeit im Nahen Osten ist heute zu wenig bekannt. Wer weiß beispielsweise, dass in Malatia, der durch die grausame Ermordung dreier evangelischer Christen jetzt in der Missionswelt bekannt gewordenen Stadt in der Süd-Ost-Türkei, eine deutsche Hilfs- und Missionsstation existierte, an der auch schon damals deutsche Missions­mitarbeiter ihr Leben ließen (Christoffels Nichte Hildegard Schuler starb 1918 im Alter von 22 Jahren an Blutvergiftung). Sabine Thüne, die fast 20 Jahre als Bild-dokumentarin der Christoffel-Blindenmission arbeitete, bietet in der von ihr vorgelegten Arbeit eine Fülle von solchen Hintergrund­informationen. Zunächst stellt sie in sieben Kapiteln Leben und Wirken von Ernst Jakob Christoffel dar. Dabei wird deutlich, dass Ernst Jakob Christoffel in die vorderste Reihe der deutschen Missionspioniere gehört - nicht umsonst wurde ihm als erstem evangelischen Missionar das Bundesverdienstkreuz verliehen. Im Anschluss an jedes Kapitel finden sich zahlreiche Textanhänge, in denen bisher unver­öffentlichte Briefe und Texte des Missionars, Auszüge aus gedruckten Publikationen der Blindenmission, aber auch zahlreiche Doku­mente aus anderen Archiven und Abschnitte aus relevanter Sekundärliteratur zu finden sind; zudem sind jedem Kapitel noch einige interes­sante Bilddokumente beigegeben. An die sieben biographischen Kapitel schließen sich dann nochmals fünf thematische Kapitel an, etwa zum Thema „Blinde im Orient“ oder „Mission im Islam“. Ein Literatur- und Personenverzeichnis sowie eine Zeittafel runden das Buch ab. Außerdem ist dem Buch ein 17-seitiger Aufsatz von Dr. Christof Sauer in englischer Sprache beigegeben, der Leben und Wirken von Ernst Jakob Christoffel kurz zusammenfasst und auch einen Abschnitt über „Christoffels missiology and Christian mission among Muslims“ enthält. Somit bietet das Buch von Sabine Thüne beides: Sowohl einen guten, schnell überschaubaren und doch gründlichen Überblick über Leben und Werk von Ernst Jakob Christoffel, als auch vielfältige Zusatzinformationen (z.B. zu wei­teren Mitarbeitern und Personen aus Christoffels Umfeld), Literaturhinweise und Quellenaus­schnitte, die zum Weiterforschen in diesem Themenumfeld anregen. Wenn das Werk auch nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Forschungsarbeit für sich in Anspruch nimmt, so darf sein Wert für die missiologische Forschung nicht unterschätzt werden: Es könnte kaum eine bessere Grundlage und „Startrampe“ für eine akademische missiologische For­schungsarbeit über die Arbeit von Ernst Jakob Christoffel, sein Missionsverständnis oder etwa sein Verhältnis zum Islam (evtl. auch in Gegenüberstellung zu Johannes Lepsius oder Ernst Lohmann) geben, als diese gründliche Arbeit, die Sabine Thüne vorgelegt hat. So ist dem Werk nicht nur eine weite Verbrei­tung zu wünschen, sondern vor allem, dass es sich als Inspiration für weitere Forschungen in diesem Themenumfeld erweist.

Dr. Andreas Baumann, em 2007-4.

Tibi, Bassam. Im Schatten Allahs. Der Islam und die Menschenrechte. München: R. Piper, 1996 (erw. Tb.ausgabe).

Der international renommierte syrische Poli­tikwissenschaftler Bassam Tibi hat hier ein bemerkenswertes Buch zum Thema ‚Islam und Menschenrechte’ vorgelegt. Selbst Muslim und Bürger zweier Welten tritt er für eine Wei­terentwicklung des traditionellen Islam zu ei­nem ‚Euro-Islam’ ein, da – so seine These – nur ein aufgeklärter, von der Institution Staat ge­trennt existierender Islam eine durchgängige Beachtung der Menschenrechte garantieren kann. Zwar haben die meisten islamischen Länder Menschenrechtserklärungen unter­zeichnet, dulden oder betreiben jedoch gleich­zeitig die Verurteilung und Tötung von Apo­staten (vom Islam Abgefallenen). Überall dort nämlich, wo das islamische Gesetz (die sharia) Gültigkeit besitzt - sie sieht die Todesstrafe für Apostaten vor - werden automatisch Teile der Menschenrechtserklärungen zur Freiheit der Religionsausübung und Unantastbarkeit der Menschenwürde außer Kraft gesetzt. Nicht umsonst haben islamische Staaten daher stets betont, daß Menschenrechte nur insofern ge­währt werden könnten, wie sie nicht die Be­stimmungen der sharia berühren. Daher er­kennt Tibi für den an der sharia orietierten Is­lam der meisten islamischen Länder keinerlei Möglichkeit, wirkliche Fortschritte in der Men­schenrechtsfrage zu machen und beurteilt das Rechtsgutachten (fatwa) Khomeinis gegen Salman Rushdie als einen „Rückfall in die Steinzeit“ (S. 119). Nur durch eine – allerdings derzeit für ihn utopische – Reform des Islam hin zu einer Anerkennung von Werten, die nicht der sharia unterstehen, könnten diese Fortschritte s. E. erreicht werden.

Bassam Tibi hält jedoch nicht nur der isla­mischen Welt ihre Unfähigkeit zu Demokrati­sierung und zum Garant von individuellen Rechten vor. Gleichermaßen kritisiert er das heuchlerische Schweigen Europas im Bosnien-Konflikt. Wenn das freiheitsgewohnte Europa nicht bereit ist, seine einstmals erkämpfte De­mokratie und Freiheit zu verteidigen, so Bas­sam Tibi, wird es dem von Migranten und Flüchtlingen nach Europa im­portierten Funda­mentalismus hilflos gegen­überstehen. – Ein mutiges, persönliches, enga­giertes Buch, das trotz seiner zeitweisen Weit­schweifigkeit dem interessierten Leser wert­volle Einblicke und Anstöße vermittelt.

Dr. Christine Schirrmacher, em 1996-4.

Timmer, Daniel C. A Gracious and Compassionate God. Mission, Salva­tion and Spirituality in the Book of Jonah. New Studies in Biblical Theo­logy 26. Downers Grove: Apollos, 2011.

Neue theologische Einsichten in das am ausgiebigsten kommentierte Buch des Alten Testaments zu gewinnen – darum bemüht sich der reformierte amerika­ni­sche Alttestamentler Daniel Timmer mit Erfolg, was sich vor allem methodisch begründet: Er arbeitet stark narrativ (Don Carson redet im Vorwort von close read­ing) bestürmt den Text mit Fragen nach Handlung, Charakteren, Aufbau und Er­zählperspektiven. Er arbeitet stark kano­nisch, scheut sich nicht vor Bezügen bis in das Neue Testament hinein („chris­to­zentrische Interpretation“). Und er arbei­tet mit starkem zeitgeschichtlichem In­ter­esse, fragt nach Texten der Umwelt und der politischen und religiösen Si­tuation Ninives im achten Jahrhundert vor Christus.

Bevor er die vier Kapitel des Buchs Jona sukzessive theologisch bearbeitet (man erwarte hier keine Vers-für-Vers-Exe­ge­se), geht er auf die Themen Mission, Be­kehrung und Spiritualität ein. Hierbei wird nicht deutlich, wieso gerade dies die für ihn wichtigen Themen des Buchs sind (vgl. S. 19, 59, 135). Seine Defi­ni­tion von Mission lautet: „the trans­miss­ion of testimony regarding God’s person and works of salvation and judgment, usually for the intended purpose of pro­ducing faith in his promises of salvation and judgment and conformity to his character and will“ (S. 39). Wichtiger dabei ist wohl, was diese Definition offen lässt: Ob die Initiative beim Zeu­gen liegt, ob Mission durch Wort oder Tat geschieht, durch einzelne oder eine Gemeinschaft, beabsichtigt oder unbe­ab­sichtigt, wie sehr der Zeuge Gott kennt, und inwiefern Verheißung eine Rolle spielt. Damit darf auch Jona ein „Mis­sionar“ sein, und seine Botschaft zumin­dest indirekt missionarisch (S. 39-41). Tim­mer akzeptiert eine missionarische Funk­tion der Fremdvölkersprüche und der Psalmen. Seine Beobachtungen hier hätten durch eine Auseinandersetzung mit Richard Schultz, „‚Und sie ver­kün­den meine Herrlichkeit unter den Na­tionen.‘ Mission im Alten Testament un­ter besonderer Berücksichtigung von Je­saja“, in: H. Kasdorf und F. Walldorf (Hg.), Werdet meine Zeugen. Welt­mission im Horizont von Theologie und Geschichte, Neuhausen-Stuttgart: Hänss­ler, 1996, S. 33-53, deutlich vertieft werden können. Auf die theologische Problematik einer passiven Übersetzung des Nif‘al in Gen 12,3 vor allem im deutschsprachigen Raum geht er nicht ein (S. 34).

Zur Frage der Bekehrung im Alten Tes­tament zieht Timmer mit B.B. Warfield (1911) und John Murray recht betagte Quellen heran, hier wäre ein Einblick in die neuere Konversionsforschung, auch von humanwissenschaftlicher Seite her hilfreich gewesen, wie ihn etwa Philipp Enger, Die Adoptivkinder Abrahams, Frankfurt: Lang, 2006, S. 31-54 gewährt. Timmer nimmt die „Bekehrung“ Ab­ra­hams als Muster, um zwischen einem einfachen Glauben nach Hebr 11 in Gen 12, einem Glauben nach Röm 4 (an die Verheißung des Samens) in Gen 15, und einem Glauben nach Jak 2 (mit Werken) in Gen 22 zu unterscheiden. Bezüglich der Bekehrungen von See­leuten und Assyrern im Buch Jona fällt ihm eine Einordnung jedoch schwer (S. 56). Aus dem zeitgeschichtlichen Kon­text heraus vermutet er zudem, dass Ninive sich nicht vollständig bekehrt (S. 104). Timmer schließt sein Buch mit einem ausführlichen christozentrischen Rück- und Ausblick unter den Schwer­punkten Sünde, Gericht und Evangelium (einschließlich der Frage nach der Be­deu­tung des Heiligen Geistes).

Eine große Stärke und gleichzeitig große Schwäche des Werks liegt in der 32-seitigen Bibliographie. Sie ist eine wahre Fundgrube für Literatursuche in den Be­reichen Jona und Mission. Theologisch folgt Timmer hier Don Carson (zitiert gerne Themelios und die NSBT-Reihe), sowie reformierten Theologen bis hin zu Calvin selbst. In Fragen alttes­ta­ment­licher Mission bevorzugt er Kös­ten­ber­ger und O’Brien (2001), Eckhard Schna­bel (2004, I. Teil, englische Ausgabe) und Chris Wright (2006). Zu Jona emp­fiehlt er Sasson, Stuart, Magonet, Trible, Wolff und Lux (S. 9). Timmer liest libe­rale deutsche Literatur, doch fehlen evan­gelikale deutsche Veröffent­li­chun­gen fast vollständig. Selbst Erich Scheu­rer (1996) und ein Großteil der durch ihn vorgestellten Beiträge bleiben so un­be­rücksichtigt. Dieser Missstand wirft die Frage nach einer stärkeren inter­na­tio­nalen Vernetzung auf, damit evan­ge­li­kale Theologie nicht zu einer anglo­ame­rikanischen Einbahnstraße wird.

Dr. Siegbert Riecker, em 2011-3.

Tiplady, Richard. Postmission, World Mission by a Postmodern Generation. Carlisle, Cumbria: Paternoster Press, 2002.

Viele junge Missionare fühlen sich in den traditionellen Missionswerken nicht wohl. Warum ist das so und wie müssten Missionswerke sich entwickeln, damit sie der jungen Generation entsprechen? Eine Gruppe von 17 Personen der Generation X (definiert durch die Geburt zwischen 1965-1980), aus fünf verschiedenen Nationen, alle betraut mit verantwortlichen Aufgaben in der Weltmission, ging dieser Frage nach. Sie trafen sich für fünf Tage im März 2001, zu gemeinsamer Anbetung, gegenseitigem Zuhören, herausfordernder Diskussion, Essen, Beten und gemeinsamem Erleben.

Das Buch „Postmission“ ist ein Ergebnis dieses Projektes. Es fasst die wichtigsten Gedanken in einzelnen Artikeln zusammen und richtet sich sowohl an Missionsleiter also auch an junge Menschen der Generation X in traditionellen Missionswerken. Dabei zielt es zum einen darauf ab, Verständnis für die veränderte Weltsituation der Postmoderne und die Charakteristika der Generation X zu schaffen, zum anderen aber auch Anregungen zu geben, wie traditionelle Missionswerke verändert werden könnten, um den Anforderungen der neuen Zeit und den neuen Mitarbeitern (Generation X) besser zu entsprechen.

Im ersten Teil wird darauf eingegangen, wie sich die Generation X versteht, bzw. wie sie wahrgenommen werden will. Besonders wird erklärt, was den Menschen dieser Generation in Missionswerken Schwierig­keiten macht. Einen prominenten Platz nimmt dabei die Diskussion der Leitungsstile ein. Im zweiten Teil des Buches behandeln die Autoren Anfragen der Postmoderne an bestehende Organisationsstrukturen. Im dritten Teil werden Ansätze aufgezeigt, die traditionelle Missionswerke auf ihrem Weg zu postmodernen Strukturen helfen sollen. Das Buch ist gespickt mit hilfreichen Anregungen: z.B. Gedanken zur Veränderung von Leitungsstilen in Missionswerken, die grundsätzlich Ermutigung zu viel mehr Kommunikation zwischen Missionsleitung und Mitarbeitern, die Hervorhebung der Wertschätzung von Mitarbeitern, die neu begründete Betonung des Mentoring usw. Dabei hat es aber auch eine sehr deutliche Botschaft: Entweder passen sich die Missionswerke den Gegebenheiten der neuen Zeit an oder sie werden für die postmoderne Welt und ihre postmodernen Missionskandidaten (Generation X und folgende) irrelevant sein.

In seiner ganzen Aufmachung und Entstehung atmet „Postmission“ bereits postmoderne Luft. So lehnt sich die Bucheinteilung an Titel eines postmodernen Liedinterpreten an (REM, Michael Stripe). Der Inhalt des Buches wird von einem gleichberechtigten Autorenteam präsentiert. Die einzelnen Beiträge sind mal mehr, mal weniger durchzogen von der Kritik des Status Quo. Diese ist gepaart mit Frust, Zerbruch und Hoffnung auf Veränderung, um des Evangeliums für die postmoderne Welt willen. Man spürt den Autoren eine Leidenschaft und einen Willen nach vorne ab. Ihr Sendungsbewusstsein für die Menschen ihrer Zeit und der folgenden Generationen lässt sie mutig und selbstkritisch auf die traditionellen Missionswerke zugehen.

Dieses Buch ist ein Muss für Kandidatensekretäre, Feldleiter und alle, die in Missionswerken leitende Verantwortung tragen und/ oder mit der neuen Generation Kontakt haben. Bei der Lektüre darf man sich jedoch nicht von den bereits erwähnten postmodernen Ausdrucksformen abhalten lassen, die vielen positiven Ansätze wahrzunehmen und die eigene Position hinterfragen zu lassen.

Hans Walter Ritter, em 2003-4.

Torjesen, Edvard P. A Study of Fredrik Franson: The Development and Impact of his Ecclesiology, Missiology and Worldwide Evangelism. University Microfilms Inter­national, Ann Arbor, London, 1984.

Er gründete mehr als ein Dutzend Missio­nen und Kirchen in Amerika und Europa, davon drei im deutschsprachigen Raum, und alle existieren heute noch. Trotzdem gehört Franson eher zu den großen Un­bekannten der Missionsgeschichte. Aus der skandinavischen Erweckung kommend schloß sich Franson der interdenominationellen Gemeinde Moodys in Chicago an und begann seinen weltweiten evangelisti
schen Dienst. Sein Leben lang blieb er die­sem Auftrag treu, zuerst in der Heimat­mission in USA und in Skandinavien, außer­dem in der Werbung für die Außenmission (besonders für China, unter dem Einfluß von Hudson Taylor) und zuletzt auch als Evangelist in den Missionsgebieten. Zudem war er ein bedeutender Lehrer der prophe­tischen Botschaft der Bibel.

Überall war sein Dienst inter-denominationell, und doch leistete er einen wesentlichen Beitrag zum Thema der Ekkesiologie, das heute in den inter-denominationellen Mis­sionen zunehmend an Bedeutung gewinnt.

Im deutschsprachigen Raum (S.370-393) beeinflußte Franson besonders die Freien evangelischen Gemeinden und die Gemein­schaftsbewegung (Allianz Mission Barmen, Deutscher Gemeinschaftsdiakonieverband, Schweizer Allianz Mission).

Der Autor ist Missionar von TEAM (The Evangelical Alliance Mission) USA, zur Zeit Repräsentant von TEAM in Nordeuropa. (In Deutschland arbeiten TEAM und die DMG zusammen.)

Das besprochene Buch ist das Ergebnis von 12 Jahren Arbeit, wovon 10 Jahre der Ma­terialsammlung in ebensovielen Ländern ge­widmet waren. Torjesens Sprachkenntnisse (nur Armenisch und Finnisch beherrscht er nicht!) ermöglichten ihm den Zugang zu den Primärquellen, auf denen seine Darstellung ausschließlich beruht. Das Buch ist eine ausgezeichnete Forschungsarbeit. So wie Torjesen es hier tat, müßten noch eine gan­ze Reihe von Themen evangelikaler Mis­sionsgeschichte erfaßt werden.

Klaus Fiedler, em 1986-1.

Towery, Britt. Christen in China. Oncken Wuppertal/Kassel 1987.

Dieses Buch, ur­sprünglich 1986 in Hongkong erschienen als „The Churches of China: Taking Root Downward, Bearing Fruit Upward”, gibt in verschiedenen Kapiteln Einblicke in die Geschichte und Gegenwart der Kirche in China und will dazu beitragen, die Entwick­lungen dort, die ja nicht nur die Missiologen sehr überrascht haben, verständlich zu ma­chen. Und falls Sie einmal nach China rei­sen wollen, so finden Sie auf S. 140-166 auch die wichtigsten kirchlichen Adressen in den 29 Provinzen, Stadtgemeinden und autonomen Regionen Chinas.

Em 1988-2.

Troeger, Eberhard. Kreuz und Halbmond. Was Christen vom Islam wissen sollten. Wuppertal: R. Brockhaus Verlag, 1996.

Der Leiter der Evangeliumsgemeinschaft Mittlerer Osten (EMO) Eber­hard Troeger legt hier die stark überarbeitete und erweiterte Neu­auflage seines 1981 veröffentlichten Buches „Islam im Aufbruch – Islam in der Krise?“ vor. Diese Neuauflage zielt nicht in erster Linie auf eine chro­nologische Darstellung der islami­schen Geschichte oder auf eine syste­matische Darstellung der koranischen Dogmatik, obwohl diese Themen auch angesprochen werden. Vielmehr beleuchtet der Autor schlaglichtar­tig die islamische Vergangenheit und Gegenwart, sowie querschnittartig diejenigen Fragen, die die islamische Lebenswirklichkeit ausmachen wie z B. das Menschenbild des Islam, Frauen und Männer in der islamischen Welt, der Hei­lige Krieg oder die Ausbreitung des Islam. Da­durch wird dem Leser deutlich, daß „Islam“ eben nicht nur die bloße Zugehörigkeit zu einer Religion bedeutet, sondern Dog­matik, Ethik, Geschichte, Po­litik, Volksislam und Mystik zugleich umfaßt. Der Autor bleibt jedoch nicht bei der Dar­stellung des Islam stehen, sondern nimmt sachkundige Beurteilungen aus bibli­scher Sicht vor. Der Leser erhält damit zugleich Anknüpfungspunkte für die missiona­rische Begegnung mit Muslimen, wenn es etwa um die fehlende Heilsgewissheit im Islam oder die Ablehnung des Kreuzestodes Jesu und sei­nes Erlösungshandelns im Islam geht.

Leider sind in der Literaturliste aufgrund der ungewöhnlichen Anord­nung gesuchte Titel nicht ganz leicht auffindbar: Die Titel sind nämlich nicht alphabetisch nach dem Nachna­men des Autors angeordnet, sondern nach dem jeweiligen Erscheinungs­jahr des Buches. Hilfreich da­gegen ist das ausführliche Re­gister und dies insbesondere aufgrund der Quer­schnittstruktur des Buches. Das Buch ist unbe­dingte Pflichtlektüre für jeden Christen, der den Islam im In- und Ausland besser ver­stehen möchte.

Dr. Christine Schirrmacher, em 1996-3.

Tucker, Ruth A. Bis an die Enden der Erde: Missionsgeschichte in Biographien. Metzin­gen: Ernst Franz Verlag, 1996.

Ruth A. Tuckers Standardwerk zur Missions­geschichte ‚From Jerusa­lem to Irian Jaya’, das 1994 in 17. Auflage erschien, liegt nun endlich auf Deutsch vor. Das Original beschreibt die Missionsgeschichte anhand von 100 Biogra­phien von Missionaren und Missionsförderern von Paulus bis heute, wobei der Schwerpunkt beim 17. bis 20. Jahrhundert liegt. Karl Renn­stich hat die deutsche Ausgabe bearbeitet und dazu leider ca. 40 Biographien gestrichen, wo­bei nicht zu erkennen ist, nach welchem Prin­zip die Auswahl erfolgte. Stattdessen hat Renn­stich das Werk um 15 Bio­graphien meist deutschsprachiger Missionare ergänzt, wobei diese Ausar­beitungen qualitätsmäßig ausge­zeichnet sind und meist weit mehr Fakten ver­arbeiten, als die oft erzählend dargebotenen Beiträge von Ruth Tucker selbst. Auch diese deutschen Biographien sind nicht vor allem reprä­sentativ ausgewählt, sondern entstammen meist dem Umfeld der Basler Mission, der Rennstich verbunden ist. Eine theologische Wertung der dar­gestellten Personen wird kaum vorgenom­men, weswegen auch umstrittene Personen wie Paul Yonggi Cho, der zu­dem wohl kaum als Missionar ein­zustufen ist, auf­genommen wurden, wobei erstaunlicherweise Tucker we­nige Seiten später in Bezug auf Ko­rea, aber ohne Bezug auf Cho, vor einer „Schamanisierung des Christentums“ (S. 411-412) in Korea warnt. Kurzum: ein wichtiges, weil konkurrenzloses Buch zur Missionsge­schichte, auch wenn die Auswahl der Missio­nare ver­besserungswürdig ist. Ein von Christof Sauer erarbeitetes kommentiertes ausführliches Litera­turverzeichnis ist für jeden, der sich für Missionsge­schichte interessiert, ein ausge­zeichneter Einstieg in die große Flut der Lite­ratur zum Thema.

Dr. Thomas Schirrmacher, em 1997-1.

Tucker, Ruth A. From Jerusalem to Irian Jaya. Academic Books, Zondervan Publi­shing House, Grand Rapids (Michigan), 1983.

In 5 Teilen und auf knapp 500 Seiten um­reißt die Autorin ihr Anliegen einer ,,2000 Jahre langen Fortsetzung der Apostelge­schichte“. Die fünf Teile sind betitelt: Das unwiderstehliche Vordringen (Römerreich, Christianisierung, Herrnhuter Brüdergemeine, frühe Mission unter Indianern Nordamerikas). Das „große Jahrhundert“ (Mission im 19. Jhdt.: Südliches Asien, Schwarz­afrika, Fernost, Pazifik). Das zunehmende Engagement (die ledige Missionarin, die „Studenten-Frei­willigen“, die Glaubensmissionen). Der Ruf nach dem Spezialisten (Arzt, Bibelübersetzer, Radiotechniker, Pilot in der Mission). Der Drang zur Nationalisierung (Mär­tyrer im 20. Jhdt., Sendboten von Kirchen in der Dritten Welt, neue Strategien). Es ist Ruth Tucker gelungen, die Fülle des Stoffs klar und gut überschaubar anzu­ordnen. Dies im besonderen dank ihrer Gabe, die menschliche Seite des Missions­unternehmens in mancher fesselnden Dar­stellung hervorzuheben. Die eine Seite bleibt das Bewußtsein der heiligen Beru­fung durch den Herrn der Ernte; die andere Seite, die in diesem Buch erfrischend reali­stisch zum Ausdruck kommt, ist der Aspekt der Weitergabe des Evangeliums in Raum und Zeit, in zahlreichen menschlichen (manchmal allzu menschlichen) Einzel­zügen. Ein bedeutsamer Schwerpunkt in manchen der Lebensbilder ist die Dimension der Ehe und der Familie, die oft ergreifend und manchmal erschütternd angesprochen wird. Als Frau hat Ruth Tucker diesen in den herkömmlichen Biographien gerade der „großen“ Männer Gottes oft übergangenen Aspekt gebührend hervorgehoben. In manch einer feinen, bald humorvollen, bald ernsten Schilderung begegnen uns auch die Kämpfe und die Siege der unverheirateten Dienerin Gottes. Hier liegt zweifellos die besondere Stärke dieser Darstellung. Sprache und Stil sind lebhaft und zeitge­mäß; das Buch ist auch Lesern, die sich auf ihr Schulenglisch verlassen müssen, gut zugänglich.

Susanne Mayer, em 1985-1

Tucker, Ruth A. und Walter L. Liefeid. Daughters of the Church, Women and Ministry from New Testament Times to the Present. Academic Books, Zondervan Pub­lishing House, Michigan.

Von dem Volumen und der Aufstellung her eher ein Nachschlagewerk, entwickelt sich das Buch bald zur faszinierenden Lektüre, wobei die Autoren nicht vom feministischen Aspekt ausgehen, sondern bemüht sind, das biblische Verständnis der Frau hervorzu­heben. Von der neutestamentlichen Zeit bis hin zur Gegenwart wird die durchaus be­deutsame Rolle der Frau in Kirchen- und Missionsgeschichte beschrieben. Die Be­wertung der Frau im christlichen Dienst wurde bislang in den Hintergrund gestellt, obwohl die Nachforschungen deutlich ma­chen, daß gerade Frauen eine Pionierstel­lung eingenommen haben. Diese Tatsache läßt die Autoren nicht nur die kulturellen Faktoren, sondern auch den Trend bibli­scher Exegese der verschiedenen Zeitab­schnitte untersuchen, inwieweit sie die Rol­le der Frau beeinflußten.

Besonders die frühe Kirche besaß einen großen Reichtum an einflußreichen Frauen, deren Einsatz meistens unterschätzt und sehr oft unterdrückt wurde. Der Kampf um Anerkennung der Frau im Dienst der Kirche begleitet die Geschichte bis hin zu den An­fängen der Mission. Bedeutende Frauen wie Susanna Wesley, um nur eine von vie­len zu erwähnen, spielten während der Erweckungsbewegungen im 18. und 19. Jahr­hundert eine große Rolle, doch geschah ihr Einsatz meistens im Hintergrund, indem sie Gebetstreffen in ihren Häusern organisier­ten und persönlich evangelisierten. Nach Auffassung der damaligen Theologen hatte eine Frau in der Gemeinde immer noch zu schweigen. Trotzdem zeichnet sich das 19. Jahrhundert dadurch aus, das sich mehr Frauen die Freiheit nehmen, öffentlich zu predigen. Von einigen Ausnahmen abgese­hen, wurden sie jedoch von der damaligen Zeit als Sektierer betrachtet.

Erst das weite Feld der Außenmission bot Frauen unvergleichliche Gegelenheiten zu erfüllendem Dienst, was nach Ansicht der Autoren selbst in den bedeutenden Missionsgeschichtswerken von Latourette und Neill kaum erwähnt und gewürdigt wird. Umso mehr bemühen sich Tucker und Lie­feid, die Verdienste der Frauen in der Mis­sion hervorzuheben, deren Tätigkeitsfeld von Evangelisation und Gemeindebau bis hin zur Bibelübersetzung und zum Unter­richt an Theologischen Seminaren reicht.

Bei dem Versuch, die wichtigsten Frauen der Missionsgeschichte zu erfassen, haben sich die Autoren offensichtlich nicht immer an Primärquellen gehalten. So wird Priscilla Studd, um ein Beispiel zu nennen, neben Mary Livingstone als eine von vielen Mis­sionarsfrauen erwähnt, deren Männer sie krank und untauglich in der Heimat zurück­ließen. Was nicht berichtet wird, ist die Tat­sache, daß CT. Studd seine Frau ermutigte, im Glauben vom Krankenlager aufzustehen,
um die Arbeit in der Heimat aufzubauen. Priscilla Studd ist es zu verdanken, daß WEC International nicht nur in England, sondern weltweit bekannt wurde. Sie hat mit fester Hand die Organisation bis nach Amerika vorwärtsgetrieben und den WEC auch in Australien und Neuseeland eta­bliert. Trotz aller Verdienste in der Mis­sion galt die allgemeine Überzeugung, daß Frauen Gottes zweite Wahl sind und Män­ner allemal den Vorrang haben, sofern sie sich von Gott in den Dienst rufen lassen.

Auch leitende Frauen der Dritte-Welt-Kir­chen finden Erwähnung als solche, die west­liche Missionarinnen zum Vorbild hatten und in ihren Diensten wesentlich durch sie geprägt wurden. Nicht zuletzt werden Frauen der gegenwärtigen Zeit aufgeführt und in den Kontext der verschiedenen Strö­mungen mit ihren unterschiedlichen Ansich­ten gestellt.

Ein Anhang mit theologisch hermeneutischen Erörterungen, dem Versuch einer Exegese zum Thema und der Frage nach Ordination und Autorität der Frau in der Gemeinde beschließt das Buch.

Die Autoren beanspruchen nicht, die um­fassende Geschichte der Frau in der Kirche erfaßt zu haben. Dennoch ist es ihnen durchaus gelungen, einen guten Gesamt­überblick zu geben.

Christel Meyer, em 1990-1.

Tworuschka, Monika und Udo. Kleines Lexikon Islam. Christen begegnen Mus­limen. Konstanz: Christliche Verlagsanstalt, 1992.

Die Autoren, eine Islamwissenschaftlerin und ein Theologe, beklagen zu Recht die ober­flächlichen und teilweise falschen Informatio­nen der Medien über den Islam. So ist das Buch als Gegengewicht dazu gedacht, als Instrument des Dialogs, um Christen unter 121 Stichworten ein besseres und sympathischeresVerständnis des Islams zu vermitteln. Dennoch nehmen die Autoren hin und wieder Wertungen vor, die sich weniger gegen den Islam richten (Ausnahme: das Todesurteil über Salman Rushdie beurteilen sie als etwas „Ungeheuerli­ches“, S.17) als gegen das Christentum: So sind sie zum Beispiel der Ansicht, der christli­che Fundamentalismus lehne pauschal die „Er­gebnisse der modernen Wissenschaft“ in Tech­nologie und Ökonomie ab (S.46/47). Ferner urteilen die Autoren, daß im Christentum im Zusammenhang mit der Lehre von der Erbsün­de eine „parallel einhergehende(r) Verunglim­pfung der Sexualität“ zu finden sei (S.91). Aussagen des Korans wie etwa die Anweisung an Ehemänner, ungehorsame Ehefrauen erst zurechtzuweisen und dann zu schlagen (Sure 4,34), werden unter dem Stichwort „Ehe“ da­gegen nicht erwähnt.

Eine Auswahl an Stichworten in einem Lexikon muß immer bis zu einem gewissen Grad willkürlich sein. Unklar bleibt etwa, warum nur wenigen Personen wie Gamal ad-Din al-Afgani ein Abschnitt gewidmet wurde, nicht jedoch großen und einflußreichen islami­schen Denkern wie al-Ghazali oder at-Tabari. Einige Ausführungen scheinen angesichts der Brisanz der Themen etwas kurz gekommen zu sein wie etwa die Artikel „Glaubensbekennt­nis“, „al-Azhar“ oder der Artikel „Muslimbrü­der“, der nur 6 Zeilen umfaßt. Im letzten Fall hätte man etwa auf die Auseinandersetzung der Muslimbrüder mit Israel und die politische Bedeutung dieser Gruppe anhand der Ermor­dung Sadats 1981 durch den Muslimbruder Khalid al-Islambuli hinweisen können.

Kleine Fehler lassen sich in einem Lexikon wohl kaum vermeiden, ‚irtidat’ statt richtig ‚irtidad’ (S.17) könnte auch ein Druckfehler sein. Die Prophetenenkel al-Hasan und al-Husain wurden aber keinesfalls 661 „bei Kerbela … belagert und fanden schließlich den Tod“ (S.19). Vielmehr starb al-Hasan, der auf das Kalifat 661 verzichtet hatte und nach Medina gezogen war, dort zwischen 670 und 678, wäh­rend al-Husain 680 bei der berühmten Schlacht von Kerbela den Tod fand. Ferner wird in der islamischen Tradition üblicherweise nicht von
den ‚100 schönsten Namen Gottes’, sondern nur von 99 Namen gesprochen, da der 100. Name den Gläubigen verborgen sein soll (S.60).

Trotz der erwähnten Kritikpunkte bietet das „Kleine Lexikon Islam“ vergleichsweise umfassende, positiv wertende Informationen über den Islam, behandelt auch rare, sehr inter­essante Themen wie etwa ‚Abtreibung’, ‚Menschenbild’, ‚Menschenrechte’ oder ver­schiedene Feste des islamischen Kalenders. Es ist zur Information fraglos jedem auflagenstar­ken populärwissenschaftlichen Romanwerk über den Islam weit vorzuziehen.

Christine Schirrmacher, em 1993-4.

Übler, Hans und F. Christian Trebing. Soft­warekatalog für Theologie, Kirche und Diakonie. Ein PC-Handbuch mit den aktuellen Programmen. Wort im Bild, Ringstr. 18a, D 6451 Hammersbach.

Wer neue Computer-Software sucht, findet hier gute Erstinformation. Auch Missiologen kommen auf ihre Kosten im Bereich Literaturverwaltung und Textverarbeitung mit fremdsprachlichen Zeichen. Echt missiologische Datenbanken wie „World Muslim Population Growth 1970-2000“ (Light of Life, Villach) oder kartographische Programme wie die von Global Mapping International wurden freilich dort noch nicht gemeldet.

Christof Sauer, em 1993-3.

Ustorf, Werner. Christianized Africa – De-Chri­stianized Europe? Missionary Inquiries into the Polycentric Epoch of Christian Hi­story. Amersbek bei Hamburg: Verl. an der Lott­bek Jensen.

Werner Ustorf, geb. in Hamburg, ist seit 1990 Pro­fessor für Missionswissenschaft an der Uni­versity of Birmingham und am Selly Oak Col­lege. In seinem aus mehreren Studien zusam­mengesetzten Buch geht es um einen neuen missiologischen Ansatz in der sog. dritten Epo­che des Christentums. Im ersten Teil beschreibt er in drei Studien afrika­ni­sche Ansätze zu einer christlichen Identität im Wi­derstreit mit der eu­ropäischen kulturellen Domi­nanz. Im zweiten doppelt so langen Teil ent­faltet er in sechs Ka­piteln bzw. Studien sein Pro­gramm für die westliche Christenheit: aus­ge­hend von einem faktischen Pluralismus for­dert er eine Trans­formation des bisherigen Mis­sionsansatzes, der Kirche und schließlich der Welt zu sozialer Ge­rechtigkeit, gleichbe­rech­tigter und friedlicher Koexistenz der ver­schie­denen Kulturen und Wahrheitsfindung durch Diskurs. Damit liegt er im Trend öku­me­nischer Theologie, die hier in vielen lose mit­einander verknüpften Einzel­studien in theo­re­tisch-technischem Englisch ih­ren Aus­druck fin­det.

Martin Sachs, em 1996-1.

Verwer, George. Out of the comfort Zone - Grace, Vision, Action. Carlisle, Cumbria: OM Publishing, 2000.

Suchen Sie ein Buch, das Menschen zu Mobilmachern für Weltmission macht? Hier ist eines. Im Stil, klassisch George Verwer, geschrieben nach seinen Predigtkassetten und daher lebendig, frisch und voller Herausforderung. George Verwer hat ein brennendes Herz und dieses Herz schüttet er dem Leser aus. Mission ist nicht ein Geschäft von Funktionären, sondern von dir und mir, von den Kleinen und Großen, von den „Gehern“ und „Sendern“, von den Spendern und Betern, von den Reichen und den Armen, von den Westlern und Nicht-Westlern… Alle haben Anteil an Gottes Mission. Alle sind berufen mitzuarbeiten. Alle sind von ihm eingeladen, seine Vision und seinen Auftrag mitzutragen. Doch gerade da ist oft das Problem: „Where two or three of the Lord’s people are gathering together, sooner or later there will be a mess“ (:xiii) (Übersetzung: Wo zwei oder drei Christen zusammen sind, da entsteht früher oder später „Chaos“). Das Buch soll helfen, auch noch im „Chaos“, mobil zu machen für den Auftrag des HERRN.

Eindringlich geht George Verwer den einzelnen Herausforderungen der Mobilisation zur Weltmission nach. Was braucht einer, der andere für Weltmission mobil machen will? Zuallererst ein gnadenvolles Herz („Grace Awakening“), um mit all denen in Einheit zusammenzustehen, die Gott zu diesem Werk berufen hat. Danach eine Gottesbeziehung, die die Ziele Gottes reflektiert. Als Drittes die Bereitschaft voranzugehen, und Verwer zeigt welche Qualitäten für die Leiterschaft in der Mobililsation notwendig sind. Anschließend beschäftigt er sich in einem ganzen Kapitel mit den Aufgaben eines Mobilmachers für die Weltmission. Nach diesen Erörterungen widmet er sich drei grundsätzlichen Fragen: der oft gegeneinander ausgespielten Notwendigkeit für einheimische und ausländische Missionare, der Finanzierung der Weltmission und der Vision von AD2000 and Beyond 200.000 Missionare auszusenden.

Ermutigend und inspirierend versteht es George Verwer die zentralen Punkte anzusprechen, die einen Menschen zu einem Mobilmacher für die Weltmission machen. Aus seiner reichen Erfahrung heraus bringt er oft entlarvend, aber immer demütig und liebevoll, Dinge auf den Punkt. Man darf von diesem Buch keine theologischen Ausführungen oder hohe akademische Abhandlungen erwarten. Aber es ist ein Buch von der Praxis für die Praxis. Es ist ein Buch zum selbst Lesen, aber auch zum Verschenken. Ein Buch, was nicht im Bücherschrank vermodern darf. Persönlich habe ich es bereits vielen jungen Menschen weitergeben und versucht mit ihnen darüber ins Gespräch zu kommen. (Die deutsche Fassung erschien 2001 bei Hänssler unter dem Titel „Mobil für Mission“.)

Hans-Walter Ritter, em 2004-3.

Vittoz, Robert. Jenseits der Wälder. Das aben­teuerliche Leben des Indianermissio­nars James Evans. Giessen: Brunnen Verlag, 4. Tb.auflage 1994.

Die weißen Eroberer Kanadas trieben die In­dianer zur Zeit von James Evans (1801-1846) immer weiter westwärts. Als Kind eines Ein­wanderers wurde Evans von einem Indianer entführt, aber aus Mitleid wieder freigelassen. Als Erwachsener suchte er diesen „edlen“ In­dianer mit allen erdenklichen Mitteln, um ihm das rettende Evangelium zu sagen. Über seine Fahrten führte er ein Tagebuch. – Robert Vittoz hat aus verschiedenen Quellen die verlorenge­gangenen Aufzeichnungen möglichst authen­tisch wieder zusammengestellt. Der Leser lernt beide Rassen kennen, Weiße und Indianer. Unter beiden begegnen uns sowohl rohe und grausame als auch liebenswürdige Menschen. Vor allem ein Indianer, Hassel, der zum Glau­ben fand und für sein Volk starb, wird für Ja­mes Evans zum gesuchten „edlen Indianer“ seiner Kindheit. Auch für Kinder ab etwa 10 Jahren zeigt das Buch einprägsam, wie falsch die heute verbreitete Vorstellung vom „edlen Indianer“ sind, denn es wird eindrücklich dar­gestellt, wie edel auch der verruchteste Mensch werden kann, wenn ihm nur jemand die Ret­tung durch Jesus nahebringt. Ein Buch, das Kindern und Erwachsenen in bester Erinnerung bleibt.

Christof Sauer, em 1997-2.

Vogt, Peter (Hg.). Zwischen Bekeh­rungs­eifer und Philosemitismus: Texte zur Stellung des Pietismus zum Juden­tum. Kleine Texte zum Pietismus 11, Leipzig: EVA, 2007.

Diese Quellenausgabe enthält dreizehn Texte von elf Autoren, die das ganze Spektrum des kirchlichen und radikalen Pietismus repräsentieren. Dabei handelt es sich um Texte, die direkt an Juden gerichtet waren, um Bibelauslegungen, Auszüge aus Predigten und zwei Be­richte von konkreten Begegnungen zwi­schen Pietisten und Juden (Callenberg, Mackinet). Sie umfassen den Zeitraum von 1695-1764. Vertreten sind H. Horch, J.W. Petersen (2 Texte), E.C. Hoch­mann von Hochenau, J. Tennhardt, Ph.J. Spe­ner, J.H. Callenberg, G. Schu­lius, S. Lie­berkühn (2 Texte), N. L. von Zin­zen­dorf, B.D. Mackinet und F.C. Oetinger. Zur Auswahl der Texte schreibt Vogt: „Da­bei benen­nen die Stichworte ‚Be­keh­rungseifer’ und ‚Phi­lo­semitismus’ die beiden grund­legenden Positionen, die in jeweils unter­schied­lichen Graden dieses Verhältnis geprägt haben. Weithin be­geg­nen wir dem Wunsch bzw. der Hoff­nung, dass die Juden sich ‚bekehren’ und Christus als ih­ren Messias erkennen mögen. Dem­gegenüber findet sich zu­gleich die Be­reitschaft, den besonderen Rang der Ju­den als auserwähltes Volk Gottes anzu­er­kennen und zu würdigen. Die span­nungs­reiche Konstellation, in der diese bei­den religiös motivierten Anliegen ste­hen, zieht sich wie ein roter Faden durch alle ausgewählten Texte und markiert die Brisanz der Thematik“ (118).

In der „29. Homilie über die Wun­den­lita­nei“ von 1747 (66-70) bezieht sich etwa Zinzendorf auf Römer 11 und Joh.10,16. Schon vor der end­zeitlichen Rettung Is­raels könne man beginnen, die Juden in die Kirche auf­zunehmen („Wir wollen sie schon derweilen in unseren Stall nehmen,… bis man ihnen auch einen bauet“, 67), da sich der Heiland schon jetzt über die Erstlinge unter ihnen erbarmen, sie segnen und überzeugen kann. Die Juden werden das Zeichen des Menschensohns in den Wolken sehen und sich dadurch bekehren. Doch sollen ihnen jetzt schon die Zeichen des Ge­kreuzigten vor Augen gemalt werden („der mahlt seinen Hei­land, seinen Schöp­fer, seinen blutigen Gott und Mar­ter-Lämmlein“, 69). Zin­zen­dorf re­sü­miert: „Das ist die Methode, wie der Hei­land in diesen unseren Zeiten die ungläubigen und feindseligen Men­schen … noch wird in seine Sache und Partie ziehen, daß sie werden im Geist er­blik­ken den Platz, darein jene gesto­chen haben [vgl. Sach.12.10f; Joh.19.37; Offb.1.7], und werden in derselben Wun­de ihren Herrn und ihren Gott erblikken, und alsdann wird der Heiland sagen: Nun … komm Israel nach dem Fleisch, komm zu deinen jüngeren Geschwistern, zu den jüngeren Schaafen, zu den Schaafen aus einem anderen Stall, damit eine Heerde und ein Hirte werde“ (70). Aus heutiger Sicht überrascht, dass Zin­zendorf dabei mehrfach Juden und „Atheisten“ gleichsetzt („Wie werden die Juden überzeugt? Ins ganze so wie die Atheisten …“, 68).

Von Spener stammen „Unmaßgebliche gedancken, wie es mit den jüden ihrer Be­kehrung wegen, zu halten seye“ (1702, 38-50). Nach Spener sollen Juden geschützt und unter Christen leben dür­fen („auch noch eher und mehr ge­le­genheit haben zu ihrer bekehrung“, 38). Sie sollen ihre Religion ausüben dürfen. Gottes Ver­hei­ßungen an die Juden tragen bei, „mit gebet, sanfftmüthigem und ge­rechten bezeugen gegen sie, bey gele­genheit freund­lichen zuspruch und kund­machung unser religion, sonderlich aber vor­leuch­tung mit heiligem Wandel und aus­truc­kung der lehr ihres Heilandes in ihrem lebenm, zu thun schuldig“ (39). Die Obrigkeit soll wirtschaftliche Rah­men­be­dingungen schaffen, die den Juden ein reguläres und legales Einkommen er­mög­lichen (in seinem ganzheitlichen An­satz denkt Spener u.a. an Umsie­de­lun­gen in dünn besiedelte Gebiete, um Juden Ackerland zuweisen zu können). Ein Glau­benshindernis für Juden ist das „bö­se Leben der Christen“, insbesondere die öf­fentliche Entheiligung des Sonn­tags und der Umgang mit den Juden. Auch man­che zwielichtigen Juden­chris­ten seien ein Hindernis, überhaupt sei der Um­gang mit den Judenchristen schwie­rig. Die Obrigkeit darf keinerlei Gewalt zur Bekehrung der Juden anwenden („durch keine gewaltsamen mittel … die bekehrung zu versuchen seye, als wel­cherlei Mittel aller art der Religion, son­derlich unserem Christen­thum schnur­stracks entgegen sind“, 43). Ob­wohl die Obrigkeit die regelmäßige Ver­kündigung des Evangeliums vor Ju­den zwar ver­ordnen könne, lehnt Spener dies aus ver­schiedenen Gründen ab. Nach Mah­nun­gen an die Pfarrer fordert Spener be­sondere Ausbildung in orien­ta­lischen Spra­chen, damit man auch ge­lehr­ten Ju­den begegnen kann. Speners Aus­füh­rungen zeugen von Liebe zu den Juden und einem hohen Maß an To­le­ranz. Gleichzeitig zeigen sie das span­nungs- und facettenreiche religiöse Mit­ein­ander von Christen und Juden in Eu­ro­pa vor der Aufklärung und dem Holo­caust.

Im Nachwort (118-23) führt Vogt ge­konnt in die Thematik ein, nennt wich­tige Sekundärliteratur und würdigt die Po­sition des Pietismus. Gemeinsam ist den Texten „die Überzeugung, dass die Ju­den in Gottes Heilsplan noch eine be­son­dere Rolle spielen werden und zuletzt ihre ursprüngliche Würde wieder­er­lan­gen. Aus dieser heilsgeschichtlichen Orien­tierung ergibt sich die für den Pie­tismus charakteristische Doppel­po­sition: einerseits das dezidierte Interesse an der Judenbekehrung, anderseits jener Impuls von Respekt und Anerkennung, den man „als Philosemitismus des bib­lisch-chi­liastischen Typs bezeichnen kann. Mög­lichkeiten und Grenzen des Gesprächs zwischen Pietisten und Juden waren da­mit vorgezeichnet“ (122). Zu den einzel­nen Texten gibt es keine Ein­leitungen.

Die Texte zeigen, dass dem Pietismus in der Geschichte der jüdisch-christlichen Beziehungen eine besondere Rolle zu­kommt. Im Vergleich zur der pro­tes­tan­tischen Orthodoxie war der Pietismus stär­ker am Judentum interessiert und zur Begegnung bereit. Beweggründe seitens der Pietisten waren zum einen der Mis­sions­gedanke (nicht umsonst gab es so­gar eigene Liedsammlungen zur Juden­mission!) als auch verschiedene heils­ge­schichtliche Erwartungen. Die heu­ti­gen evangelikalen Positionen gegenüber dem Judentum, dem Staat Israel, zu der nach wie vor umstrittenen Judenmission und zur Heilsgeschichte haben hier ihre Wur­zeln (vgl. D. L. Bock, M. Glaser, Hrsg., To the Jew First: The Case for Jewish Evangelism in Scripture and History; Grand Rapids: Kregel Aca­demic & Professional, 2008).

Mit ihrer Sicht der besonderen Rolle Is­raels haben die Pietisten Positionen ver­tre­ten, die erst im erneuerten Israel­ver­ständ­nis der letzten fünfzig Jahre (Theo­logie nach Auschwitz, jüdisch-christ­li­cher Dialog, neue Verhält­nis­be­stim­mun­gen zwischen Israel und Kirche durch ver­schiedene Konfessionen) wie­der the­ma­tisiert wurden.

Prof. Dr. Christoph Stenschke, em 2009-2.

Voigt, Karl Heinz. Die Heiligungsbewegung zwischen Methodistischer Kirche und Lan­deskirchlicher Gemeinschaft: Die „Triumph­rei­se“ von Robert Pearshall Smith im Jahr 1875 und ihre Auswirkungen auf die zwi­schenkirchlichen Beziehungen. TVG. Brunnen Verlag: Gießen, 1996.

Wie der Untertitel bereits erkennen läßt, geht es Karl Heinz Voigt darum, die Ereignisse der sogenannten „Triumphreise“ des amerikani­schen Glasfabrikanten Robert Pearshall Smith durch Deutschland und die Schweiz nach­zuzeichnen. Im zweiten Teil des Buches be­schäftigt sich der methodistische Theologe dann u. a. mit der Frage, inwieweit sich die Heiligungsbewegung auf das Verhältnis der verschiedenen christlichen Kirchen und Ge­meinschaften untereinander ausgewirkt hat.

An einigen Stellen reichen die im zweiten Teil des Buches aufgeführten Belege nicht aus, um Voigts Rückschlüsse wirklich nachvoll­ziehbar zu machen - so z. B. wenn der Ein­druck ver­mittelt wird, die Organisation der Deutschen Gemeinschaftsbewegung sei we­sentlich voran­getrieben worden durch die „Furcht vor einer weiteren Arbeit von Smith“, die „den methodi­stischen Gemeinden Auftrieb geben würde“ (S. 193). Einen Vorteil haben die manchmal unge­nügend belegten Rückschlüsse Voigts jedoch: Sie reizen enorm dazu an, das Thema „Heiligungsbewegung“ weiter zu er­forschen.

Wer einen allgemeinen Überblick über die Heiligungsbewegung und ihre Fragestellungen („Bib­lische Heiligung“, „Geistestaufe“ usw.) sucht, wird ihn in diesem Buch nicht finden. Auch zum Thema „Heiligungsbewegung und Weltmission“ (so eine Überschrift S. 187) fin­det sich nichts wesentlich Neues. Wer sich je­doch speziell mit der Triumphreise von Smith auseinandersetzen möchte, wird an diesem Buch kaum vorbeikommen.

Andreas Baumann, em 1998-4.

Waack, Otto und Mitar­beiter. Indische Kir­che und Indienmission I, Er­langer Monogra­phien aus Mission und Ökumene 1994.

Vieles, was indische Christen und wir heute gerne über handelnde Per­sonen wissen wollten, wurde nie gefragt, gesam­melt oder aufge­schrieben. Otto Waacks Buch über die Ge­schichte der indischen Partnerkirche und dem Bre­klumer Anteil der Jeypore Kirche von 1876-1914 ist hier dokumentiert. Es wurde höchste Zeit, die zugänglichen Bruchstücke zu sammeln und zu sichten.

Der Autor nimmt ernst, daß zur Entstehung der Jey­pore-Kirche zwei Kulturen und Tradi­tionen beitrugen, von indischer wie von deut­scher Seite. Orissa ist ein kleiner Staat im Nord­osten des Subkontinents Indien, und die Jeypore-Kir­che ist eine kleine lu­therische Kir­che unter den wenigen Christen in diesem Ge­biet. Vieles in diesem Buch ist aus indischer Sicht ge­schrieben und vor allem für die einhei­mische Kirche als ihr Ge­schichtsbuch gedacht. Es ist eine in sehr viele Einzelheiten gehende und sehr intensive Forschungs­arbeit, die an­regt, auch anderen „jungen“ Kirchen in Asien, Afrika und La­teinamerika ihre Ge­schichte zu dokumentieren.

Nach diesem umfangreichen Buch darf man gespannt sein, wie die Geschichte von 1915 bis heute weiter­geht. Das soll in einem zweiten Band 1995 vorge­legt werden.

Fritz H. Lamparter, em 1996-2.

Wagner, C. Peter (Hg.): Territoriale Mäch­te. Ebenen der strategischen Kampffüh­rung. Verlag Gottfried Bernard: Solingen, 1991.

Die Besprechung erfolgt auf der Grundlage des englischen Originals: Territorial Spirits. Insight on Strategic-level Spiritual Warfare from Nineteen Christian Leaders. Sovereign Word: Chichester 1991. Die (nicht ganz fehlerfreie) deutsche Überset­zung ergänzt inzwischen auf Deutsch erschie­nene Titel und ist an einigen Stellen ausführli­cher.

Was ist missiologisch relevant an diesem Reader? Er stellt (auf dem Buchrücken) die Frage, ob Dämonen geographischen Gebieten zugeordnet sind. Da die Antwort duchgehend positiv ausfällt, geht es vielmehr darum, wel­che Konsequenz diese Beobachtung für christ­liche Missionsmethode und -strategie hat.

Der Herausgeber C.P. Wagner, seit 21 Jah­ren Professor am Fuller Theological Seminary, Pasadena USA, hat in den letzten Jahren geistliche Kampfführung zu seinem Haupt­thema gemacht. (Mitherausgeber von „Wrest-ling with Dark Angels“, Regal Books 1990, demnächst auch auf Deutsch bei G. Bernard, und Autor von „Warfare Prayer“, Monarch, 1992,        dem ersten Titel einer Trilogie).

Das ist es, nach seiner Meinung, was der Heilige Geist in unserem Jahrzehnt den Ge
meinden sagt (S.3). Die Grundgedanken las­sen sich folgendermaßen skizzieren: Mangeln­der Erfolg in missionarischer Arbeit - trotz größtem Einsatz und erfolgversprechender Methoden - wird dem Widerstand regional bzw. örtlich herrschender Geister zugeschrie­ben. Diese müssen identifiziert und gebunden werden. Die geförderte Strategie variiert je nach Autor. Dann - so die Erwartung (S. xiii) - würden die Gebundenen frei und die Men­schen würden in Scharen dem Evangelium zu­strömen. Dabei beruft man sich auf Beobach­tungen in Argentinien und andernorts.

Wagner hat nun seine Lesefrüchte zu die­sem Thema zusammengetragen. Nur zwei Bei­träge von neunzehn waren bisher unveröffent­licht. Die anderen sind überwiegend nach 1989 in den USA erstmals erschienen. Meist sind sie charismatischen Ursprungs.

Von den drei Teilen des Buches ist der erste der Einführung und dem Überblick gewidmet. Hier sind die beiden eigenen Beiträge Wagners zu finden, sowie Auszüge von Timothy M. Warner (Trinity), Arthur Mathews (OMF) und Thomas B. White.

Unter den Erfahrungsberichten des zweiten Teils ragen die aus Zimbabwe, Zaire und Ar­gentinien heraus. Die anderen sechs Artikel jedoch, z.T. Nachdrucke aus der Zeitschrift „Charisma & Christian Life“, machen diesen Teil zum schwächsten und oberflächlichsten des ganzen Buches.

Im dritten Teil folgen Beiträge auf wissen-schaftlich-missiologischer bzw. theologischer Ebene. Die Zusammenfassung einer unveröf­fentlichten Fuller-Seminararbeit von Vernon B. Sterk über „Territorialgeister und Evangeli­sation in feindlicher Umgebung“ untersucht, inwieweit Christenverfolgung im Missions­kontext von Territorialgeistern verursacht ist. Der Autor verwertet dabei u.a. Missionserfah­rung bei den Tzotzil-Stämmen in Mexiko.

Der zweite missiologische Beitrag ist ein Auszug aus der Zeitschrift „Missiology“. Der mennonitische Anthropologe und UBS-Übersetzungsberater Jacob Loewen beschreibt unter der Überschrift: „Welchen Gott predigen Mis­sionare?“, daß die meisten ländlichen und Stammes-Gesellschaften ihre Gottheiten als stammesmäßig, geographisch oder funktionell spezialisiert betrachten.

Theologisch-biblischer Höhepunkt des gan­zen Buches ist der Auszug „Principalities and Powers“ aus Michael Greens Buch „I believe in Satans Downfall“ (Grand Rapids 1981). Er wirkt zugleich spekulativen Tendenzen man­cher Beiträge eindeutig entgegen: Die neutestamentlichen Autoren hatten kein Interesse daran, „Dämonologien“ zu erstellen, sondern wollten nur zeigen, daß diese feindlichen Mächte allesamt durch Jesus Christus entwaff­net worden sind (S. 181).

Nicht weniger Niveau hat der Auszug aus O. Cullmanns Buch „Christus und die Zeit“ (engl. 1950) über „Die Unterwerfung der un­sichtbaren Mächte“. Cullmann weist nach, daß im NT „Mächte und Gewalten“ nicht aus­schließlich politische Herrscher bezeichnen, sondern häufig die Mächte der unsichtbaren Welt. Allerding überfordert der Stil akademi­scher Auseinandersetzung (mit Griechisch im Text) wohl die meisten Leser des populär zu­geschnittenen Sammelbandes.

Eine Gesamtwertung fällt schwer: Das be­schriebene Phänomen der territorialen Wirk­samkeit von Geistern zu vernachlässigen oder gar zu leugnen, widerspräche biblischen An­deutungen, missionarischer Erfahrung und anthropologischer Erkenntnis. Das könnte die Wirksamkeit von Missionaren einschränken. Andererseits lassen sich bei einem Teil der
Beiträge spekulative Züge und der Hang, „Dinge in den Griff bekommen zu wollen“, nicht abstreiten. Könnte es sein, daß die ame­rikanische Church-Growth-School zwar in ei­nem Pendelschlag das Thema gewechselt hat (von der Soziologie zur Dämonologie), aber nach wie vor der Versuchung erliegt, sich auf menschliche Methoden zu verlassen?

Auch ist das Thema nicht gar so neu, wie mancher Autor denken macht. So vermutet Wagner zurecht, daß sich bei gründlicheren Nachforschungen Belege aus der gesamten Kirchengeschichte beibringen ließen. Wider die Traditionslosigkeit! Ein stärkeres Anknüp­fen an die heilsgeschichtliche Missionstheolo­gie, die auf Cullmann aufbaut, könnte sich ge­rade bei diesem Thema als äußerst fruchtbar erweisen.

Fazit: Zwei Drittel dieses Buches sind nütz­lich zu lesen. Doch wird es wahrscheinlich (oder hoffentlich) bald von einem gründliche­ren Buch eines einzelnen Autors abgelöst wer­den. Wünschenswert wäre, das Thema nicht so sehr zu isolieren und in den Vordergrund zu stellen (vgl. White S.65).

Christof Sauer, em 1992-3.

Wagner, Siegfried. Franz Delitzsch - Leben und Werk. Gießen: Brunnen 2. durchges. Aufl., 1991.

Die vorliegende Arbeit wurde schon 1963 als Habilitationsschrift der Leipziger Theologi­schen Fakultät vorgelegt. Sie erschien, leicht überarbeitet, 1978 im Christian Kaiser Verlag, München. In der nun vorliegenden zweiten Auflage wurden einige Druckfehler korrigiert, die neueste Literatur nachgetragen und das Namensregister noch einmal sorgfältig durch­gesehen. Das Werk gliedert sich in vier Teile:

1. Delitzschs Leben (15-206).

2. Wesen und Bedeutung des wissenschaftli­chen Lebenswerkes (207-429).

3. Schluß und Würdigung (430-445).

4. Bibliographie und Literaturverzeichnis (446-510).

Das besondere Interesse Wagners gilt der wis­senschaftlich-theologischen Leistung dieses einflußreichen alttestamentlichen Exegeten des 19. Jahrhunderts. Ein besonderes Gewicht liegt dabei auf dem Herausarbeiten der eigenständi­gen Position von Delitzsch im heftigen Streit um die historisch-kritische Auslegung der Heiligen Schrift. Wagners Versuch, das theo­logisch-exegetische Werk Delitzschs darzu­stellen, kann sicher als gelungen bezeichnet werden. Dies gilt mit gewissen Einschränkun­gen auch für den biographischen Teil des Wer­kes. Die Bedeutung von Delitzsch für die The­ologie und Praxis der Judenmission scheint mir dagegen eindeutig zu kurz gekommen zu sein, obwohl Wagner zugesteht, daß sie ein wichti­ger Bestandteil von Delitzschs Lebenswerk war. Er beschränkt sich hier fast völlig auf die Aufzählung seiner Aktivitäten in diesem Be­reich. Ein gewisser Nachteil des Buches ist auch die relativ selbständige Behandlung der einzelnen Themen, die immer wieder zu Über­schneidungen führt (etliche Zitate tauchen mehrfach auf), die einzelnen Teile des Werkes aber dennoch relativ unverbunden nebeneinan­der stehen läßt. Als Information über Franz Delitzsch, seine theologische Entwicklung und Bedeutung, sowie über die Geschichte der Theologie des 19. Jahrhunderts ist das Buch für Theologen und Studenten der Theologie lehr­reich und interessant. Im Blick auf die Ge­schichte, Theologie und Bedeutung der Juden­mission kommt es über erste, wenn auch gute und brauchbare Ansätze jedoch nicht hinaus.

Hartmut Renz, em 1993-2.

Wagner, William L. North American Prote­stant Missionaries in Western Europe: A Critical Appraisal. edition afem: mission academics 1, Bonn: VKW, 1993.

Westeuropa, einst als „Wiege der modernen Missionsbewegung“ geachtet, gilt – spätestens seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges – im Bewußtsein vieler nordamerikanischer Christen als Missionsfeld. Doch statt von europäischen Kirchen mit offenen Armen empfangen zu werden, stoßen amerikanische Missionare in Europa nicht selten auf Skepsis und gelegent­lich sogar auf offene Ablehnung. Das Über­zeugtsein vom „American Way of Life“ gepaart mit einem mitunter ausgeprägten Sendungsbe­wußtsein trägt häufig zur Vertiefung des gegenseitigen Mißtrauens bei und verhindert so eine gedeihliche Zusammenarbeit in Evangeli­sation, Gemeindeaufbau oder theologischer Ausbildung.

Der Amerikaner Bill Wagner, Professor für Missionstheologie an der Evangelischen Theo­logischen Fakultät in Heverlee/Belgien, geht in seiner von dem inzwischen verstorbenen Missiologen David Bosch angenommenen Disser­tation den vielschichtigen Ursachen für die Spannungen zwischen nordamerikanischen Missionaren und westeuropäischen Kirchen nach. Als ausgewiesener Kenner Europas schöpft Wagner aus langjähriger Missionser­fahrung als Beauftragter der Southern Baptists für Gemeindebau in Europa und Nahost.

Durchweg einfühlsam und spürbar um ein ausgewogenes Urteil bemüht, stellt Wagner die Stärken und Schwächen nordamerikanischer Missionspraxis in (West-) Europa dar und geht dabei besonders auf jene theologischen Fragen ein, die in Europa und Nordamerika unter­schiedlich verstanden oder anders akzentuiert werden. Mit bemerkenswerter Offenheit deckt er nicht nur Spannungsursachen auf, sondern bietet darüberhinaus stets auch Lösungsansätze und praktische Anregungen zur Entschärfung von Konflikten an.


Das für eine Dissertation ungewöhnlich stark in den Vordergrund tretende geistlich ­praktische Anliegen dieses Buches macht sowohl seine besondere Stärke als auch seine wesentlichste Schwäche aus. Während sich der wissenschaftlich-kritische Leser an einer Reihe von Verallgemeinerungen stören und nicht sel­ten Quellennachweise oder zumindest statisti­sche Belege für pauschale Behauptungen und Beobachtungen vermissen wird, dürfte sich der nach konkreter Hilfestellung suchende Leser über das von nur wenigen Fußnoten unterbro­chene Lesevergnügen freuen.

Besonders zu empfehlen ist dieses in durch­weg leicht verständlichem Englisch verfaßte Buch europäischen Pastoren und Missionaren, die mit Kollegen aus Nordamerika zusammen­arbeiten und dabei um ein gutes Miteinander bemüht sind. Die Arbeit entstand in einer Zeit epochaler Umbrüche in Europa. Es wäre zu wünschen, daß die hier geschilderten Fehler in Osteuropa nicht wiederholt würden.

Dem Verlag ist zu danken, daß er durch eine preiswerte Ausgabe die Voraussetzung für eine weite Verbreitung dieses Buches schuf.

David Poysti, em 1995-2.

Währisch-Oblau, Claudia. The Miss­ion­ary Self-Perception of Pentecostal/ Charismatic Church Leaders from the Global South in Europe: Bringing back the Gospel, Leiden: Brill, 2012.

Das vorliegende Buch ist die über­ar­beitete Fassung einer Heidelberger Dis­ser­ta­tion von 2007. Es analysiert das Selbst­ver­ständnis der Pastoren pfingst­lich-cha­rismatischer Migrationskirchen aus Asi­en, Afrika und Lateinamerika in Deutsch­land, geht dabei aber auch auf die Integrations- und Zusammen­arbeits­bemühungen der traditionellen ein­hei­mischen Kirchen ein. Dabei liegt der Fokus auf Deutschland, vor allem Nord­rhein-Westfalen, es werden aber auch kurze Überblicke über die Situation in anderen europäischen Ländern (Holland, Frankreich, England, Italien) gegeben. Der Text ist vollständig auf Englisch ver­fasst, um eine Rezeption über Deutsch­land hinaus zu erleichtern.

Die ersten beiden Kapitel erläutern die Methodik der Studie. Sie konzentriert sich auf die Auswertung von 24 aus­führlichen und 80 kürzeren Interviews mit Pastoren und (zwei) Pastorinnen von Migrationskirchen. Die Studie ist einge­bettet in die teilnehmende Beobachtung im Rahmen mehrjähriger persönlicher Kontakte mit den Gemeinden und ihren Leitern. Die Interpretation folgt einem konstruktivistischen Ansatz: Es geht darum, zu verstehen, wie die Migranten ihre Rolle als Pastoren und Missionare konstruieren, nicht ob diese Konstruk­tionen historisch zutreffend sind (S. 25). Im Gegensatz zu funktionalistischen An­sätzen der Religionsforschung, bei denen religiöse Verständnisse psychologisch oder soziologisch gedeutet werden und die die Autorin als reduktionistisch be­wertet, möchte die Studie die religiösen Motivationen als solche ernst nehmen. Ein Ziel der Studie ist es, die gängige europäische Fremdsicht auf die Mi­gran­ten als „Opfer“ aufgrund ihrer Selbst­sicht als religiös selbstbestimmt Han­delnde zu hinterfragen (S. 26-32).

Konkreter Hintergrund der Studie ist das 1998 begonnene Kooperationsprogramm der Vereinten Evangelischen Mission (VEM) zur Förderung der Zusammen­arbeit zwischen Migrationskirchen und tra­ditionellen deutschen Kirchen. Die in diesem Zusammenhang erstellte Daten­bank von 431 beteiligten Migrations­kir­chen diente als Basis der Unter­suchung. Anhand ausführlich reflek­tier­ter Krite­rien (S. 36-47) wird gezeigt, dass über Zwei­drittel (S. 291) dieser Gemeinden dem pfingstlich-charis­ma­tischen Spek­trum zuzurechnen sind. Schwieriger sei die Beschreibung im Blick auf die Her­kunftsländer, da viele Gemeinden sich als „international“ be­zeichnen (S. 48). Die größte Gruppe von Kirchen kommt aus dem afrikanischen Bereich, die zweitgrößte Gruppe aus Asien. Latein­amerikanische und nah­öst­liche Gemein­den stellen einen kleinen Anteil dar. Während die Kirchen mit afrikanischer Mehrheit meist multi­eth­nisch zusam­men­gesetzt sind, sind asia­ti­schen Kir­chen eher monokulturell (Sprache als Maß­stab).

Die Kapitel drei bis fünf thematisieren die inhaltlichen Schwerpunkte und Er­gebnisse der Interviews. Das dritte Kapi­tel widmet sich der Selbstsicht der Mis­sionare als Pastoren. Sie sehen sich als „Vater“, „Hirte“ und Vermittler zwischen Gemeinde und Gott („mediator“). Diese Autorität wird durch eine besonderen Ruf initiiert und durch ein vorbildliches und opferbereites geistliches Leben un­ter­strichen und erhalten. Das vierte Ka­pi­tel thematisiert den Auswanderungs­pro­zess im Selbstverständnis der Mi­granten. Sie verstehen die Migration als Aus­druck, Vorbereitung oder Folge einer gött­lichen Berufung. Hier durchbricht das Buch gelegentlich die rein kon­struk­tivistische Beschreibung mit kritischen Ein­schätzungen. So wird beispielsweise kommentiert, dass das (erfahrungsgemäß schwierige) Erlangen eines Visums in der Interpretation der Migranten oft un­rea­listisch einfach dargestellt worden sei, um so den göttlichen Ruf zu unter­strei­chen (z.B. S. 181): „Das Problem dieses Ansatzes ist es, …, dass die allzu realen Pro­bleme sozialer, politischer und öko­nomischer Ungleichheiten eher aus­ge­blendet werden zugunsten einer spi­ri­tualisierten Interpretation der Situa­tion.“ (S. 318, Übersetzung FW). 

Im fünften Kapitel geht es um das Mis­sionsverständnis. Zunächst wird die Pra­xis beschrieben (Gebet, Straßen­evan­ge­li­sation, Traktate, Gospelkonzerte, so­ziale Projekte u.a.), dann die dahinter­ste­hen­den Konzepte herausgearbeitet. Dabei zeigte sich bei afrikanischen Pastoren teil­weise eine „symbolic master map“ (S. 255), in der über­ra­schenderweise eine quasi-koloniale Sicht vom christlichen Nor­den/Westen zum Aus­druck komme: „The old map still seems persistently do­minant; it is only characterized as current­ly inaccurate“ (S. 269f). Europa wird aufgrund der missionarischen und kolonialen Ver­gan­genheit als messia­ni­sche Nation und Wohltäter Afrikas ver­standen. Diese Rolle soll nun durch die reverse mission wieder hergestellt wer­den. Doch nicht alle Migranten teilen diese Sicht. Vor allem asiatische Leiter lehnen ein quasi-koloniales Europabild ab: „Indonesians have been called to be missionaries just as Europeans were, and colonial history does not establish any kind of divinely ordained European domi­nance” (S. 270). Währisch-Oblau zeigt auf, dass mit die­sen Sichtweisen nicht nur die westliche postkolonial-kritische Lesart der Mis­sions­geschichte relativiert, sondern auch die gesell­schaft­liche Deutung von Mi­gration auf den Kopf gestellt wird. Migration wird nicht als Problem, son­dern als missionarische Chan­ce für Eu­ropa verstanden. Die Mis­sio­nare sehen sich als Erwecker der schla­fenden Kir­chen Europas. Das Ver­ständnis von Evangelisation und Mission weicht dabei allerdings deutlich vom öku­menischen Konsens ab: Statt einer sensiblen dia­logischen Evange­li­sations­praxis stehen geistliche Kampfführung und kon­fron­tative Predigt im Mittelpunkt (S. 271ff; vgl. 321). Während die evan­gelischen Landeskirchen die Missions­bemühungen der Migrationskirchen we­nig ernst näh­men, bemühten sich evan­gelikale und freikirchliche Verbände um mehr mis­sionarische Zusammenarbeit, allerdings mit begrenztem Erfolg (S. 319). Auch hier sehe man die Visionen der Mi­granten mit einem gewissen Abstand und betone die Notwendigkeit weiterer Aus­bildung und Integration in europäische Netzwerke (S. 320).

Im abschließenden sechsten Kapitel „Con­sequences“ (S. 305-336) werden Schluss­folgerungen für die Zusammen­arbeit mit deutschen Kirchen anhand der Themenfelder Pastorenrolle, Einwan­de­rung sowie Mission und Evangelisation in ekklesiologischer, gesellschaftlicher und theologischer Sicht diskutiert. Die deutlich gewordenen Kontraste zwischen Migrationskirchen und einheimischen Kir­chen werden als Herausforderung und Chance verstanden. Wesentlich für eine positive Entwicklung sei die Erarbeitung einer biblischen „Theologie der Mi­gra­tion“ und Fremdlingsschaft (S. 316), in der Migration nicht als Problem, son­dern als theologische Grundsituation der Kir­che verstanden wird. So könnten ge­rade die deutschen Kirchen den Mi­gran­tenkirchen als geistlichen Partnern auf dem gemeinsamen Weg mit einem ge­meinsamen Auftrag begegnen und damit eine Rolle übernehmen, die von der Ge­sellschaft im Allgemeinen nicht wahr­genommen wird. Von hier ausgehend plädiert das Buch für einen gegenseitigen Lernprozess, in dem die europäischen Kirchen und Gemeinden lernen müssten, dass nicht sie allein das Christentum vertreten. Es sei an der Zeit, nicht nur eine Theologie der Mission, sondern auch eine Theologie des Empfangens zu entwickeln und in eine gemeinsame Praxis umzusetzen (S. 336). Dafür dürfte dann auch die kritische Auseinander­setzung mit problematischen Aspekten auf beiden Seiten eine wichtige Rolle spielen, die hier nur am Rande vorkam.

Das Buch bietet wichtige Einblicke und Analysen zur Theologie, Biographie und Praxis südlicher Missionare und Mi­grantenpastoren in Deutschland und zeigt deutlich, wo Herausforderungen und Chancen für die kirchliche und missionarische Zusammenarbeit liegen.

Dr. Friedemann Walldorf, em 2014-1.

Walldorf, Friedemann. Die Neu-Evangelisierung Europas. Missionstheologien im europäischen Kontext. Giessen: Brunnen, 2002.

Um es gleich vorweg zu sagen: Friedemann Walldorf gelingt es mit diesem Buch (seine überarbeitete Dissertation [Friedemann Walldorf, Mission und Neuevangelisierung in Europa. Grundlinien kontextueller Missionskonzepte 1979-1992, eingereicht am 6.10.1999 an der staatlichen Universität von Südafrika (UNISA).]), ein brennend aktuelles Thema, über das viel Verwirrung herrscht, klar und verständlich darzustellen. Walldorf vermittelt gute Orientierung im Dickicht unterschiedlicher Missionstheologien zum europäischen Kontext. Die Lektüre ist daher besonders wertvoll für diejenigen, denen die geistliche Erneuerung der Kirchen und Völker Europas wichtig ist.

Wer nicht mit Scheuklappen durch die Welt geht weiß, dass die Bedeutung des Christentums im alten, ehemals „christlichen“ Europa seit Jahrzehnten rasant abnimmt und die Erosion der Kirchen an ihren Rändern immer bedrohlichere Formen annimmt. Das Fehlen eines Gottesbezuges in dem Entwurf zu einer europäischen Verfassung innerhalb der EU zeigt, wie irrevelant der Glaube für die politischen Eliten Europas geworden ist. Säkularisierung, Materialismus, Wissenschafts- und Fortschrittsgläubigkeit, Überalterung und Schwund der traditionell christlichen Bevölkerung bei gleichzeitiger Immigration von Angehörigen anderer Religionen (bevorzugt Islam), Spannungen zwischen progressiven und konservativen Bewegungen innerhalb der Großkirchen, Finanz- und Identitätsverluste haben die Kirchen Europas in eine tiefe Krise geführt. Neben diesen krisenhaften Entwicklungen brachte aber auch der Zusammenbruch des Sozialismus in Osteuropa Ende der achtziger Jahre neue Chancen und Herausforderungen für die Kirchen mit sich. Ist jetzt nicht die Zeit gekommen für eine „Neuevangelisierung“ Europas, so wie es Papst Johannes Paul II. schon 1979 auf seiner ersten Polenreise verkündigte? (Johannes Paul II, „‘…mag sich auch die Welt verändern’, Predigt in der Heilig-Kreuz-Kirche von Mogila am 9.6.1979“, Predigten und Ansprachen von Papst Johannes Paul II bei seiner Pilgerfahrt durch Polen, Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 10, hg. v. Sekr. d. Deutschen Bischofskonferenz, Bonn, S. 102-106.) Dieser Begriff, von Papst Johannes Paul II zum erstenmal in breiter Öffentlichkeit geprägt, wirkte wie eine Initialzündung in allen Kirchen bis hin zur evangelikalen Bewegung.

Eine Flut von Veröffentlichungen zu diesem Thema wurde daraufhin in den nächsten Jahren herausgegeben, angefangen von der katholischen Kirche in Europa über die Konferenz Europäischer Kirchen (evangelische und Orthodoxe Kirchen, verbunden mit dem ökumenischen Rat der Kirchen in Genf) bis hin zur evangelikalen Lausanner Bewegung, die in ihrem Europäischen Komitee über die Re-Evangelisierung Europas (im Gegensatz zur Erstevangelisierung in Gegenden, die nie christianisiert wurden) nachdachte.

Besonders im Zeitfenster ab 1979 (mit der Papstrede von der Neuevangelisierung Europas in Polen) bis 1992 entstand in allen Kirchen und Gruppierungen eine intensive Suche nach neuen Konzepten zur Missionierung des ehemals christlichen Europas mit dem Ziel einer möglichen Rückgewinnung dieses Europas für den christlichen Glauben.

Vor diesem Hintergrund macht sich F. Walldorf auf, in dem undurchsichtigen Dschungel von missionstheologischen Ansätzen im Blick auf Europa (begrenzt auf das oben skizzierte Zeitfenster) Licht in das Dunkel zu bringen und dem interessierten Leser Orientierungshilfe zu geben, wer unter Mission oder „Neuevangelisierung“ Europas etwas versteht. Denn wenn Begriffe wie „Mission“ oder „Evangelisation“ aus ihrem Dornröschenschlaf erweckt werden, angefangen vom Papst über die Konferenz Europäischer Kirchen bis zur Orthodoxen Kirche, dann ist es nur zu wahrscheinlich, höchst unterschiedliche Inhalte zu den Begriffen geliefert zu bekommen.

Hier hat sich F. Walldorf mit großer Geduld und Sachkenntnis darangemacht, den verschiedenen Konzepten und Denkschulen in Bezug zur „Neuevangelisierung“ Europas nachzugehen. Mit großem Einfühlungsvermögen gelingt es ihm in seiner Studie, die Stärken und Schwächen der jeweiligen Konzeption herauszuarbeiten, sie zu würdigen und zu werten.

Dabei sind meines Erachtens vor allem die detaillierten Darstellungen der katholischen Position zum Konzept der „Neuevangelisierung“ wertvoll, in Sonderheit die Impulse und Vorstellungen des jetzigen Papstes Johannes Paul II (S. 40-105). Besonders evangelikale Leser wird dieser Abschnitt helfen, da für sie Vorstellungen einer „Neuevangelisierung“ Europas, so wie die katholische Kirche sie versteht, doch reichlich fremd erscheinen dürften. Walldorf kann mühelos nachweisen, dass römisch-katholische Neuevangelisierung Europas nichts mit evangelikalen Konzepten von Evangelisierung zutun haben (S. 45-72 +307-314). Für den Papst geht es um die Wiedererweckung einer verlorengegangenen (seit der Reformation?) einheitlichen christlich-europäischen Kultur durch die sakramentale Institution Kirche. Neuer Gehorsam zu Christus ist hier immer gebunden an den Gehorsam zum römischen Lehramt.

Aber auch Walldorfs Darstellung der verwirrenden Positionen aus dem Raum der Konferenz Europäischer Kirchen (S.106-189) zeigt deutlich, wie unterschiedlich Mission oder Evangelisation verstanden werden können. Obwohl eine einheitlich formulierte Konzeption fehlt, kann doch nachgewiesen werden, dass hier Positionen von Hoekendijk nachwirken, der die missio Dei direkt in den säkularen Geschichtsprozessen der Gesellschaft suchte, als Frucht des Evangeliums. Walldorf kritisiert meines Erachtens zu recht dieses, wie er es nennt, „kosmozentrisches“ Modell, da es die Trennung zwischen Gott und Welt, Evangelium und Kultur, Weltgeschichte und Heilsgeschichte, Gemeinde und Gesellschaft monistisch verwischt und damit „zum Verlust geistlicher Identität und „… der missionarischen Auftragsgewissheit“ führt (S.320).

Ausführlich lässt Walldorf auch die evangelikale Lausanner Bewegung in seinem Buch zu Wort kommen (S.193-303). Er nennt die evangelikale Position zur Re-Evangelisierung Europas das „bibliozentrische Übersetzungs- oder Inkarnatorische Modell“ (S.322). Ziel sei dabei, „Jesus Christus als Hoffnung für Europa zu bezeugen.“ Dabei erkennen die Vertreter der Lausanner Bewegung richtig, dass Wort und Tat, das Vorleben christlicher Existenz durch die Präsenz lebendiger Gemeinden gerade im europäischen Kontext unabdingbar sein müssen.

Walldorf sieht in dieser evangelikalen Position eine große Chance, da hier Mission und „Neuevangelisation“ Europas aus der Rückkehr zu den biblischen Quellen heraus entwickelt wird. Damit werde nach Walldorf dem kulturübergreifenden biblischen Evangelium die Möglichkeit gegeben, losgelöst von normierender Kirchlichkeit, kultureller Vereinnahmung und kosmischer Verchristlichung seine erneuernde Kraft im Kontext des alten Europas und seiner Christenheit neu zu entfalten (S.180).

Am Ende seines Buches versucht Walldorf auf gut 25 Seiten eine eigene Position zu formulieren. Dabei wird unschwer deutlich, wo seine Sympathien liegen. Er nennt sein Modell „Grundlinien einer biblisch-kontextuellen Missionstheologie für Europa“ (S.343). Ausgehend vom evangelikalen Modell der Lausanner Bewegung sieht Walldorf im Herzen der Missio Dei für Europa die Konzentration auf das biblische Evangelium von Jesus Christus. Nicht die Kirche (katholisches Modell) noch die Kultur (Ökumenisches Modell) könne laut Walldorf Norm für die missionarische Erneuerung in Europa sein (S.343). Dies könne nur die „einzigartige gute Nachricht von der rettenden Tat Gottes durch das Leben, Sterben und Auferstehen Jesu Christi“ leisten, wenn sie „in Wort, Tat und Sein“ der Christen Europas glaubwürdig weitergegeben werde (S.343). Weiter legt Walldorf die Betonung darauf, dass Evangelisation niemals losgelöst von „anderen Dimensionen“ der Gemeinde und der Nachfolge Christi geschehen kann. Sie muß ganzheitlich geschehen, und hier weißt Walldorf meines Erachtens folgerichtig hin auf die Schlüsselfunktion „Christozentrischer Gemeinden“, die als „missionarische Lebensbasis“ für Evangelisation dienen. Hier sieht der Autor richtig das alttestamentliche zentripetale Missionsmodell der „missionarischen Attraktion“ neben der grenzüberschreitenden Sendung in europäische Subkulturen als eine wichtige Missionsmethode an, die für das moderne, von Individualismus, Säkularismus und Materialismus zerrissenen Europa wegweisend wäre.

Nur hier, in der lobpreisenden, dienenden und Christus nachfolgenden Gemeinde werde, laut Walldorf, durch die „dynamische Beziehung zum biblischen und heute gegenwärtigen Christus als dem Zentrum,“ neue Hoffnung für Europa wachsen (S. 349-350). Dabei können Formen und Rahmenbedingungen, in denen die communio sanctorum sich sammelt, sehr unterschiedlich sein – angefangen von traditionellen Strukturen bis hin zu kreativen Neuansätzen.

Nach Walldorf habe die Neuevangelisierung Europas nur dann eine Chance, wenn die Gemeinde Jesu als „Mit-, Für-, und Gegenkultur“ zum gegenwärtigen Europa zur Basis der Missio Dei im europäischen Kontext wird (S.352).

Mit diesen abschließenden Gedanken ist es Walldorf gelungen, ausgehend von den evangelikalen Ansätzen der Lausanner Bewegung, für das zentrale Anliegen einer Neuevangelisierung Europas neue und weiterführende Perspektiven zu eröffnen. Sein Buch ist ein sehr guter Beitrag zur gegenwärtigen Diskussion um eine geistliche Erneuerung Europas.

Dr. Bernd Brandl, em 2003-4.

Wander, Bernd. Trennungsprozesse zwi­schen Frühem Christentum und Judentum im 1. Jh. n. Chr. TANZ 16. Francke Verlag: Tübingen/Basel, 2. Aufl. 1997 (1994/1).

Wander (W.) geht der Frage nach, welche Faktoren zu der Trennung von frühem Chri­stentum und Judentum im 1. Jh. geführt haben. Anders als viele Rekonstruktionen dieses Trennungsprozesses, setzt W. bei den Hinter­gründen der Verurteilung Jesu ein (S.54-97). Der hilfreiche Überblick zu diesem Thema kommt zu dem Schluß, daß Jesus wohl aus Gründen der Staatsraison an die römische Ju­stiz ausgeliefert, verurteilt und hingerichtet wurde. Damit konnte die Jesusbewegung von Anfang an kriminalisiert werden.

Mit der Verkündigung der Auferweckung Jesu durch die zwölf Jünger (Apg 3,5) wurden Fakten, die für die jüdische Aristokratie erle­digt waren, neu aufgeworfen, und die Predigt­tätigkeit von Stephanus und seinen Freunden (Apg 6,7), in welcher der Tempelkult keine Rolle mehr spielte, sowie die Verbindung des Gekreuzigten mit dem zweiten Thron neben Jahwe führten zu Verfolgung in Jerusalem bzw. zur Auswanderung (S. 98-145).

Die vom judäischen König Agrippa I. ver­anlaßte Verfolgung von führenden Jerusalemer Christen, die Hinrichtung von Jakobus und die Inhaftierung von Petrus (Apg 12,1ff) war poli­tisch motiviert. Agrippa I. war in Rom aufge­wachsen und erzogen worden und hatte bei der Proklamation des Claudius zum Kaiser im Jahr 41 eine wichtige Rolle gespielt. Er erkannte in Rom die Bedeutung und die Rolle der Gemein­schaft der Christusanhänger schlagartig, als Claudius ein Edikt erließ (von W. in das Jahr 41 datiert), das die Juden aufforderte, Rom zu verlassen: ihre Zahl hatte zu stark zugenom­men, und vor allem hatte es wegen „Chrestus“, d.h. wegen der Verkündigung von Jesus Chri­stus, Unruhen gegeben. Wenn die Rechtsbasis der jüdischen Diasporagemeinden nicht ge­fährdet werden sollte, mußten Unruhen durch missionierende Judenchristen unterbunden werden - also ging Agrippa I. rigoros gegen die führenden Christen vor (S.212-234).

Paulus wird verhaftet, weil Diasporajuden die Auswirkungen seiner Heidenmission als Bedrohung jüdischer Identität und palästini­sche Juden diese als mangelnde Solidarität in der Zeit nationaler Sammlung ansehen mußten (S.235-262).

Die Ausführungen von W. sind material­reich, sehr informativ und gut lesbar. Auch wenn man manche Rekonstruktionen nicht teilt (z.B. im Blick auf das Verhältnis der Mission von Petrus und der Mission von Paulus, S.192-211): deutlich wird jedenfalls, daß der Tod Jesu und die frühe urchristliche Mission die Hauptgründe für die Trennung zwischen der christlichen Kirche und der jüdischen Syn­agoge waren.

Dr. Eckhard J. Schnabel, em 1998-3.

Weber, Charles W. International Influences and Baptist Mission in West Cameroon. German-American Missionary Endeavour under International Mandate and British Colonialism. Brill: Leiden / New York / Köln, 1993.

Als ich auf der Reise von Douala in Kamerun nach Jos in Nigeria auf einer Missionsstation Nachtquartier fand und fragte, ob es über die Geschichte der Missionsarbeit dort etwas zu lesen gäbe, lieh man mir einen Bildband, aus dem ich ua. lernte, daß das erste deutsche bap­tistische Missionsehepaar in Kamerun Ameri­kaner, und daß eine Anzahl der ersten „bapti­stischen“ Missionare dort Mennoniten-Brüder waren. Ich war nach einem halben Tag Eisen­bahnfahrt durch den Urwald müde und hatte keine Gelegenheit mehr zu lernen, daß die bap­tistische Missionsarbeit im westlichen, eng­lischsprachigen Kamerun noch bis Januar 1941 rechtlich in deutscher Verantwortung stand, und auch nicht, daß ein entfernter Onkel von mir (Paul Gebauer aus Bolkenhain, Schlesien) in der Zeit eine wichtige Rolle spielte.

Bisher hat erst wenig wissenschaftliche Beschäftigung mit der deutschen Kamerunmis­sion stattgefunden. (Jürgen Günther: Mission im kolonialen Kontext. Beiträge zur Geschichte der Mission der deutschen Baptisten in Kame­run 1891-1914. Initiative Schalom: Burgdorf 1991 leidet unter seinen Vorurteilen.) Weber füllt hier eine Lücke. Nach einer kurzen Über­sicht über die Vorgeschichte seit 1840 (Mis­sionare aus England und Jamaika, dann aus Deutschland) stellt er die Zeit von 1922-1945 dar, die gekennzeichnet ist durch den Vorstoß in die „Grassfields“ und überaus schnelles Gemeinde Wachstum. Er zeichnet die interna­tionalen Verflechtungen sorgfältig nach und zeigt die überaus wichtige Rolle der Missions­schulen (und der in ihnen tätigen Kameruner Lehrer) in der Ausbreitung der Gemeindearbeit auf. Das Buch leistet einen wichtigen Beitrag zur Missionsgeschichte des deutschen Baptis­mus, und in einer Zeit, in der Missionsschulen wieder vermehrt gefragt sind, bietet es dem am Thema interessierten Leser konkretes Material für ein bestimmtes Gebiet, das bisher (und auch damals) wenig beachtete West Kamerun.

Dr. Klaus Fiedler, em 1994-1.

Wende, Peter. Das Britische Empire: Geschichte eines Weltreichs. (Beck’sche Historische Bibliothek) Mün­chen: C. H. Beck, 2012.

Ein wesentlicher Teil der protes­tan­tischen Mission im 19. und 20 Jahrhundert fand in Gebieten statt, die zum britischen Weltreich oder zu seiner Einflusssphäre gehört haben. Zu dem besonderen Verhältnis zwischen Mission und Empire (große Nähe, aber auch Span­nungen) liegen mehrere Unter­suchungen aus kirchenhistorischer bzw. missiologischer Perspektive vor. Der vor­liegende Band eines säkularen His­torikers bietet eine umfassende Dar­stellung der Geschichte von Werden und Vergehen des Empires, das auf seinem Zenit ein Viertel der Erdoberfläche um­fasste. Wendes Band ermöglicht es, das besondere Verhältnis zwischen christ­licher Mission und Empire im größeren Kontext des Empires, seiner Ent­wick­lung und des damals damit verbunden politisch-nationalen Sendungsbewusst­seins vieler Briten zu verstehen.

Nach einem Prolog und einer knappen Zusammenfassung schildert Wende zu­nächst „Das ältere Empire – Handel und Herrschaft (1607–1783)“, das haupt­säch­lich in Nordamerika lag (35–122; die Kolonien, Handel, Schifffahrt, Seemacht, politische Organisation, Aufstieg zur Weltmacht, Krise und Ende des älteren Empire).

Dem folgt „Das klassische Empire – Herrschaft und Mission (1784–1914)“ in Afrika und Asien (123–239). Zunächst geht es um die allgemeinen Tendenzen und Strukturen (Seemacht, Handel, ter­ri­toriale Expansion und die globale Mis­sion des Empire). Daran schließen sich Kapitel zu Indien, den ersten sog. Domi­nions, zur Entwicklung in Afrika vom Kap bis nach Kairo und den Ent­wick­lungen zwischen Großbritannien und seinem Empire im Zeitalter des Im­pe­rialismus an. In diesen Kapiteln wird der hohe Anspruch des damaligen Empires deutlich, der auch das christliche Mis­sions­verständnis dieses Zeitalters geprägt hat. Aufgrund der in der territorialen Expansion immer wieder bewiesenen Vorrangstellung nicht nur der weißen, sondern einer spezifisch britischen Rasse wurde deren Mission als „die Ver­brei­tung der moralischen und zivi­li­sa­to­rischen Errungenschaften des modernen England über den Globus begriffen, denn – wie Cecil Rhodes es einmal for­mu­lierte – ‚die Briten sind die Rasse mit den besten Eigenschaften, und je mehr wir von der Welt in Besitz nehmen, umso besser ist es um die Zukunft der Menschheit bestellt‘“ (136).

Der Erwerb des Empire wurde als Verpflichtung gegenüber dem Gang der Geschichte verstanden, denn „es waren vor allem die Vertreter der britischen Rasse dazu ausersehen, die Bürde des weißen Mannes zu tragen und das Licht europäischer Kultur in das Dunkel der fernen Kontinente zu bringen. Dabei misch­ten sich in solche Grund­über­zeugungen … rassistische Über­heb­lich­keit und die ideologische Ver­brä­mung kolonialer Ausbeutung mit dem Sen­dungsbewusstsein eines durchaus wohl­wollenden ‚Erziehungs­kolo­nia­lis­mus‘. Dann wurde Kolonialherrschaft als Ge­schenk und Gnadenakt der Zivilisation verherrlicht, da durch sie dem fern von Europa vorgefundenen Chaos eine Ord­nung auferlegt werde“ (136f). Dass dabei die Grenzen zwischen britischer und christlicher Kultur fließend waren (bzw. kein Widerspruch empfunden wurde; was freilich für die anderen Kolo­nial­mächte ebenso gilt!), wird immer wieder deutlich (speziell zur Rolle der christ­lichen Mission und ihrer über weite Strecken beidseits profitablen Symbiose mit dem Empire S. 140–142).

Der letzte Teil schildert Ende und Erbe des Weltreiches und den Übergang vom Empire zum Commonwealth (241–322; Krisenmanagement zwischen 1914 und 1945, das Ende des indischen Reichs, imperiales Intermezzo im Nahen Osten, der Rückzug aus Afrika und der Übergang vom British Commonwealth zum People’s Commonwealth). Ab­schlie­ßend zieht Wende eine „Bilanz“ (325–336). Als instruktive Fallstudie be­leuchtet der Band das komplexe Ver­hältnis zwischen christlicher Mission und den politisch-nationalen Rahmen­bedingungen und dem Selbstverständnis sowohl auf Seiten der Sender als auch der Empfänger der Mission. Ferner beschreibt er Entstehung und Ent­wick­lung des vielschichtigen Verhältnisses, das bis heute die Beziehungen zwischen Europa, Afrika und Asien prägt.

Prof. Dr. Christoph Stenschke, em 2013-2.

Wendlandt-Homann, Luise. Zugvögel ken­nen ihre Zeit Als Missionarsfrau in vier Erdteilen. Verlag der Ev.-Luth. Mission Erlangen / Missionshandlung Hermannsburg, 1987 (Erlanger Taschenbücher Bd. 81).

Viel zu wenig Raum – dafür ist auch diese Zeitschrift ein Beweis – wird in der Mis­sionsliteratur den Missionarsfrauen einge­räumt. Als Luise Homann, verwitwete Wendlandt, geborene Bensen, am 19.8.1932 in Brighton/Südaustralien im Alter von 95 Jahren starb, hinterließ sie auch, in klarer Süterlinschrift geschrieben, auf 154 Seiten ihre Lebenserinnerungen, die uns Inge Prien, sprachlich leicht geglättet, in diesem Buch zugänglich macht. Es vermittelt aus erster Hand Einblicke in die frühe deutsche Missionsgeschichte (Leipzig, Hermanns­burg, indischer Kastenstreit, Mission in Südafrika, Mission und Auswanderermis­sion in Australien). Zudem kann dieses Buch stellvertretend für das Erleben vieler Missionarsfrauen jener Zeit stehen.

Em 1988-2.

Wenzel, Uwe Justus (Hg.). Was ist eine gute Religion? Zwanzig Antworten. München: Beck, 2007.

Der Titel dieses Buches macht neugierig. Die vorliegenden zwanzig Essays, die von März 2006 bis Mai 2007 in der „Neuen Zürcher Zeitung" erschienen, machen Appetit auf mehr. Sie wurden von namhaften Autoren verfasst, z.B. Friedrich Wilhelm Graf („Lob der Unter­scheidungen“, S.11-15), Wolfgang Huber („Der Geschmack von Freiheit und Mündigkeit“, S.16-20), Karl Kardinal Lehmann („Dialog ohne Machtanspruch“, S.21-25), Jan Assmann („Ver­borgene Weisheit“, S.36-41) oder Navid Ker-mani („Es ist wichtiger, ein guter Mensch zu sein als ein guter Muslim“, S.55-60). Die Viel­falt der Antworten sowie insbesondere die Art und Weise auf die Frage einzugehen provozie­ren zum weiterführenden Nachdenken und Fra­gen, wie der Herausgeber mit seinen knappen aber sehr hilfreichen Einführungsgedanken (S.7-9) unterstreicht: Was ist der Maßstab anhand dessen man von einer „guten“ Religion sprechen kann? Was ist eine angemessene Definition von Religion? Kann „Religion“ als westlich gepräg­ter Begriff überhaupt hilfreich sein? Inwiefern kann Religion von außen überhaupt angemessen beschrieben werden oder verliert sie bei distan­zierter Betrachtung nicht Entscheidendes, was sie ausmacht?

Im Zusammenhang aktueller Fragestellungen stellt der Herausgeber zwei weichenstellende Eigenschaften von Religionen heraus: sie sind „ideologieverdächtig“ und „ideologieanfällig“ (S.7). Er ist sich wohl bewusst, dass diese Be­griffe definiert werden müssen, aber er weist damit auf die Brisanz des Themas in einer auf­geheizten „religionspolitischen Atmosphäre“ (S.7) hin, was die Beiträge auf zweierlei Weise beeinflusst. Zum einen muss die westliche Öf­fentlichkeit bzw. westliche Intellektuelle sich mit dem Phänomen der „Wiederkehr der Reli­gion“ auseinandersetzen. Die Überzeugung, dass Religion für einige wenige vielleicht im privaten Bereich noch von Bedeutung sein könnte, aber auf der gesellschaftlichen und politischen Ebene in der Bedeutungslosigkeit verschwinden wird, wird durch Ereignisse und Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit erschüttert. Nun muss man sich mit der Frage auseinandersetzen, für was Religion überhaupt „gut" sein kann, wie es Mark Lilla formuliert (S.79) bzw. wenn es denn schon Religion sein muss, dann soll es wenig­stens eine gute sein (Chakravarthi Ram-Prasad, S.74). Zum anderen zieht sich ein unaus­gesprochener Konsens durch die Beiträge, sich von (gewaltbereitem?) Fundamentalismus abzu­grenzen. Das Gute von Religion zeigt sich damit insbesondere an den Auswirkungen für den Menschen oder, wie Theunissen die Ausgangs­frage versteht, „inwiefern Religion gut sein könne für das Zusammenleben von Menschen in einem Gemeinwesen oder mit Fremden“ (S.116; vgl. auch Kermani, S.58). Die ersten drei Beiträge (Graf, Huber, Lehmann) bemühen sich ausführlich darum, die Kompati­bilität von Religion und modernem Denken aufzuweisen: „Gute Religion sehe ich [Wolf­gang Huber] durch diese beiden Leitmotive bestimmt: Mündigkeit zu wirken und Freiheit zu befördern“ (S.17). Die Achtung der Menschen­rechte ist für Huber ein Prüfstein. Ganz ähnlich klingt Lehmann, wenn Religion „die recht ver­standene Freiheit der Menschen“ bzw. die „eige­ne Kritik- und Denkfähigkeit“ fördern muss (S.23). Huber stellt in diesem Zusammenhang ein „Bündnis mit der Aufklärung“ heraus: „jede gute Religion steht vor der Anforderung, sich den Anfragen der Aufklärung zu stellen. Reli­gion, die das Bündnis mit der Aufklärung auf­kündigt, verweigert sich einem kritischen Wahr­heitsanspruch“ (S. 18). Für Graf wird und kann Religion nur gut sein, „wenn sie sich durch autonome theologische Rationalität immer neu in Frage stellen, auf ihre immanenten Perver­sionspotenziale hin analysieren lässt – um reflektierter Freiheit der einzelnen Frommen willen" (S.15). Angesichts dieser Argumenta­tionsmuster wird m.E. allerdings zu wenig deutlich, was der durch nichts anderes zu erset­zende positive Beitrag der Religion ist. Eine Außenperspektive nehmen auch Michael von Brück und Jan Assmann ein. Gute Religion, so von Brück, „entsteht unter Menschen, die den dialogischen Diskurs über ,gute Religion‘ füh­ren“ (S.31). Allein seligmachende Wahrheitsan­sprüche müssen ausgeschlossen werden, weil Wissen (auch wenn es sich auf Offenbarung beruft) immer vorläufig ist. Nach Assmann muss gute Religion verstehen, sich auf „den Be­griff einer allgemeinen, verborgenen ,Menschheitsreligion‘“ hin zu relativieren (S.41). Diese Beiträge legen nicht nur einen Maßstab an Religion von außen an, sondern machen ihre religionstheologischen Prämissen zum Maßstab. Wenn man diese Maßstäbe anlegt, muss man wohl mit Christoph Türcke aufgrund der Reli­gionsgeschichte schlussfolgern, dass keine be­stehende Religion gut sein kann, weil keine Ein­fluss oder Macht gewonnen habe, „ohne einzu­schüchtern, zu demütigen, zu verfluchen, zu quälen und zu morden“ (S.27). Aber ist es an­gemessen, diese hoffnungslos europäische Frage an „Religion“ (wie immer man sie definiert) zu richten und damit Lessings Ideal einer natür­lichen Religion vorauszusetzen (Jochen Teuffel, S.102)? Vielleicht geht Ram-Prasad zu weit, aber sein Einwand sollte die weitere Reflexion und Diskussion (den Appetit auf mehr) beglei­ten: „Wer festschreibt, was eine ,gute Religion‘ ist, erlegt anderen eine hegemonistische Idee auf“ (S.77).

Dr. Heiko Wenzel, em 2008-4.

Werner, Eberhard. Bibelübersetzung in Theorie und Praxis: Eine Dar­stel­lung ihrer Interdisziplinarität an­hand der Ausbildungspraxis, Ham­burg: Verlag Dr Kovač, 2011.

Dieser Band geht der Frage nach, wie die „Diskrepanz zwischen den Möglich­keiten der modernen Wissenschaft zur Übersetzung” (xx) und den tatsächlich verwendeten Modellen in der Über­set­zungsarbeit vermindert bzw. sogar ver­mie­den werden kann. Werner vermutet, dass einerseits in der Ausbildung von Bibelübersetzern die Vermittlung der Modelle nicht gelingt und andererseits „Fragen der praktischen Nutzung dieser Modelle nicht ausreichend geklärt sind” (xx). Er untersucht deshalb, „wie Über­setzer am besten auf ihre Tätigkeit vor­bereitet werden können und welche Kri­terien in der Wissenschaft zur Bibel­übersetzung” (xx) gegenwärtig Anwen­dung finden müssen.

Im ersten Kapitel beschreibt Werner Inhalt und Standort der Bibelübersetzung (1-28). Er gibt eine Einführung in ak­tuelle Modelle der Kommunikation und betont die Ausbildung als wegweisend für die Übersetzung. Sie ist inter­dis­zip­linär (theologisch-missiologisch zent­riert, linguistisch orientiert und durch re­le­vante Sozialwissenschaften unter­stützt). Zur Sprache kommen ferner die Verortung der Bibelübersetzung in der Missiologie, Inspiration und Über­set­zung sowie Hermeneutik und Über­set­zung. Das Kapitel endet mit einem Mandat zur Bibelübersetzung.

Kapitel zwei ist das längste Kapitel überhaupt (29-194)! In ihm diskutiert Werner zunächst die äußeren Rahmen­be­dingungen der Bibelübersetzung, näm­lich, Wissenschaft der Kommunikation und Übersetzung. Angestoßen durch Nida, entwickelte sich der Begriff Wissen­schaft der Kommunikation, ob­wohl es bis heute keine eigene Wissen­schaft zur Kommunikation gibt. Fest­zuhalten ist, dass Kommunikation fach­spezifisch ver­handelt wird, indivi­duell, disziplin- und ver­haltensabhängig ist. Daraus ergeben sich Kommuni­ka­tions­prinzipien, deren Kern vier Maxime bil­den. Werner wid­met sich daraufhin der Sprache, den Be­griffen „Über­set­zung“ und „Übersetzen“, dem „Über­set­zer“, dem Text und schließ­lich dem in­ne­ren Rahmen der Bi­belübersetzung. Der erste Teil endet mit einer kurzen Debatte über moderne Bibelüber­setzungen.

Im zweiten Teil des Kapitels beschäftigt sich Werner mit den Modellen der Kom­munikation und Übersetzung. Nach ei­nem historischen Überblick über mo­derne Kommunikationsmodelle, wendet er sich den einzelnen Modellen im Detail zu. Diskutiert werden Shannon-Weavers Kode-Modell, Nidas dynamische/funk­tio­nale Äquivalenz und deren Weiter­entwicklungen (Wendland et al), das Skopos-Modell von Reiß & Vermeer, Nords funktionales Übersetzen, Katans Kulturbezogenes Kommunikations­mo­dell, die Massenkommunikation nach Maletzke & McQuail, wörtliche Über­setzungsmodelle sowie Gutts Relevanz-Theorie. Besondere Bedeutung kommt der christlichen Kommunikation zu, da sä­kulare Modelle die transzendente Di­mension der Kommunikation völlig außer Acht lassen. Weil Kommunikation aber im Wesen Gottes verankert ist, muss eine Bibelübersetzung eine trans­zendente Ansprache vermitteln.

Anschließend setzt sich Werner ein­ge­hend mit den Modellen der Übersetzung auseinander (195-254). Ausgehend von Nidas Äquivalenz-Modell erfolgt für jedes weitere Modell eine Diskussion. Stärken und kritische Elemente werden jeweils dargestellt und auf ihre An­wend­barkeit in der Praxis geprüft. Werner kommt zu dem Ergebnis, dass in der Aus­bildung von Bibelübersetzern mo­dellübergreifend gearbeitet wird, da da­durch die Schwächen eines Modells aus­geglichen werden können. Das dyna­misch-äquivalente Modell und wörtliche Modelle werden dann favorisiert, wenn andere Modelle nicht greifen. Daraus ergibt sich die Frage, warum eine Dis­krepanz zwischen den theoretischen An­geboten an Zugängen für die Bibel­übersetzung und der praktischen Nach­frage derselben besteht.

Auf der Suche nach einer Antwort präsentiert Werner seine empirische Stu­die zur Ausbildung von Bibel­über­setzern (240-54). Die empirische Studie zeigte, dass Übersetzer verschiedene Modelle der Kommunikation und Über­setzung kannten, aber nur wenige ein Interesse daran hätten, eine zusätzliche Aus­bil­dung in Theorie und Praxis an­derer Mo­delle zu machen. Die Studie stellte eine eindeutige Ablehnung des wört­lichen Ansatzes und eine Fa­vo­risierung von Mischmodellen fest, da „die Stärke solcher Mischmodelle in deren Ver­mittelbarkeit und Praktika­bi­li­tät” (253) liegt.

Im vierten Kapitel diskutiert Werner das Verhältnis von Missiologie und Bibel­übersetzung (255-332). Nach einer his­to­rischen Reflektion (257-281) fordert er ei­ne wichtige Unterscheidung „zwischen Bibelübersetzung als Produkt und Ge­gen­stand christlichen Handelns” und der „Institution Bibelübersetzung als Wis­sen­schaft und wissenschaftliche Diziplin an­derer Fachgebiete” vorzunehmen (255). Der historische Rückblick führt ihn zu dem Schluss: Bibelübersetzung ist der „Brückenkopf der Missiologie” (281). Damit ist jedoch noch nicht ge­klärt, welche Elemente das Mandat zur Bibelübersetzung begründen. Die Ver­or­tung in Kirchengeschichte und Theo­logie reiche dabei nicht aus. Ent­scheidend sei, dass christliche Ent­wick­lungshilfe der Bi­belübersetzung bedarf und zugleich durch sie motiviert und angeregt wird. Obwohl Bibelübersetzung einen inter­dis­ziplinären Zugang er­for­dert, bildet Kom­munikation das „ver­bin­dende Glied in­ter­kultureller Begegnung” (293) welche jedoch in der Missio Dei begründet ist und dem theologisch-missiologischen Rah­men von Bibel­über­setzung Rech­nung trägt. Der Missio Dei-Rahmen wird anschließend unter ver­schiedenen Ge­sichts­punkten dis­ku­tiert (301-332).

Im abschließenden Epilog umreißt Wer­ner die Missio Dei als den „kommu­ni­kativen Akt der Offenbarung”, der in der Missio Christi seinen Höhepunkt findet und von welchem sich alle Formen der göttlichen Kommunikation (Communica­tio Dei) ableiten (333-340). Aus der Com­municatio Dei ergibt sich ein Man­dat zur Kommunikation, das in der Kon­kre­tion zu einem Mandat der Bibel­über­setzung führt, welches historisch ge­sehen als Fundament der „Entfaltung christ­li­cher Entwicklungshilfe” (335) zu sehen ist. Zwei Anhänge und drei Anlagen so­wie ein ausführliches Literatur­ver­zeich­nis und verschiedene Register beenden den Band.

Werners Studie glänzt durch ihre Fleiß­arbeit. Sie deckt alle Bereiche der Bibel­übersetzung ab, befasst sich ein­ge­hend mit der Ausbildung von Bibel­übersetzern und kann als Nach­schlage­werk über Kommunikation, Bibel­über­setzung (The­o­rie und moderne Modelle) gesehen wer­den. Es gibt wohl kein an­de­res Werk zu diesem Thema (in deutscher Sprache), in dem so unglaublich viel Literatur ver­ar­beitet wird. Die Verortung der Bibel­über­setzung in der Wissen­schaft, vor allem aber in der Missiologie, ist ein wich­tiger Beitrag. Gleichzeitig stellt er sein eigenes Christlich-Bib­lisches Kom­munikationsmodell vor – und somit auch zur Diskussion.

Zu bemerken ist die „trockene“ Sprache, in der Werner seinen Stoff präsentiert. Er verlangt dem Leser viel Breitschaft ab, wei­ter zu lesen. Ist die umfangreiche Bib­liografie (407-52!) und der Sach­in­dex beeindruckend, hätte dem um­fang­rei­chen Band ein Personenregister auch nicht mehr geschadet. Alles in allem wird es Lesern, die sich für alles in­te­res­sieren, was mit Kommunikation, Bi­bel­übersetzung und Ausbildungs­kon­zepten zu tun hat, einen Reichtum an Inhalten bieten.

Robert Badenberg em 2012-1.

Werner, Roland (Hg.). Die Christus-Treff Story. Neukirchen: Aussaat Verlag, 2002.

Das von Dr. Roland Werner, Theologe, Afrikanist und Mitbegründer des Christus-Treffs, herausge­gebene Buch erzählt die Geschichte einer christli­chen Lebensgemeinschaft in der hessischen Stadt Marburg, die sich seit 1981 verbindlich trifft, mit dem Ziel, Christsein intensiv zu leben, sich gegen­seitig zu unterstützen, offen zu sein für andere und für das Reden Gottes. Was aus dieser Gemein­schaft bis zum Jahr 2002 entstanden ist, wird in Schwerpunktthemen innerhalb der 15 Kapitel ge­nauer beschrieben. Die offene Gottesdienstarbeit (Donnerstag abends) in Marburg bildet eine Hauptaufgabe der Gemeinschaft. Damit verbunden sind vielfältige andere Bereiche wie Hauskreise, Kinderarbeit und Ausländerarbeit. Außerdem wird das Evangelisationsprojekt „FRIENDS“ und die diakonisch-missionarische Arbeit der Gemein­schaft Jerusalem und Berlin vorgestellt. Die Dar­stellung persönlicher Erlebnisse machen die Rele­vanz für unsere heutige Gesellschaft deutlich, was zum einen die Wirksamkeit der Projekte zeigt, die aus der Gemeinschaft entstanden sind und zum anderen die Öffentlichkeitsarbeit von Roland Wer­ner. Das Buch vermittelt einen Blick für weltweite Mission und missionarische Arbeit vor Ort. Abge­rundet wird das aus unterschiedlichen Beiträgen zusammengestellte Buch von einem Christus­Treff-Alphabet, das knappe Beschreibungen zu Schlagworten aus zum Christus-Treff gehörenden Begriffen enthält, einer knappen Christus-Treff­Chronologie und einer Liste mit Publikationen. Das Buch liest sich sehr gut und ist durch die Ori­ginalberichte von Christus-Trefflern anschaulich. Durch die zum Teil unterschiedlichen Verfasser treten manche Überschneidungen auf, was aber nicht hindert einen guten Überblick über die Auf­gaben und Tätigkeitsfelder zu gewinnen. Die Ges­taltung in kurzen Sinnabschnitten, die mit Fotos ergänzt sind, erleichtert den Zugang.

Mathis Kögel, em 2004-1.

Werth, Martin. Theologie der Evangelisation. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 2004.

Martin Werth ist Dozent an der Evangelisten­schule Johanneum in Wuppertal. Das vorliegen­de Buch ist die leicht überarbeitete Fassung sei­ner Dissertation an der Ruhr-Universität Bo­chum. Die Studie soll dazu beitragen, die Evan­gelisation als landeskirchliches Handlungsfeld theologisch zu reflektieren und „von dem Ge­ruch des außerkirchlichen Sonderwegs“ (Klap­pentext) zu befreien.

Der Autor entfaltet sein Thema in fünf Teilen. Zunächst geht es um „biblisch-theologische und historische Erkundungen, Begriffserklärungen“. Werth kommt zu dem Schluss, dass „Mission“ und „Evangelisation“ als synonyme Begriffe zu betrachten seien, „Evangelisation“ aber durch den inhaltlichen Bezug zu „Evangelium“ zu bevorzugen sei. Die Entscheidung ist respekta­bel und begründet, allerdings scheint mir die einfache Gleichsetzung der Begriffe (ohne wei­tere Differenzierung der Konzepte) missions­theologisch zu pauschal. Differenz und Zusam­menhang der Begriffe hätten auf dieser Ebene tiefergehend thematisiert werden können. Inte­ressant ist die historische Perspektive zur Evan­gelistenschule Johanneum und die Analyse einer programmatischen Rede T. Christliebs (1888), in der dieser bereits den Begriff der „Neuevan­gelisierung“ gebraucht!

Im zweiten Teil untersucht der Autor ausge­wählte evangelisationstheologische Entwürfe mit Bezug zum deutsch-europäischen und lan­deskirchlichen Kontext seit 1970 (Hollenweger, Boff, Costas, Castro, Newbigin, Briese, Ahonen, Huber), die knapp skizziert und schlüssig beur­teilt werden.

Der dritte Teil beschäftigt sich zunächst mit grundlegenden ökumenischen Dokumenten zur Mission (Evangelii Nuntiandi, Repemptoris Missio, Lausanner Verpflichtung, Manifest von Manila, Ökumenische Erklärung 2;u Mission und Evangelisation), dann mit kirchlichen Missions­dokumenten für den Kontext Deutschland („Zeit zur Aussaat“ DBK 2000, Arnoldshainer Konferenz, Leipziger EKD-Synode 1999, EKD-Text „Das Evangelium unter die Leute brin­gen“).

Im vierten Teil reflektiert der Autor die syste­matisch-theologischen Aspekte einer Theologie der Evangelisation im Kontext der Landeskir­chen: Gott, Mensch, Kirche. Überzeugend skiz­ziert Werth eine theologische An:hropologie der Bekehrung. Evangelisation als Ruf zur biogra­phischen Bekehrung zu Christus habe auch in den ev. Landeskirchen Relevanz. Mit Recht be­tont Werth, dass Bekehrung prozesshaften Cha­rakter hat und der Weg über Kindertaufe und kirchliche Integration sinnvoll sein kann, aber angesichts der kirchlichen Lage im postmoder­nen Deutschland „das Hineinwachsen in den Glauben ohne eine Initialzündung im Sinne ei­ner punktuellen Bekehrung“ kaum gelingen kann (S.279).

Im letzten Teil richtet der Autor sein Augen­merk auf praktisch-theologische Aspekte: Di­mension und Intention, Kultur und Kontext, Kybernetik und Mitarbeiter der Evangelisation: Laien, Hauptamtliche, Evangelisten. Hier finden sich viele gute Perspektiven, die deutlich ma­chen, dass Evangelisation Sache der ganzen Gemeinde und Kirche ist. Eines scheint mir je­doch zu fehlen: der Aspekt der missionarisch-evangelistischen Begegnung mit Menschen aus anderen Religionen und Kulturen – also der mul­tireligiöse Kontext, in dem auch landeskirchli­che Gemeinden sich befinden. Der religions­theologische Aspekt als Teil einer Theologie der Evangelisation findet hier zu wenig Beachtung. Als Zielgruppen der Evangelisation nennt der Autor die Kerngemeinde, die distanzierten Kir­chenmitglieder und die Nichtmitglieder (S.296). Gerade bei der Behandlung der kontextuellen Aspekte (S.310- 316) wäre die Beschäftigung mit dem Kontext z.B. muslimischer Menschen in Deutschland für eine Theologie der Evangeli­sation im Rahmen auch der Landeskirchen we­sentlich. Auch der Aspekt missionarischer Ge-meindegmndung, der sowohl im anglikanischen als auch im ökumenischen und freikirchlichen Kontext von wachsender Bedeutung ist, fehlt in den evangelisations-ekklesiologischen Überle­gungen („Die Kirche als Träger und Ziel der Mission“, S.282f).

Zusammenfassend bleibt festzustellen: Werths Buch bietet gute Analysen neuerer Entwürfe und wichtige Ansätze als Beitrag für eine Missions­theologie für den deutschen Kontext.

Dr. Friedemann Walldorf, em 2005-4.

Weston, Paul. Lesslie Newbigin: Missionary Theologian: A Reader. London/Grand Rapids: Society for Promoting Christian Knowledge/W. B. Eerdmans, 2006.

Paul Weston hat mit der Herausgabe dieser Sammlung von Auszügen aus Newbigins Schriften einen wichtigen Beitrag geleistet, Newbigins Werk zu sichten und den Ertrag seiner Arbeit dem interessierten Leser zugänglich zu machen. Die kurze Biographie in der Einleitung zeigt die verschiedenen Stationen in Newbigins Leben. Nur auf diesem Hintergrund sind seine missionstheologischen Beiträge zu verstehen.

Weston gliedert dann in zwei große Themenbereiche: ‚Theologische Grundlagen für Mission‘ (77 Seiten) und ‚Missionarische Theologie in der Praxis‘ (171 Seiten). Jeder Themenbereich ist unterteilt in kleinere thematische Abschnitte. Am Beginn jedes Abschnitts erklärt Weston kurz den geschichtlichen Hintergrund der einzelnen Textauszüge, die er zum Thema ausgewählt hat. Dabei bemüht er sich, in der Textauswahl die ganze Breite von Newbigins literarischem Schaffen zu berücksichtigen und wählt bewusst Texte aus den verschiedenen Epochen von Newbigins Wirken. Jeder Abschnitt schließt mit einigen kurzen Verweisen auf weitere Texte Newbigins zum Thema.

Die Abschnitte im ersten Themenbereich sind überschrieben: (1) Die Erkenntnis Gottes, (2) Der Tod Christi, (3) Erwählung und das Volk Gottes, (4) Christus als Schlüssel zum Verstehen der Geschichte, (5) Die ökumenische Vision, und (6) Trinitarische Mission. Im zweiten Abschnitt fasst Weston Newbigins Beiträge zu folgenden Themen zusammen: (7) Christus und die Kulturen, (8) Das Wesen und die Berufung der Kirche, (9) Das Evangelium und die Weltreligionen, (10) Die missionarische Krise im Westen, sowie (11) Das Evangelium und das öffentliche Leben.

Dabei gelingt es Weston, die zentralen Themen Newbigins aufzugreifen und den Leser an sein Werk heranzuführen. Dass der zweite Teil wesentlich ausführlicher ausfällt als der erste ist von der Sache her begründet. Gerade in der Beschäftigung mit den aktuellen Herausforderungen der christlichen Mission wurde Newbigins theologisches Denken geprägt. Und dieser Teil führt den Leser hin zu den Fragen, die uns heute in der Missionstheologie in Europa beschäftigen (müssen). Dazu gehört die Auseinandersetzung mit den Religionen genauso wie die Auseinandersetzung mit dem westlichen Weltbild. Der zunehmende Einfluss des Islam in Europa wirft dabei die Frage auf, welche Rolle das Evangelium spielt bzw. spielen muss in der Diskussion um das öffentliche Leben, ein Thema, das Newbigin bis in sein hohes Alter hinein beschäftigt hat.

Weston gibt uns einen kompakten Reader in die Hand, der auf gut 250 Seiten den Leser einführt in die Grundlagen von Newbigins theologischem Denken und in die missionstheologischen Themen, mit denen er sich auseinander gesetzt hat. Wer eine Einführung in Newbigins literarisches Werk sucht, ist gut beraten, zu diesem Buch zu greifen.

Dr. Jürgen Schuster, em 2006-4.

Weth, Rudolph (Hg.) Bekenntnis zu dem einen Gott? Christen und Muslime zwischen Mission und Dialog. Neukirchener Verlags­haus: Neukirchen-Vluyn, 1999.

Die Jahrestagung der Gesellschaft für Evange­lische Theologie beschäftigte sich 1999 mit dem Thema: Islam - Dialog oder Mission? So breit das theologische Spektrum der Referenten - auch Muslime gehörten dazu - so unter­schiedlich natürlich auch die Positionen der hier veröffentlichten Beiträge. Viele verschie­dene Themen aus den Bereichen islamische Ethik, Politik, Theologie und, übergreifend, der Vergleichenden Religionswissenschaft werden angeschnitten und auf die islamische Realität im In- und Ausland angewendet.

Gelegentlich finden sich verhalten kritische Anfragen an den Islam (Terrorismus im Namen des Islam, Einschränkung der Menschenrechte, Stellung der Frau), daneben jedoch ebenso die Auffassung, daß Christen und Muslime im Kampf für die universellen Menschenrechte vereint seien (119/120); eine Behauptung, für die die Belege angesichts spezifisch muslimi­scher Definitionen von Menschenrechten mit der Aberkennung jeglicher Rechte für Konver­titen bisher ausstehen. – Insgesamt ein infor­matives Buch für jeden, der sich mit der Band­breite theologischer Auffassungen zum Thema Islam in unserem Land beschäftigen möchte.

Eine kleine Anmerkung zum Schluß: Gerade dort, wo man bei derartigen Tagungen und Veröffentlichungen versucht, Muslimen gerade nicht mit Überheblichkeit zu begegnen, sollte doch unbedingt der Begriff „mohammeda­nisch“ (S.11) vermieden werden, der für Mus­lime immer einen unmittelbaren Affront dar­stellt (stattdessen „muslimisch“).

Dr. Christine Schirrmacher, em 2000-3.

Wetzel, Klaus. Kirchengeschichte Asiens. TVG. Wuppertal: R. Brockhaus, 1995.

Klaus Wetzel, 1987-1993 Dozent in Batu/Indonesien und heute neben Pfarrvikariat Dozent in Korntal, legt hiermit seine in Indo­nesien gehaltenen Vorlesungen zur Kirchenge­schichte Asiens vor. Sie gehen weniger auf Forschungsarbeit zurück als auf eine breit an­gelegte Zusammen­fassung von Standardwer­ken, weswegen in den Anmerkungen intensiv auf meist deutschspra­chige Lexika, Handbü­cher, Kirchen- und Mis­sionsgeschichten und Werke wie ‚Operation World’ (‚Gebet für die Welt’) verwiesen wird. Kirchengeschichte Asiens wird dabei im weite­sten Sinne verstan­den: chronologisch vom Neuen Testament bis heute, geographisch (z. B. einschließlich asiati­sches Rußland) und kon­fessionell. Außerdem
schließt sie die Missi­onsgeschichte Asiens mit ein und gerade die nach jedem Kapitel gestell­ten „Fragen an die Kirchengeschichte“ zeigen, daß diese Kirchen­geschichte von einem enga­gierten Missionar und Mis­siologen geschrieben worden ist. Da­für tritt die ‚Theologiegeschichte Asiens’ stär­ker in den Hintergrund, sind es doch eher die detalliert zusammengetragenen historischen Fakten, als die theologische Ein­ordnung von Kirchen, Theologen und Strö­mungen, die den Kern des Werkes bilden. Hof­fentlich findet das Buch seinen Eingang nicht nur in die missionswis­senschaftliche, sondern auch in die kirchen­geschtliche Forschung, die allzuleicht die Kir­chengeschichte Europas zum Nabel des Chri­stentums macht.

Dr. Thomas Schirrmacher, em 1997-2.

Wetzel, Klaus. Wo die Kirchen wachsen. Der geistliche Aufbruch in der Zwei-Drittel-Welt und die Folgen für das Christentum. Brock­haus: Wuppertal, 1998.

„Offensichtlich ist, daß wir uns mitten in einer Umbruchphase der Kirchen- und Missionsge­schichte befinden, deren epochale Bedeutung dem Weg des Evangeliums zu den nichtjüdi­schen Völkern in neutestamentlicher Zeit, der Konstantinischen Wende und der Reformation in nichts nachsteht“ (92). Diese Kernaussage bezieht sich auf umfangreiches Zahlenmaterial, das der Verf. zusammengestellt hat. Die Stati­stiken spiegeln zum einen den Stellenwert des christlichen Glaubens innerhalb der ihn jeweils umgebenden Gesellschaft wider, zum anderen veranschaulichen sie weltweite zahlenmäßige Verschiebungen: Europa bzw. die westliche Welt ist nicht länger das Zentrum der Christen­heit. Die Kirchen der Zwei-Drittel-Welt wach-
sen enorm – quantitativ und qualitativ.

Wie in der Einführung erläutert, soll die vor­liegende Darstellung „Mut machen zum ver­stärkten Engagement für Weltmission bei sich verändernden Rahmenbedingungen“. Dem aufmerksamen Leser des bekannten Buches „Gebet für die Welt“ werden viele Aussagen nicht neu sein; sie werden vom Verf. mit weite­ren Quellen kombiniert. So wird ausführlich dargestellt, „wo die Kirchen wachsen“. Leider sind jene Passagen etwas knapp geraten, die der Frage nach dem „warum“ des Wachstums und nach den Konsequenzen für die westlichen Christen nachgehen.

Für Einsteiger in Sachen Weltmission ist die Darstellung hilfreich, um einen Überblick der gegenwärtigen Situation zu erhalten.

Harald Börner, em 1998-4.

Wienecke, Werner A. Die Bedeutung der Zeit in Afrika in den traditionellen Religio­nen und in der mis­sionarischen Verkündi­gung. Frank­furt: Peter Lang Verlag, 1992.

Jeder Mitteleuropäer, der schon intensiver mit Afrikanern Kontakt hatte, wird deren funda­mental anderes Verhältnis zur Zeit bemerkt ha­ben. Im Alltag ist es unübersehbar. Doch wie steht es mit religiösen Fragen? Welche Rolle spielt die Raum-Zeit-Dimension in den afrika­nischen Religionen im Unterschied zum Chri­stentum? Und wie müssen wir uns in der christlichen Verkündigung darauf einstellen?

Viel zu lange machten sich westliche Missio­nare zu wenig Gedanken über die tradi­tionellen afrikanischen Religionen und die afrikanische Kultur, und zu viel Mißverständ­nisse entstan­den daraus. Werner A. Wienecke, Jahrgang 1924, erlebte dies zwischen 1954 und 1966 ganz schmerzlich im Dienst als Missionar im damaligen Südwestafrika (heute Namibia). Tausende von Herero trennten sich von der lu­therischen Mis­sionarskirche und gründeten ihre eigene afrikanische Kirche. Die hier veröffent­lichte Doktorarbeit, die Wienecke nach seiner Pensionierung 1991 an der University of South Afrika vorlegte, versucht die Ursachen dieser Trennung ein wenig zu erhellen.

In einem einführenden Kapitel schildert Wienecke die Probleme, die zur Trennung der christlichen Herero von den Missionaren führ­ten und wirft dabei Fragen nach Inkulturation, Synkretismus und einer afrikani­schen Theolo­gie auf. Weiter versucht er über die von John S. Mbiti aufgezeigten Unterschiede zwischen afrikanischem und westlichem Zeitverständnis einen Zugang zu den angesprochenen Fragen zu erhalten. Im dritten Kapitel beschreibt er anhand von Mbiti die Auswirkungen des afri­kanischen zweidimensionalen, m. E. nur Ge­genwart und Vergangenheit umfassenden, Zeitverständnisses auf die afrikanischen Reli­gionen. Dem folgt die Auseinandersetzung mit Mbitis Darstellungen und mit seiner „afrikanischen Theologie“ vor allem entlang des Zeitbegriffes der Afrikaner. Er zeigt, daß dieser dem biblischen insofern ähnelt, als er mehr ereignisverbunden ist als der westlich-li­neare oder östlich-zirkulare. Afrikaner haben die Zukunftsdimension oft weit weniger im Blickfeld. Im fünften Kapitel versucht Wienecke dann die Konsequenzen aus den ge­wonnenen Erkenntnisen über afrikanische Weltanschauung für die Verkündigung der westlichen Missionare zu ziehen.

Im großen und ganzen folgt Wienecke also den Vorstellungen von Mbiti und bewertet die afri­kanischen Religionen positiv und als Wegbe­reiter für das Evangelium. Das Wissen der Afrikaner über Gott ist für ihn eine natürli­che Form der Gottesoffenbarung. Das afrikani­sche Gemeinschaftsgefühl, das Afrikanern eine Verbindung zu ihren Ahnen ermöglicht, sollte nicht zerstört werden, sondern das „Totengedenken“ sollte einen legitimen Platz in der christlichen Gemeinde haben. Seiner ei­genen Forderung nach einem tiefergehen­den Verständnis der afrikanischen Welt kommt der Autor also gut nach.

Es wäre nun aber zu wünschen, daß er glei­chermaßen die Aussagen der Bibel beachten würde und gleich­zeitig seine Zurückhaltung gegenüber westlichem Denken beibehielte. Ge­rade im letzten Kapitel werden ei­nige theologi­sche Schwächen deutlich, wo m. E. der Autor zu schnell versucht, afrikanische Simultanität zu rechtfertigen, und afrikanische Theologie nicht sorgfältig genug von der Bibel her hinter­fragt. So z.B., wenn er wie Mbiti kaum die bi­blischen Aussagen zum Wesen und Wirken des Heiligen Geistes beachtet, sondern seine Un­tersuchung mit der Feststellung beendet, daß „man um die Wirksamkeit des Heiligen Geistes [weiß] und sie vor allem in den A[frikanischen] U[nabhängigen] K[irchen]“ erlebt (S.264). Seine Darstellung afri­kanischer Denkweise in Bezug auf Zeit und Religion ist allerdings dif­ferenziert und sachkundig. Negativ fallen die zahlreichen Flüchtigkeitsfehler und der hohe Preis des Buches auf. Dieser wird den potenti­ellen afrikainteressierten Leser abschrecken, so daß das Buch möglicherweise sein Dasein in Händen von Fach­leuten und in Regalen von Fachbibliotheken fristen wird.

Martin Sachs, em 1997-3.

Wiher, Hannes. Missionsdienst in Guinea. Das Evangelium für eine schamorientierte, von Animismus und Volksislam geprägte Gesellschaft. edition afem, mission scripts Bd. 14. Verlag für Kultur und Wissenschaft: Bonn, 1998.

„Ein Handbuch für Missionare in Guinea zu verfassen“ (S.13) war das Ziel des Autors im Blick auf das vorliegende Buch. Tatsächlich hat er jedoch eine sehr wertvolle Hilfe für je­den Missionar geschaffen, der in einer von Animismus und/oder Volksislam geprägten afrikanischen Kultur südlich der Sahara arbei­tet. Nach einer kurzen Einleitung beschreibt der Autor in Kap. 2 die Hauptelemente der Ge­sellschaft Guineas. Dabei skizziert der Anthro­pologe Wiher kurz, aber klar und ver­ständlich die vorherrschenden Weltanschauun­gen (A­nimis­mus und Volksislam), das pre­stige- und schamorientierte Gewissen („Über-ich“), sowie die Prägung der im Land existie­renden Kirchen und den Einfluß des säkularen Mate­rialismus. In Kap. 3 geht es um das bib­lische Gottes-, Menschen- und Heilsverständ­nis. Eine ganze Anzahl hilfreicher Wortstudien mit Be­zug auf die biblischen Ursprachen lassen den Theolo­gen Wiher zu Wort kommen.

Das Herz des Buches bildet Kapitel 4. Hier erläutert der Missiologe Wiher die Folgerungen aus Kapitel 2 und 3 für die Missionspraxis in Guinea. Dabei geht er u. a. auf folgende Aspekte ein: Konzept von Sünde/Heil, Evan­gelisation, Gemeindepraxis, Seelsorge, Ehe und Familie, Personalführung, Medizin. Die vielen praktischen Ratschläge sind nicht nur für den Neuling eine große Hilfe. Auch nach mehrjährigem Aufenthalt in einer animisti­schen Kultur ließ mir die Lektüre von Wihers Buch so manches Licht aufgehen, z. B. zu Themen wie Polygamie (welche afrikanische Kirche hat nicht damit zu kämpfen?), Evange­lisation unter Muslimen oder zum Heilsver­ständnis in einer prestige-/schamorientierten Gesellschaft. Neben konkreten Ratschlägen zeigt der Autor auch Hintergründe für häufig vorkommende falsche Lehrmeinungen in der Kirche auf, z. B. im Blick auf das Abendmahl.

Wihers Stärke ist seine kompakte, klare Dar­stellungsweise. Er bietet viel Inhalt auf we­nig Seiten. Selbst ein „vielbeschäftigter Mis­sionar“ kann die 125 Seiten meistern. Es gibt aber auch eine Kehrseite der Kompaktheit: Nach einigen wenigen Abschnitten bleibt beim Leser der Eindruck zurück, daß das betreffende Thema kaum berührt wurde, z. B. die Struktur der Großfamilie und daraus resultierende Ver­pflichtungen und Konsequenzen. Sollte Hannes Wiher einmal ein ausführlicheres Werk zum vorliegenden Themenbereich publizieren, ge­hörte ich zu den ersten Käufern.

Im Anhang sind einige statistische Daten über das Land Guinea zusammengestellt. Weit über 200 Fußnoten, die überwiegend auf weiterfüh­rende Literatur verweisen, sowie eine extensive Bibliographie (16 Seiten) bieten dem Leser eine Fülle von Möglichkeiten, einzelne The­men weiter zu verfolgen.

Thomas Deusch, em 2000-1.

Wiher, Hannes. Shame and Guilt. A Key to Cross-Cultural Ministry. Edition iwg – mission academics 10. Verlag für Kultur und Wissenschaft. Bonn 2003.

Vorliegende Arbeit wurde als Dissertation an der Potchefstroom University for Christian
Higher Education als Ph.D. Dissertation in Missiologie von Promoter Prof. Faan Denkema im Juli 2002 angenommen und mit leichten Veränderungen gedruckt. Hannes Wiher ist seit 1984 Arzt und Missionar in Guinea, West Afrika. Er hat seinen Missionsdienst für Studien an der CIU in Korntal unterbrochen, wo er eine M.A.-Arbeit schrieb, die in der edition afem beim VKW Bonn 1998 (124 S.) unter dem Titel Missionsdienst in Guinea. Das Evangelium für eine schamorientierte, von Animismus und Volksislam geprägte Gesellschaft veröffentlicht wurde. In seiner nun vorliegenden Dissertation geht Wiher wesentlich über seine M.A.-These hinaus, verwendet jedoch grundlegende Erkenntnisse daraus, die sich bestätigt haben, an wichtigen Stellen (biblische Wortstudien) vertieft und vor allem im Anwendungsbereich erweitert wurden.

Der Autor greift ein wichtiges Thema auf, das in der missiologischen Literatur eher sporadisch diskutiert wurde und erst in den vergangenen 20 Jahren eine Popularität erhalten hat, die seiner Wichtigkeit entspricht: Elenktik ist die Wissenschaft vom Gewissen im kulturellen Kontext. Nach der Einführung im ersten Kapitel führt der Autor im zweiten in die missiologische Diskussion mit allen relevanten Hilfsdisziplinen ein. Er erklärt, wie die betreffenden Autoren das Thema aus ihrer Sicht behandeln und definieren. Dabei wird deutlich, dass eine Zusammenschau, wie es der Missionswissenschaft eigen ist, erst zu ganzheitlichen und deshalb brauchbaren Ergebnissen führt. Das ist eine hervorragende Zusammenstellung der aktuellen und geschichtlichen Literatur zum Thema. Durchgehend durch das ganze Buch setzt er sich immer wieder mit den wichtigsten Autoren zum Thema auseinander.

Um die Erkenntnisse an der Schrift zu prüfen und zu messen, geht der Autor im dritten Kapitel den Schlüsselbegriffen Scham und Schuld sowie deren Gegensätzen Ehre und Gerechtigkeit auf den Grund. Er arbeitet mit hebräischen und griechischen Begriffen, die im Kontext der Sprachen und Kulturen auf ihre Bedeutung geprüft werden, er vergleicht und führt mit umfangreichen Beispielen durch die gesamte Bibel. Daraus erhärtet sich seine These, dass in der Bibel ein balanciertes Verhältnis von Schuld und Scham besteht, sowohl im Umgang Gottes mit den Menschen als auch in den Kulturen, in denen die Bibel entstanden ist.

Diese These ist besonders für Theologen wichtig, denen durch ihre Kulturbefangenheit der Blick für die Zusammenhänge des Schamempfindens im Wort Gottes fehlt. Das heraus zu arbeiten ist auch eines der wichtigen Verdienste des Autors.

Mit dem 4. Kapitel beginnt ein zweiter Teil. Der Autor verlässt den analytischen Ansatz zugunsten eines breiten Anwendungsforums, das keine Lücke lässt: Die theoretischen Implikationen für den interkulturellen Dienst. Die These der balancierten Scham- und Schuldorientierung wird auf bekannte missiologische Literatur angesetzt und durchgehend bestätigt. Persönlichkeit, Animismus, Theologie sind Beispiele der Grundsatzdiskussion. Im 5. Kapitel werden praktische Implikationen für den interkulturellen Dienst in den Bereichen Kommunikation und Kontextualisierung, Evangelisation, Gemeindeleben und Seelsorge vermittelt. Vereinfacht könnte man die praktischen Schlussfolgerungen so zusammenfassen: Korrigiere die westlichen Ansätze zu mehr scham- und die nicht-westlichen zu mehr Schuldorientierung und man ist auf der richtigen Spur. Die tiefen Rinnen der westlichen Denkmuster sollen durch die vielen Anwendungen deutlich werden und Theologe sowie Missionar zu neuen Ansätzen animiert werden. Die praktischen Hinweise z.B. für die Evangelisation im Islam, im Animismus, für die Anwendung beim Power Encounter und im Westen für die Generation X sind außerordentlich hilfreich für die Missionsmethodik. Hier beweist der Autor seine kompetente Einsicht. Es ist bezeichnend, welch starkes Gewicht der Autor auf die zuverlässige biblische Grundlage legt und immer wieder darauf verweist.

Andererseits unterliegt die enorme Weitläufigkeit einer gewissen Oberflächlichkeit, so dass die Glaubwürdigkeit der Analyse stellenweise leidet. Manche Behauptungen sind so kurz skizziert, das sie vom Leser nicht konsequent nachvollzogen werden können.

Wihers Studie ist angereichert mit 60 Tabellen bzw. Graphiken. Sie enthält eine umfangreiche Bibliographie, die die ganze Breite der Forschung reflektiert (74 S.), ein Abkürzungsverzeichnis und einen Index für Autoren und wichtige Begriffe (11 S.).

Prof.Dr. Klaus W. Müller, em 2006-2.

Wilhelm, Jörn. Samuel Hebich - der große Seelengewinner. Züge aus seinem Leben und Wirken. Lahr: St. Johannis 1993/4.

Samuel Hebich arbeitete 25 Jahre lang als Mis­sionar in Indien unter Indern und englischen Kolonialbeamten. Wer mit dem Lebensbild von He­bich noch nicht vertraut ist, muß sich durch die ersten 30 Seiten regel­recht hindurch­kämpfen. Die Sprache ist für jüngere Leser ein­fach zu klischeehaft. Dennoch lohnt sich die Überwindung. Vor allem in der zweiten Hälfte lernte ich einen Mann kennen, der mir zeigt, daß es einen direkten Weg zum Herzen des Nächsten gibt. Erfrischend ist die Schilderung, wie Hebich z. B. einen hochgestellten Major buchstäblich unter dem Sofa her­vorholte und ihn ohne Umschweife zur Umkehr aufforderte: „Sie haben keine Aussicht zu entrinnen. Sich müssen sich bekehren von all ihren Sünden“. – Ich stimme mit der Aussage des Rückentextes überein: „Samuel Hebich gehört zu den interes­santesten Persönlichkeiten der Missionsge­schichte des 19. Jahrhunderts“. Die Lektüre wird jeden Missionar zum unerschrockenen Zeugnis ermutigen, auch wenn seine Sprach­kenntnisse noch mangelhaft sind. Die Liebe zu den Verlorenen und Gottes treues Wirken wa­ren bei Samuel Hebich der Schlüssel zum Ge­lingen.

Theo Wüst, em 1996-4.

Wilkinson, John. The Coogate Doctors. The History of the Edinburgh Medical Missionary Society 1841 to 1991. EMMS: Edinburgh, 1991.

Dies kleine Buch ist eine gut lesbare Geschich­te der ersten ärztlichen Missionsgesellschaft überhaupt und ist deswegen für alle nützlich, die sich mit den Anfängen der ärztlichen Mis­sion beschäftigen. Gegründet auf Anregung von amerikanischen China Missionaren, brei­tete sich die Idee der ärztlichen Mission als eigenständigem Zweig der Missionsarbeit von Edinburgh weltweit aus. Ua. stand das Vorbild der EMMS 1898 Pate bei der Gründung des Stuttgarter Vereins für ärztliche Mission, der Vorstufe des Deutschen Instituts für ärztliche Mission (1906) in Tübingen (23f). Die EMMS ist vorwiegend in der Ausbildung ärztlicher Missionare engagiert, ist aber auch für ein Hospital (Nazareth) direkt verantwortlich.

                                                                                                                                    Dr. Klaus Fiedler, em 1994-2.

Williamson, Mabel. Haben wir keine Rech­te? Fundamente für Nachfolge und Dienst. Neuhausen: Hänssler, 1992.

In erster Linie sind mit dieser älteren Erbau­ungsschrift einer Chinamissionarin Missionare angesprochen. Dabei ist die Frage „Haben wir keine Rechte?“ weniger provokativ als seelsor­gerlich gemeint. Die Autorin erlebte selbst, daß es leichter fällt, um des Dienstes willen Mühen auf sich zu nehmen, als auf Rechte zu verzich­ten. Ihre Antwort, mit vielen Beispielen aus China garniert, orientiert sich an Paulus: „Ich habe von diesem Recht keinen Gebrauch gemacht…. damit ich möglichst viele gewinne“ (1 Kor 9).

Christof Sauer, em 1994-3.

Wright, Christopher J. H. „Mission as a Matrix for Hemeneutics and Biblical Theology“, in C. Bartholomew, M. Healy et al. (eds.), Out of Egypt: Biblical Theology and Biblical Interpretation. Scripture and Hermeneutics Series (Carlisle: Paternoster, 2004), 102-143.

Wright ist der International Ministries Director der Langham Partnership International Stiftung in Großbritannien. Zuvor war er einige Jahre Missionar in Indien und sowohl Dozent als auch Direktor des All Nations Christian College. In seinem Beitrag „Die Mission als Matrix für Her­meneutik und Biblische Theologie“ umreißt Wright, was es bedeutet, die Bibel umfassend von der Mission Gottes und der Mission seiner Gemeinde her zu verstehen. Nach Wright ent­hält die Bibel nicht nur eine Reihe von Texten, die Begründungen für unsere Missionsbe­mühungen liefern, sondern Wright plädiert: „… the whole Bible is itself a 'missional' phenomenon. The writings that now comprise our Bible are themselves the product of, and witness to, the ultimate mission of God. The Bible renders to us the story of God's mission through God's people in their engagement with God's world for the sake of the whole of God's creation“ (103). Nach einer Einführung und Definitionen zeigt Wright anhand von Lk 24.45­47, dass Christen die Schrift nicht nur christologisch/messianisch, sondern auch mis-sionsorientiert lesen müssen. Mit der Aussage „Es steht geschrieben“ Jesus „seems to be saying that the whole of the Scriptures … , finds its focus and fulfilment both in the life and death and resurrection of Israel's Messiah and in the mission to all nations, which flows out from that event. ... The proper way for disciples of the crucified and risen Jesus to read their Scriptures is from a perspective that is both messianic and missional. … a messianic reading of the Old Testament has to flow on to a missional reading - which is precisely the connection that Jesus makes in Luke 24“ (107). Für die Durchführung fordert Wright: „To attempt a missional hermeneutic, then, is to ask: Is it possible, is it valid, is it profitable, for Christians to read the Bible as a whole from a missional perspective, and what happens when they do?“ (109). Im Folgenden beschreibt Wright die notwendigen Schritte auf dem Weg zu einer „missionalen Hermeneutik“. Dabei geht es um mehr als eine biblische Begründung für Mission (109-13), um mehr als multikulturelle hermeneutische Perspektiven und „advocacy readings and postmodern hermeneutics“. Zu den Umrissen dieser Hermeneutik (120-37) gehört die Einsicht, dass die Bibel selbst Ergebnis der Mission Gottes ist. „This means reading texts in the light of God's purpose for his whole creation … , in light of God's purpose for human life in general on the planet… , in light of God's historical election of Israel … , in light of the centrality of Jesus of Nazareth … , in the light of God's calling of the church, the community of believing Jews and Gentiles who constitute the extended people of the Abrahamic covenant, to be the agent of God's blessing to the nations in the name of, and for the glory of, the Lord Jesus Christ“ (137). Ein anregender Aufsatz für Missiologen und für Bibelwissenschaftler und eine Einladung zum interdisziplinären Gespräch.

Prof. Dr. Christoph Stenschke, em 2007-2.

Wright, Christopher J. H. The Mission of God. Unlocking the Bible’s grand narrative. Nottingham/UK: IVP, 2006.

1931 sprach Karl Hartenstein zum erstenmal von der Missio Dei. Seitdem und vor allem seit Vicedoms gleichnamiger Veröffentlichung nach Willingen 1952 wurde dieser Begriff zu einem zentralen Ausgangspunkt kreativen missions­theologischen Denkens im 20. Jahrhundert. Im vorliegenden Buch entfaltet ein evangelikaler Bibelwissenschaftler eine umfassende biblische Theologie vom Gesichtspunkt der missio Dei aus. Der Autor ist Alttestamentler, ehemals Do­zent in Indien und England (All Nations) und gegenwärtig Direktor der Langham Partnership International/ John Stott Ministries. Sein Buch hat vier große Teile. Im ersten Teil „The Bible and Mission“ (S.29-70) formuliert Wright seine These, dass die missio Dei als hermeneutischer Interpretationsrahmen wesentlich zum Verständ­nis des biblischen Kanons beitragen kann. Dann lädt er den Leser ein zur theozentrisch-missio-nalen Re-Lektüre der großen biblischen Erzäh­lung. Er struktuiert seine Darstellung nicht his­torisch oder dem Verlauf der biblischen Bücher folgend, sondern entlang des thematischen Drei­ecks Gott, Volk Gottes und Welt. Er bezieht immer beide Testamente ein und vermittelt so eine gesamtbiblische Perspektive. In Teil 2 wird die theozentrische Perspektive entfaltet: „The God of Mission“ (S.71-188). Ausgangspunkt von Wrights Darstellung eines „dynamischen missionalen Monotheismus“ (S.532) ist Israels Erfahrung der Gnade Gottes im Exodus. Dabei macht Wright deutlich, dass die heilbringende missionarische Offenbarung Jah­wes im AT und Jesu Christi im NT den Konflikt mit den falschen Göttern und Götzen ein­schließt. Neben einer Erörterung des biblischen Verständnisses von Göttern und Dämonen wer­den praktische Fragestellungen wie Irrwege eines geistlichen Triumphalismus (in extremen Ansätzen des spiritual warfare) oder religiöser Aggression diskutiert: „Wir kämpfen gegen den Götzendienst … um den Menschen zu segnen … mit tiefer Liebe, Demut und Barmherzigkeit – so wie Jesus es uns gezeigt hat“ (S.179). Eine tiefergehende Diskussion der Thematik Gewalt und Mission im Alten Testament findet sich hier jedoch nicht.

Teil 3 entfaltet die Mission Gottes durch sein Volk im Alten und Neuen Testament „The Peo­ple of Mission" (S. 189-392) und beginnt bei der Segensverheißung Gottes an Abraham, die aus­führlich exegetisch behandelt wird. Dabei arbei­tet der Autor die missionale Dimension des Se­gensbegriffs heraus. Anhand des Exodus-Ge­schehens und der Verordnung des Jubel-Jahres entwickelt der Autor eine befreiungstheolo-gisch-holistische Soteriologie, die geistliche, so­ziale, ökonomische, ökologische und politische Dimensionen integriert und warnt vor dem Aus­einanderreißen des sozial-diakonischen und geistlich-evangelistischen Auftrags: „I beg to dissent from the notion that evangelism by itself will result in social change, unless Christians are also taught the radical demands of discipleship to the Prince of Peace ... and his justice“ (S.321). Die jeweils ganze örtliche Gemeinde Jesu habe den missionarischen Auftrag „through the combined engagement of all its members [to apply] the redemptive power of the cross of Christ to all the effects of sin and evil in the sur­rounding lives, society and environment” (S.322).

Im vierten Teil, „The Arena of God's Mission“, geht es um Gesellschaft und Welt als Ort der missio Dei. Themen sind hier die Erde als Schöpfung und Besitz Gottes und der damit ein­hergehende Auftrag zu ihrer Bewahrung und Pflege, die auch als Teilnahme an der Mission Gottes zu verstehen sind, das Bild der Nationen im AT und NT sowie das Weltbild der Weis­heitsliteratur, das die Grenzen des Wachstums und der Machbarkeit ernstzunehmen lehrt. Als Konkretion der menschlichen Spannung zwi­schen Gottesebendbildlichkeit und Sünde in ei­ner gefallenen Welt wird der Umgang mit HIV/ AIDS beschrieben und aufgezeigt, dass ganz­heitliche missionarische Zuwendung gerade an­gesichts der unmittelbaren Wirklichkeit des Sterbens die ultimative Wirklichkeit der Rettung durch den auferstandenen Jesus bezeugt (S. 439­-441).

Wrights großes Werk ist sowohl für bibelwis­senschaftlich als auch missiologisch interessierte Leser ein Gewinn. Es enthält ausführliche Na­mens-, Themen- und Bibelstellenregister, eine Bibliographie, ein kurzes Inhaltsverzeichnis und ein detailliertes „Outline“, letzteres leider ohne Seitenangaben, was das Auffinden bestimmter Abschnitte etwas erschwert.

Dr. Friedemann Walldorf, em 2008-1.

Wrogemann, Henning. Interkulturelle Theologie und Hermeneutik: Grund­fra­gen, aktuelle Beispiele, theoretische Perspektiven (Lehrbuch Inter­kultu­relle Theologie / Missions­wissen­schaft 1 ) Gütersloh: Gütersloher Verlags­haus, 2012.

Interkulturelle Begegnungen sind heute in Gesellschaft und Gemeinde selbst­verständlich, doch das gegenseitige Ver­stehen ist gar nicht so einfach. Mit dieser Herausforderung befasst sich Hen­ning Wrogemann, Professor für Reli­gions- und Missionswissenschaft an der kirch­lichen Hochschule Wuppertal-Bethel, in dem vorliegenden Buch.

In 1. Kapitel erläutert Wrogemann die Grundzüge von interkulturellem Ver­ste­hen: die Bedeutung von Zeichen (Semio­tik), Fremdem, religiösen Symbolen und Kultur, und gibt einen Abriss über die abendländische Hermeneutikgeschichte von Augustinus, Luther, Troeltsch, Auf­klärung, Bultmann, Gadamer bis hin zu Clifford Geertz, Roland Bathes, John & Jean Comaroff und Erving Goffmann. Er diskutiert den Einfluss interkultureller Be­gegnungen auf muslimische Reformer wie Muhammed Abduh (89ff) und des Britische Empires auf die gesell­schaft­lichen Entwicklungen in Indien (93ff), beschreibt die Bibelashrams in Indien (98ff) in ihrem Bemühen um In­kul­tu­ration des Evangeliums und die heftige Kritik der Dalits an diesen Ent­würfen (114ff): Wird Jesus als Me­dita­tions­meister oder Ausgestoßener ver­standen? Wrogemann zeigt auf, wie das Vor­verständnis von Kultur das inter­kul­turelle Verstehen wesentlich prägt, und erläutert dies an geschichtlichen Bei­spielen, etwa der Bedeutung der Klei­dung von Missionaren im südlichen Af­rika (141ff), Missionsstationen, Grab­feldern, Familienordnung (144ff), Spra­che und Schulwesen (146ff) sowie kolonialen Machtstrukturen (151).

Im 2. Kapitel beschreibt Wrogemann verschiedene Arten der kontextuellen Theologie: evangelische Mainline-Kir­chen in Afrika (161ff) sowie in Indien und Südkorea (165), Be­frei­ungs­theo­logien in Lateinamerika (169ff), Africa Initiated Churches in Nigeria (173ff) und feministische Theologien in Afrika (181ff, 199ff). Ist Jesus Christus als Repräsentation des fürsorgenden mütter­lichen Handelns (Merci Amba Oduyoye, 202) zu verstehen, „Proto-Ahn“, der die Lebenskraft verkörpert (Benezet Bujo, 191), als Initiationsmeister (Titianma Anselme Sanon, 193) oder der „ältere Bru­der“ (195)? Dabei setzt er sich kri­tisch von Tite Tienou (206ff) und Byang Kato (209) ab, denen er einen naiven Umgang mit der Schrift und unge­nü­gende Reflektion ihres eigenen kultu­rel­len Kontextes vorwirft (209).

Im 3. Kapitel bietet Wrogemann einen geschichtlichen Rückblick, wie christ­liche Mission fremden Kulturen be­gegnet ist. Er beginnt mit der katho­lischen Mission in Lateinamerika ab dem 16. Jahrhundert, die indigene Kulturen weitgehend als Teufelswerk angesehen und zu ersetzen suchte, wobei er die differenzierte Praxis von Dominikanern und Franziskanern nicht unerwähnt lässt, die indigene Kulturen vor spanischen Siedlern zu schützen suchten, ebenso die radikale Kritik von Bischof Bartholome de Las Casas an den Grausamkeiten der Spanier und die Bulle „Sublimis Deus“ (1537) von Papst Paul III, dass alle Völ­ker ihrer Natur nach wahre Menschen sind, ihre Freiheit und Besitz genießen sollen und weder beraubt noch versklavt werden dürfen. Kurz darauf wurde die Versklavung von Indianern eingestellt – jedoch durch den Import von Schwarzen aus Afrika ersetzt (239).

Bei den Herrnhuter Missionaren (247ff) sieht Wrogemann einen „indifferenten“ Umgang mit lokalen Kulturen. Er aner­kennt zwar ihren Dienst in Niedrigkeit, im Vertrauen auf das Wirken Gottes und die frühe Übergabe der Leitung in ein­heimische Hände, jedoch hätten sie ihre Kleidung und Sozialstruktur importiert und damit den „den Faktor Kultur unter­schätzt“ (251) – ein hartes Urteil, wie ich finde. Dem stellt er das „Veredlungs­mo­dell“ der Deutschen Ostasienmission im 19. Jahrhundert gegenüber (257ff), das weniger Bekehrung, als vielmehr He­bung des Bildungsstandes zum Ziel hatte: Mission als Erziehung und reli­giöser Ideenaustausch entsprechend dem optimistischen Kulturprotestantismus.

Das Indigenisierungsmodell (Bruno Gut­mann, Christian Keysser, 265ff) sucht die urtümlichen Beziehungen in der Volksgemeinschaft zu stärken, die durch den Sündenfall beschädigt worden seien: „Christus ist Urtyp der Gemeinschaft­lich­keit“ (269). Nach Gutmann führt Zi­vi­lisation zur Individualisierung und da­mit zur Desintegration der Gemeinschaft (271); darum seien indigene Völker nä­her an der von Gott gegebenen Schöp­fungs­ordnung, so dass nur solche Bräu­che, die dem Evangelium direkt wider­sprächen, aufzugeben seien (270). Im An­eignungsmodell werden die ein­hei­mischen Nichtchristen als eigentliche Ak­teure des Inkulturationsprozesses ver­standen, die (einige) Elemente des Evan­geliums in ihre Kultur integrieren (280f). Dazu zählt Wrogemann auch „intuitive Inkulturationen“, in denen rituelle Inno­vationen durch Erfahrungen mit trans­zen­denten Mächten wie Träumen und Visionen initiiert werden (283f). Er er­läutert dies am Beispiel der Shembe-Kirche in Südafrika und der Redeemed Christian Church of God in Nigeria, kri­tisiert jedoch deren „geistliche Kampf­führung“ und Wohlstands­evangelium.

Im 4. Kapitel stellt Wrogemann ver­schie­dene systematische Konzepte der Inkulturation vor, erklärt den Unter­schied zu Akkomodation und Indi­ge­ni­sierung (298ff), das Drei-Selbst-Kon­zept (Henry Venn, Rufus Anderson), Aleida Assmanns Polarität zwischen „Kultur und Monument (biblischem Text)“, Fran­cis D’Sas Unterscheidung zwischen In­kulturation auf ontologischer Ebene und Interkulturation auf Hand­lungsebene und Teresa Okures In­kul­turation als of-fener Prozess der gegen­seitigen Be­rei­che­rung (307f). Er erläutert Syn­kre­tis­mus (314ff) bzw. Theologie der Re­li­gio­nen am Beispiel von Exorzismen (316) und afrikanischen Reinigungsriten (321ff). Er diskutiert die Konzepte Inter­kul­turalität (332ff), Hybridität (334f) Transkulturalität (338ff) und illustriert diese Austauschprozesse am Beispiel des Ökumenischen Rates der Kirchen (342ff), der Pfingstbewegung (347ff) und der Evangelikalen (352ff). Ab­schlie­ßend benennt er einige Quer­schnitts­the­men, wie Gerechtigkeit, Ent­wicklung, Weltwirtschaftsordnung, Hei­lung, Pan­de­mien, Versöhnung, Gender, Korrup­tion, Ökologie, die kontextuelle Theo­lo­gien heute prägen und in ihrer Sehn­sucht nach dem Reich Gottes bestärken (368).

Wrogemann untersucht Riten und Theo­logien vor allem darauf hin, welche Macht sie ausüben (370) und Wirkung auf Gemeinden und Öffentlichkeit haben (224) – meines Erachtens ein typisch westliches Denken. Wrogemanns Dis­kurs ist wesentlich geprägt vom ana­ly­tischen Erkenntnisprozess und scheint mir im rationalen Weltverständnis ver­haftet zu sein (bzw. für solche Leser ge­schrieben zu sein) und dabei trans­zendente Dimensionen auszu­blen­den.

Das Buch richtet sich in erster Linie an Hochschulstudenten mit landes­kirch­li­chem Hintergrund. Wrogemann gibt eine gute Einführung in die grund­legenden Konzepte der Interkulturellen Theologie und umspannt dabei einen weiten Hori­zont. Er sucht Brücken zu bauen zwi­schen den verschiedenen Frömmigkeits­stilen und bemüht sich um gegenseitiges Verstehen. Es beschreibt verständnisvoll die pentekostalen Grup­pen sowie Africa Initiated Churches. Mit evangelikalen Personen und Gruppen scheint der Autor jedoch wenig vertraut – da hat das Buch deutliche Lücken – doch empfehle ich es allen, die sich einen Überblick über aka­demische interkulturelle Theologie ver­schaffen wollen.

Detlef Blöcher, em 2012-4.

Wrogemann, Henning. Mission und Religion in der Systematischen Theologie der Ge­gen­wart. Das Missionsverständnis deutsch­sprachiger protestantischer Dogmatiker im 20. Jahrhundert. Vandenhoeck & Ruprecht: Göt­tingen, 1997.

Vor 70 Jahren (von O. Kübler 1929 und E. zur Nieden 1928) ist ein ähnlicher Versuch ge­macht worden, nämlich die systematische als die am deutlichsten normative Disziplin der Theologie nach ihrer Stellung zur Mission zu befragen. Hier geschieht aber mehr – es wird auch nach dem Stellenwert von Religionen ge­fragt, und dies in systematischer Weise.

Kein bequemes, aber ein erstaunlich lehrrei­ches Buch, auch gut gemacht, mit ca. 600 Ti­teln Literatur und einem Register der Bibel­stellen (leider schmal!) und der Personen. Zwei Kritikpunkte am Rande: Ludwig Wiedenmanns (SJ) Studie über Mission und Eschatologie fehlt, die einen Teilaspekt untersucht hat. Der andere ist die historische These, das Christen­tum sei die derzeit größte Religion der Erde, und das „verdankt das Christentum aber nicht zuletzt den gewaltsamen Mitteln, mit denen die europäischen Kolonialmächte ihre Kultur und Religion in den letzten Jahrhunderten verbreitet haben“. Das kann man – wenigstens weitge­hend – auch ganz anders sehen.

Eine systematische Studie, die systematisch fragt, da spielt also auch eine Philosophie (die von E. Levinas) als Hinweis auf die Fremdheit des Fremden eine Rolle, und die Position von Th. Sundermeier, der die Hermeneutik des Fremden als Aufgabe der Christenheit in ihrer Mission besonders betont.

Positiv sei auch gewürdigt, daß der Verfas­ser eine Auswahl trifft, und wie er sie trifft. Da werden für die erste Hälfte des Jahrhunderts Martin Kähler, Ernst Troeltsch, Paul Althaus, Karl Barth und Paul Tillich ausgesucht, knapp analysiert und kritisch gewürdigt. Für die zweite Hälfte dann Wolfhart Pannenberg, Helmut Thielicke, Jürgen Moltmann sowie Mi­chael von Brück und Friedrich Wilhelm Mar­quardt.

Zuerst tendierte der Rezensent dazu, das Buch „kritisch“ zu lesen, und fand reichlich Stoff zur Kritik; dann aber etwas freundlicher – als eine Wegbeschreibung für (Teile des deut­schen) Protestantismus; eklektisch also, und fand sehr viel Lehrreiches, viel Klärendes. Be­sonders gilt das nun auch für das kritische Element in der Auswahl: von Brück und Mar­quardt gelten als Beispiele, wie im Einlassen auf eine andere Religion christliche Theologie von Identitätsverlust bedroht sein kann.

Zu dieser Wegbeschreibung des 20. Jahr­hunderts kommt noch der letzte Teil hinzu – eine Art Resümée am Rastplatz, am Ende die­ses 20. Jahrhunderts (S.275-318). Darin wird aber nicht nur im weiten Umgriff Fazit gezo­gen und Desideria aufgestellt. Es wird auch ein Ausblick gewagt, der nun von der Fremdheit des Anderen und der Mühe, ihn zu verstehen (ohne ihn zu vereinnahmen) redet. Dabei ist theologisch wesentlich die Unterscheidung zwischen Gottes Segen, der nach der Schrift auch unter Heiden wirkt, und Gottes Rettung, die an sein Wort gebunden ist. Dabei wirkt auch der Begriff der Konvivenz nüchtern-hilfreich. Man kann etwas mit diesem Buch an­fangen; man muß auch weiterarbeiten. Wie fremd sind uns eigentlich unsere säkularisierten Zeitgenossen geworden? Oder anders: Wie wenig Übereinstimmung besteht zwischen der Kultur, in der wir leben (und in der sich das Christentum hat auswirken können) und dem Anspruch des Evangeliums?

Ein dichterer Bezug zur Heiligen Schrift hätte vielen potentiellen Lesern den Gebrauch des Buches leichter gemacht; aber man kann nicht alles auf einmal tun, und der Autor ver­sucht durchaus, exegetische Befunde und Ein­sichten zur Geltung zu bringen, insbesondere im letzten Teil.

Prof. Dr. Niels-Peter Moritzen, em 1998-4.

Wrogemann, Henning. Missionarischer Islam und gesellschaftlicher Dialog. Eine Studie zur Begründung und Praxis des Aufrufs zum Islam. Verlag Otto Lembeck, Frankfurt/M, 2006.

Das Buch des Leiters des Missionsseminars in Hermannsburg und Privatdozenten für Religionsgeschichte und Missionswissenschaft an der Theologischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg ist die leicht überarbeitete Habilitationsschrift des Verfassers, die im Jahr 2005 unter dem Titel „Da’wa islâmîya – Der Ruf zum Islam. Eine Studie zur Begründung und Praxis des Aufrufs zum Islam im internationalen sunnitischen Diskurs“ von der Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg angenommen wurde. Die Arbeit untersucht aus christlich-theologischer Sicht das muslimische Konzept der Da’wa, des Aufrufs in den Islam bzw. zum wahren Islam. Die Verwendung des Begriffs „missionarisch“ im Buchtitel begründet der Vf. damit, dass zahlreiche muslimische Autoren, die auf Englisch schreiben, das arabische Wort „da’wa“ mit „mission“ übersetzen. Der Vf. macht in seinem Werk auf jeden Fall deutlich, dass der Islam eine „missionarische“ Religion ist, auch wenn manche Muslime das bestreiten. (Dahinter steht die Unterstellung, dass christliche Mission „Proselytismus“ sei).

Der erste Hauptteil des Buches steht unter dem Thema „Ausbreitung des Islam und Geschichte des da’wa-Diskurses“. Der Vf. analysiert relativ knapp das Verständnis von da’wa im Koran, ohne auf das damit verwandte Konzept des ğihâd (Eifer, Einsatz für Allah, „Heiliger Krieg“) einzugehen. Es folgen kurze Überblicke zur Ausbreitungsgeschichte des Islam und zu den islamischen Reformbewegungen im 19. und 20. Jahrhundert.

In Teil II („Da’wa-Bewegungen im 20. Jahrhundert“) bringt der Vf. einen Überblick über die Gruppen und Einrichtungen, die Da’wa auf unterschiedlichste Weise betrieben haben. Dabei wird deutlich, wie weit der „Ruf zum Islam“ gefasst werden kann: als Einladung zur Annahme des Islam, als Ruf zur islamischen Einheit, als Bemühen um die Islamisierung der Muslime und der Gesellschaft und schließlich als Instrument nationaler und transnationaler Ideologien. Die Frage nach der Beziehung der Da’wa zum Ĝihâd erörtert der Vf. vor allem im Zusammenhang der Ideologie Sayyid Quţbs (§ 6, Abs.3.3 und 4).

Im Kern des Buches und umfangreichstem Teil III (S.187-375) wird „der internationale Diskurs: da’wa-Theologien und da’wa-Strategien für das 21. Jahrhundert“ behandelt. Da die muslimische Literatur zur Da’wa mit den darin vorgetragenen Begründungen, Konzepten und Methoden in den letzten Jahrzehnten fast unübersehbar geworden ist, beschränkt sich der Vf. auf den sunnitischen Islam und auf die Untersuchung von acht, nach seiner Ansicht einigermaßen repräsentativen, zeitgenössischen Autoren (I. al-Farûqi, M. Shafîq, S.A. Siddiqi, R. ´Ibn Hâdî, A. von Denffer, F. Esack, T. Ramadan, und A.H. Shakr).

Aus den vorgestellten Da’wa-Konzepten entwickelt Wrogemann eine Typologie, in der er vier Modelle von Da’wa unterscheidet: 1. die reformatorisch-organisatorische Da’wa (moderat salafitisch), 2. die revolutionär-prozedurale Da’wa (neusalafitisch, integristisch, islamistisch), 3. die purifizierend-individualistische Da’wa und 4. die befreiungstheologisch-kooperative Da’wa (modernistisch-salafitisch).

Im entscheidenden und abschließenden Teil IV „Islamische da’wa, christliche Mission und die Frage des gesellschaftlichen Pluralismus – Ausblick“ diskutiert der Vf. das Verhältnis von christlicher Mission und islamischer Da’wa zueinander und die Implikationen beider Konzepte im Blick auf Dialog, Toleranz und gesellschaftlichen Pluralismus sowie ihre möglichen Beiträge zum gesellschaftlichen Frieden.

Die Analyse moderner Konzepte von Dialog, Toleranz, Pluralismus, Wahrheit und Gerechtigkeit durch den Vf. zeigt, wie sehr diese im Westen aus der christlichen Tradition heraus gewachsenen Vorstellungen von den muslimischen Sichtweisen abweichen, auch wenn Muslime heute in ihrer Da’wa die westliche Begrifflichkeit benutzen. Wrogemann hofft aber, dass christliche Mission und islamische Da’wa in einer offenen und pluralistischen Gesellschaft nebeneinander existieren und sogar miteinander einen Betrag zu gesellschaftlicher Gerechtigkeit leisten können. Dabei redet er nicht einer Harmonisierung von „Letztbegründungsansprüchen“ das Wort, sondern sucht nach Schnittmengen, die Koexistenz, Verstehen und begrenzte Zusammenarbeit ermöglichen. Er sieht Ansätze dafür, dass auch unter muslimischen Gelehrten ein Prozess der kritischen Selbstreflexion und des Verzichts auf religiöse Eigenmächtigkeit in Gang gekommen ist.

Das Buch ist detailliert gegliedert und lässt sich deshalb auch als Nachschlagewerk benutzen. Ebenso hilfreich ist die umfangreiche Bibliographie (S.451-500) aus Primär- und Sekundärquellen. Bei allen Fragen, die zum Teil IV bleiben, ist das Buch ein wertvolles Arbeitsmittel zum Thema „Da’wa“.

Eberhard Troeger, em 2006-4.

Wrogemann, Henning. Missions­theo­lo­gien der Gegenwart. Globale Ent­wick­lungen, kontextuelle Profile und öku­menische Herausforderungen. (Lehr­buch Interkulturelle Theologie/Mis­sions­wissenschaft 2) Gütersloh: Gü­ters­loher Verlagshaus, 2013.

„Der christlichen Religionsformation eig­net seit ihren Anfängen ein mis­sio­na­rischer Charakter, da sich ihre Bot­schaft gleichermaßen an alle Menschen richtet. Dieses grenzüberschreitende und trans­formierende Wirken ist Gegenstand des Fachs Interkulturelle Theologie/Mis­sions­wissenschaft. Wie aber ge­schieht ‚Mission’? Wie wird sie be­grün­det, wel­che Ausdrucksgestalten findet sie und nach welchen Zielvisionen richtet sie sich aus? …“ Mit diesen Worten beginnt der jetzt erschienene 2. Teil von Henning Wrogemanns dreiteiligem „Lehr­buch der Interkulturellen Theolo­gie/Missions­wis­sen­schaft“, und der ein­lei­tende Satz ist wahrhaft Programm, das der Autor in seiner Vielgestalt und im ökumenischen Horizont entfaltet: Die Zeit der großen Mis­sionstheologischen Ent­würfe sei vor­bei; Missionstheologie kön­ne heute nur noch „kontextuell, frag­mentarisch und damit skizzenhaft be­trieben werden“ (24).

Wrogemann beginnt mit einem kurzen Abriss der Missionsgeschichte (Kap. 1), um sich dann auf die letzten 100 Jahre zu konzentrieren: Gustav Warneck, Karl Har­ten­stein, Walter Freytag, Johann C. Hoe­ken­dijk, und insbesondere die gro­ßen Themen der neueren Weltmissions­konferenzen bis aktuell Busan 2013.

Im 2. Kapitel beschreibt er das zeit­ge­nössische römisch-katholische und or­tho­doxe Missionsverständnis – hier wächst das Buch zu faszinierender öku­menischer Breite – um anschließend auf die nordamerikanischen (freikirchlichen) Pro­testanten (Donald McGavran, Bill Hybels, Rick Warren), das Church Plant­ing Movement der britischen Anglika­ni­schen Kirche und die Pfingstbewegung einzugehen.

Im 3. Kapitel („Kontinente – Kontexte – Kontroversen“) diskutiert der Autor ei­ni­ge Querschnittsthemen: Be­frei­ungs­theo­lo­gien (Jon Sobrino, Reich Gottes, Ba­sisgemeinden), Armut und Reichtum (Aloysius Pieris, Enoch Adeboye, Pros­perity Gospel), Krankheit und Heilung, (medizinische Mission, Exorzismus, Dia­konie, Denise Ackermann), Inter­re­li­giö­ser Dialog (Dialoginitiativen, M.M. Tho­mas, Theo Sundermeier, Konvivenz); Versöhnung und Konfliktbewältigung (Ro­bert Schreiter, Wahrheits- und Ver­söhnungskommissionen); Frauenthemen (Beitrag von Missionarinnen, femi­nis­ti­sche Missionstheologien, Empower­ment) sowie Konversion & Reli­gions­wechsel (Religionssoziologie).

Im 4. Kapitel wendet sich Wrogemann den aktuellen deutschen Kontexten in den Evangelischen Landeskirchen zu (Säkularisierung, missionarischer Ge­mein­de­aufbau, Gemeindeentwicklung, Re­gionalisierung der Dienstleistungen, Parochie und Funktionsdienste, Theorie kirchlicher Orte, milieutheoretische An­sätze, Gemeindeneugründungen, Glau­bens­kurse), um im 5. Kapitel seine Mis­sionstheologie als „oikumenische Do­xo­logie“ zu formulieren: die Ver­herr­li­chung Gottes als Grundlage und Ziel der Mission (413). Christen benötigten eine „Vergewisserung ihrer geistlichen Grundlagen“ (405), dann könnten sie auch „das Thema Mission … in seiner befreienden Wirkung erfahren“ (405). Gotteslob als „Quelle der Kraft“ (415), „gemeinschaftlich-leibliche Erfahrung“ (417) und in seiner „identitätsstiftenden Bedeutung“ (419). Wrogemann fasst zu­sammen: „Christliche Mission gründet im Gotteslob und zielt auf die Ver­meh­rung des Gotteslobs aus dem Mund seiner erlösten Geschöpfe“ (409). Dies könne nur in Solidarität (Ethik) (424f), kultureller Vielfalt (426f), partner­schaft­licher Zusammenarbeit (428f) und mit öko­logischem Bewusstsein (429) ge­sche­hen, und gerade daran erweise sich dieser Entwurf als kontextuell und in­ter­kulturell anschlussfähig sind (410).

Im letzten Kapitel geht Wrogemann auf aktuelle Chancen ein, wie internationale Begegnungsreisen und Jugendfrei­wil­li­gen­dienste (434), Migration und Mi­gran­tengemeinden (439), um mit den Heraus­forderungen des modernen Pfar­rer­berufs abzuschließen (435) und dafür eine Zu­kunftsvision zu skizzieren (436f): Wert­schätzung der Laienmitarbeiter, eine Kul­tur der Ermutigung, neue Formen der Pfarrerausbildung und Gemeinden.

Das Werk ist eine immense Fundgrube für vielfältige Aspekte der Mission im ökumenischen Horizont, auch wenn sich der Autor auf die doxologische Be­grün­dung der Mission und einige Quer­schnittsthemen beschränkt, wobei bei­spielsweise bei Sobrinos Theologie der Befreiung eine kritische Diskussion ent­fällt (S. 287). Zuweilen verall­ge­mei­nert der Autor den Missionsbegriff auf merk­würdige Weise (S. 355f); hin und wieder blitzen auch klassische Klischees über Kurzzeitler (368) und „us-ameri­kanische Fundamentalisten“ (328) durch. Pente­kos­tale Frömmigkeit und ihre Mis­sionsbewegungen beschreibt Wroge­mann recht wohlwollend (239-64) – wenn auch gelegentlich ein ra­tio­na­lis­tisches Weltbild durchschimmert, als könne er sich ein übernatürliches Ein­greifen Gottes nicht vorstellen (259). Ei­nige Praxisbeispiele aus dem Globalen Süden (z.B. Nigeria, Indien, Sri Lanka, Philippinen, Pakistan) beleben das Ar­beitsbuch, doch wirken sie zuweilen zufällig und selektiv (227, 288f, 338) – da hätte ein größerer Überblick über typische Trends gut getan.

Während Wrogemann die großen The­men der Weltmissionskonferenzen aus­führlich diskutiert, werden die Lausanner Bewegung und World Evangelical Alli­ance nur in wenigen Sätzen (meist in Fußnoten) abgehandelt. Die evangelikale Missionsbewegung und -theologie (in­klu­sive Landeskirchlicher Pietismus) wird nicht erwähnt, obwohl sie die Mehr­heit der evangelischen Missions­be­wegung darstellt. Die Kapstadt-Er­klä­rung der Lausanner Bewegung 2010 wird in einer Zeile (166) abgehandelt, und die missionstheologischen Arbeiten von WEA und Lausanne Kommissionen beispielsweise zu Oralität, Urbanität, elek­tronische Medien, Flüchtlingen, Part­nerschaft, Social Justice, etc. nicht ein­mal erwähnt. Ebenso wenig die gro­ßen Missionsbewegungen des Globalen Südens wie COMIBAM, EMS/ECWA, PMA, 24/7, etc. und ihre missions­theo­logischen Beiträge.

Das Literaturverzeichnis ist sehr um­fang­reich, eine wahre Fundgrube, doch finden sich darin kaum evangelikale Autoren – nicht einmal J. Mandryks enzyklopädisches „Operation World“ 2010 ist dort zu finden, obwohl Wro­gemann sich um demographische An­gaben bemüht. In dieser Hinsicht weist das Buch erhebliche Lücken auf. Evan­gelikale Leser können jedoch mit diesen Leerstellen leben, da sie in diesem Be­reich allgemein gut informiert sind. Diese Lücken sind jedoch auch eine An­frage an uns, in wieweit wir zitierfähig sind und in relevanten Fachzeitschriften publizieren. Trotz der Einschränkungen ist das Buch allen sehr zu empfehlen, die sich einen Überblick über aktuelle inter­kulturelle Theologien im ökumenischen Kontext verschaffen wollen.

Dr. Detlef Blöcher em 2014-1.

Yamamori, Tetsunao. Unerreichte Völker. Neue Strategien für einen großen Auftrag. [God’s Special Envoys: Penetrating Missions’ Final Frontier], Neuhausen: Hänssler, 1994.

Der Präsident der christlichen Hilfsorganisation „Food for the Hungry“ entwickelt in seinem Buch „Unerreichte Völker“ ein neues Mis­sionskonzept mit der Überzeugung, daß bishe­rige evangelistische Bemühungen nicht in der Lage sind, auf die heutigen Entwicklungen einzugehen. Das Erfüllen des missionarischen biblischen Auftrages kann laut Yamamori mit „Gottes Sonderbotschaftern“ geschehen. Die Sonderbotschafter (SB) sind intelligente, fi­nanziell gesicherte, beruflich erfolgreiche Jün­ger Jesu, die sich durch eine hohe Flexibilität und kulturelle Anpassungsfähigkeit in wirt­schaftlich und geistlich armen Ländern ein­setzen. Der SB ist eine Mischung aus Entwick­lungshelfer, Zeltmacher und traditionellem Missionar. In der Vielfalt der Anforderungen, die an den SB gestellt werden, zeigt sich eine Schwäche des Buches. Lesenswert ist das Buch, weil es eine Fülle von praktischen, bibli­schen und missionstheologischen Ansätzen beschreibt und den Fokus der „Unerreichten“ nie verliert. Nebst dem 10/40 Fenster von Bush sind im Anhang die Kontinentkarten des Adopt-A-People-Clearinghouse mit dazuge­hörenden Statistiken vorgestellt. Leider weicht anderes Zahlenmaterial seines Buches zum Teil erheblich von bekannten Angaben ab. So wird z.B. der Anteil der bibelgläubigen Christen an der Weltbevölkerung des Jahres 1992 mit 14,7% angegeben (S.50). Im Vergleich dazu gibt Johnstone ohne evankelikale und charis­matische Katholiken 8,7% an (Gebet für die Welt; 1994). Ähnliches gilt für Yamamoris Aussage, daß nur gerade ein Tausendstel aller Missionsarbeit für die „Unerreichten Völker“ getan wird (S.47). Yamamori weist auf die vielfältigen Möglichkeiten hin, die sich durch die aktuellen Kriegs- und Katastrophenherde ergeben. Er wünscht sich eine agierende und nicht nur reagierende Missionsbewegung. Yamamori bedient sich soziologischer Erkenntnisse für missionsstrategische Überle­gungen. Seine Analyse basiert auf dem Erfor­schen des von ihm benannten „Assimilations­- und Identifikationsfaktors“ einer ethnischen Gruppe oder des „Gastfreundschaftsindex“. Die durch Umfragen ermittelten Werte sensibilisieren die SB für den eigentlichen Auftrag. Von der neutestamentlichen Missionstheologie her beurteilt fehlt jedoch in seinem Buch die Sicht für den apostolischen, gemeindegründenden Pionierdienst. Sein Aufruf zur Sendung von 600 000 SB darf nicht überhört werden.

Marco Gmür, em 1995-4.

Yang, Nak Heong. Reformed Social Ethics and the Korean Church. Asian Thought and Culture 21. Peter Lang: New York, 1997.

Im Peter Lang Verlag (hier: New York) sind mittlerweile erfreulich viele evangelikale Dis­sertationen erschienen, so auch die vorliegende Disserta­tion am Fuller Theological Seminary von Nak Heong Yang, Assistenzpro­fessor für Ethik und Kirchengeschichte am Korea Theo­logical Seminary. Auf den ersten 100 Seiten gibt Yang einen guten Überblick über die re­formierte politische Ethik von Calvin, Knox und Beza aus der Vergangen­heit und vier nie­derländisch-reformierten, einem anglikanisch-reformier­ten (John Stott) und einem methodi­stisch-reformierten (Stephen Mott) Theologen der Gegenwart. Dabei stellt er besonders den Gegensatz einer bewußten Veränderung und Gestaltung der Gesellschaft auf der refor­mierten und die reine Beschränkung auf Evan­gelisation in manchen an­deren evangelikalen Richtungen heraus.

Im zweiten Teil des Buches stellt Yang die Geschichte des Verhältnisses der Kirchen – vor allem der evangelikalen presbyterianischen Kirchen – zum koreanischen Staat seit 1884 und besonders seit 1945 dar. Er kommt zu dem Schluß, daß die liberalen Kirchen so auf Politik konzen­triert waren, daß das christliche Zeugnis kaum mehr erkennbar war, wäh­rend ande­rerseits evangelikale Gemeinden passiv blie­ben. Wenn über­haupt, dann unterstützten sie nur die vielen christlichen Politiker des Landes,
und dies nur, weil sie auf dem Papier Christen waren, während in Wirklichkeit deren Politik keinen christlichen Einfluß erkennen ließ, son­dern von Korruption usw. geprägt war, wie die Kirchen hinterher immer wieder verbittert fest­stellen mußten. Das bedeutet aber, daß die presbyte­rianischen Kirchen, die so stolz auf ihre reformierte Tradition sind, einen wesentli­chen Aspekt der reformierten Theologie ha­ben einfach unter den Tisch fallen lassen, nämlich, daß Evangelisation durch ein bewußtes so­ziales Gestalten der Gesellschaft zu ergänzen ist, was einen prophetischen Protest gegen sündige Strukturen wie Diktatur und Korruption ein­schließt. Dies gilt um so mehr, wenn Kirchen ein solch großer und ständig wachsender Machtfaktor sind, wie die evangelikalen Pres­byterianer in Ko­rea.

Auch wenn man sich gewünscht hätte, daß der Verfasser am Ende et­was deutlicher skiz­ziert, was er denn von den evangelikalen Kir­chen in Korea nun erwartet, ist das Buch nicht nur ein wichtiger Beitrag zur Si­tuation in Ko­rea, sondern zur Frage des Verhältnisses von Evangelisa­tion und gesellschaftlicher Verant­wortung überhaupt.

Dr. Thomas Schirrmacher, em 1998-4.

Yohannan, K. P. Weltmission auf neuen Wegen. Kreuzlingen: Dynamis Verlag, 1994.

Yohannan, Leiter von „Gospel for Asia“, be­schreibt seinen Werdegang als Missionsleiter und die Missionssituation in seinem Heimat­land Indien. Seine Hauptthese lautet: „Millionen von Menschen könnten das Evan­gelium in den nächsten Jahren hören und an­nehmen, falls indische Missionare von westli­chen Finanzgebern unterstützt würden.“ Die Beispiele aus der Geschichte der 7000 einhei­mischen Missionare von ‚Gospel for Asia’, die Yohannan in seinem 1994 in deutscher Spra­che übersetzten Buch vorlegt, sind erfrischend und glaubwürdig. Der Leser wird immer wie­der auf die eigene Hingabe an Christus ange­sprochen. Diese Botschaft braucht der Westen. Yohannan kritisiert die westliche „Mis­sions­in­du­strie“ (insbesondere die USA), weil sie mehrheitlich den Schwerpunkt des Auftrages Gottes, näm­lich Menschen zu Chri­stus führen und den da­mit verbundenen Gerneindebau zu Gunsten von sozialen Arbeiten aufgegeben hat. Es stört Yohannan, daß „Unterm Strich … ein westli­cher Missionar dreissig bis vierzigmal mehr Geld benötigt als der einheimische“ (S.171) und er fordert eine Umverteilung der Gelder.

Seine Anklagen sind teilweise berechtigt, Der informierte Leser fragt sich jedoch, inwie­fern es sich um „neue Wege“ handelt. Die Frage, ob es „noch Platz für westliche Missio­nare in Asien gibt“, beantwortet Yohannan da­mit, daß es nur noch zwei Länder für den Ein­satz westlicher Missionare gibt, Afghanistan und die Malediven (S.167). Mit seiner Aus­sage „die Zeit ist vor­bei, wo westliche Missio­nare in noch nicht evangelisierte Länder gin­gen. Ein neues Zeit­alter hat angefangen – Gott wird durch einhei­mische Leiter in jeder Nation die Aufgabe weiterführen“ grenzt er jede per­sonelle Zu­sammenarbeit aus.

Zusammenfassend müssen sich westliche Missionare und Missionsorganisationen sagen lassen, daß sie sich noch mehr auf ihre Stärken besinnen müssen und nicht mehr für alle Dienste gefragt sind. Yohannan muß entgegen­gehalten werden, daß der biblische Auftrag der Weltmission für die europäischen Nationen be­stehen bleibt und sich nicht auf eine finanzielle Dimension reduzieren läßt.

Marco Gmür, em 1996-2.

Yohannan, K.P. The Coming Revolution in World Missions. God’s Third Wave. Creation House, 1986.

Manche Buchtitel gefallen mir nicht. Wenn man von Gottes dritter Welle spricht, sagt man, daß sich zwei verlaufen haben, nimmt die dritte für sich selbst in Anspruch und denkt nicht an eine vierte. Ich mag auch nicht, wenn ein Buch über die eigene Lebensführung und die von einem selbst gegründete Mission gleich eine „Revolution der Weltmission“ für sich in An­spruch nimmt.

Trotz des mir zu hoch greifenden Titels ist das Buch eine Auseinandersetzung wert. In ihm beschreibt K.P. Yohannan seine (und seiner deutschen Frau Gisela) Lebensgeschichte. Er begann als reisender OM Evangelist in Nord­indien, stellte nach sieben Jahren fest, daß die Einsätze bei großen Opfern zwar allerhand Bekehrungen, aber wenig bleibende Frucht hervorgebracht hatten, weil man den Aufbau von Gemeinden vergessen hatte, ging zum Studium ans Criswell Bible Institute in Dal­las/Texas, war dort einige Jahre Pastor einer Gemeinde und gründete dann 1983 „Gospel for Asia“, eine nordamerikanische Mission, die keine amerikanischen Missionare aussendet, sondern nur (inzwischen über 3500) asiatische Missionare, die in ihren eigenen (inzwischen 10) Ländern als Evangelisten und Gemeinde­gründer arbeiten.

Yohannans Position ist klar: Die Missionare des Westens (1. Welle: Zeit des NT und da­nach; 2. Welle: William Carey 1792 bis ca. 1950) waren nötig, um die Botschaft Jesu nach Asien zu bringen, und manche tun (meist als Spezialisten, z.B. als Bibelübersetzer) noch heute einen guten Dienst. Aber jetzt ist nicht mehr die Zeit der amerikanischen und europäi­schen Missionare. Wenn der Auftrag der Welt­mission erfüllt werden soll, ist jetzt die Zeit der (einfachen) asiatischen Missionare gekommen. In Asien leben die meisten Menschen, die keine Christen sind. Asiatische Missionare können in vielen Ländern frei arbeiten (z.B. in Indien), die keine ausländischen Missionare einreisen lassen. Sie brauchen keine lange Ausbildung, können ihre Arbeit „on the job“ lernen, die nö­tigen Zehntausende von Evangelisten sind vorhanden. Und da sie so ähnlich leben wie die Menschen, unter denen sie missionieren, arbeiten sie billig (vielleicht brauchen sie zusätzlich noch ein Fahrrad und einen Lautsprecher). Was dieser ständig wachsenden Missionsbewegung fehlt, ist Geld. Der beste Dienst, den Christen im Westen tun können, ist der, asiatische Evangelisten (30 solcher Evan­gelisten kosten weniger als ein westlicher Mis­sionar) zu finanzieren.

Yohannan vertritt genau das Gegenteil der sich auf Roland Allen berufenden „Indigenous Church Principles“, die besagen, daß die junge Kirche für ihre Missionsarbeit selbst aufzu­kommen habe. Genauso widerspricht Yohan­nan der weitverbreiteten Ansicht, daß die Mis­sion wohl Material und „Projekte“ bezahlen dürfe, aber auf keinen Fall Personal in geistli­cher Arbeit. Außerdem sind für Yohannan „Projekte“ nicht Aufgabe der Mission. Es ist nicht Mission, wenn es in Nordindien z.B. ein Missionshospital gibt, aber in 75 Jahren in der Umgebung von dort aus noch keine einzige Gemeinde gegründet worden ist.

Yohannans Definition von Mission ist eng und klar: Verkündigung des Evangeliums, Gründung von Gemeinden. Deswegen sind 80 oder 90% aller westlichen „Missionare“ keine
Missionare, weil sie entweder nur soziale Ar­beit tun oder der Kirche dienen und nicht unter Ungläubigen missionieren.

Für einen „westlichen Missionar“ liest sich Yohannans Buch, wenn auch freundlich ge­schrieben, nicht gut, und gewiß ist es einseitig. Es gibt aber Antwort auf Fragen, die wir ernst nehmen sollten: (1) Wie können die Millionen Indiens (und anderer asiatischer Länder) in überschaubarer Zeit mit dem Evangelium er­reicht werden? (2) Ist es zu begründen, west­liche (teure) Missionare zu finanzieren, zu­gleich aber (sehr genügsamen) asiatischen Missionaren die finanzielle Unterstützung zu verweigern? (3) Yohannan weist auf die „Welle der einheimischen Missionare“ hin. Wie neh­men wir diese Bewegung wahr, und wie stellen wir uns zu ihr?

Ich bin in Asien nie weiter gekommen als bis Baghdad. Ich wünsche mir, daß ein Missio­nar mit Asienerfahrung dieses Buch noch ein­mal rezensiert oder auch direkt zu den angeschnittenen Fragen Stellung nimmt.

Dr. Klaus Fiedler, em 1993-3.

Zacharias, Ravi. Jesus - der einzig wahre Gott? Christlicher Glaube und andere Religionen. Gießen: Brunnen, 2002.

In den Vereinigten Staaten ist der gebürtige Inder Ravi Zacharias ein gefragter Redner und inzwischen auch ein bekannter Autor. Mit dem ersten Buch, das von ihm nun in deutscher Sprache erscheint, will Zacharias nach eigenen Worten eine „Verteidigung der Einzigartigkeit der christlichen Botschaft“ (S.7) vorlegen. Er wählt dafür den Weg, die Antworten Jesu auf wesentliche menschliche Fragen (z.B. etwa die Frage nach dem Leid in der Welt) mit Antworten anderer Religionen zu vergleichen. Dabei werden zwar einzelne Details aus Islam, Hinduismus und Buddhismus beschrieben, zu einem zusammenhängenden Bild dieser Religionen kommt es jedoch nicht. Zur Illustration seiner Gedanken verwendet Zacharias eine Fülle von Beispielen aus seinem eigenen Erleben, sowie Beispiele aus Kunst, Philosophie und Literatur.

Seit seinem Erscheinen hat das Buch bereits begeisterte (christliche) „Fans“ gefunden, die die Argumente des Autors für absolut brillant und stichhaltig halten (vgl. die Leser-Rezensionen bei www.amazon.de). Dabei sind die Ausführungen von Zacharias für einen kritischen Leser nicht immer überzeugend. So z.B. wenn Zacharias unterstreicht, dass Jesus einen anderen Anspruch gehabt habe, als die verschiedenen Religionsstifter: Jesus wollte nicht nur die Wahrheit lehren, sondern er nahm (im Gegensatz etwa zu Mohammed) für sich in Anspruch, selbst die Wahrheit zu sein (S. 114f). Zacharias weiß also, dass Jesus und Mohammed mit unterschiedlichem Anspruch und Selbstverständnis auftraten, behauptet dann aber trotzdem: „Islam und Christentum … sehen die Wahrheit zuletzt in zwei verschiedenen Personen offenbart … Das macht einen Vergleich dieser beiden Personen notwendig“ (S. 199). Trotz solcher argumentativer Unschärfen enthält das Buch jedoch eine Fülle von interessanten und hilfreichen apologetischen Gedankengängen.

Andreas Baumann, em 2002-4.

Zaretsky, Tuvya (Hg.). Das Evangelium auch für Juden. Basel: Brunnen Verlag, 2006.

Das Evangelium - auch für Juden ist das Abschlussdokument der Arbeitsgruppe Nr. 60 „Evangelisation unter Juden” des Lausanner Forums 2004 in Pattaya. Das Thema des Fo-rums war „Eine neue Vision, ein neues Herz und eine erneuerte Berufung”. Diese Thematik zieht sich durch die sechs Kapitel hindurch und ist mit den Anhängen belegt.

Die Frage der Evangelisation der Juden wird aus den verschiedensten Gesichtspunkten beleuchtet und dokumentiert. Das erste Kapitel ist dem Bundesschluss Gottes mit seinem Volk gewid-met. Wie gehen wir heute damit um in unserem persönlichen Denken, in unserer Theologie? Können wir uns auf die biblische Wahrheit berufen oder sind wir einfach Mitläufer einer der vielen Strömungen? Fragen wie „Wenn Gott seinen Bund mit dem Volk Israel nicht aufgehoben hat, brauchen Juden zur Erlösung dann noch Jesus?” werden nicht ausgeklammert. Die Legitimität des Dialogs wird diskutiert und verschiedene Abhandlungen, welche die Evangelisation der Juden bejahen, respektive ablehnen, werden aufgeführt und beurteilt, bis hin zur heutigen Toleranzfrage und dem Wahrheitsanspruch der Christen wie auch der Juden.

Obwohl es weltweit nur vierzehn Millionen Juden gibt, sind diese eine sehr divergierte Gesellschaft bezüglich ihrer Heimatländer, Kulturen, und ihrer religiösen und philoso-phischen Überzeugungen. Ihre Gemeinsam-keiten nebst der Wanderschaft und dem Opferschicksal sind die Identifikation mit Israel und der Hunger nach Spiritualität. In Israel bekehren sich mehr Nichtjuden zum Judentum als zu Christus. Schätzungen reden von 50 000 bis 332 000 jüdischen Jesusgläubigen weltweit, wovon ungefähr 5 000 in Israel wohnen und eine der 100 messianischen Gemeinden besuchen. Sie haben die Möglichkeit eine theologische Ausbildung in Israel zu erhalten.

Diese Ausbildungsstätten sind zusammen mit den Gemeinden herausgefordert, den Jesus-gläubigen zu helfen, ihre Identität sowohl im Leibe Christi wie in der israelischen Gesell-schaft zu finden und zu definieren. Versöhnung und Eschatologie können Ermutigung zur Evangelisation sein. Christen benötigen jedoch Weisheit und Taktgefühl in ihren evange-listischen Bemühungen. Im Speziellen wird auf die Situation der Juden in Russland, der ehemaligen Sowjetunion, Deutschland und Nordamerika eingegangen.

Verschiedene Fallstudien zeigen, wie einzelne jüdische Gesellschaftsgruppen mit dem Evangelium erreicht werden können. Speziell wird darauf hingewiesen, dass theologische Ausbildungsstätten in den USA die Möglichkeit anbieten, bestimmte Studienfächer in Israel zu belegen. Leider hätten dabei nur wenige in ihrer Ausbildung die Betonung auf die Evangelisation der Juden gelegt. Hier könnten die Mitglieder des Lausanner Kommittees für Evangelisation unter Juden (LCJE) durch Vorlesungen und Diskussionsgruppen die theologischen Ausbil-dungsstätten unterstützen, bis hin zu spezi-fischen Leiterschaftskursen für die heutige Situation in der Evangelisation der Juden. Das sechste und letzte Kapitel schließt mit dem Gebet für ein neues Herz, eine neue Vision und eine erneuerte Berufung der Kirche.

In den fünf Anhängen wird das LCJE vorgestellt, verschiedene Erklärungen der LCWE zusammengefasst und statistische Zahlen der jüdischen weltweiten Bevölkerung aufgelistet. Im Besonderen wird noch einmal auf die Mischehen eingegangen. Die Bibliographie enthält ausschließlich englische Titel.

Sowohl der englischen wie der deutschen Ausgabe kann der interessierte Leser gut folgen. Die Schrift gibt einen ausgewogenen Überblick, weckt das Interesse zum Weiterstudium und gibt Anregung zu kultur- und religionsübergreifender Kontextualisierung.

Dr. Philipp P. Schmuki,em 2007-1.

Zehnder, Markus. Umgang mit Fremden in Israel: Ein Beitrag zur Anthropologie des „Fremden“ im Licht antiker Texte. BWANT N.F. 8, Stuttgart: Kohlhammer, 2005.

Bei der anzuzeigenden Arbeit handelt es sich um die Habilitationsschrift von Dr. Markus Zehnder, Privatdozent an der Universität Basel. Die Monografie untersucht in einer knappen Einleitung die ethnische Fremdheit in soziologischer Sicht (S.21-47), behandelt im ersten Hauptteil den Umgang mit Fremden in Assyrien (S.48-278), im zweiten den Umgang mit Fremden im biblischen Israel (S.279-541). Abschließend wird ein zusammenfassender Vergleich gezogen, der die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Assyrien und Israel in Form von 49 Thesen herausarbeitet (S.542-554). Ein Abkürzungsverzeichnis, Namens- und Stellenregister sowie eine 40-seitige Bibliografie helfen das umfangreiche Werk zu erschließen.

Beim methodischen Vorgehen fällt auf, dass Zehnder nicht auf literarkritischen Hypothesen aufbaut, sondern grundsätzlich von einer „kanonischen“ Perspektive ausgeht und von einer historischen Einordnung der Gesetzessammlungen absieht. Ob B.S. Childs, auf den Zehnder sich dabei beruft (S.12, vgl. 12-14, 288, 311), mit diesem Vorgehen einverstanden wäre, scheint fraglich, da sich bei Childs viel Redaktionsgeschichtliches findet und infolge dessen viele biblische Schriften von ihm und anderen Vertretern des kanonischen Ansatzes spät datiert werden.

Die soziologische Untersuchung des Fremden bietet eine allgemein verständliche, meist thesenartige Einführung in die Problematik der ethnischen Fremdheit und definiert sinnvollerweise die wirkungsgeschichtlich belasteten Begriffe wie „Ethnie“, „Rasse“, „Rassismus“, „Nation“, „Nationalismus“, „Multikulturalität“ usw. Hier finden sich auch mancherlei Anregungen für die Missionswissenschaft und für die aktuelle politische Debatte über Immigranten und deren Integration.

Die Habilitationsschrift bietet die diskutierten assyrischen Quellen in (nicht eigener) Übersetzung. Daneben werden bildliche Darstellungen einbezogen, im Buch aber nicht abgebildet. Für Kapitel 3, das sich mit dem biblischen Israel beschäftigt, werden Hebräisch-Kenntnisse vorausgesetzt. Die Patriarchenzeit wird ausgeklammert.

Aus der Fülle der Textbeobachtungen und Ergebnisse kann hier nur einiges wiedergegeben werden: Im alten Israel begegne keine ethnisch oder rassisch begründete Fremdenfeindlichkeit; das Vernichtungsgebot (Ex 23; 34; Num 33; Dtn 7) gelte nicht grundsätzlich, sondern nur bestimmten Völkern und nur in einer historisch einmaligen Situation (S.401). Aufgrund der Expansionspolitik der Assyrer, die in Israel ohne Parallele ist, gehe es in Assyrien vorwiegend um unterworfene Fremde und kaum um Immigranten. Fremde würden im „Kerngebiet“ der beiden Staaten weitgehend assimiliert, was Assyrien in den eroberten Gebieten jedoch nicht gelang. Im Gegensatz zu Assyrien genießen Fremde in Israel einen besonderen Rechtsstatus; allerdings werde in Israel eine religiöse Integration erwartet. Auch finde sich nur bei den Propheten Israels eine eschatologische Perspektive für den Fremden.

Vor uns liegt ein anspruchsvolles und stattliches Werk auf hohem wissenschaftlichen Niveau, das sich durch große Sorgfalt, präzise Argumentation und vorbildlichen Umgang mit den Primärquellen auszeichnet. Nicht für jeden Leser von Evangelikale Missiologie wird es die geeignete Lektüre darstellen. Aber mit gutem Grund hat die Arbeit den Johann-Tobias-Beck-Preis 2006 verdient und wird zum Thema „Umgang mit Fremden in Israel und Assyrien“ für lange Zeit zu einem Standardwerk werden.

Dr. Walter Hilbrands, em 2006-3.

Ziefle, Helmut. Gegen Hitler und das Reich. Erinnerungen an eine glaubensstarke Mut­ter. Mit einem Geleitwort von Dr. Rolf Hille. Ernst Franz Verlag: Metzingen, 2000.

Mutter Ziefle ist die Heldin dieses Buches. Mit vielen sehr persönlichen Äußerungen und Ge­beten weist sie auf ihren Herrn und Heiland Je­sus Christus hin, mit dessen Kraft und Beistand sie dem Führer das „Heil Hitler“ versagte.

Die Familie erlebte alle denkbaren Facetten dieser unheilvollen Zeit, vom Sanitätsdienst im Inferno des brennenden Heilbronn über den Militärdienst der beiden Ältesten bei der Luft­waffe und in der Waffen-SS bis hin zur sie­benjährigen Kriegsgefangenschaft eines Soh­nes. Ziefles erlebten die brutale, menschenver­achtende Ideologie, die auch gegen die eigene Verwandtschaft gerichtet war, den Fanatismus im Opportunismus primitivster Prägung, den Kampf ums tägliche Brot und um das nackte Leben ebenso wie die wunderbaren Zeiten der Bewahrung Gottes.

Helmut Ziefle gewährt uns als Jüngster der vier Kinder einen Blick in seine Familienge­schichte, die erschütternd und mutmachend zugleich zum Zeugnis für manchen Spötter und zur Stärkung für Gläubige gewordenist. Es ist ein Buch, das sich inhaltlich zunächst an über­zeugte Christen wendet und darum vom Voka­bular her dem Glauben Fernstehende nicht ohne weiteres erreicht. Trotzdem eignet es sich als Gesprächsgrundlage für Hauskreise, wo es eine Brücke darstellen kann zur gegenwärtigen „braunen Gefahr“ in unserem Land. Es be­leuchtet anschaulich die Hintergründe eines Regimes, das leider bis heute seine Anhänger hat.

Konrad Brandt, em 2000-4.

Zimmerling, Peter. Die charismatischen Bewegungen: Theologie – Spiritualität – Anstöße zum Gespräch. Vandenhoeck & Ruprecht: Göttingen, 2001.

Eine Habilitationsschrift eines deutschen lutherischen Landeskirchlers, der in der evangelikalen Welt im weiteren Sinne beheimatet ist, und das zu einem der theologisch brisantesten Themenbereich der Gegenwart – das verspricht interessant zu werden. Zimmerling, längere Zeit als Pfarrer in Bensheim bei der Offensive Junger Christen tätig, kommt zwar immer wieder einmal auf die historische Entwicklung zu sprechen, will aber vor allem erheben, was den charismatischen Bewegungen – er spricht bewußt in der Mehrzahl – theologisch wichtig ist. Mit souveräner Quellenbeherrschung und gut lesbar stellt er jeweils das Anliegen der klassischen Pfingstbewegung, der charismatischen Bewegung innerhalb der bestehenden Kirchen (katholisch, evangelisch, freikirchlich) und der sog. Dritten Welle dar. Dabei bewegt ihn jedoch kein rein kirchengeschichtliches oder beschreibendes Interesse, sondern die kritische Würdigung. Unabhängig von den klassischen Streitfeldern der Thematik versucht er jeweils zu würdigen, welches Defizit der Kirchen die Charismatiker aufgezeigt oder gefüllt haben und wo ihre Stärken und ihre Schwächen liegen. Das tut er nicht pauschal, sondern für jedes Thema einzeln, so etwa zu Geistestaufe, Zungenrede, Prophetie, Heilung, Gottesdienst-gestaltung, Liedgut, Geistliche Kampfführung, innere Heilung, Gebetsbewegungen, Wohl-standsevangelium. Seine jeweiligen Empfeh-lungen an die Kirchen und an die Charismatiker sind sehr ausgewogen und sollten für das Gespräch – auch weltweit – beherzigt werden. Dabei wird besonders auch versucht, die jeweilige Kritik oder gar Warnung gründlich biblisch-exegetisch und besonders syste-matisch-theologisch zu begründen. Auch wenn der Autor vor allem die deutsche Situation im Blick hat und internationale Vertreter vor allem aufgrund ihres Einflusses dort in den Blick nimmt, gibt es derzeit meines Wissens keine vergleichbare Studie, die dem Missionar oder christlichen Weltbürger einen sachlichen Einblick in das theologische Anliegen der verschiedenen charismatischen Strömungen gibt und hilfreiche Anstöße für ein fruchtbares Gespräch vermittelt.

Ohne Namen, em 2002-2.

Zimmerling, Peter. Pioniere der Mission im älteren Pietismus. Gießen: Brunnen-Verlag, 1985 (Theologie und Dienst 47).

Auch angelsächsische Missionswissenschaft­ler (z.B. Kane, A Global View of Christian Missions, S.76.77), sprechen davon, daß die
ersten planvollen Unternehmungen der evangelischen Weltmission aus dem konti­nentaleuropäischen Pietismus hervorgegan­gen sind (S.15). Vor allem sind hier die Dänisch-Hallesche und die Herrnhuter Mis­sion zu nennen. Peter Zimmerling gibt in dem in der Reihe „Theologie und Dienst“ vorliegenden Band einen Abriß über Ent­stehung und Arbeitsweise dieser beiden miteinander verbundenen Missionsbewe­gungen.

Die Darstellung erschließt, wie die Dänisch-Hallesche Tranquebar-Mision „einen missi­onsmethodischen Maßstab setzte, der nicht mehr überboten wurde“ (S.19). So ist die Dänisch-Hallesche Mission sowohl was die sie tragenden Kreise als auch die Arbeit vor Ort betrifft, international (S.18.21.26 ff.) und in gewissem Sinne auch überkonfessio­nell (S.20.26 ff).

Ziel Ziegenbalgs war von Anfang an der Aufbau einer selbständigen einheimischen Kirche (S.21) mit einheimischen Mitarbei­tern (S.21). Diesem Ziel diente die Arbeit an der Bibelübersetzung (S.19), zu der die Erforschung der einheimischen Sprache not­wendig war, und der Aufbau von Bildungs­einrichtungen bis hin zum Seminar (S.21). Auch die Erforschung des religiösen und kulturellen Umfeldes nahm in der Arbeit Ziegenbalgs einen wichtigen Platz ein (S.20). In der Heimat wurde der Blick für die Verantwortung von Kirche und Gemeinde für die Mission geöffnet (Missionskollekten, Patenschaften, erste evangelische Missions­zeitschrift).

Hatte so die Dänisch-Hallesche Mission fast alle Defizite (S.8.9) der evangelischen Kir­chen auf dem Gebiet der Weltmission be­heben können, stand doch ein entscheiden­der Schritt noch aus, den Zimmerling bei der Darstellung der Herrnhuter Mission an­hand der Missionstheologie Zinzendorfs be­legt: Die Verantwortung der ganzen Ge­meinde für die Weltmission wieder aufzu­decken (S.33). Dabei war das Missionsziel Herrnhuts „im Grunde kein anderes als das Halles: Es ging darum, Heiden zu Jüngern Jesu zu machen“ (S. 34). Für die Herrnhuter Mission traten dabei die Menschen in den Mittelpunkt, „an die sich sonst niemand machen würde“ (S.36), in heutiger Terminologie: die „Unerreichten“ (S.40). Wich­tigste Missionsmittel sind die christozentri-sche Missionspredigt (S.39) und „Wandel und Gebet der Missionare“ (S.41).

So stellt die Herrnhuter Mission nicht nur wegen ihrer raschen weltweiten Ausdeh­nung (S. 42-44) Fragen an das Missions­engagement der heutigen evangelischen Christenheit in Deutschland. Leider kann Zimmerling wegen des beschränkten Umfangs viele Fragen nur kurz ansprechen. Überhaupt hätte man sich manche Darstel­lung und manches Zitat ausführlicher ge­wünscht. Die Kürze tut aber der Wirkung des Bandes als Anfrage und Motivation im Blick auf den gegenwärtigen missionstheo­logischen Aufbruch keinen Abbruch.

Klaus Wetzel, em 1988-2.

Zimmermann, Johannes (Hg.). Darf Bildung missionarisch sein? Beiträge zum Verhältnis von Bildung und Mis­sion (BEG-Beiträge zu Evangelisation und Gemeindeentwicklung, Bd. 16) Neu­kirchen-Vluyn: Neukirchener, 2010.

Die wissenschaftliche Buchreihe BEG wird vom Greifswalder Institut zur Erf­orschung von Evangelisation und Ge­meindeentwicklung verantwortet. Her­aus­geber des Sammelbandes ist der Pfarrer und praktische Theologe Jo­han­nes Zimmermann, der einführend den Kontext der Beiträge bespricht. Die An­liegen des EKD-Impulspapiers „Kirche der Freiheit“ sollen weitergeführt wer­den, indem man das Verhältnis von kirch­licher Erwachsenenbildung und mis­sionarischen Angeboten beleuchtet.

Der erste Teil des Bandes bietet Si­tua­tionsanalysen und praktische Ansätze. Heraus kommen ein kommunikations­orientiertes Bildungsmodell mit starkem Taufbezug (Christian Grethlein) und die Einordnung der evangelischen Er­wach­se­nenbildung als missionarische Vor­übung. Erwachsenenbildung könne nicht selbst missionarisch sein und sei auf die Kirche angewiesen (Rudolf Weth/ Reinhard Hempelmann). Michael Nüch­tern thematisiert kontroverse Anfragen an den Missionsbegriff: evangelische Er­wachsenenbildung könne aber unter be­stimmten Bedingungen eine Form des Missionarischen sein. Er kritisiert Eng­führungen bei Glaubenskursen und Bil­dungsangeboten gleichermaßen und zeigt Veränderungsmöglichkeiten auf.

Der zweite Teil beschäftigt sich mit den in vielen Kirchengemeinden beliebten Glaubenskursen und dem darin er­kenn­baren Verhältnis von Mission und Bil­dung. Burghard Krause gibt Eckdaten eines reformatorisch geprägten Bil­dungs­begriffs und postuliert den Weg zum Glau­ben als Bildungsaufgabe. Auch unter­sucht er Glaubenskurskonzepte an­hand etablierter Bildungsstandards. Da­nach geht es um Unterschiede von Bil­dungs- und Glaubensprozessen (Beate Hofmann) sowie um die Differenzierung einer „Hermeneutik der Vermittlung bzw. der Verständigung“. Die These ist, dass die Inszenierung des Glaubens von ei­nem liturgischen Rahmen abhängt. In­nerhalb von Bildungsangeboten sollte höchstens zur Auseinandersetzung mit dem Glauben eingeladen werden.

Michael Herbst fragt, ob Bildung mis­sio­nieren oder Mission bilden kann. Christliche Bildung erkennt er als Vor­stu­fe der Konversion. Der Autor reflek­tiert den neuzeitlichen Bildungsbegriff und kritisiert die Überschätzung mensch­licher Möglichkeiten angesichts der Sünde. Antje Rösener erklärt hingegen das Anliegen diverser Bildungsstandards und betont, dass verschiedene Milieus ver­schiedenartig angesprochen werden soll­ten. In einem zweiten Beitrag geht Herbst auf Kritik an Glaubenskursen ein und verteidigt ihre Ergebnisunsicherheit. Johannes Zimmermann erkennt in sei­nem Beitrag Konvergenzen von Bildung und Mission, sieht beides von der missio Dei her und verweist auf die per­for­mative Religionspädagogik. Zudem geht er auf die Intentionalität und Offenheit von Bildungsprozessen ein.

Der letzte Teil des Bandes erfasst er­gän­zende Perspektiven. Hartmut Rupp unter­sucht diverse Gemeindeentwick­lungs­konzepte und erarbeitet so Per­spek­tiven für eine missionarische (nicht missionierende) Bildungsarbeit. Danach fragt Jens Martin Sautter nach der „In­szenierung einer Antwort des Glaubens“ als allgemeinem Kritikpunkt an Glau­bens­kursen. Geistliche Geschehen sicht­bar zum Ausdruck zu bringen erkennt er als liturgische Herausforderung, was er mit der Ergebnisoffenheit von Bil­dungs­prozessen verbindet. Der letzte Beitrag (Anna-Konstanze Schröder) wählt einen re­ligionspsychologischen Ansatz und verknüpft Gedächtnis- mit Konversions­forschung. Auf Konversionserfahrungen hätten nicht die kirchlichen Bildungs­angebote den größten Einfluss, sondern die religiösen Vorerfahrungen des Ein­zel­nen.

Die Beiträge des Sammelbandes unter­scheiden sich in ihren Anliegen, der Les­barkeit und Qualität. Der Band klärt ins­gesamt über die Debatte innerhalb der EKD auf und zeigt Positionen von Bil­dungs- und Missionsvertretern. Positiv zu sehen ist der Versuch, Mission und Bildung ins Verhältnis zu setzen, was nicht immer ganz gelingt. Teilweise werden Thesen geliefert, deren Axiome nur unzureichend erörtert werden. Bei­spielsweise findet sich eine differen­zier­tere Reflexion des Bildungsbegriffs nur bei dem Theologen Herbst, nicht bei den Pädagogen. Wer die Beiträge aus einer freikirchlichen Perspektive liest, wird sich möglicherweise über die dar­ge­leg­ten Tauf- und Missionsverständnisse wun­dern. Der Band ist größtenteils für die Arbeit in landeskirchlichen Struk­turen geschrieben, manche Ansätze überzeugen jedoch auch für die ge­meindliche Praxis außerhalb der EKD. Die Inhalte weisen auf Grundsätzliches hin und fordern zu einer notwendigen pädagogischen Reflexion heraus, die bei manchen Missionsstrategien zu kurz kommt. Der Band ist insofern le­sens­wert, als dass Fragen über das Wesen von Mission und Bildung in den ge­sell­schaftlichen Kontext der Postmoderne ge­stellt werden. Dies lädt zum Weiter­denken ein und macht den Bedarf an weitergehender Forschung deutlich. Ver­antwortliche im missionarischen und pädagogischen Bereich werden hier also zahlreiche Denkanstöße finden.

Daniel Vullriede, em 2011-4.

Zirker, Hans. Der Koran. Zugänge und Les­arten. Primus Verlag: Darmstadt, 1999.

Hans Zirker ist Professor für katholische Fun­damentaltheologie an der Gesamthochschule Essen und legt hier ein weiteres Buch zum Thema „Islam“ vor. Er versteht es, in fünf Ka­piteln sowohl Nichtfachleute in das nicht leicht durchschaubare Ausgangswissen zum Thema „Koran“ einzuführen, als auch Insidern einiges Lesenswerte und interessante Betrach­tungsweisen des Themas zu vermitteln.

Hervorzuheben ist zum einen Zirkers Bemühen, den Koran selbst in vielen Selbstzeugnis­sen zu Wort kommen zu lassen, als auch sein Ansatz, die orthodoxe muslimi­sche Position der nichtmuslimischen Betrach­tungsweise gegenüberzustellen, anstatt sofort Darstellung und (Be)Wertung zu vermischen. Auf diese Weise wird der unterschiedliche Blickwinkel von Muslimen und Christen in Bezug auf die Beurteilung des Korans gut deutlich: Wenn es z. B. um die Beurteilung der christlichen Überlieferung geht, so ist für Mus­lime der Is­lam die einzig wahre Offenbarung, die von Adam an be­stand und abschließend verkündet wurde und daher das, was der Koran über das Christentum sagt, ultimativ und nicht zu hinterfragen. Christen können dagegen mit dieser verkürzenden und engfüh­renden Dar­stellung ihres Glaubens natürlich nicht zufrie­den sein.

Zirker untersucht vor allem das muslimi­sche, kontrastierend dazu aber auch das christ­liche Selbstverständnis ihrer jeweiligen Offen­barungsschrift, ihrer beider Struktur, Aufbau und Inhalt. Der Autor zeigt auf diese Weise Grundlinien zum Verständnis des Korans auf, für die besonders der dankbar sein wird, der bereits ohne umfangreiche Kenntnis der frühisla­mischen Geschichte, Personen und theologischen Fachtermini versucht hat, den Koran einmal am Stück zu lesen und zu verste­hen. Viele übergreifende Aussagen vermitteln Ein­sichten in die koranische Theologie: „Am häufigsten bitten die Gebete des Koran um Ver­gebung angesichts der eigenen Verfehlung“ (86), „Der Koran kennt nicht wie die neute­stamentliche Bergpredigt das Gebot der Fein­desliebe“ (146), oder „Für den Koran ist es nicht denkbar, daß sich die gläubigen Men­schen klagend oder gar anklagend gegen Gott wenden, wie es in biblischen Zeugnissen der Fall ist“ (165).

Und schließlich verhehlt Zirker auch nicht, daß für ihn am Ende eine Reihe Fragen an den Koran offen bleiben: Nirgends erhält der mus­limische Theologe (geschweige denn, der ‘einfache’ muslimische Gläubige) klare Anwei­sung, welche Koranverse durch die Abroga­tion (Auffassung, daß bestimmte Koranverse durch andere ungültig wurden) „aufgehoben“, also heute nicht mehr gültig sind und welche Verse andere Verse „aufheben“. Auch die Tatsache, daß viele Anweisungen des Korans ohne um­fangreiches extra-ko­ranisches Hin­tergrundwis­sen nicht zu verstehen sind, ist eine Anfrage an den alleinigen und historisch um­fassenden Wahrheits- und Allgemeingültig­keitsanspru­ches des Korans.

Ein aufschlußreiches Buch zum Koran also, das dem Leser hilft, Strukturen und Schneisen im koranisch-muslimischen theologischen Denken zu finden.

Dr. Christine Schirrmacher, em 2000-4.